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Document 61995CJ0258

Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 16. Oktober 1997.
Julius Fillibeck Söhne GmbH & Co. KG gegen Finanzamt Neustadt.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesfinanzhof - Deutschland.
Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Gegen Entgelt ausgeführte Dienstleistungen - Begriff - Beförderung von Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber.
Rechtssache C-258/95.

European Court Reports 1997 I-05577

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1997:491

61995J0258

Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 16. Oktober 1997. - Julius Fillibeck Söhne GmbH & Co. KG gegen Finanzamt Neustadt. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesfinanzhof - Deutschland. - Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Gegen Entgelt ausgeführte Dienstleistungen - Begriff - Beförderung von Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber. - Rechtssache C-258/95.

Sammlung der Rechtsprechung 1997 Seite I-05577


Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor

Schlüsselwörter


1 Steuerrecht - Harmonisierung - Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem - Dienstleistungen gegen Entgelt - Begriff - Unentgeltliche Beförderung von Arbeitnehmern zur Arbeitsstätte durch den Arbeitgeber ohne konkrete Verknüpfung mit der Arbeitsleistung oder dem Lohn - Ausschluß

(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 2 Nummer 1)

2 Steuerrecht - Harmonisierung - Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem - Dienstleistungen gegen Entgelt - Begriff - Private Nutzung eines Betriebsgegenstands - Einbeziehung - Grenzen

(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 6 Absatz 2)

Leitsätze


3 Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ist dahin auszulegen, daß ein Arbeitgeber, der Arbeitnehmer unentgeltlich ohne konkrete Verknüpfung mit der Arbeitsleistung oder dem Lohn von der Wohnung zur Arbeitsstätte ab einer bestimmten Entfernung befördert, keine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne dieser Bestimmung erbringt.

4 Artikel 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 ist dahin auszulegen, daß die unentgeltliche Beförderung von Arbeitnehmern von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück mit einem betrieblichen Kfz durch den Arbeitgeber grundsätzlich dem privaten Bedarf der Arbeitnehmer und damit unternehmensfremden Zwecken dient. Diese Bestimmung findet jedoch keine Anwendung, wenn die Erfordernisse des Unternehmens im Hinblick auf besondere Umstände, wie die Schwierigkeit, andere geeignete Verkehrsmittel zu benutzen, und wechselnde Arbeitsstätten, es gebieten, daß die Beförderung der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber übernommen wird, da dann diese Leistung nicht zu unternehmensfremden Zwecken erbracht wird. Dies gilt auch für den Fall, daß der Arbeitgeber die Arbeitnehmer nicht in eigenen Fahrzeugen befördert, sondern einen seiner Arbeitnehmer mit der Beförderung in dessen Privatfahrzeug beauftragt.

Entscheidungsgründe


1 Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluß vom 11. Mai 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Juli 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 2 Nummer 1 und 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; im folgenden: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Julius Fillibeck Söhne GmbH & Co. KG (im folgenden: Fillibeck KG) und dem Finanzamt Neustadt über die Mehrwertsteuerpflichtigkeit der unentgeltlichen Beförderung, die die Fillibeck KG ihren Arbeitnehmern von der Wohnung zur Arbeitsstätte bietet.

3 Die Fillibeck KG, die ein Bauunternehmen betreibt, beförderte in den Jahren 1980 bis 1985 Arbeitnehmer in firmeneigenen Fahrzeugen unentgeltlich von deren Wohnung zu den verschiedenen Baustellen, auf denen sie eingesetzt waren. Zusätzlich beförderte im gleichen Zeitraum in ihrem Auftrag einer ihrer Arbeitnehmer in seinem Privatfahrzeug Arbeitnehmer von deren Wohnung zu den jeweiligen Einsatzstellen.

4 Die Fillibeck KG unternahm diese Beförderungen gemäß dem Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe ab einer bestimmten Mindestentfernung von der Wohnung zur Arbeitsstätte.

5 Das Finanzamt Neustadt war der Ansicht, daß es sich dabei um steuerbare und steuerpflichtige Umsätze gemäß dem deutschen Umsatzsteuergesetz handele.

6 Die Fillibeck KG bestritt die Steuerbarkeit dieser Umsätze. Da sie mit ihrem Einspruch und ihrer Klage keinen Erfolg hatte, legte sie Revision zum Bundesfinanzhof ein, nach dessen Auffassung der Rechtsstreit Fragen nach der Auslegung der Artikel 2 Nummer 1 und 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie aufwirft.

7 Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie bestimmt:

"Der Mehrwertsteuer unterliegen:

1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;

..."

8 Artikel 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie bestimmt:

"Dienstleistungen gegen Entgelt werden gleichgestellt:

a) die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat;

b) die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf, oder für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke.

..."

9 Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen vorzulegen:

1. Erfuellt die Beförderungsleistung eines Arbeitgebers auch dann den Begriff einer Dienstleistung "gegen Entgelt" im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Richtlinie 77/388/EWG - nämlich gegen einen zu schätzenden Anteil der Arbeitsleistung der Arbeitnehmer -, wenn der Arbeitgeber aufgrund des Tarifvertrags Arbeitnehmer (ohne besonders vereinbartes und berechnetes Entgelt) von der Wohnung zur Arbeitsstätte ab einer bestimmten Mindestentfernung befördert und die Arbeitsleistung - ohne konkrete Verknüpfung mit solchen Beförderungsleistungen - wie bei den übrigen Arbeitnehmern bereits gegen den vereinbarten Barlohn auszuführen ist?

2. Erfasst Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie 77/388 die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands bzw. eine unentgeltliche Dienstleistung auch dann, wenn sie - wie bei unentgeltlicher Beförderung von Arbeitnehmern von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück mit einem betrieblichen Kfz - beim Arbeitgeber keinen unternehmensfremden Zwecken, beim Arbeitnehmer aber dessen privaten Zwecken dient, ohne daß der Arbeitnehmer (wegen unentgeltlicher Inanspruchnahme der Beförderungsleistung) insoweit mit Umsatzsteuer belastet wird?

3. Falls Frage 2 zu bejahen ist:

Liegt auch dann ein Fall des Artikels 6 Absatz 2 der Richtlinie 77/388 vor, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmer nicht in eigenen Fahrzeugen befördert, sondern Dritte (im Streitfall einen eigenen Arbeitnehmer) mit der Beförderung beauftragt?

Zur ersten Frage

10 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 2 Nummer 1 der Richtlinie dahin auszulegen ist, daß ein Arbeitgeber, der Arbeitnehmer unentgeltlich ohne konkrete Verknüpfung mit der Arbeitsleistung oder dem Lohn von der Wohnung zur Arbeitsstätte ab einer bestimmten Entfernung befördert, damit den Begriff einer Dienstleistung "gegen Entgelt" im Sinne dieser Bestimmung erfuellt.

11 Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie unterwirft der Mehrwertsteuer Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger im Inland gegen Entgelt ausführt.

12 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes setzt der Begriff der Dienstleistungen gegen Entgelt im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem empfangenen Gegenwert voraus (vgl. insbesondere Urteil vom 8. März 1988 in der Rechtssache 102/86, Apple and Pear Development Council, Slg. 1988, 1443, Randnr. 12).

13 Ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung ist Besteuerungsgrundlage bei Lieferung einer Ware oder Erbringung einer Dienstleistung die tatsächlich dafür erhaltene Gegenleistung. Diese Gegenleistung stellt also den subjektiven, nämlich tatsächlich erhaltenen Wert und nicht einen nach objektiven Kriterien geschätzten Wert dar (vgl. Urteile vom 5. Februar 1981 in der Rechtssache 154/80, Coöperatieve Aardappelenbewaarplaats, Slg. 1981, 445, Randnr. 13, vom 23. November 1988 in der Rechtssache 230/87, Naturally Yours Cosmetics, Slg. 1988, 6365, Randnr. 16, vom 27. März 1990 in der Rechtssache C-126/88, Boots Company, Slg. 1990, I-1235, Randnr. 19, vom 5. Mai 1994 in der Rechtssache C-38/93, Glawe, Slg. 1994, I-1679, Randnr. 8, vom 2. Juni 1994 in der Rechtssache C-33/93, Empire Stores, Slg. 1994, I-2329, Randnr. 18, und vom 24. Oktober 1996 in der Rechtssache C-288/94, Argos Distributors, Slg. 1996, I-5311, Randnr. 16).

14 Ausserdem muß nach der gleichen Rechtsprechung diese Gegenleistung in Geld ausgedrückt werden können (vgl. genannte Urteile Coöperatieve Aardappelenbewaarplaats, Randnr. 13, Naturally Yours Cosmetics, Randnr. 16, und Argos Distributors, Randnr. 17).

15 Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich, daß die Fillibeck KG ihre Arbeitnehmer ab einer bestimmten Entfernung von der Wohnung zur Arbeitsstätte befördert, diese Arbeitnehmer dafür nichts zu zahlen haben und auch kein dem Wert dieser Dienstleistung entsprechender Abzug von ihrem Lohn erfolgt.

16 Da die auszuführende Arbeit und der bezogene Lohn nicht davon abhängen, ob die Arbeitnehmer die ihnen von ihrem Arbeitgeber gebotene Beförderungsleistung in Anspruch nehmen, kann auch nicht ein Anteil der Arbeitsleistung als Gegenleistung für die Beförderungsleistung angesehen werden.

17 Unter diesen Umständen besteht keine Gegenleistung, die einen subjektiven Wert hat und mit der erbrachten Dienstleistung unmittelbar zusammenhängt. Folglich liegen die Voraussetzungen einer Dienstleistung gegen Entgelt nicht vor.

18 Somit ist auf die erste Frage zu antworten, daß Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, daß ein Arbeitgeber, der Arbeitnehmer unentgeltlich ohne konkrete Verknüpfung mit der Arbeitsleistung oder dem Lohn von der Wohnung zur Arbeitsstätte ab einer bestimmten Entfernung befördert, keine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne dieser Bestimmung erbringt.

Zur zweiten Frage

19 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob die unentgeltliche Beförderung von Arbeitnehmern von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück mit einem betrieblichen Kfz, die beim Arbeitgeber keinen unternehmensfremden Zwecken, beim Arbeitnehmer aber dessen privaten Zwecken dient, einer Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie gleichzustellen ist.

20 Vorab ist festzustellen, daß sich das vorlegende Gericht auf Artikel 6 Absatz 2 Buchstaben a und b bezieht, ohne anzugeben, welche dieser beiden Bestimmungen in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit einschlägig ist. Nach Auffassung der Parteien des Ausgangsverfahrens ist es unerheblich, ob Buchstabe a oder Buchstabe b angewendet wird. Im übrigen ergibt sich aus der Vorlagefrage, daß die Auslegung dieser Bestimmungen insbesondere die Begriffe "privater Bedarf des Steuerpflichtigen oder Bedarf seines Personals" und "unternehmensfremde Zwecke" betrifft, die beiden Bestimmungen gemeinsam sind. Daher sind diese Bestimmungen zusammen zu prüfen.

21 Das vorlegende Gericht hat ausgeführt, daß die Beförderung durch die Fillibeck KG die Strecke zwischen der Wohnung der Arbeitnehmer und den Baustellen, auf denen sie eingesetzt seien, betreffe.

22 In der Sitzung hat die Fillibeck KG u. a. erklärt, daß sie mehrere voneinander entfernte Baustellen habe, die häufig nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar seien, und daß die Arbeitnehmer zwischen den verschiedenen Baustellen wechselten.

23 Ausserdem diene die Beförderung der Arbeitnehmer unmittelbar betrieblichen Zwecken, so daß sie sich im Rahmen der Arbeitsbeziehungen abspiele und nicht zum privaten Bereich der Arbeitnehmer gehöre. Überdies erfolge die Beförderung aufgrund eines Tarifvertrags.

24 Dagegen sind die anderen Beteiligten, die Erklärungen abgegeben haben, der Ansicht, die unentgeltliche Beförderungsleistung des Arbeitgebers falle unter Artikel 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie. Die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission haben jedoch ausgeführt, besondere Umstände könnten es rechtfertigen, die Beförderung von Arbeitnehmern als betrieblichen Zwecken dienend anzusehen.

25 Artikel 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie bezweckt, die Gleichbehandlung zwischen Steuerpflichtigem und Endverbraucher sicherzustellen (vgl. Urteil vom 26. September 1996 in der Rechtssache C-230/94, Enkler, Slg. 1996, I-4517, Randnr. 35). Diese Bestimmung soll verhindern, daß ein zu privaten Zwecken verwendeter Betriebsgegenstand und eine vom Steuerpflichtigen zu privaten Zwecken unentgeltlich erbrachte Dienstleistung nicht besteuert werden (vgl. Urteile vom 27. Juni 1989 in der Rechtssache 50/88, Kühne, Slg. 1989, 1925, Randnr. 8, und vom 25. Mai 1993 in der Rechtssache C-193/91, Mohsche, Slg. 1993, I-2615, Randnr. 8).

26 Normalerweise ist es Sache des Arbeitnehmers, unter Berücksichtigung seiner Arbeitsstätte den Standort seiner Wohnung, nach dem sich die Länge seines Weges zur Arbeit bemisst, und das geeignete Verkehrsmittel zu wählen. Der Arbeitgeber greift in diese Entscheidungen nicht ein, da der Arbeitnehmer seinerseits verpflichtet ist, während der vereinbarten Zeit an der Arbeitsstätte zu sein. Folglich dienen die den Arbeitnehmern erbrachten Beförderungsleistungen unter normalen Umständen dem privaten Bedarf des Arbeitnehmers im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie.

27 Der Umstand, daß die Zurücklegung der Strecke von der Wohnung zur Arbeitsstätte eine notwendige Voraussetzung für die Anwesenheit bei der Arbeit und damit für deren Erledigung ist, kann nicht entscheidend für die Annahme sein, daß die Beförderung des Arbeitnehmers von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück nicht seinen privaten Zwecken im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 dienen würde. Es widerspräche nämlich der Zielsetzung dieser Bestimmung, wenn ein solcher mittelbarer Zusammenhang für sich allein schon verhinderte, die Beförderung auf dieser Strecke einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichzustellen.

28 Eine solche Auslegung von Artikel 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie ist in den Fällen geboten, in denen der Arbeitnehmer - wie gewöhnlich - die Möglichkeit hat, die Strecke zwischen seiner Wohnung und seiner festen Arbeitsstätte mit den üblichen Verkehrsmitteln zurückzulegen.

29 Dagegen können unter besonderen Umständen die Erfordernisse des Unternehmens es gebieten, daß der Arbeitgeber selbst die Beförderung der Arbeitnehmer von ihrer Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück sicherstellt. So kann die Tatsache, daß nur der Arbeitgeber ein geeignetes Verkehrsmittel bieten kann oder daß es sich nicht um eine feste, sondern um eine wechselnde Arbeitsstätte handelt, den Arbeitgeber zwingen, die Beförderung seiner Arbeitnehmer zu übernehmen.

30 Unter solchen besonderen Umständen erfolgt die Organisation der Beförderung durch den Arbeitgeber nicht zu unternehmensfremden Zwecken. Der persönliche Vorteil, den der Arbeitnehmer dadurch hat, erscheint gegenüber dem Bedarf des Unternehmens nur als nebensächlich.

31 Der Umstand, daß die Beförderungsleistungen aufgrund eines Tarifvertrags erbracht werden, stellt, auch wenn eine solche Verpflichtung nicht für sich allein den Charakter dieser Leistungen im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie bestimmen kann, ein Indiz dafür dar, daß die Beförderung Zwecken dient, die nicht unternehmensfremd sind.

32 Die Besonderheiten der Bauunternehmen, wie sie im vorliegenden Fall insbesondere von der Fillibeck KG beschrieben worden sind, deuten ebenfalls darauf hin, daß die Beförderung zu Zwecken erfolgt, die nicht unternehmensfremd sind.

33 Das nationale Gericht hat im Lichte der Auslegungshinweise des Gerichtshofes festzustellen, ob die Besonderheiten des vorliegenden Falles es wegen der Erfordernisse des Unternehmens gebieten, daß der Arbeitgeber die Beförderung der Arbeitnehmer von ihrer Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück sicherstellt.

34 Folglich ist auf die zweite Frage zu antworten, daß Artikel 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, daß die unentgeltliche Beförderung von Arbeitnehmern von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück mit einem betrieblichen Kfz durch den Arbeitgeber grundsätzlich dem privaten Bedarf der Arbeitnehmer und damit unternehmensfremden Zwecken dient. Diese Bestimmung findet jedoch keine Anwendung, wenn die Erfordernisse des Unternehmens im Hinblick auf besondere Umstände, wie die Schwierigkeit, andere geeignete Verkehrsmittel zu benutzen, und wechselnde Arbeitsstätten, es gebieten, daß die Beförderung der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber übernommen wird, da dann diese Leistung nicht zu unternehmensfremden Zwecken erbracht wird.

Zur dritten Frage

35 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob die Antwort auf die zweite Frage auch für den Fall gilt, daß der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer nicht in eigenen Fahrzeugen befördert, sondern einen seiner Arbeitnehmer mit der Beförderung in dessen Privatfahrzeug beauftragt.

36 Insoweit genügt die Feststellung, daß die Frage, ob eine Beförderung im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie dem privaten Bedarf des Personals des Unternehmens oder allgemein unternehmensfremden Zwecken dient, sich in gleicher Weise stellt, wenn der Arbeitgeber, anstatt die Beförderung in eigenen Fahrzeugen durchzuführen, einen seiner Arbeitnehmer mit dieser Beförderung in dessen Privatfahrzeug beauftragt.

37 Folglich ist auf die dritte Frage zu antworten, daß die Antwort auf die zweite Frage auch für den Fall gilt, daß der Arbeitgeber die Arbeitnehmer nicht in eigenen Fahrzeugen befördert, sondern einen seiner Arbeitnehmer mit der Beförderung in dessen Privatfahrzeug beauftragt.

Kostenentscheidung


Kosten

38 Die Auslagen der deutschen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor


Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Bundesfinanzhof mit Beschluß vom 11. Mai 1995 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, daß ein Arbeitgeber, der Arbeitnehmer unentgeltlich ohne konkrete Verknüpfung mit der Arbeitsleistung oder dem Lohn von der Wohnung zur Arbeitsstätte ab einer bestimmten Entfernung befördert, keine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne dieser Bestimmung erbringt.

2. Artikel 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 ist dahin auszulegen, daß die unentgeltliche Beförderung von Arbeitnehmern von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück mit einem betrieblichen Kfz durch den Arbeitgeber grundsätzlich dem privaten Bedarf der Arbeitnehmer und damit unternehmensfremden Zwecken dient. Diese Bestimmung findet jedoch keine Anwendung, wenn die Erfordernisse des Unternehmens im Hinblick auf besondere Umstände, wie die Schwierigkeit, andere geeignete Verkehrsmittel zu benutzen, und wechselnde Arbeitsstätten, es gebieten, daß die Beförderung der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber übernommen wird, da dann diese Leistung nicht zu unternehmensfremden Zwecken erbracht wird.

3. Die Antwort auf die zweite Frage gilt auch für den Fall, daß der Arbeitgeber die Arbeitnehmer nicht in eigenen Fahrzeugen befördert, sondern einen seiner Arbeitnehmer mit der Beförderung in dessen Privatfahrzeug beauftragt.

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