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- 20 Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 27 EStG 1988)
- 20.2 Steuerpflichtige Kapitaleinkünfte
- 20.2.2 Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen
20.2.2.5 Wegzug
20.2.2.5.1 Allgemeines
Der Tatbestand des Wegzugs hat Vorrang gegenüber dem Tatbestand der Depotentnahme.
Als Veräußerung im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 gelten auch Umstände, die zum Verlust des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Staaten hinsichtlich eines Wirtschaftsgutes im Sinne des Abs. 3 oder eines Derivates im Sinne des Abs. 4 führen (§ 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988). Anders als bei der Vorgängerbestimmung des § 31 EStG 1988 idF vor dem BBG 2011 sind nicht nur wesentliche Beteiligungen (mindestens 1%) an Körperschaften erfasst, sondern sämtliche Wirtschaftsgüter und Rechtspositionen, die zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen iSd § 27 EStG 1988 geeignet sind. Dem Grunde nach gehören dazu insbesondere Aktien, GmbH-Anteile, Anteile an Kapitalanlage- undKapitalanlagefonds, § 40 Immobilienfonds,oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegende Gebilde, Optionen, Termingeschäfte, stille Beteiligungen, Darlehen und Schuldverschreibungen.
Die Veräußerungsfiktion greift daher immer dann, wenn durch Umstände, welcher Art auch immer, irgendeine Besteuerungsmöglichkeit hinsichtlich eines Wirtschaftsgutes oder Derivates iSd § 27 Abs. 3 oder 4 EStG 1988 verloren geht. Maßgeblich sind somit nicht nur die Veräußerung selbst, sondern jegliche von den Grundtatbeständen erfassten Realisierungsvorgänge, wie etwa die Liquidation, der Differenzausgleich oder die sonstige Abschichtung. Geht somit hinsichtlich eines der steuerpflichtigen Realisierungsvorgänge das Besteuerungsrecht der Republik Österreich verloren, gelten die Umstände, die zum Verlust geführt haben, als Veräußerung und lösen somit die Steuerpflicht aus. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn hinsichtlich eines einzelnen Wirtschaftsgutes oder Derivates iSd § 27 Abs. 3 oder 4 EStG 1988 für bestimmte Realisierungsvorgänge das Besteuerungsrecht nicht verloren geht, für andere Realisierungsvorgänge hingegen schon.
Ein Verlust des Besteuerungsrechtes tritt auch dann ein, wenn das Besteuerungsrecht zwar dem Grunde nach aufrecht vorhanden ist, allerdings der Höhe nach eingeschränkt wird.
Umstände, die zum Verlust des Besteuerungsrechtes führen können, sind ua. die Wohnsitzverlegung in das Ausland, die unentgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern und Derivaten an einen Steuerausländer oder die Übertragung auf eine ausländische Stiftung, wenn in allen diesen Fällen das Besteuerungsrecht Österreichs auf Grund des EStG 1988 oder durch ein DBA an zukünftigen Realisierungsüberschüssen verloren geht.
Im Folgenden wird der Ausdruck "Wegzug" stellvertretend für alle möglichen Umstände, in denen das Besteuerungsrecht der Republik Österreich verloren geht, verwendet. Eine aktive Handlung des Steuerpflichtigen ist nicht erforderlich. Auch der Tod des Steuerpflichtigen oder der Abschluss bzw. die Änderung eines DBA kann einen Umstand iSd § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 darstellen.
Die Steuerpflicht tritt auch dann ein, wenn zwar der inländische Wohnsitz und demzufolge auch die unbeschränkte Steuerpflicht beibehalten wird, aber wegen der Verlegung des Mittelpunktes der Lebensinteressen in einen anderen Staat der ausschließliche Besteuerungsanspruch an späteren Wertsteigerungen durch das Abkommen dem anderen Staat übertragen wird.
Bei Wegzug in einen Staat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit dem eine umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe besteht, ist vorgesehen, dass die anlässlich des Wegzugs entstandene Steuerschuld auf Antrag nicht festzusetzen ist.
Art. 13 Abs. 4 des DBA-Schweiz (Revisionsprotokoll) sieht hinsichtlich in- und ausländischer Gesellschaftsbeteiligungen im Fall des tatsächlichen Wegzugs (Wohnsitzverlegung) in den anderen Vertragsstaat zeitlich unbeschränkt die Beibehaltung des Besteuerungsrechtes des bisherigen Ansässigkeitsstaates im Fall der Veräußerung vor, wobei sichergestellt wird, dass die bis zum Wegzug angewachsenen stillen Reserven im Wegzugsstaat steuerhängig bleiben. Art. 13 Abs. 4 des revidierten Abkommens enthält das abkommensrechtliche Verbot einer Besteuerung lediglich aus Anlass des Wegzuges; dieses Verbot steht einer bloßen Ermittlung der Steuerschuld aus Anlass des Wegzugs nicht entgegen. Das bedeutet für die Anwendbarkeit von § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988:
Bei einer Beteiligung von mindestens 1% an einer österreichischen Körperschaft kommt § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 nicht zur Anwendung, da gemäß § 98 Abs. 1 Z 5 lit. e EStG 1988 nach dem Wegzug beschränkte Steuerpflicht besteht und diese durch das DBA-Schweiz nicht eingeschränkt wird.
Bei einer Beteiligung an einer ausländischen Körperschaft kommt § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b EStG 1988 zur Anwendung, da bereits nach innerstaatlichem Recht nach dem Wegzug keine Steuerpflicht mehr besteht. Das im DBA-Schweiz enthaltene Verbot einer Besteuerung lediglich aus Anlass des Wegzugs hindert Österreich aber daran, die Steuerschuld im Jahr des Wegzugs festzusetzen; es kommt damit faktisch zu einem Besteuerungsaufschub, der § 27 Abs. 6 Z 1 lit. b 2. Satz EStG 1988 entspricht. Es bestehen daher keine Bedenken, die in Abschnitt 20.2.2.5.9 vorgesehenen Regelungen auf diesen Fall entsprechend anzuwenden.
Auf sonstige Wirtschaftsgüter und Derivate iSd § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 und auf andere Umstände (andere als der Ansässigkeitswechsel), die zum Verlust des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich im Verhältnis zur Schweiz führen können (zB eine unentgeltliche Übertragung an eine in der Schweiz ansässige Person), kommen die speziellen abkommensrechtlichen Bestimmungen hingegen nicht zur Anwendung.