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Document 61990CJ0354

Urteil des Gerichtshofes vom 21. November 1991.
Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires und Syndicat national des négociants et transformateurs de saumon gegen Französische Republik.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Conseil d'Etat - Frankreich.
Staatliche Beihilfe - Auslegung von Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag - Verbot der Durchführung der beabsichtigten Maßnahmen.
Rechtssache C-354/90.

European Court Reports 1991 I-05505

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1991:440

SITZUNGSBERICHT

in der Rechtssache C-354/90 ( *1 )

I — Sachverhalt und Verfahren

1.

Im Verlauf einer Untersuchung, die im Rahmen eines Verfahrens gemäß Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag wegen Maßnahmen und Interventionen des Interventions- und Strukturfonds für die Märkte der Fischereierzeugnisse und Meereskulturen (nachfolgend : FIOM) auf dem Gebiet der Seefischerei durchgeführt wurde, forderte die Kommission die französischen Behörden im Juli 1984 auf, ihr die genaue Art und Weise der Erhebung der durch das Dekret Nr. 75-22 vom 13. Januar 1975 u. a. zugunsten des FIOM eingeführten parafiskalischen Abgabe mitzuteilen und dabei namentlich zwischen der Abgabenerhebung bei angelandeten und derjenigen bei importierten Produkten zu unterscheiden. Nachdem die französischen Behörden der Kommission ihre Antwort übermittelt hatten, unterrichteten sie sie im Dezember 1984 über die Vorbereitung eines neuen Dekrets zur Einführung parafiskalischer Abgaben zugunsten des FIOM. Insbesondere teilten sie mit, daß die Ausgabensätze für in Frankreich angelandete oder dorthin eingeführte Produkte für ausländische Fischereifahrzeuge niedriger seien als die auf die französische Produktion angewandten. Dieses neue Dekret wurde im Journal officiel de L République française vom 12. Januar 1985 veröffentlicht (Dekret Nr. 84-1297 vom 31. Dezember 1984).

Aufgrund von Zweifeln, die die Kommission an der Vereinbarkeit dieser Abgabe mit dem EWG-Vertrag äußerte, machte die französische Regierung weitere Angaben und übermittelte den Wortlaut der Dekrete sowie derjenigen des Arrêté interministériel [interministerielle Verordnung] vom 15. April 1985 zur Festlegung der Höhe der parafiskalischen Abgaben (veröffentlicht im Journal officiel de la République française vom 20. April 1985). Im Oktober 1985 fällte die Kommission eine abschließende negative Entscheidung und beendete damit das 1982 eingeleitete Verfahren, soweit es die bei dem vorlegenden Gericht angefochtenen finanziellen Unterstützungen betraf.

2.

Am 21. Juni 1985 erhoben die Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires und das Syndicat national des négociants et transformateurs de saumon vor dem Conseil d'État der Französischen Republik Klagen, mit denen die Nichtigerklärung der interministeriellen Verordnung vom 15. April 1985 zur Durchführung des Dekrets Nr. 84-1297 vom 31. Dezember 1984 zur Einführung parafiskalischer Abgaben begehrt wird. Zur Begründung ihrer Klagen beriefen sie sich vor allem darauf, daß Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag verletzt worden sei.

3.

Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag lautet:

„Die Kommission wird von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig unterrichtet, daß sie sich dazu äußern kann. Ist sie der Auffassung, daß ein derartiges Vorhaben nach Artikel 92 mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist, so leitet sie unverzüglich das in Absatz 2 vorgesehene Verfahren ein. Der betreffende Mitgliedstaat darf die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission eine abschließende Entscheidung erlassen hat.“

4.

Da der Rechtsstreit nach Auffassung des Conseil d'État der Französischen Republik eine Frage nach der Auslegung des Artikels 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag aufwirft, hat dieses Gericht am 26. Oktober 1990 beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag die Frage vorzulegen,

ob Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 des Vertrags vom 25. März 1957 dahin auszulegen ist, daß er den Behörden der Mitgliedstaaten eine Verpflichtung auferlegt, deren Verletzung die Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung von Beihilfemaßnahmen beeinträchtigt, insbesondere wenn man den späteren Erlaß einer Entscheidung der Kommission berücksichtigt, mit der diese Maßnahmen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden.

5.

Die Entscheidung des Conseil d'État ist am 30. November 1990 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen worden.

6.

Gemäß Artikel 20 des Protokolls über die EWG-Satzung des Gerichtshofes haben schriftliche Erklärungen eingereicht:

die Regierung der Französischen Republik durch das Außenministerium, vertreten durch Jean-Pierre Puissochet und Géraud de Bergues, Bevollmächtigter bzw. stellvertretender Bevollmächtigter der Regierung,

die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Hauptrechtsberater Antonino Abate und Michel Nolin, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte.

7.

Der Gerichtshof hat auf Bericht des Berichterstatters nach Anhörung des Generalanwalts beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

II — Zusammenfassung der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen

8.

Nach Ansicht aer französischen Regierung beeinträchtigt die Verletzung der in Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag enthaltenen Verpflichtung durch einen Mitgliedstaat die Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung der geplanten Maßnahmen nicht.

9.

Zur Stützung dieses Vorbringens verweist sie auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteile vom 15. Juli 1964 in der Rechtssache 6/64, Costa, Slg. 1964, 1253; vom 19. Juni 1973 in der Rechtssache 77/72, Capolongo, Slg. 1973, 611; vom 11. Dezember 1973 in der Rechtssache 120/73, Lorenz, Slg. 1973, 1471; vom 22. März 1977 in der Rechtssache 78/76, Steinike und Weinlig, Slg. 1977, 595; und vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-301/87, Frankreich/Kommission, Slg. 1990, I-307), aus der sie folgert, daß Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag unmittelbar anwendbar sei, während die Artikel 92, 93 und 94 EWG-Vertrag im übrigen keine Rechte der einzelnen begründeten, sofern keine Entscheidung der Kommission (und auch keine Maßnahme des Rates aufgrund von Artikel 94) ergangen sei. Die Durchführung der Entscheidung der Kommission, mit der die fragliche Maßnahme für vereinbar oder unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt werde, könne vor den nationalen Gerichten begehrt werden. Aus dieser Rechtsprechung des Gerichtshofes ergebe sich, daß die nationalen Gerichte gehalten seien, über die Einhaltung des in Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag enthaltenen Verbots zu wachen, bis ein Beschluß der Kommission ergangen sei. Sobald die Kommission eine Entscheidung getroffen habe, könnten die Gerichte nur noch diese anwenden.

10.

Unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofes vom 2. Juli 1974 in der Rechtssache 173/73 (Italien/Kommission, Slg. 1974, 709) macht die französische Regierung geltend, daß die Kommission offenbar niemals die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem EWG-Vertrag allein wegen Verstoßes gegen Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag ausgesprochen habe. Die Praxis der Kommission bestätige im übrigen diese Annahme. Ebensowenig brauche die Kommission die Rückerstattung der unter Verletzung des in Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag enthaltenen Verbots bereits ausgezahlten Beihilfe zu fordern, selbst wenn sich die betreffende Regelung schließlich als mit dem Vertrag unvereinbar erweise (Urteil vom 15. November 1983 in der Rechtssache 52/83, Kommission/Frankreich, Slg. 1983, 3707).

11.

Die von der Kommission vertretene These, nicht angemeldete Beihilfen seien per se rechtswidrig, habe der Gerichtshof in seinem Urteil vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-301/87 (Frankreich/Kommission, a. a. O.) nicht übernommen. Aus diesem Urteil ergebe sich namentlich, daß die Kommission zur Sachprüfung der Vereinbarkeit einer durch einen Staat eingeführten Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt verpflichtet sei, auch wenn dieser das in Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 enthaltene Verbot mißachtet habe. Die Kommission könne deshalb eine Beihilfe nicht allein wegen einer Verletzung dieser Bestimmung für mit dem EWG-Vertrag unvereinbar erklären. Sie könne dem betreffenden Mitgliedstaat jedoch aufgeben, die Zahlung der streitigen Beihilfe bis zum Abschluß ihrer Überprüfung einzustellen. Wenn der betreffende Staat dem nicht nachkomme, könne die Kommission bei gleichzeitiger Fortsetzung ihrer Sachprüfung der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt den Gerichtshof unmittelbar anrufen, um die Vertragsverletzung feststellen zu lassen. Aus dieser Klarstellung des Gerichtshofes folge, daß ein nationales Gericht eine Entscheidung eines Mitgliedstaats über die Gewährung einer Beihilfe nicht allein aufgrund der Verletzung der Verfahrensvorschriften des Artikels 93 aufheben könne. Im Fall einer solchen Verletzung bleibe nämlich die Verpflichtung der Kommission zur Sachprüfung der Beihilfe zum Zweck der Feststellung ihrer Vereinbarkeit mit dem EWG-Vertrag bestehen. Der Regierungskommissar Fouquet habe vor dem französischen Conseil d'État erklärt: „Ich sehe nicht ein, warum ein nationales Gericht einem Mitgliedstaat im Fall von Beihilfen, die für mit dem EWG-Vertrag vereinbar erklärt wurden, eine Gültigkeitsvoraussetzung auferlegen sollte, obwohl der Gerichtshof deren Anwendung trotz des Ersuchens der Kommission verweigert hat.“

12.

Infolgedessen schlägt die französische Regierung dem Gerichtshof vor, die vom französischen Conseil d'État gestellte Vorlagefrage dahin zu beantworten, daß Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag so ausgelegt werden müsse, daß er den Mitgliedstaaten keine Verpflichtung auferlege, deren Verletzung für sich genommen die Gültigkeit der innerstaatlichen Entscheidungen zur Durchführung der Beihilfen beeinträchtige.

13.

Die Kommission ist der Auffassung, daß die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage einer Antwort bedürfe, die die unmittelbare Wirkung des Artikels 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag erhalte und stärke. Ohne diese unmittelbare Wirkung und die damit verbundenen Folgen für die Behörden, die nationalen Gerichte und die Privatpersonen habe die Kommission kaum die Möglichkeit, den von einigen Mitgliedstaaten häufig angewandten rechtswidrigen Praktiken zu begegnen. Die Berechtigung des Verbots des Artikels 93 Absatz 3 Satz 3 und der sich daraus für die Mitgliedstaaten ergebenden unbedingten Verpflichtung folge aus dem Aufbau des Artikels 92 und vor allem aus der dort der Kommission übertragenen ausschließlichen Zuständigkeit. Artikel 92 Absatz 1 enthalte ein grundsätzliches Verbot von Beihilfen, dem diese nur aufgrund einer Prüfung durch die Kommission und bei Vereinbarkeit mit den Ausnahmebestimmungen der Artikel 92 Absätze 2 und 3 EWG-Vertrag entgehen könnten. Mangels einer ausdrücklichen Ermächtigung durch die Kommission seien die Beihilfen untersagt. Das Verbot des Artikels 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag bilde nur das Spiegelbild des Verbots in Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag und verleihe diesem einen tatsächlichen Gehalt und praktische Wirksamkeit. Die zwingende, absolute und unbedingte Natur des Verbots in Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag ergebe sich aus dessen Wortlaut, der keinen Raum für Ausnahmen lasse, und dem Zweck, dem er bei der Erfüllung der Ziele der Artikel 92 und 93 EWG-Vertrag diene. Zur Stützung ihrer Ansicht zitiert die Kommission Teile der Schlußanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-301/87 (Frankreich/Kommission, a. a. O.).

Die Kommission beruft sich darauf, daß sie im institutionellen Rahmen der Gemeinschaft für Beihilfen ausschließlich zuständig sei. Ohne ihre Einwilligung vorgenommene innerstaatliche Handlungen zur Durchführung von Beihilfemaßnahmen entbehrten der rechtlichen Grundlage, da die erlassende Behörde hierfür unzuständig sei. Eine Gesamtbetrachtung der Artikel 92 Absatz 2 und 93 Absatz 3 EWG-Vertrag bestätige die These, daß die Mitgliedstaaten keine Kompetenz zur Gewährung von Beihilfen in Abweichung vom institutionellen Rahmen der Gemeinschaft besäßen. Daraus ergebe sich, daß bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt gemäß Artikel 92 Absatz 1 zumindest für den einer eventuellen Entscheidung über die Vereinbarkeit der Beihilfe vorausgehenden Zeitraum eine mögliche Verletzung des Verbots des Artikels 93 Absatz 3 Satz 3 nicht unberücksichtigt gelassen werden könne. Die Verletzung dieses Verbots führe notwendigerweise zur Unvereinbarkeit der Beihilfe, ohne daß die Kommission oder der Gerichtshof diesen Mangel nachträglich heilen könnten, denn der Begriff des Gemeinsamen Marktes habe allgemeine Geltung und umfasse sämtliche Vorschriften des EWG-Vertrags und des daraus abgeleiteten Rechts. Eine Beihilfe könne nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sein, soweit sie gegen andere Vertragsbestimmungen als Artikel 92 verstoße. Die Beachtung von Artikel 93 Absatz 3 sei ebenso geboten wie die anderer Vertragsbestimmungen mit unmittelbarer Wirkung. Dabei seien der Aufbau und die Zielsetzung des Artikels 93 und insbesondere die Rolle, die Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 bei der Sicherstellung des ordnungsgemäßen Funktionierens des Gemeinsamen Marktes spiele, zu berücksichtigen (siehe die genannten Urteile vom 2. Juli 1974 in der Rechtssache 173/73, Italien/Kommission; vom 22. März 1977 in der Rechtssache 78/76, Steinike und Weinlig; sowie das Urteil vom 9. Oktober 1984 in den verbundenen Rechtssachen 91/83 und 127/83, Heineken, Slg. 1984, 3435).

14.

Um den Verstößen der Mitgliedstaaten gegen Artikel 93 Absatz 3 begegnen zu können, müsse diese Vorschrift mit Blick auf ihre praktische Wirksamkeit ausgelegt werden. Die Rechtssicherheit und die Einheitlichkeit der Anwendung des EWG-Vertrags müßten namentlich dadurch sichergestellt werden, daß die Möglichkeit zur Anrufung eines nationalen Gerichts bestehe, das den Begriff der Beihilfe auslegen könne, um zu bestimmen, ob eine ohne Beachtung des in Artikel 93 Absatz 3 vorgesehenen Vorprüfungsverfahrens eingeführte staatliche Maßnahme diesem Verfahren hätte unterworfen werden müssen (Urteil vom 22. März 1977 in der Rechtssache 78/76, Steinike und Weinlig, a. a. O.)

Die Kommission möchte insbesondere betonen, daß ihrer Ansicht nach die Zuständigkeit der nationalen Gerichte zu erhalten oder sogar zu stärken sei. Sie bildeten eine der besten Umsetzungen des Konzepts der Subsidiarität und den zweiten Pfeiler, auf dem das System der Kontrolle der Beihilfen beruhe. Im übrigen sei es diesen Gerichten unmöglich, die Rückerstattung einer illegal gewährten Beihilfe sicherzustellen, wenn sie ihre Beurteilung nicht auf die Verletzung einer zwingenden und unbedingten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, nämlich der aus Artikel 93 Absatz 3 Satz 3, stützen könnten. Die Unternehmen, die infolge der Verletzung des Verbots des Artikels 93 Absatz 3 Satz 3 durch einen Mitgliedstaat einen Nachteil erlitten hätten, müßten von einem möglichst umfassenden Rechtsschutz Gebrauch machen können, der die Rückerstattung von den Konkurrenzunternehmen zu Unrecht gewährten Beihilfen und mögliche Schadensersatz- und Zinsforderungen einschließe.

Die Kommission müsse auch ihrerseits die Rechtswidrigkeit einer Beihilfe wegen Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 Satz 3 feststellen können. Sie könne dann in bestimmten Fällen und unter bestimmten Bedingungen auf diese Möglichkeit zurückgreifen, um zum Beispiel der rechtswidrigen Gewährung individueller Beihilfen — d. h. solcher Beihilfen, bei denen die im Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-301/87 (Frankreich/Kommission, a. a. O.) genannten Eilmaßnahmen nicht anwendbar sein dürften, da dieses Urteil sich im wesentlichen auf Beihilfesysteme beziehe — entgegenzutreten.

15.

Die unmittelbare Wirkung sei eine untrennbare, eigentümliche Gegebenheit und eine ursprüngliche Eigenschaft, die bestimmte rechtliche Vorschriften im Vergleich zu anderen kennzeichne. In der Rechtsprechung des Gerichtshofes werde schon von Anfang an auf diese unmittelbare Wirkung als wesentlichen Bestandteil einer Norm hingewiesen.

Die einschlägige Rechtsprechung zur unmittelbaren Wirkung des Artikels 93 Absatz 3 EWG-Vertrag finde sich in den genannten Urteilen vom 15. Juli 1964, Costa; vom 19. Juni 1973, Capolongo; vom 11. Dezember 1973, Lorenz; sowie in den Urteilen vom 11. Dezember 1973 in der Rechtssache 121/73 (Markmann, Slg. 1973, 1495); vom 11. Dezember 1973 in der Rechtssache 141/73 (Lohrey, Slg. 1973, 1527); und dem vorgenannten Urteil vom 22. März 1977, Steinike und Weinlig. Angesichts der zwingenden und unaufhebbaren Natur der unmittelbaren Wirkung besitze die Kommission keine Befugnis, die Reichweite des Artikels 93 Absatz 3 EWG-Vertrag zu verändern. Die Entscheidung der Kommission vom 9. Oktober 1985 aufgrund von Artikel 93 Absatz 2 könne daher niemals die Reichweite des Verbots des Artikels 93 Absatz 3 beeinflussen und noch weniger dem Umfang des Beurteilungsspielraums der nationalen Gerichte begrenzen.

16.

Wenn die unbedingte Verpflichtung zur Beachtung des Verbots des Artikels 93 Absatz 3 Satz 3 und der damit verbundenen unmittelbaren Wirkung einmal festgelegt sei, könne eine Entscheidung der Kommission, die die rechtswidrig gewährten Beihilfen genehmige, die durch den EWG-Vertrag geschaffene Rechtslage nicht verändern und die Zuständigkeit der nationalen Gerichte nicht beeinträchtigen. Die Entscheidung der Kommission könne keine Rückwirkung haben und den festgestellten Verstoß niemals nachträglich heilen. Sollte ein nationales Gericht die Rechtswidrigkeit von Beihilfen und die Pflicht zur Rückerstattung feststellen, könne sich der betreffende Mitgliedstaat deshalb gezwungen sehen, sich der gerichtlichen Entscheidung zu beugen.

Die Kommission sei sich der Gefahr der Aufhebung der staatlichen Beihilfemaßnahmen durch die zuständigen Gerichte wegen einer Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 EWG-Vertrag bewußt. Infolgedessen sei es denkbar, daß die Kommission eine Beihilfe oder vielmehr die Beibehaltung einer mit dem Gemeinsamen Markt inhaltlich vereinbaren Beihilfe genehmige, obwohl diese wegen einer Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 rechtswidrig sei und dieser Mangel nicht behoben werden könne. Es handele sich um eine bestimmte Vorgehensweise und nicht um einen rechtlich fundierten Standpunkt. Diese Vorgehensweise solle den verwaltungstechnischen Anforderungen der Kommission Rechnung tragen und sei insbesondere vom Grundsatz der Verfahrensökonomie beeinflußt. Ihr Ziel bestehe darin, die Aufeinanderfolge zweier Verfahren zur Erreichung des gleichen Ergebnisses zu vermeiden. Eine solche Vorgehensweise könne folgendermaßen aussehen: Wenn ein Mitgliedstaat eine abschließende negative Entscheidung wegen Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 erhalte, müsse er Maßnahmen zur Rückerstattung der rechtswidrigen Beihilfe ergreifen und gegebenenfalls gleichzeitig — wenn er dies wolle — bei der Kommission ein mit dem nicht genehmigten identisches Beihilfevorhaben anmelden. Da dieses neue Vorhaben mit dem Gemeinsamen Markt inhaltlich vereinbar sei, müsse die Kommission es relativ schnell — zum Beispiel innerhalb von zwei Monaten — genehmigen. Die eingeleiteten Rückerstattungsmaßnahmen würden somit gegenstandslos, da das betreffende Unternehmen die (rechtswidrige) Beihilfe im Wege der Kompensation mit der mit dem Gemeinsamen Markt vereinbaren und in der Folge von der Kommission genehmigten Beihilfe behalten könne.

17.

Die Kommission schlägt dem Gerichtshof vor, dem französischen Conseil d'État wie folgt zu antworten:

1)

Das in Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag enthaltene Verbot erlegt den Mitgliedstaaten eine unbedingte Verpflichtung auf, deren Verletzung die Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung von Beihilfemaßnahmen beeinträchtigt.

2)

Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag besitzt unmittelbare Wirkung und begründet Rechte der einzelnen, die von den nationalen Gerichten zu beachten sind.

3)

Eine abschließende positive Entscheidung der Kommission gemäß Artikel 93 Absätze 2 oder 3 EWG-Vertrag kann keine Rückwirkung haben und infolgedessen Mängel, die die Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung von Beihilfemaßnahmen beeinträchtigen, nicht heilen.

G. F. Mancini

Berichterstatter


( *1 ) Verfahrenssprache: Franzosisch.

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URTEIL DES GERICHTSHOFES

21. November 1991 ( *1 )

In der Rechtssache C-354/90

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 1 77 EWG-Vertrag von dem französischen Conseil d'État in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires und Syndicat national des négociants et transformateurs de saumon

gegen

Französische Republik

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag

erläßt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten O. Due, der Kammerpräsidenten F. A. Schockweiler, F. Grévisse und P. J. G. Kapteyn, der Richter G. F. Mancini, C. N. Kakouris, J. C. Moitinho de Almeida, M. Diez de Velasco und M. Zuleeg,

Generalanwalt: F. G. Jacobs

Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

der französischen Regierung, vertreten durch Jean-Pierre Puissochet, Directeur des affaires juridiques im Außenministerium, als Bevollmächtigten, und Géraud de Bergues, Secrétaire adjoint principal im Außenministerium, als stellvertretenden Bevollmächtigten,

der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Hauptrechtsberater Antonino Abate und Michel Nolin, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der französischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Richard Plender, QC, als Bevollmächtigten, und der Kommission in der Sitzung vom 11. Juli 1991,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. Oktober 1991,

folgendes

Urteil

1

Der französische Conseil d'État hat mit Entscheidung vom 26. Oktober 1990, beim Gerichtshof eingegangen am 30. November 1990, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage zur Auslegung von Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2

Diese Frage stellt sich im Rahmen zweier Klagen, die von der Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires beziehungsweise dem Syndicat national des négociants et transformateurs de saumon erhoben wurden. Mit diesen Klagen wird die Nichtigerklärung des Arrêté interministériel [interministerielle Verordnung] vom 15. April 1985(Journal officiel de L République française vom 20. April 1985) zur Durchführung des Dekrets Nr. 84-1297 vom 31. Dezember 1984(Journal officiel de la République française vom 12. Januar 1985) zur Einführung parafiskalischer Abgaben zugunsten des Comité central des pêches maritimes [Zentralausschuß für die Seefischerei], der örtlichen Seefischereiausschüsse und des Institut français de recherche pour l'exploitation de la mer [Französisches Forschungsinstitut für die Meeresnutzung] beantragt.

3

Aus den Akten ergibt sich, daß die Kommission der Europäischen Gemeinschaften den französischen Behörden im Jahre 1982 ihre Absicht mitteilte, wegen Maßnahmen und Interventionen des Fonds d'intervention et d'organisation des marchés des produits de la pêche maritime et des cultures marines [Interventions- und Strukturfonds für die Märkte der Fischereierzeugnisse und Meereskulturen; nachfolgend: FIOM] auf dem Gebiet der Seefischerei ein Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag einzuleiten. Im Anschluß an eine erste Prüfung der von den französischen Behörden übermittelten Informationen beschloß die Kommission am 27. Juli 1984, das Verfahren zu eröffnen, und setzte der französischen Regierung eine Frist zur Äußerung über die näheren Einzelheiten der Erhebung der namentlich zugunsten des FIOM eingeführten parafiskalischen Abgabe. Die französischen Behörden übermittelten der Kommission im September und im Dezember 1984 ihre Antwort und teilten gleichzeitig mit, daß sie ein neues Dekret zur Einführung parafiskalischer Abgaben zugunsten des FIOM vorbereiteten. Dieses Dekret wurde am 31. Dezember 1984 verabschiedet. Die interministerielle Verordnung zur Festlegung der Höhe dieser Abgaben wurde am 15. April 1985 erlassen. Mit Schreiben vom 25. Oktober 1985 teilte die Kommission ihre Entscheidung mit, das 1982 eingeleitete Verfahren außer wegen bestimmter Aspekte der Aktivitäten des FIOM, die nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem vorlegenden Gericht sind, abzuschließen.

4

Die Kläger des Ausgangsverfahrens fochten die Gültigkeit der interministeriellen Verordnung vom 15. April 1985 vor allem mit der Begründung an, die französischen Behörden hätten Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag verletzt.

5

Da die Entscheidung des Rechtsstreits nach Auffassung des französischen Conseil d'État von der Auslegung dieser Vorschrift abhängt, hat dieses Gericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen,

ob Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 des Vertrags vom 25. März 1957 dahin auszulegen ist, daß er den Behörden der Mitgliedstaaten eine Verpflichtung auferlegt, deren Verletzung die Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung von Beihilfemaßnahmen beeinträchtigt, insbesondere wenn man den späteren Erlaß einer Entscheidung der Kommission berücksichtigt, mit der diese Maßnahmen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden.

6

Wegen weiterer Einzelheiten des rechtlichen Rahmens und des Inhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs sowie der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

7

Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag hat folgenden Wortlaut:

„Die Kommission wird von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig unterrichtet, daß sie sich dazu äußern kann. Ist sie der Auffassung, daß ein derartiges Vorhaben nach Artikel 92 mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist, so leitet sie unverzüglich das in Absatz 2 vorgesehene Verfahren ein. Der betreffende Mitgliedstaat darf die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission eine abschließende Entscheidung erlassen hat.“

8

Die Bedeutung dieses Absatzes ergibt sich daraus, daß die Durchführung des Systems der Kontrolle staatlicher Beihilfen nach Artikel 93 EWG-Vertrag und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofes teils der Kommission, teils den nationalen Gerichten obliegt.

9

Zur Rolle der Kommission hat der Gerichtshof im Urteil vom 22. März 1977 in der Rechtssache 78/76 (Steinike und Weinlig, Slg. 1977, 595, Randnr. 9) entschieden, daß Artikel 93 EWG-Vertrag der Kommission die fortlaufende Überprüfung der Beihilfen übertragen hat und somit davon ausgeht, daß die Feststellung der Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt in einem geeigneten Verfahren zu erfolgen hat, dessen Durchführung vorbehaltlich der Kontrolle durch den Gerichtshof Sache der Kommission ist.

10

Zur Rolle der nationalen Gerichte hat der Gerichtshof im selben Urteil festgestellt, daß sie mit Streitigkeiten befaßt werden können, in deren Rahmen sie den in Artikel 92 enthaltenen Begriff der Beihilfe auslegen und anwenden müssen, um zu bestimmen, ob eine ohne Beachtung des in Artikel 93 Absatz 3 vorgesehenen Vorprüfungsverfahrens eingeführte staatliche Maßnahme diesem Verfahren hätte unterworfen werden müssen.

11

Das Einschreiten der nationalen Gerichte ist auf die dem Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag zuerkannte unmittelbare Wirkung zurückzuführen. Hierzu hat der Gerichtshof im Urteil vom 11. Dezember 1973 in der Rechtssache 120/73 (Lorenz, Slg. 1973, 1471) dargelegt, daß die unmittelbare Anwendbarkeit des in diesem Artikel enthaltenen Durchführungsverbots jede Beihilfemaßnahme betrifft, die durchgeführt wird, ohne daß sie angezeigt ist, oder die im Falle der Anzeige während der Vorprüfungsphase oder — falls die Kommission ein förmliches Verfahren einleitet — vor Erlaß der abschließenden Entscheidung durchgeführt wird.

12

Nach alledem beeinträchtigt die Verletzung von Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag durch die nationalen Behörden die Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung von Beihilfemaßnahmen. Die nationalen Gerichte müssen daraus zugunsten der einzelnen, die sich auf eine solche Verletzung berufen können, entsprechend ihrem nationalen Recht sämtliche Folgerungen sowohl bezüglich der Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung der Beihilfemaßnahmen als auch bezüglich der Beitreibung der unter Verletzung dieser Bestimmung gewährten finanziellen Unterstützungen oder eventueller vorläufiger Maßnahmen ziehen.

13

Zwar hat der Gerichtshof in den Urteilen vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-301/87 (Frankreich/Kommission, Slg. 1990, I-307) und vom 21. März 1990 in der Rechtssache C-142/87 (Belgien/Kommission, Slg. 1990, I-959) der Kommission nicht die Befugnis eingeräumt, Beihilfen allein deshalb für rechtswidrig zu erklären, weil die Anmeldeverpflichtung nicht beachtet wurde, ohne daß sie prüfen müßte, ob die Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist. Diese Feststellung hat jedoch keine Auswirkungen auf die Verpflichtungen der nationalen Gerichte, die aus der unmittelbaren Wirkung des in Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag enthaltenen Verbots resultieren.

14

Wie bereits der Generalanwalt unter Nr. 24 seiner Schlußanträge festgestellt hat, unterscheidet sich die der Kommission durch die Artikel 92 und 93 EWG-Vertrag vorbehaltene zentrale und ausschließliche Rolle bei der Feststellung der etwaigen Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt grundlegend von derjenigen, die den nationalen Gerichten hinsichtlich des Schutzes der Rechte zukommt, die die einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des in Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag enthaltenen Verbots ziehen. Während die Kommission verpflichtet ist, die Vereinbarkeit der beabsichtigten Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt selbst dann zu prüfen, wenn der Mitgliedstaat das Verbot der Durchführung der Beihilfemaßnahmen verletzt, schützen die nationalen Gerichte nur bis zu einer abschließenden Entscheidung der Kommission die Rechte der einzelnen gegen eine mögliche Verletzung des in Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag enthaltenen Verbots durch die staatlichen Stellen. Wenn diese Gerichte insoweit eine Entscheidung treffen, äußern sie sich dabei nicht über die Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt, da für diese abschließende Einschätzung die Kommission — unter der Kontrolle des Gerichtshofes — ausschließlich zuständig ist.

15

Der zweite Teil der Frage des französischen Conseil d'État betrifft die möglichen Auswirkungen einer abschließenden Entscheidung der Kommission, mit der die Beihilfemaßnahmen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden, auf die Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung dieser Maßnahmen.

16

Die genannte abschließende Entscheidung der Kommission hat nicht die Heilung der unter Verstoß gegen das Verbot des Artikels 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag ergangenen und deshalb ungültigen Durchführungsmaßnahmen zur Folge, da sie andernfalls die unmittelbare Wirkung dieser Vorschrift beeinträchtigen und die Interessen der einzelnen, deren Wahrung, wie oben dargelegt, Aufgabe der nationalen Gerichte ist, verletzen würde. Jede andere Auslegung würde die Mißachtung von Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 durch den betreffenden Mitgliedstaat begünstigen und der Vorschrift ihre praktische Wirksamkeit nehmen.

17

Nach alledem ist auf die Frage des französischen Conseil d'État zu antworten, daß Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag den Behörden der Mitgliedstaaten eine Verpflichtung auferlegt, deren Verletzung die Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung von Beihilfemaßnahmen beeinträchtigt. Der spätere Erlaß einer abschließenden Entscheidung der Kommission, mit der diese Maßnahmen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden, hat nicht die Heilung der ungültigen Rechtsakte zur Folge.

Kosten

18

Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

 

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom französischen Conseil d'État mit Entscheidung vom 26. Oktober 1990 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

 

Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EWG-Vertrag erlegt den Behörden der Mitgliedstaaten eine Verpflichtung auf, deren Verletzung die Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung von Beihilfemaßnahmen beeinträchtigt. Der spätere Erlaß einer abschließenden Entscheidung der Kommission, mit der diese Maßnahmen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden, hat nicht die Heilung der ungültigen Rechtsakte zur Folge.

 

Due

Schockweiler

Grévisse

Kapteyn

Mancini

Kakouris

Moitinho de Almeida

Diez de Velasco

Zuleeg

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. November 1991.

Der Kanzler

J.-G. Giraud

Der Präsident

O. Due


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

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