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Document 62006CJ0284

Urteil des Gerichtshofes (Vierte Kammer) vom 26. Juni 2008.
Finanzamt Hamburg-Am Tierpark gegen Burda GmbH.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesfinanzhof - Deutschland.
Steuerrecht - Niederlassungsfreiheit - Richtlinie 90/435/EWG - Körperschaftsteuer - Gemeinsames Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten - Kapitalgesellschaft - Ausschüttung von Einkünften und Vermögensmehrungen - Steuerabzug an der Quelle - Steuergutschrift - Behandlung gebietsansässiger und gebietsfremder Anteilseigner.
Rechtssache C-284/06.

European Court Reports 2008 I-04571

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2008:365

Rechtssache C‑284/06

Finanzamt Hamburg-Am Tierpark

gegen

Burda GmbH, früher Burda Verlagsbeteiligungen GmbH

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs)

„Steuerrecht – Niederlassungsfreiheit – Richtlinie 90/435/EWG – Körperschaftsteuer – Gemeinsames Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten – Kapitalgesellschaft – Ausschüttung von Einkünften und Vermögensmehrungen – Steuerabzug an der Quelle – Steuergutschrift – Behandlung gebietsansässiger und gebietsfremder Anteilseigner“

Leitsätze des Urteils

1.        Verfahren – Mündliche Verhandlung – Wiedereröffnung

(Art. 234 EG; Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art. 61)

2.        Rechtsangleichung – Gemeinsames Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten – Richtlinie 90/435

(Richtlinie 90/435 des Rates, Art. 5 Abs. 1)

3.        Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Steuerrecht – Körperschaftsteuer

(EG-Vertrag, Art. 52 [nach Änderung jetzt Art. 43 EG]; Richtlinie 90/435 des Rates, Art. 4)

1.        Der Gerichtshof kann gemäß Art. 61 seiner Verfahrensordnung von Amts wegen, auf Vorschlag des Generalanwalts oder auf Antrag der Parteien die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anordnen, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder ein zwischen den Parteien nicht erörtertes Vorbringen als entscheidungserheblich ansieht. Jedoch kann das Vorbringen, der Generalanwalt habe in seinen Schlussanträgen einige Bestimmungen des nationalen Rechts, die vom vorlegenden Gericht in seinem Vorabentscheidungsersuchen nicht erwähnt worden waren, nicht berücksichtigt, angesichts der Anforderungen des genannten Artikels keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung rechtfertigen.

Im Rahmen eines gemäß Art. 234 EG eingeleiteten Verfahrens ist es nämlich nicht Sache des Gerichtshofs, klarzustellen, welche einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts auf das Ausgangsverfahren anwendbar sind. Hierzu ist allein das vorlegende Gericht befugt, das den innerstaatlichen rechtlichen Rahmen umreißt, es aber dem Gerichtshof überlässt, ihm alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben, die es in die Lage versetzen, die Vereinbarkeit einer nationalen Rechtsvorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht zu beurteilen. Außerdem sehen die Satzung und die Verfahrensordnung des Gerichtshofs nicht die Möglichkeit für die Verfahrensbeteiligten vor, zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Stellung zu nehmen.

Ebenso ist es allein Sache des vorlegenden Gerichts, den tatsächlichen Rahmen festzulegen, in den sich die von ihm vorgelegten Fragen einfügen, oder zumindest die tatsächlichen Annahmen zu erläutern, die diesen Fragen zugrunde liegen. Wenn also das vorlegende Gericht auf bestimmte tatsächliche Umstände in seinem Vorlagebeschluss nicht eingeht, kann angesichts der Anforderungen des Artikels 61 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs eine Partei zur Begründung einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht mit Erfolg geltend machen, dass einige der tatsächlichen Prämissen, auf denen die Würdigung des Generalanwalts beruhe, unrichtig oder unvollständig seien.

(vgl. Randnrn. 37-40, 42, 44-47)

2.        Eine Bestimmung des nationalen Rechts, nach der bei der Ausschüttung von Gewinnen durch eine Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft Einkünfte und Vermögensmehrungen der Tochtergesellschaft besteuert werden, die nicht besteuert worden wären, wenn diese sie thesauriert hätte, anstatt sie an die Muttergesellschaft auszuschütten, bewirkt keinen Steuerabzug an der Quelle im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten.

Denn eine Abgabe auf die in dem Mitgliedstaat, in dem die Dividenden ausgeschüttet werden, erzielten Einkünfte, deren auslösender Tatbestand die Zahlung von Dividenden oder anderen Erträgen von Wertpapieren ist, stellt einen Steuerabzug an der Quelle dar, wenn die Besteuerungsgrundlage dieser Steuer die Erträge dieser Wertpapiere sind und der Steuerpflichtige der Inhaber dieser Wertpapiere ist. Folglich müssen für die Anwendung der genannten Bestimmung drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. Da die dritte Voraussetzung, wonach der Steuerpflichtige Inhaber der Wertpapiere sein muss, nicht erfüllt ist, steht Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435 einem buchungstechnischen Berichtigungsmechanismus wie dem in der Bestimmung des genannten nationalen Rechts vorgesehenen nicht entgegen.

(vgl. Randnrn. 52-53, 61, 63-64, Tenor 1)

3.        Art. 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 43 EG) ist dahin auszulegen, dass er der Anwendung einer nationalen Bestimmung nicht entgegensteht, nach der die Besteuerung der Gewinne, die von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschüttet werden, unabhängig davon, ob die Muttergesellschaft in demselben oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, ein und demselben Berichtigungsmechanismus unterliegt, auch wenn einer gebietsfremden Muttergesellschaft im Gegensatz zu einer gebietsansässigen Muttergesellschaft vom Mitgliedstaat der Ansässigkeit ihrer Tochtergesellschaft keine Steuergutschrift gewährt wird.

Da nämlich die Anwendung des fraglichen buchungstechnischen Berichtigungsmechanismus nicht die Steuerbelastung der gebietsansässigen Tochtergesellschaft nach Maßgabe des Umstands, ob deren Muttergesellschaft im selben oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, ändern kann, so dass sich diese Tochtergesellschaft nach den Rechtsvorschriften ihres Ansässigkeitsstaats nicht in einer unterschiedlichen Situation befindet je nachdem, ob sie ihre Gewinne an eine gebietsfremde oder an eine gebietsansässige Muttergesellschaft ausschüttet, führt die Anwendung dieses Mechanismus für die Tochtergesellschaft nicht zu einer gleichen Behandlung unterschiedlicher Situationen, was eine nach Art. 52 EG-Vertrag grundsätzlich verbotene steuerliche Behandlung darstellen würde.

Dieser Beurteilung steht auch nicht der Umstand entgegen, dass die Besteuerung des ausschüttenden Unternehmens für die gebietsfremden Anteilseigner in dem Sinne endgültig wird, dass die Erhöhung der Steuerbelastung der ausschüttenden Gesellschaft nicht durch die Gewährung einer entsprechenden Steuergutschrift ausgeglichen wird. Die Mitgliedstaaten bleiben in Ermangelung gemeinschaftsrechtlicher Vereinheitlichungs- und Harmonisierungsmaßnahmen befugt, insbesondere zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich oder einseitig festzulegen. Insoweit bezweckt die Steuergutschrift, die der gebietsansässigen Muttergesellschaft nach solchen nationalen Rechtsvorschriften gewährt wird, eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung der Gewinne zu vermeiden, die von einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft ausgeschüttet und erstmals bei dieser besteuert werden. Bei einer grenzüberschreitenden Gewinnausschüttung obliegt es aber, wie sich aus Art. 4 der Richtlinie 90/435 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten ergibt, grundsätzlich nicht dem Mitgliedstaat der Ansässigkeit der Tochtergesellschaft, sondern vielmehr dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Muttergesellschaft ansässig ist, eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung zu verhindern. Daher ist der Mitgliedstaat der Ansässigkeit der Muttergesellschaft verpflichtet, eine steuerliche Behandlung zu gewähren, mit der der gleiche Zweck wie der verfolgt wird, den der Mitgliedstaat der Ansässigkeit der Tochtergesellschaft mit der Gewährung der Steuergutschrift an die in ihm ansässigen Muttergesellschaften verfolgt, so dass eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung der in Form von Dividenden ausgeschütteten Gewinne ebenfalls vermieden wird. Wie eine gebietsansässige Muttergesellschaft einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft, die vom Staat ihrer Ansässigkeit, der zugleich als Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft handelt, eine Steuergutschrift erhält, ist somit auch eine gebietsfremde Muttergesellschaft einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft gegen die Gefahr einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung der in Form von Dividenden ausgeschütteten Gewinne geschützt, dies allerdings durch den Mitgliedstaat, in dem sie selbst ansässig ist. Der Umstand, dass der Mitgliedstaat der Tochtergesellschaft einer gebietsfremden Muttergesellschaft keine Steuergutschrift gewährt, kann also nicht bewirken, dass sich die Situation der gebietsansässigen Tochtergesellschaft einer gebietsansässigen Muttergesellschaft von derjenigen der gebietsansässigen Tochtergesellschaft einer gebietsfremden Muttergesellschaft unterscheidet.

(vgl. Randnrn. 82-85, 87-92, 94-96, Tenor 2)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

26. Juni 2008(*)

„Steuerrecht – Niederlassungsfreiheit – Richtlinie 90/435/EWG – Körperschaftsteuer – Gemeinsames Steuersystem der Mutter‑ und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten – Kapitalgesellschaft – Ausschüttung von Einkünften und Vermögensmehrungen – Steuerabzug an der Quelle – Steuergutschrift – Behandlung gebietsansässiger und gebietsfremder Anteilseigner“

In der Rechtssache C‑284/06

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 22. Februar 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Juni 2006, in dem Verfahren

Finanzamt Hamburg-Am Tierpark

gegen

Burda GmbH, früher Burda Verlagsbeteiligungen GmbH,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters G. Arestis (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász und T. von Danwitz,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: J. Swedenborg, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Burda GmbH, früher Burda Verlagsbeteiligungen GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte H. Geißler, B. von Winterfeld und J. Lüdicke,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Blaschke als Bevollmächtigte,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und W. Mölls als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 31. Januar 2008

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter‑ und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 225, S. 6) in ihrer auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: Richtlinie 90/435), des Art. 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 43 EG) sowie der Art. 73b und 73d EG‑Vertrag (jetzt Art. 56 EG bzw. 58 EG).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Burda GmbH, früher Burda Verlagsbeteiligungen GmbH (im Folgenden: Burda), und dem Finanzamt Hamburg-Am Tierpark (im Folgenden: Finanzamt) über die Besteuerung der Gewinne, die Burda im Jahr 1998 für die Wirtschaftsjahre 1996 und 1997 an eine ihrer Muttergesellschaften, die RCS International Services BV (im Folgenden: RCS) mit Sitz in den Niederlanden, ausgeschüttet hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

3        Die Richtlinie 90/435 bezweckt nach ihrem ersten Erwägungsgrund die Schaffung „wettbewerbsneutrale[r] steuerliche[r] Regelungen …, um die Anpassung von Unternehmen an die Erfordernisse des Gemeinsamen Marktes, eine Erhöhung ihrer Produktivität und eine Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene zu ermöglichen“.

4        Nach ihrem dritten Erwägungsgrund soll die Richtlinie 90/435 insbesondere die steuerlichen Benachteiligungen beseitigen, die zulasten von Gruppen von Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten gegenüber Gruppen von Gesellschaften eines und desselben Mitgliedstaats bestehen.

5        Die Art. 1 bis 7 der Richtlinie 90/435 bestimmen:

„Artikel 1

(1)      Jeder Mitgliedstaat wendet diese Richtlinie an

–        auf Gewinnausschüttungen, die Gesellschaften dieses Staates von Tochtergesellschaften eines anderen Mitgliedstaats zufließen;

–        auf Gewinnausschüttungen von Tochtergesellschaften dieses Staates an Gesellschaften anderer Mitgliedstaaten.

Artikel 2

Im Sinne dieser Richtlinie ist ‚Gesellschaft eines Mitgliedstaats‘ jede Gesellschaft

a)      die eine der im Anhang aufgeführten Formen aufweist;

b)      die nach dem Steuerrecht eines Mitgliedstaats in Bezug auf den steuerlichen Wohnsitz als in diesem Staat ansässig und aufgrund eines mit einem dritten Staat geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommens in Bezug auf den steuerlichen Wohnsitz nicht als außerhalb der Gemeinschaft ansässig betrachtet wird;

c)      die ferner ohne Wahlmöglichkeit einer der nachstehenden Steuern

–        Körperschaftsteuer in Deutschland,

oder irgendeiner Steuer, die eine dieser Steuern ersetzt, unterliegt, ohne davon befreit zu sein.

Artikel 3

(1)      Im Sinne dieser Richtlinie gilt als

a)      ‚Muttergesellschaft‘ wenigstens jede Gesellschaft eines Mitgliedstaats, die die Bedingungen des Artikels 2 erfüllt und die einen Anteil von wenigstens 25 % am Kapital einer Gesellschaft eines anderen Mitgliedstaats, die die gleichen Bedingungen erfüllt, besitzt;

b)      ‚Tochtergesellschaft‘ die Gesellschaft, an deren Kapital eine andere Gesellschaft den unter Buchstabe a) genannten Anteil besitzt.

Artikel 4

(1)      Bezieht eine Muttergesellschaft als Teilhaberin ihrer Tochtergesellschaft Gewinne, die nicht anlässlich der Liquidation der Tochtergesellschaft ausgeschüttet werden, so

–        besteuert der Staat der Muttergesellschaft diese Gewinne entweder nicht oder

–        lässt er im Fall einer Besteuerung zu, dass die Gesellschaft auf die Steuer den Steuerteilbetrag, den die Tochtergesellschaft für die von ihr ausgeschütteten Gewinne entrichtet, und gegebenenfalls die Quellensteuer, die der Mitgliedstaat der Tochtergesellschaft nach den Ausnahmebestimmungen des Artikels 5 erhebt, bis zur Höhe der entsprechenden innerstaatlichen Steuer anrechnen kann.

(2)      Jeder Mitgliedstaat kann bestimmen, dass Kosten der Beteiligung an der Tochtergesellschaft und Minderwerte, die sich aufgrund der Ausschüttung ihrer Gewinne ergeben, nicht vom steuerpflichtigen Gewinn der Muttergesellschaft abgesetzt werden können. …

Artikel 5

(1)      Die von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschütteten Gewinne sind, zumindest wenn diese einen Anteil am Gesellschaftskapital der Tochtergesellschaft von wenigstens 25 % besitzt, vom Steuerabzug an der Quelle befreit.

(3)      Abweichend von Absatz 1 kann die Bundesrepublik Deutschland, solange sie auf ausgeschüttete Gewinne einen um mindestens 11 Punkte niedrigeren Körperschaftsteuersatz anwendet als auf einbehaltene Gewinne, spätestens jedoch bis Mitte 1996 als Ausgleichsteuer einen Steuerabzug an der Quelle in Höhe von 5 % auf Gewinnausschüttungen ihrer Tochtergesellschaften vornehmen.

Artikel 6

Der Mitgliedstaat der Muttergesellschaft kann keinen Steuerabzug an der Quelle auf Gewinne vornehmen, die diese Gesellschaft von ihrer Tochtergesellschaft bezieht.

Artikel 7

(1)      Der in dieser Richtlinie verwendete Ausdruck ‚Steuerabzug an der Quelle‘ umfasst nicht die in Verbindung mit der Ausschüttung von Gewinnen an die Muttergesellschaft erfolgende Vorauszahlung der Körperschaftsteuer an den Sitzmitgliedstaat der Tochtergesellschaft.

(2)      Diese Richtlinie berührt nicht die Anwendung einzelstaatlicher oder vertraglicher Bestimmungen, die die Beseitigung oder Minderung der Doppelbesteuerung der Dividenden bezwecken, und insbesondere nicht die Bestimmungen, die die Auszahlung von Steuerkrediten an die Dividendenempfänger betreffen.“

6        Die Richtlinie 90/435 betrifft laut ihrem Anhang folgende Gesellschaften deutschen Rechts: Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und bergrechtliche Gewerkschaften.

 Nationales Recht

 Körperschaftsteuergesetz 1996

7        Nach § 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1996 in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (BGBl. 1996 I S. 340, im Folgenden: KStG 1996) sind insbesondere Kapitalgesellschaften, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben, unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig.

8        Nach § 2 KStG 1996 sind Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben, mit ihren inländischen Einkünften beschränkt körperschaftsteuerpflichtig.

9        Nach § 23 KStG 1996 beträgt der Regelsteuersatz für die Körperschaftsteuer 45 % des zu versteuernden Einkommens.

10      § 27 Abs. 1 KStG 1996 lautet:

„Schüttet eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft Gewinn aus, so mindert oder erhöht sich ihre Körperschaftsteuer um den Unterschiedsbetrag zwischen der bei ihr eingetretenen Belastung des Eigenkapitals (Tarifbelastung), das nach § 28 als für die Ausschüttung verwendet gilt, und der Belastung, die sich hierfür bei Anwendung eines Steuersatzes von 30 vom Hundert des Gewinns vor Abzug der Körperschaftsteuer ergibt (Ausschüttungsbelastung)“.

11      § 28 Abs. 3 und 4 KStG 1996 lautet:

„(3)      Die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals gelten vorbehaltlich der Absätze 4, 5 und 7 in der in § 30 enthaltenen Reihenfolge als für eine Ausschüttung verwendet. In welcher Höhe ein Teilbetrag als verwendet gilt, ist aus seiner Tarifbelastung abzuleiten.

(4)      Reichen für die Verrechnung einer Gewinnausschüttung, für die nach Absatz 3 zunächst der oder die Teilbeträge im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 oder 2 als verwendet galten, später diese Teilbeträge nicht mehr aus, ist die Gewinnausschüttung insoweit mit dem Teilbetrag im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 2 zu verrechnen, auch wenn dieser Teilbetrag dadurch negativ wird.“

12      Nach § 29 Abs. 2 KStG 1996 ist das Eigenkapital zum Schluss jedes Wirtschaftsjahrs in das für Ausschüttungen verwendbare (verwendbares Eigenkapital) und in das übrige Eigenkapital aufzuteilen. Das verwendbare Eigenkapital ist der Teil des Eigenkapitals, der das Nennkapital übersteigt.

13      § 30 Abs. 1 und 2 KStG 1996 bestimmt:

„(1)      Das verwendbare Eigenkapital ist zum Schluss jedes Wirtschaftsjahrs entsprechend seiner Tarifbelastung zu gliedern. Die einzelnen Teilbeträge sind jeweils aus der Gliederung für das vorangegangene Wirtschaftsjahr abzuleiten. In der Gliederung sind … die Teilbeträge getrennt auszuweisen, die entstanden sind aus

1.      Einkommensteilen, die nach dem 31. Dezember 1993 der Körperschaftsteuer ungemildert unterliegen;

3.      Vermögensmehrungen, die der Körperschaftsteuer nicht unterliegen oder die das Eigenkapital der Kapitalgesellschaft in vor dem 1. Januar 1977 abgelaufenen Wirtschaftsjahren erhöht haben.

(2)      Der unter Abs. 1 Nr. 3 genannte Betrag ist zu unterteilen in:

1.      Eigenkapitalteile, die in nach dem 31. Dezember 1976 abgelaufenen Wirtschaftsjahren aus ausländischen Einkünften entstanden sind …;

2.      sonstige Vermögensmehrungen, die der Körperschaftsteuer nicht unterliegen und nicht unter Nummer 3 oder 4 einzuordnen sind;

3.      verwendbares Eigenkapital, das bis zum Ende des letzten vor dem 1. Januar 1977 abgelaufenen Wirtschaftsjahrs entstanden ist;

4.      Einlagen der Anteilseigner, die das Eigenkapital in nach dem 31. Dezember 1976 abgelaufenen Wirtschaftsjahren erhöht haben.“

14      Die in § 30 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1996 genannten Einkommensteile, die dem Regelsteuersatz für die Körperschaftsteuer von 45 % unterlagen, werden als „EK 45“ bezeichnet.

15      Die in § 30 Abs. 1 Nr. 3 KStG 1996 genannten nicht der Körperschaftsteuer unterliegenden Vermögensmehrungen werden als „EK 0“ und die vier Untergruppen gemäß § 30 Abs. 2 KStG 1996 entsprechend als „EK 01“ bis „EK 04“ bezeichnet.

16      § 40 KStG 1996 bestimmt:

„Die Körperschaftsteuer wird nach § 27 nicht erhöht, soweit

1.      für die Ausschüttung der Teilbetrag im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 1 [EK 01] als verwendet gilt,

2.      für die Ausschüttung der Teilbetrag im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 4 [EK 04] als verwendet gilt“.

17      § 44 Abs. 1 Satz 1 KStG 1996 bestimmt:

„Erbringt eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft für eigene Rechnung Leistungen, die bei den Anteilseignern Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 des Einkommensteuergesetzes sind, so ist sie vorbehaltlich des Absatzes 2 verpflichtet, ihren Anteilseignern auf Verlangen die folgenden Angaben nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu bescheinigen:

1.      den Namen und die Anschrift des Anteilseigners;

2.      die Höhe der Leistungen;

3.      den Zahlungstag;

4.      den Betrag der nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes anrechenbaren Körperschaftsteuer;

5.      den Betrag der zu vergütenden Körperschaftsteuer im Sinne des § 52; es genügt, wenn sich die Angabe auf eine einzelne Aktie, einen einzelnen Geschäftsanteil oder ein einzelnes Genussrecht bezieht;

6.      die Höhe der Leistung, für die der Teilbetrag im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 1 als verwendet gilt;

7.      die Höhe der Leistung, für die der Teilbetrag im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 4 als verwendet gilt.“

18      Insbesondere sieht § 50 Abs. 1 Nr. 2 KStG 1996 vor, dass die Körperschaftsteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen, durch den Steuerabzug abgegolten ist, wenn der Bezieher der Einkünfte beschränkt steuerpflichtig ist und die Einkünfte nicht in einem inländischen gewerblichen oder land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb angefallen sind.

19      § 51 KStG 1996 schreibt vor: „Sind bei einem Anteilseigner die Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 oder Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes nicht steuerpflichtig oder werden sie nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 bei der Veranlagung nicht erfasst, so sind die Anrechnung und Vergütung der nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes anrechenbaren Körperschaftsteuer ausgeschlossen.“

20      § 52 Abs. 1 KStG 1996 bestimmt:

„Die nach § 51 nicht anzurechnende Körperschaftsteuer wird an unbeschränkt steuerpflichtige, von der Körperschaftsteuer befreite Anteilseigner, an juristische Personen des öffentlichen Rechts und an Anteilseigner, die nach § 2 Nr. 1 beschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind, auf Antrag vergütet, soweit sie sich nach § 27 erhöht, weil Eigenkapital im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 3 als für die Ausschüttung oder für die sonstige Leistung verwendet gilt.“

 Einkommensteuergesetz 1990

21      § 20 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1990 (BGBl. 1990 I S. 1898, im Folgenden: EStG 1990) sieht vor:

„Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören

1.      Gewinnanteile (Dividenden), …

2.      …

3.      die nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 anzurechnende … Körperschaftsteuer.“

22      § 36 Abs. 2 EStG 1990 bestimmt:

„Auf die Einkommensteuer werden angerechnet:

3.      die Körperschaftsteuer einer unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaft oder Personenvereinigung in Höhe von 3/7 der Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 [= Dividenden] oder 2, soweit diese nicht aus Ausschüttungen stammen, für die Eigenkapital im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes als verwendet gilt.“

23      § 43 Abs. 1 EStG 1990 sieht vor:

„Bei den folgenden inländischen … Kapitalerträgen wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag (Kapitalertragsteuer) erhoben:

1. Kapitalerträgen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 …“

 Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorabentscheidungsfragen

24      Wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, ist Burda eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung deutschen Rechts mit Sitz und Geschäftsleitung in Deutschland. Ihre Anteilseigner waren in den im Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Jahren zu gleichen Teilen die in den Niederlanden ansässige Kapitalgesellschaft RCS und die in Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft Burda International Holding GmbH (im Folgenden: Burda International).

25      1998 beschloss Burda, die Gewinne aus den Wirtschaftsjahren 1996 und 1997 zu gleichen Teilen an RCS und Burda International auszuschütten. Diese Gewinnausschüttungen wurden gemäß § 27 Abs. 1 KStG 1996 zum Satz von 30 % besteuert.

26      Der Vorlageentscheidung zufolge wurde die für die Gewinnausschüttungen von Burda anrechenbare Körperschaftsteuer nur gegenüber Burda International gemäß § 44 KStG 1996 bescheinigt.

27      Wie sich aus der Vorlageentscheidung weiter ergibt, wurde aufgrund einer Außenprüfung festgestellt, dass Burda Gewinn in Höhe eines Betrags ausgeschüttet hatte, der das zu versteuernde Einkommen überstieg. Das Finanzamt setzte daher die der Körperschaftsteuer ungemildert unterliegenden Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals (EK 45) von 6 049 925 DM auf 4 915 490 DM herab und verrechnete gemäß § 28 Abs. 4 KStG 1996 die nach Herabsetzung nicht mehr durch tariflich belastetes verwendbares Eigenkapital gedeckten Ausschüttungen mit Eigenkapital im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1996 (EK 02).

28      Diese Verrechnung führte zu Erhöhungen der Körperschaftsteuer für die beiden im Ausgangsverfahren betroffenen Jahre und damit zum Erlass insbesondere der beiden geänderten Steuerbescheide.

29      Gegen diese Bescheide erhob Burda beim Finanzgericht Hamburg eine Klage, mit der sie sich gegen die Anwendung des § 28 Abs. 4 KStG 1996 wandte, weil die Verrechnung der Gewinnausschüttung an RCS mit dem EK 02 zu Unrecht erfolgt sei.

30      Dazu machte Burda geltend, sie habe über Einlagen der Gesellschafter (EK 04) verfügt, die für die Finanzierung der Gewinnausschüttungen ausgereicht hätten; jedenfalls habe sie nicht über Mehrungen des zu ihrem EK 02 gehörenden Vermögens verfügt.

31      Mit Urteil vom 29. April 2005 gab das Finanzgericht Hamburg der Klage von Burda statt, indem es im Wesentlichen die Ansicht vertrat, § 28 Abs. 3 KStG 1996 sei in dem Sinne anzuwenden, dass der an RCS ausgeschüttete Teil des Gewinns mit dem EK 04 hätte verrechnet werden müssen.

32      Das Finanzamt legte gegen das Urteil Revision zum Bundesfinanzhof ein.

33      Dieser verwarf die Auslegung des § 28 Abs. 4 KStG 1996 durch das Finanzgericht. Seiner Ansicht nach kann der Anwendungsbereich dieser Bestimmung nicht auf anrechnungsberechtigte Anteilseigner eingeschränkt werden mit der Folge des Ausschlusses von Anteilseignern wie RCS, die nicht anrechnungsberechtigt seien.

34      Der Bundesfinanzhof hat jedoch Bedenken hinsichtlich der Frage, ob die Herstellung der Ausschüttungsbelastung von Ausschüttungen aus dem EK 02 mit der Richtlinie 90/435, soweit sie einen Steuerabzug an der Quelle darstellt, und gegebenenfalls mit den Bestimmungen des EG-Vertrags über den freien Kapitalverkehr oder die Niederlassungsfreiheit vereinbar ist.

35      Er hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Stellt es einen Abzug von der Quelle im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435, nunmehr Art. 5 in der Fassung der Richtlinie 2003/123/EG des Rates vom 22. Dezember 2003 (ABl. 2004, L 7, S. 41) dar, wenn das nationale Recht vorschreibt, dass bei der Ausschüttung von Gewinnen durch eine Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft Einkünfte und Vermögensmehrungen der Kapitalgesellschaft besteuert werden, die nach nationalem Recht nicht besteuert würden, wenn sie bei der Tochtergesellschaft verblieben und nicht an die Muttergesellschaft ausgeschüttet würden?

2.      Falls die erste Frage verneint wird: Ist es mit den Art. 52, Art. 73b und 73d EG-Vertrag vereinbar, wenn eine nationale Regelung die abweichende Verrechnung der Gewinnausschüttung einer Kapitalgesellschaft mit Eigenkapitalanteilen dieser Gesellschaft mit der Folge einer dadurch ausgelösten steuerlichen Belastung auch in Fällen vorsieht, in denen die Kapitalgesellschaft nachweist, dass sie an gebietsfremde Anteilseigner Dividenden ausgeschüttet hat, obwohl ein solcher Anteilseigner nach nationalem Recht anders als ein gebietsansässiger Anteilseigner nicht berechtigt ist, die festgesetzte Körperschaftsteuer auf seine eigene Steuer anzurechnen?

36      Mit Schriftsatz, der am 18. Februar 2008 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat Burda beantragt, im Hinblick auf den Erlass prozessleitender Maßnahmen die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach Art. 61 der Verfahrensordnung anzuordnen.

 Zum Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und auf Erlass prozessleitender Maßnahmen

37      Nach der Rechtsprechung kann der Gerichtshof gemäß Art. 61 seiner Verfahrensordnung von Amts wegen, auf Vorschlag des Generalanwalts oder auf Antrag der Parteien die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anordnen, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder ein zwischen den Parteien nicht erörtertes Vorbringen als entscheidungserheblich ansieht (vgl. Urteile vom 14. Dezember 2004, Swedish Match, C‑210/03, Slg. 2004, I‑11893, Randnr. 25, vom 7. Dezember 2006, SGAE, C‑306/05, Slg. 2006, I‑11519, Randnr. 27, und vom 28. Juni 2007, Albert Reiss Beteiligungsgesellschaft, C‑466/03, Slg. 2007, I‑5357, Randnr. 29).

38      Zur Begründung ihres Antrags trägt Burda erstens vor, der Generalanwalt berücksichtige in seinen Schlussanträgen nicht Abschnitt 78 Abs. 5 der deutschen Körperschaftsteuerrichtlinien (im Folgenden: KStR).

39      Dazu ist festzustellen, dass es im Rahmen eines gemäß Art. 234 EG eingeleiteten Verfahrens nicht Sache des Gerichtshofs ist, klarzustellen, welche einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts auf das Ausgangsverfahren anwendbar sind. Hierzu ist allein das vorlegende Gericht befugt, das den innerstaatlichen rechtlichen Rahmen umreißt, es aber dem Gerichtshof überlässt, ihm alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben, die es in die Lage versetzen, die Vereinbarkeit einer nationalen Rechtsvorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht zu beurteilen.

40      Es steht indessen fest, dass das vorlegende Gericht Abschnitt 78 Abs. 5 KStR in seiner Vorlageentscheidung nicht erwähnt.

41      In Wirklichkeit beanstandet Burda mit ihrem Vorbringen die Stellungnahme des Generalanwalts zur Auslegung von § 28 Abs. 4 KStG 1996 und rügt, dass der Generalanwalt nicht ihrer Beurteilung folge.

42      Aus der Rechtsprechung folgt jedoch, dass die Satzung und die Verfahrensordnung des Gerichtshofs nicht die Möglichkeit für die Verfahrensbeteiligten vorsehen, zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Stellung zu nehmen (vgl. u. a. Urteil SGAE, Randnr. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Zweitens führt Burda aus, entgegen der Auffassung des Generalanwalts habe sie nicht über einen ausschüttbaren Gewinn verfügt, der zu einem Satz von 30 % hätte besteuert werden können; vielmehr habe sich die Ausschüttung nur als eine steuerfreie Rückzahlung von Einlagen der Anteilseigner dargestellt.

44      Mit diesem Vorbringen macht Burda im Wesentlichen geltend, dass einige der tatsächlichen Prämissen, auf denen die Würdigung des Generalanwalts beruhe, unrichtig oder unvollständig seien.

45      Dazu ist festzustellen, dass es allein Sache des vorlegenden Gerichts ist, den rechtlichen Rahmen festzulegen, in den sich die von ihm vorgelegten Fragen einfügen, oder zumindest die tatsächlichen Annahmen zu erläutern, die diesen Fragen zugrunde liegen.

46      Aus der Vorlagefrage geht jedoch hervor, dass das vorlegende Gericht auf die von Burda in ihrem Antrag angeführten tatsächlichen Umstände nicht eingegangen ist.

47      Folglich kann auch das in Randnr. 43 des vorliegenden Urteils angeführte Vorbringen angesichts der in Art. 61 der Verfahrensordnung festgelegten Anforderungen keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung rechtfertigen.

48      Der Gerichtshof geht daher nach Anhörung des Generalanwalts davon aus, dass er über alle erforderlichen Angaben verfügt, um die Fragen des vorlegenden Gerichts beantworten zu können.

49      Somit ist keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anzuordnen; demnach ist auch der mit dem Wiedereröffnungsantrag verbundene Antrag auf Erlass prozessleitender Maßnahmen zurückzuweisen.

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

50      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, ob eine nationale Rechtsvorschrift, nach der bei der Ausschüttung von Gewinnen durch eine Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft die Einkünfte und Vermögensmehrungen der Tochtergesellschaft besteuert werden, die nicht besteuert worden wären, wenn diese sie thesauriert hätte, anstatt sie an die Muttergesellschaft auszuschütten, einen Steuerabzug an der Quelle im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435 bewirkt.

51      Nach ständiger Rechtsprechung bezweckt die Richtlinie 90/435, die, wie sich aus den Randnrn. 5 und 24 des vorliegenden Urteils ergibt, auf das Ausgangsverfahren anwendbar ist, durch Schaffung eines gemeinsamen Steuersystems jede Benachteiligung der Zusammenarbeit zwischen Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten gegenüber der Zusammenarbeit zwischen Gesellschaften desselben Mitgliedstaats zu beseitigen und so die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu erleichtern. Daher sieht Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vor, dass im Staat der Tochtergesellschaft bei der Gewinnausschüttung eine Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle gewährt wird (vgl. Urteile vom 17. Oktober 1996, Denkavit u. a., C‑283/94, C‑291/94 und C‑292/94, Slg. 1996, I‑5063, Randnr. 22, vom 8. Juni 2000, Epson Europe, C‑375/98, Slg. 2000, I‑4243, Randnr. 20, vom 4. Oktober 2001, Athinaïki Zythopoiïa, C‑294/99, Slg. 2001, I‑6797, Randnr. 25, vom 25. September 2003, Océ van der Grinten, C‑58/01, Slg. 2003, I‑9809, Randnr. 45, und vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in the FII Group Litigation, C‑446/04, Slg. 2006, I‑11753, Randnr. 103).

52      Zu dem den Mitgliedstaaten in Art. 5 der Richtlinie 90/435 auferlegten Verbot, einen Steuerabzug an der Quelle auf diejenigen Gewinne vorzunehmen, die von einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft an ihre in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft ausgeschüttet werden, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass eine Abgabe auf die in dem Mitgliedstaat, in dem die Dividenden ausgeschüttet werden, erzielten Einkünfte, deren auslösender Tatbestand die Zahlung von Dividenden oder anderen Erträgen von Wertpapieren ist, einen Steuerabzug an der Quelle darstellt, wenn die Besteuerungsgrundlage dieser Steuer die Erträge dieser Wertpapiere sind und der Steuerpflichtige der Inhaber dieser Wertpapiere ist (Urteile Epson Europe, Randnr. 23, Athinaïki Zythopoiïa, Randnrn. 28 und 29, Océ van der Grinten, Randnr. 47, und Test Claimants in the FII Group Litigation, Randnr. 108).

53      Nach dieser Rechtsprechung müssen für die Anwendung von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435 drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein.

54      Dazu hat die deutsche Regierung vorgetragen, die dritte in Randnr. 52 des vorliegenden Urteils angeführte Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige der Inhaber der Wertpapiere sei, sei im Ausgangsverfahren nicht erfüllt.

55      Es ist festzustellen, dass Burda anlässlich der Ausschüttung von Gewinnen Körperschaftsteuer zu entrichten hat, während Burda International und RCS Inhaber der Wertpapiere sind.

56      Damit ist die dritte Voraussetzung für das Vorliegen eines Steuerabzugs an der Quelle im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435 im Ausgangsverfahren nicht erfüllt.

57      Dieser Beurteilung steht nicht das Vorbringen von Burda und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften entgegen, die dem Urteil Athinaïki Zythopoiïa entnehmen wollen, dass der Gerichtshof diese Voraussetzung in Wirklichkeit nicht anwende, sondern einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise den Vorzug gebe.

58      Dazu meint die Kommission, die Auslegung der Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435 müsse der besonderen wirtschaftlichen Funktion des Mechanismus des in dieser Richtlinie vorgesehenen Steuerabzugs an der Quelle Rechnung tragen. Andernfalls wäre die Anwendung dieser Bestimmung in den am häufigsten vorkommenden Fällen in Frage gestellt, nämlich jenen, in denen eine Tochtergesellschaft Gewinne an ihre Muttergesellschaft ausschütte, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Ansässigkeit der Tochtergesellschaft ansässig sei.

59      Die Kommission führt dazu weiter aus, angesichts des Umstands, dass die Steuer durch die ausschüttende Gesellschaft einbehalten und unmittelbar an die Steuerbehörden abgeführt werde, entspreche die Besteuerung der Tochtergesellschaft ihrer wirtschaftlichen Wirkung nach einer Besteuerung der Muttergesellschaft.

60      Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen.

61      Zunächst ergibt sich aus der nach dem Urteil Athinaïki Zythopoiïa ergangenen Rechtsprechung, dass der Gerichtshof die Annahme eines Vorliegens eines „Steuerabzugs an der Quelle“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435 auch weiterhin davon abhängig macht, dass der Steuerpflichtige Inhaber der Wertpapiere ist (vgl. Urteile Océ van der Grinten, Randnr. 47, und Test Claimants in the FII Group Litigation, Randnr. 108).

62      Diese Feststellung lässt sich auch nicht auf der Grundlage von dem Mechanismus des Steuerabzugs an der Quelle angeblich zugrunde liegenden wirtschaftlichen Erwägungen, wie sie von der Kommission angeführt worden sind, entkräften. Solche Erwägungen, wären sie denn zu berücksichtigen, liegen der Anwendung von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435 nämlich nur dann zugrunde, wenn die Voraussetzungen, die in der in Randnr. 52 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung aufgestellt worden sind, sämtlich erfüllt sind.

63      Da die dritte Voraussetzung für das Vorliegen eines Steuerabzugs an der Quelle im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435 im Ausgangsverfahren nicht erfüllt ist, steht diese Bestimmung einem buchungstechnischen Berichtigungsmechanismus wie dem des § 28 Abs. 4 KStG 1996 nicht entgegen.

64      Demgemäß ist auf die erste Frage zu antworten, dass eine Bestimmung des nationalen Rechts, nach der bei der Ausschüttung von Gewinnen durch eine Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft die Einkünfte und Vermögensmehrungen der Tochtergesellschaft besteuert werden, die nicht besteuert worden wären, wenn diese sie thesauriert hätte, anstatt sie an die Muttergesellschaft auszuschütten, keinen Steuerabzug an der Quelle im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435 bewirkt.

 Zur zweiten Frage

65      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, ob die Art. 52, 73b und 73d EG-Vertrag dahin auszulegen sind, dass sie der Anwendung einer nationalen Bestimmung wie § 28 Abs. 4 KStG 1996 entgegenstehen, nach der die Besteuerung der Gewinne, die von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschüttet werden, unabhängig davon, ob die Muttergesellschaft in demselben oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, ein und demselben Berichtigungsmechanismus unterliegt, auch wenn einer gebietsfremden Muttergesellschaft im Gegensatz zu einer gebietsansässigen Muttergesellschaft vom Mitgliedstaat der Ansässigkeit ihrer Tochtergesellschaft keine Steuergutschrift gewährt wird.

66      Zunächst ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung zwar die direkten Steuern in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, diese jedoch ihre Befugnisse unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben müssen (vgl. u. a. Urteile vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, C‑196/04, Slg. 2006, I‑7995, Randnr. 40, vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, C‑374/04, Slg. 2006, I‑11673, Randnr. 36, und vom 18. Juli 2007, Oy AA, C‑231/05, Slg. 2007, I‑6373, Randnr. 20).

67      Angesichts des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens ist vorab zu prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche geeignet ist, die in den Art. 52, 73b und 73d EG-Vertrag genannten Freiheiten zu beeinträchtigen.

 Zur betroffenen Freiheit

68      Der ständigen Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass nationale Rechtsvorschriften, die nur die Beziehungen innerhalb einer Unternehmensgruppe regeln, vorwiegend die Niederlassungsfreiheit betreffen (vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteile Test Claimants in the FII Group Litigation, Randnr. 118, Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, Randnr. 33, und Oy AA, Randnr. 23).

69      Nach ständiger Rechtsprechung finden die Bestimmungen des EG-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit in den Fällen Anwendung, in denen eine Gesellschaft eine Beteiligung an einer anderen Gesellschaft hält, die ihr einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der anderen Gesellschaft verschafft und es ihr ermöglicht, deren Tätigkeiten zu bestimmen (vgl. u. a. Urteile Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, Randnr. 31, Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, Randnr. 39, vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, C‑524/04, Slg. 2007, I‑2107, Randnr. 27, Oy AA, Randnr. 20, vom 23. Oktober 2007, Kommission/Deutschland, C‑112/05, Slg. 2007, I‑0000, Randnr. 13, und vom 6. Dezember 2007, Columbus Container Services, C‑298/05, Slg. 2007, I‑0000, Randnr. 29).

70      Der Vorlageentscheidung zufolge werden die Anteile an Burda, die in Deutschland ansässig ist, zu 50 % von einer gebietsfremden Gesellschaft – RCS – gehalten. Eine so hohe Beteiligung am Grundkapital von Burda verleiht RCS grundsätzlich das Recht, einen sicheren und entscheidenden Einfluss auf die Tätigkeit ihrer Tochtergesellschaft im Sinne der in der vorstehenden Randnummer angeführten Rechtsprechung auszuüben.

71      Außerdem können nationale Rechtsvorschriften wie die im Ausgangsverfahren streitigen, deren Anwendung nicht vom Umfang der Beteiligung der die Dividenden beziehenden Gesellschaft an der ausschüttenden Gesellschaft abhängt, sowohl unter Art. 43 EG über die Niederlassungsfreiheit als auch unter Art. 56 EG über den freien Kapitalverkehr fallen (vgl. in diesem Sinne Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation, Randnr. 36).

72      Dazu ist jedoch festzustellen, dass das Ausgangsverfahren ausschließlich die Auswirkungen der dort streitigen nationalen Rechtsvorschriften auf die Situation einer gebietsansässigen Gesellschaft betrifft, die Dividenden an Anteilseigner ausgeschüttet hat, deren Beteiligung ihnen einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen dieser Gesellschaft verschafft und es ihnen ermöglicht, deren Tätigkeiten zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Test Claimants in the FII Group Litigation, Randnr. 38).

73      Bei dieser Sachlage sind auf einen Rechtsstreit wie das Ausgangsverfahren die Bestimmungen des EG-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit anwendbar.

74      Falls die Anwendung der Bestimmungen des Körperschaftsteuergesetzes 1996 zu Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs führen sollte, wären solche Auswirkungen nach der Rechtsprechung jedenfalls die unvermeidliche Konsequenz einer eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und rechtfertigten keine eigenständige Prüfung der Regelung im Hinblick auf Art. 73b EG-Vertrag (Urteil Oy AA, Randnr. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Daher ist die zweite Frage allein im Hinblick auf die Bestimmungen des EG-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit zu beantworten.

 Zum Vorliegen einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

76      Mit der Niederlassungsfreiheit, die Art. 52 EG-Vertrag den Gemeinschaftsangehörigen zuerkennt und die für sie die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen unter den gleichen Bedingungen wie den im Mitgliedstaat der Ansässigkeit für dessen eigene Angehörige festgelegten umfasst, ist gemäß Art. 58 EG-Vertrag (jetzt Art. 48 EG) für die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft haben, das Recht verbunden, ihre Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat durch eine Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur auszuüben (vgl. u. a. Urteile Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, Randnr. 41, sowie Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, Randnr. 42).

77      Bei Gesellschaften dient der Sitz im Sinne des Art. 58 EG-Vertrag ebenso wie bei natürlichen Personen die Staatsangehörigkeit dazu, ihre Zugehörigkeit zur Rechtsordnung eines Staates zu bestimmen. Könnte der Mitgliedstaat der Ansässigkeit nach seinem Belieben eine ungleiche Behandlung allein deshalb vornehmen, weil sich der Sitz einer Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat befindet, würde Art. 52 EG-Vertrag seines Sinnes entleert. Die Niederlassungsfreiheit will daher die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern, indem sie jede Diskriminierung aufgrund des Ortes des Sitzes der Gesellschaften verbietet (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, Randnr. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78      Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, soll der im Ausgangsverfahren fragliche Berichtigungsmechanismus gewährleisten, dass die von der ausschüttenden Gesellschaft entrichtete Steuer nach Berichtigung der dem Anteilseigner zu Unrecht gewährten Steuergutschrift entspricht. Dazu sieht der Berichtigungsmechanismus vor, dass das zum EK 02 gehörende Eigenkapital bei der Besteuerung berücksichtigt wird, um sicherzustellen, dass Steuer und Steuergutschrift den den Anteilseignern ausgestellten Steuerbescheinigungen entsprechen.

79      Nach diesem Berichtigungsmechanismus, mit dem verhindert werden soll, dass eine Steuergutschrift für eine nicht gezahlte Steuer gewährt wird, bezieht sich die Berichtigung nicht auf den Betrag der Steuergutschrift, sondern auf denjenigen der von der ausschüttenden Gesellschaft entrichteten Steuer.

80      Außerdem ist unstreitig, dass der Berichtigungsmechanismus nach § 28 Abs. 4 KStG 1996 auf eine in Deutschland ansässige Gesellschaft unabhängig davon anwendbar ist, ob diese Gesellschaft Tochtergesellschaft einer ebenfalls in Deutschland ansässigen oder einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Muttergesellschaft ist.

81      In diesem Zusammenhang vertritt Burda die Auffassung, die diskriminierende Behandlung bestehe im Ausgangsverfahren gerade in der Anwendung des gleichen Berichtigungsmechanismus auf unterschiedliche Situationen, da gebietsfremde Muttergesellschaften von gebietsansässigen Tochtergesellschaften im Gegensatz zu gebietsansässigen Muttergesellschaften keine Steuergutschrift als Ausgleich für die von der ausschüttenden Gesellschaft gezahlte Körperschaftsteuer erhielten.

82      Da eine Diskriminierung darin bestehen kann, dass auf unterschiedliche Situationen die gleiche Vorschrift angewandt wird, ist für eine Feststellung, dass im Ausgangsverfahren eine diskriminierende und damit eine nach Art. 52 EG-Vertrag grundsätzlich verbotene steuerliche Behandlung vorliegt, zu prüfen, ob sich in Bezug auf die fragliche nationale Maßnahme gebietsansässige Tochtergesellschaften insoweit in einer unterschiedlichen Situation befinden, als ihre jeweiligen Muttergesellschaften gebietsansässig oder aber gebietsfremd sind, also eine Steuergutschrift erhalten oder nicht.

83      Der Vorlageentscheidung zufolge kann die Anwendung des in § 28 Abs. 4 KStG 1996 vorgesehenen buchungstechnischen Berichtigungsmechanismus nicht die Steuerbelastung von Burda nach Maßgabe des Umstands ändern, ob deren Muttergesellschaft in Deutschland oder einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist.

84      Es kann daher nicht festgestellt werden, dass die Anwendung von § 28 Abs. 4 KStG 1996 für die Tochtergesellschaft zu einer gleichen Behandlung unterschiedlicher Situationen führt, denn die Tochtergesellschaft befindet sich nach den Rechtsvorschriften ihres Ansässigkeitsstaats, der Bundesrepublik Deutschland, nicht in einer unterschiedlichen Situation je nachdem, ob sie ihre Gewinne an eine gebietsfremde oder an eine gebietsansässige Muttergesellschaft ausschüttet.

85      Dieser Beurteilung steht auch nicht der vom vorlegenden Gericht hervorgehobene Umstand entgegen, dass die Besteuerung des ausschüttenden Unternehmens für die gebietsfremden Anteilseigner in dem Sinne endgültig wird, dass die Erhöhung der Steuerbelastung der ausschüttenden Gesellschaft nicht durch die Gewährung einer entsprechenden Steuergutschrift ausgeglichen wird.

86      In dieser Hinsicht ist zu beachten, dass es nach der Rechtsprechung Sache jedes Mitgliedstaats ist, sein System der Besteuerung von Gewinnausschüttungen unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts zu errichten und in diesem Rahmen die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung sowie den Steuersatz festzulegen, die auf die Gesellschaft, die Gewinne ausschüttet, und/oder den Anteilseigner, dem Gewinne zufließen, anzuwenden sind, sofern die Genannten im betreffenden Staat steuerpflichtig sind (Urteil Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, Randnr. 50).

87      Nach dieser Rechtsprechung bleiben die Mitgliedstaaten in Ermangelung gemeinschaftsrechtlicher Vereinheitlichungs- und Harmonisierungsmaßnahmen befugt, insbesondere zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich oder einseitig festzulegen (Urteil Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, Randnr. 52).

88      Insoweit bezweckt die Steuergutschrift, die der gebietsansässigen Muttergesellschaft nach den im Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften gewährt wird, eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung der Gewinne zu vermeiden, die von einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft ausgeschüttet und erstmals bei dieser besteuert werden.

89      Im Ausgangsverfahren, in dem es um eine grenzüberschreitende Gewinnausschüttung geht, obliegt es grundsätzlich nicht dem Mitgliedstaat der Ansässigkeit der Tochtergesellschaft, sondern vielmehr dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Muttergesellschaft ansässig ist, diese wirtschaftliche Doppelbesteuerung zu verhindern.

90      Nach Art. 4 der Richtlinie 90/435 muss nämlich der Mitgliedstaat der Ansässigkeit der Muttergesellschaft entweder die Gewinne, die diese von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft bezogen hat, von der Steuer befreien oder zulassen, dass die Muttergesellschaft auf die Steuer den Steuerteilbetrag anrechnen kann, den die Tochtergesellschaft für die von ihr ausgeschütteten Gewinne entrichtet.

91      Somit ist der Mitgliedstaat der Ansässigkeit der Muttergesellschaft in beiden Fällen verpflichtet, eine steuerliche Behandlung zu gewähren, mit der der gleiche Zweck wie der verfolgt wird, den der Mitgliedstaat der Ansässigkeit der Tochtergesellschaft mit der Gewährung der Steuergutschrift an die in ihm ansässigen Muttergesellschaften verfolgt, so dass eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung der in Form von Dividenden ausgeschütteten Gewinne ebenfalls vermieden wird.

92      Wie eine gebietsansässige Muttergesellschaft einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft, die vom Staat ihrer Ansässigkeit, der zugleich als Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft handelt, eine Steuergutschrift erhält, ist somit auch eine gebietsfremde Muttergesellschaft einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft gegen die Gefahr einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung der in Form von Dividenden ausgeschütteten Gewinne geschützt, dies allerdings durch den Mitgliedstaat, in dem sie selbst ansässig ist.

93      Folglich wird die Besteuerung der ausgeschütteten Gewinne wie derjenigen, die nach dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens zum EK 02 gehören, jedenfalls vom Mitgliedstaat der Ansässigkeit der Muttergesellschaft ausgeglichen.

94      Der Umstand, dass der Mitgliedstaat der Tochtergesellschaft einer gebietsfremden Muttergesellschaft keine Steuergutschrift gewährt, kann also nicht bewirken, dass sich die Situation der gebietsansässigen Tochtergesellschaft einer gebietsansässigen Muttergesellschaft von derjenigen der gebietsansässigen Tochtergesellschaft einer gebietsfremden Muttergesellschaft unterscheidet.

95      Daraus folgt, dass sich die Situation der gebietsansässigen Tochtergesellschaft einer gebietsansässigen Muttergesellschaft hinsichtlich der Anwendung der im Ausgangsverfahren fraglichen Rechtsvorschriften nicht von der Situation der gebietsansässigen Tochtergesellschaft einer gebietsfremden Muttergesellschaft unterscheidet, so dass insoweit keine diskriminierende Behandlung der gebietsansässigen Tochtergesellschaft festgestellt werden kann.

96      Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 52 EG-Vertrag dahin auszulegen ist, dass er der Anwendung einer nationalen Bestimmung wie § 28 Abs. 4 KStG 1996 nicht entgegensteht, nach der die Besteuerung der Gewinne, die von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschüttet werden, unabhängig davon, ob die Muttergesellschaft in demselben oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, ein und demselben Berichtigungsmechanismus unterliegt, auch wenn einer gebietsfremden Muttergesellschaft im Gegensatz zu einer gebietsansässigen Muttergesellschaft vom Mitgliedstaat der Ansässigkeit ihrer Tochtergesellschaft keine Steuergutschrift gewährt wird.

 Kosten

97      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Eine Bestimmung des nationalen Rechts, nach der bei der Ausschüttung von Gewinnen durch eine Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft Einkünfte und Vermögensmehrungen der Tochtergesellschaft besteuert werden, die nicht besteuert worden wären, wenn diese sie thesauriert hätte, anstatt sie an die Muttergesellschaft auszuschütten, bewirkt keinen Steuerabzug an der Quelle im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten.

2.      Art. 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 43 EG) ist dahin auszulegen, dass er der Anwendung einer nationalen Bestimmung wie § 28 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes 1996 in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung nicht entgegensteht, nach der die Besteuerung der Gewinne, die von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschüttet werden, unabhängig davon, ob die Muttergesellschaft in demselben oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, ein und demselben Berichtigungsmechanismus unterliegt, auch wenn einer gebietsfremden Muttergesellschaft im Gegensatz zu einer gebietsansässigen Muttergesellschaft vom Mitgliedstaat der Ansässigkeit ihrer Tochtergesellschaft keine Steuergutschrift gewährt wird.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.

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