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Document 62007CJ0429

Urteil des Gerichtshofes (Vierte Kammer) vom 11. Juni 2009.
Inspecteur van de Belastingdienst gegen X BV.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Gerechtshof te Amsterdam - Niederlande.
Wettbewerbspolitik - Art. 81 EG und 82 EG - Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 - Schriftliche Erklärungen der Kommission - Nationaler Rechtsstreit über die steuerliche Abzugsfähigkeit einer durch eine Entscheidung der Kommission verhängten Geldbuße.
Rechtssache C-429/07.

European Court Reports 2009 I-04833

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2009:359

Rechtssache C‑429/07

Inspecteur van de Belastingdienst

gegen

X BV

(Vorabentscheidungsersuchen des Gerechtshof te Amsterdam)

„Wettbewerbspolitik – Art. 81 EG und 82 EG – Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Schriftliche Erklärungen der Kommission – Nationaler Rechtsstreit über die steuerliche Abzugsfähigkeit einer durch eine Entscheidung der Kommission verhängten Geldbuße“

Leitsätze des Urteils

Wettbewerb – Gemeinschaftsvorschriften – Anwendung – Zusammenarbeit der Kommission mit den nationalen Gerichten – Beteiligung der Kommission an einem vor einem nationalen Gericht anhängigen Verfahren

(Art. 81 EG, 82 EG und 83 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 15 Abs. 3)

Mit Art. 15 („Zusammenarbeit mit Gerichten der Mitgliedstaaten“) der Verordnung Nr. 1/2003 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln wurde ein System des gegenseitigen Informationsaustauschs zwischen der Kommission und den Gerichten der Mitgliedstaaten eingeführt, das der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten unter bestimmten Umständen die Möglichkeit bietet, sich an Verfahren zu beteiligen, die vor den nationalen Gerichten anhängig sind.

Aus der wörtlichen Auslegung des Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 ergibt sich, dass die Befugnis der Kommission, von sich aus den Gerichten der Mitgliedstaaten schriftliche Stellungnahmen zu übermitteln, allein unter dem Vorbehalt steht, dass die kohärente Anwendung der Art. 81 EG oder 82 EG dies erfordert. Diese Voraussetzung kann auch dann erfüllt sein, wenn das betreffende Verfahren nicht die Anwendung der Art. 81 EG oder 82 EG betrifft.

Außerdem sind die Art. 81 bis 83 EG als Teil eines umfassenden Regelungswerks zu verstehen, das auf ein Verbot und die Ahndung wettbewerbswidriger Praktiken ausgerichtet ist, wobei Art. 83 EG insbesondere zum Ziel hat, eine wirksame Überwachung in Bezug auf Kartelle und Missbräuche einer beherrschenden Stellung zu gewährleisten. Eine Trennung des grundsätzlichen Verbots wettbewerbswidriger Praktiken von den Sanktionen, die für den Fall eines Verstoßes gegen dieses Verbot vorgesehen sind, würde den Maßnahmen der Behörden, die für die Überwachung der Einhaltung dieses Verbots und die Ahndung derartiger Praktiken zuständig sind, jede Wirksamkeit nehmen. Die Art. 81 EG und 82 EG wären daher wirkungslos, wenn sie nicht mit den in Art. 83 Abs. 2 Buchst. a EG vorgesehenen Zwangsmaßnahmen einhergingen. Es besteht nämlich zwischen den Geldbußen und der Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG ein innerer Zusammenhang. Die Wirksamkeit der Sanktionen, die von den nationalen oder den gemeinschaftlichen Wettbewerbsbehörden auf der Grundlage von Art. 83 Abs. 2 Buchst. a EG verhängt werden, ist also eine Voraussetzung für die kohärente Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG.

Die Entscheidung, die ein einzelstaatliches Gericht in einem Verfahren zu treffen hat, in dem es darum geht, ob eine Geldbuße, die die Kommission wegen Verstoßes gegen Art. 81 EG oder 82 EG verhängt hat, insgesamt oder teilweise von dem steuerbaren Gewinn abgezogen werden kann, könnte die Wirksamkeit der nach Art. 83 Abs. 2 Buchst. a EG für wettbewerbswidrige Praktiken vorgesehenen Sanktionen beeinträchtigen und dadurch die kohärente Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG gefährden.

Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 1/2003 ist deshalb dahin auszulegen, dass die Kommission befugt ist, von sich aus einem einzelstaatlichen Gericht eine schriftliche Stellungnahme in einem Verfahren zu übermitteln, in dem es darum geht, ob eine Geldbuße, die die Kommission wegen Verstoßes gegen Art. 81 EG oder 82 EG verhängt hat, insgesamt oder teilweise von dem steuerbaren Gewinn abgezogen werden kann.

(vgl. Randnrn. 24, 30, 33-34, 36-38, 40 und Tenor)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

11. Juni 2009(*)

„Wettbewerbspolitik – Art. 81 EG und 82 EG – Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Schriftliche Erklärungen der Kommission – Nationaler Rechtsstreit über die steuerliche Abzugsfähigkeit einer durch eine Entscheidung der Kommission verhängten Geldbuße“

In der Rechtssache C‑429/07

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Gerechtshof te Amsterdam (Niederlande) mit Entscheidung vom 12. September 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 17. September 2007, in dem Verfahren

Inspecteur van de Belastingdienst

gegen

X BV

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts sowie der Richter T. von Danwitz, E. Juhász (Berichterstatter), G. Arestis und J. Malenovský,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: N. Nanchev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen:

–        der X BV, vertreten durch G. Th. K. Meussen, advocaat,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch Y. de Vries und M. de Grave als Bevollmächtigte,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von F. Arena, avvocato dello Stato,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Bouquet und W. Wils als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. März 2009

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Inspecteur van de Belastingdienst (im Folgenden: Inspecteur) und der X BV, einer Gesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in P, wegen der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Geldbußen, die von der Kommission wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln verhängt wurden.

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

3        Der 21. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 lautet:

„Die einheitliche Anwendung der Wettbewerbsregeln erfordert außerdem, Formen der Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten und der Kommission vorzusehen. Dies gilt für alle Gerichte der Mitgliedstaaten, die die Artikel 81 und 82 des Vertrags zur Anwendung bringen, unabhängig davon, ob sie die betreffenden Regeln in Rechtsstreitigkeiten zwischen Privatparteien anzuwenden haben oder ob sie als Wettbewerbsbehörde oder als Rechtsmittelinstanz tätig werden. Insbesondere sollten die einzelstaatlichen Gerichte die Möglichkeit erhalten, sich an die Kommission zu wenden, um Informationen oder Stellungnahmen zur Anwendung des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft zu erhalten. Der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten wiederum muss die Möglichkeit gegeben werden, sich mündlich oder schriftlich vor einzelstaatlichen Gerichten zu äußern, wenn Artikel 81 oder 82 des Vertrags zur Anwendung kommt. Diese Stellungnahmen sollten im Einklang mit den einzelstaatlichen Verfahrensregeln und Gepflogenheiten, einschließlich derjenigen, die die Wahrung der Rechte der Parteien betreffen, erfolgen. Hierzu sollte dafür gesorgt werden, dass die Kommission und die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten über ausreichende Informationen über Verfahren vor einzelstaatlichen Gerichten verfügen.“

4        Art. 15 der Verordnung Nr. 1/2003 bestimmt:

„Zusammenarbeit mit Gerichten der Mitgliedstaaten

(1)      Im Rahmen von Verfahren, in denen Artikel 81 oder 82 des Vertrags zur Anwendung kommt, können die Gerichte der Mitgliedstaaten die Kommission um die Übermittlung von Informationen, die sich in ihrem Besitz befinden, oder um Stellungnahmen zu Fragen bitten, die die Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft betreffen.

(2)      Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission eine Kopie jedes schriftlichen Urteils eines einzelstaatlichen Gerichts über die Anwendung des Artikels 81 oder 82 des Vertrags. Die betreffende Kopie wird unverzüglich übermittelt, nachdem das vollständige schriftliche Urteil den Parteien zugestellt wurde.

(3)      Die einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden können von sich aus den Gerichten ihres Mitgliedstaats schriftliche Stellungnahmen zur Anwendung des Artikels 81 oder 82 des Vertrags übermitteln. Mit Erlaubnis des betreffenden Gerichts können sie vor den Gerichten ihres Mitgliedstaats auch mündlich Stellung nehmen. Sofern es die kohärente Anwendung der Artikel 81 oder 82 des Vertrags erfordert, kann die Kommission aus eigener Initiative den Gerichten der Mitgliedstaaten schriftliche Stellungnahmen übermitteln. Sie kann mit Erlaubnis des betreffenden Gerichts auch mündlich Stellung nehmen.

Zum ausschließlichen Zweck der Ausarbeitung ihrer Stellungnahmen können die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten und die Kommission das betreffende Gericht des Mitgliedstaats ersuchen, ihnen alle zur Beurteilung des Falls notwendigen Schriftstücke zu übermitteln oder für deren Übermittlung zu sorgen.

(4)      Umfassendere Befugnisse zur Abgabe von Stellungnahmen vor einem Gericht, die den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten nach ihrem einzelstaatlichen Recht zustehen, werden durch diesen Artikel nicht berührt.“

5        Die Nrn. 31 bis 35 der Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der EU-Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Artikel 81 und 82 des Vertrags (ABl. 2004, C 101, S. 54) lauten:

„31.      Nach Artikel 15 Absatz 3 der Verordnung [Nr. 1/2003] können die einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden und die Kommission einem einzelstaatlichen Gericht, das zur Anwendung der Artikel 81 [EG] oder 82 [EG] berufen ist, schriftliche Stellungnahmen übermitteln. Die Verordnung unterscheidet zwischen schriftlichen Stellungnahmen, welche die einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden und die Kommission von sich aus übermitteln können, und mündlichen Stellungnahmen, die nur mit Erlaubnis des einzelstaatlichen Gerichts möglich sind …

32.      In der Verordnung ist geregelt, dass die Kommission nur dann Stellungnahmen übermittelt, wenn dies zur kohärenten Anwendung der Artikel 81 [EG] oder 82 [EG] erforderlich ist. Folglich beschränkt die Kommission ihre Stellungnahmen auf eine wirtschaftliche und rechtliche Analyse des Sachverhalts, der dem vor dem einzelstaatlichen Gericht anhängigen Fall zugrunde liegt.

33.      Damit die Kommission sinnvoll Stellung nehmen kann, können die einzelstaatlichen Gerichte ersucht werden, der Kommission eine Kopie aller zur Beurteilung des Falls notwendigen Schriftstücke zu übermitteln oder für deren Übermittlung an die Kommission zu sorgen. Gemäß Artikel 15 Absatz 3 zweiter Unterabsatz der Verordnung [Nr. 1/2003] verwendet die Kommission diese Schriftstücke ausschließlich zum Zwecke der Ausarbeitung ihrer Stellungnahme …

34.      Da die Verordnung keinen Verfahrensrahmen für die Übermittlung von Stellungnahmen vorgibt, sind die Verfahrensvorschriften und die Verfahrenspraxis der Mitgliedstaaten maßgebend. Hat ein Mitgliedstaat noch keinen entsprechenden Verfahrensrahmen festgelegt, muss das einzelstaatliche Gericht bestimmen, welche Verfahrensregeln für die Übermittlung von Stellungnahmen in dem anhängigen Verfahren angemessen sind.

35.      Bei der Verfahrensweise für die Übermittlung von Stellungnahmen sollen die in Ziffer 10 aufgestellten Grundsätze beachtet werden. Hieraus ergibt sich unter anderem, dass der Verfahrensrahmen für die Übermittlung von Stellungnahmen zu Fragen hinsichtlich der Anwendung von Artikel 81 [EG] oder 82 [EG]

a)      mit den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts vereinbar sein muss, insbesondere mit den Grundrechten der beteiligten Parteien;

b)      die Übermittlung der Stellungnahmen nicht übermäßig erschweren oder praktisch unmöglich machen darf (Grundsatz der Wirksamkeit) … und

c)      die Übermittlung der Stellungnahmen nicht schwieriger machen darf als die Übermittlung von Stellungnahmen in Gerichtsverfahren, in denen gleichwertiges innerstaatliches Recht angewandt wird (Grundsatz der Gleichwertigkeit).“

 Nationales Recht

6        Art. 89h der Wet houdende nieuwe regels omtrent de economische mededinging (Mededingingswet) (Gesetz mit neuen Vorschriften über den wirtschaftlichen Wettbewerb [Wettbewerbsgesetz]) vom 22. Mai 1997 (Stb. 1997, Nr. 242) in der durch das Gesetz vom 30. Juni 2004 geänderten Fassung (Stb. 2005, Nr. 172) (im Folgenden: Mededingingswet) bestimmt:

„1.      Der Raad [van Bestuur van de Nederlandse Mededingingsautoriteit; Verwaltungsrat der niederländischen Wettbewerbsbehörde, im Folgenden: NMa] oder die Kommission der Europäischen Gemeinschaften können, wenn sie nicht als Partei auftreten, im Verfahren über eine Klage beim Verwaltungsgericht schriftliche Stellungnahmen gemäß Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 übermitteln, wenn der Raad [der NMa] oder die Kommission der Europäischen Gemeinschaften den Wunsch dazu geäußert haben. Das Gericht kann dafür einen Termin bestimmen. Mit Zustimmung des Gerichts können sie auch in der Sitzung mündlich Stellung nehmen.

2.      Auf Ersuchen im Sinne von Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 übermittelt das Gericht dem Raad [der NMa] und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften alle Schriftstücke im Sinne dieser Bestimmung. Die Parteien können innerhalb einer vom Gericht zu bestimmenden Frist zu den zu übermittelnden Schriftstücken Stellung nehmen.

3.      Die Parteien können sich innerhalb einer vom Gericht zu bestimmenden Frist zu den Stellungnahmen des Raad [der NMa] oder der Kommission der Europäischen Gemeinschaften äußern. Das Gericht kann den Parteien Gelegenheit geben, sich zu der Stellungnahme der anderen Partei zu äußern.“

7        Der genannte Art. 89h ist durch das Gesetz zur Änderung des Wettbewerbsgesetzes sowie verschiedener anderer Gesetze im Zusammenhang mit der Durchführung der Verordnung Nr. 1/2003 und der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 (wet tot wijziging van de Mededingingswet en van enige andere wetten in verband med de implementatie van EG-verordeningen 1/2003 en 139/2004) vom 30. Juni 2004 (Stb. 2004, Nr. 345) eingeführt worden. Gemäß der Vorlageentscheidung heißt es in der Begründung dieses Gesetzes (Vorbereitende Arbeiten II, Sitzungsjahr 2003–2004, 29 276, Nr. 3):

„2.5      Zusammenarbeit mit den nationalen Gerichten

Die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den nationalen Gerichten ist in Art. 15 und im 21. Erwägungsgrund [der Verordnung Nr. 1/2003] geregelt.

Art. 15 Abs. 3 bestimmt u. a., dass die Kommission und die einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden in einem vor Gericht anhängigen Verfahren (als amicus curiae) schriftliche und mündliche Stellungnahmen abgeben können. Diese Stellungnahmen sollen eine kohärente Anwendung der Wettbewerbsregeln fördern.

Die Kommission und die einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden müssen dabei die niederländischen Verfahrensvorschriften einhalten. In dem Verfahren zwischen den beiden Parteien ist das Gericht nämlich passiv und entscheidet über den Fortgang des Verfahrens. Außerdem ist es nicht an die Stellungnahme der Kommission gebunden (21. Erwägungsgrund). Die Unabhängigkeit des Gerichts steht also nicht in Frage. Die Kommission und die einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden müssen die Rechte der Parteien achten und dafür Sorge tragen, dass vertrauliche Geschäftsinformationen vertraulich bleiben. Schließlich können die Gerichte der Mitgliedstaaten die Kommission gemäß Art. 15 Abs. 1 der Verordnung [Nr. 1/2003] um die Übermittlung von Informationen oder um Stellungnahmen bitten.

3.4      Die Zusammenarbeit zwischen dem Generaldirektor der NMa, der Kommission und den Gerichten

Art. 15 Abs. 3 der Verordnung [Nr. 1/2003] bestimmt, dass die einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden und die Kommission von sich aus schriftliche Stellungnahmen zur Anwendung des Art. 81 EG oder 82 EG übermitteln und mit Erlaubnis des Gerichts auch mündlich Stellung nehmen können.

Art. 15 Abs. 1 der Verordnung [Nr. 1/2003] sieht außerdem die Möglichkeit vor, dass das Gericht die Kommission um die Übermittlung von Informationen oder um Stellungnahmen zu Fragen bittet, die die Anwendung der Art. 81 EG oder 82 EG betreffen …

… Art. 15 der Verordnung [Nr. 1/2003] wird für das verwaltungsgerichtliche Verfahren durch Anpassung der Mededingingswet (Art. I Teil G [des Änderungsgesetzes], Art. 89h, 89i und 89j [der Mededingingswet]) und für das zivilgerichtliche Verfahren durch Anpassung des Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering [Zivilprozessordnung] (Artikel III) durchgeführt.“

8        Art. 3.14 („Nicht abzugsfähige allgemeine Kosten“) der Wet inkomstenbelasting 2001 (Einkommensteuergesetz 2001) in der für im Jahr 2002 erzielte Einkommen geltenden Fassung bestimmte:

„1.      Bei der Gewinnermittlung sind Kosten und Belastungen im Zusammenhang mit folgenden Posten nicht abzugsfähig:

c)      Geldbußen, die von einem niederländischen Strafgericht verhängt worden sind, und Geldbeträge, die an den Staat zur Vermeidung von Strafverfolgung in den Niederlanden oder zur Erfüllung einer Auflage im Zusammenhang mit einer Begnadigung an den Staat gezahlt worden sind, sowie Geldbußen, die durch eine Einrichtung der Europäischen Union verhängt worden sind, und Bußgelder und Aufschläge, die nach dem Allgemeinen Abgabengesetz (Algemene wet inzake rijksbelastingen), dem Zollgesetz (Douanewet), dem Koordinationsgesetz über die soziale Sicherheit (Coördinatiewet Sociale Verzekering), dem Gesetz über Verkehrsordnungswidrigkeiten (Wet administratiefrechtelijke handhaving verkeersvoorschriften) und dem Wettbewerbsgesetz (Mededingingswet) verhängt worden sind;

…“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

9        Mit Entscheidung 2005/471/EG der Kommission vom 27. November 2002 bezüglich eines Verfahrens zur Durchführung von Artikel 81 des EG-Vertrags gegen: BPB PLC, Gebrüder Knauf Westdeutsche Gipswerke KG, Société Lafarge SA und Gyproc Benelux NV (Sache COMP/E-1/37.152 – Gipsplatten) (ABl. L 166, S. 8) wurden den Unternehmen BPB, Knauf, Lafarge und Gyproc Geldbußen in Höhe von 138,6 Mio., 85,8 Mio., 249,6 Mio. bzw. 4,32 Mio. Euro auferlegt. Diese Geldbußen wurden vorläufig gezahlt oder durch eine Bankkaution abgesichert.

10      Die von der Kommission verhängten Geldbußen wurden vom Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in seinen Urteilen vom 8. Juli 2008, Saint-Gobain Gyproc Belgium/Kommission (T‑50/03, Slg. 2008, I‑0000), Knauf Gips/Kommission (T‑52/03, Slg. 2008, I‑0000), BPB/Kommission (T‑53/03, Slg. 2008, I‑0000) und Lafarge/Kommission (T-54/03, Slg. 2008, I‑0000) bestätigt. Knauf und Lafarge haben gegen die Urteile des Gerichts, mit denen ihre Klagen abgewiesen wurden, Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt (Rechtssachen C‑407/08 P und C‑413/08 P).

11      Vor Erlass dieser Urteile des Gerichts hatte eines der betroffenen Unternehmen, den Akten zufolge mit Sitz in Deutschland und vom vorlegenden Gericht als X KG bezeichnet, die ihm auferlegte Geldbuße innerhalb des Konzerns, dessen Muttergesellschaft es ist, teilweise auf eine seiner niederländischen Tochtergesellschaften, die X BV, abgewälzt.

12      Am 13. März 2004 erließ die niederländische Steuerverwaltung gegen die X BV einen Körperschaftsteuerbescheid für das Steuerjahr 2002. Mit Schreiben vom 8. April 2004 legte dieses Unternehmen beim Inspecteur Einspruch gegen den Steuerbescheid ein, wobei es geltend machte, dass die von der Kommission auferlegte Geldbuße, die seine Muttergesellschaft teilweise auf es abgewälzt habe, keine Geldbuße im Sinne von Art. 3.14 Abs. 1 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes 2001 darstelle, nach dem von Einrichtungen der Gemeinschaft verhängte Geldbußen bei der Ermittlung des steuerbaren Gewinns einer Gesellschaft nicht abzugsfähig seien. Der Inspecteur wies diesen Einspruch mit Bescheid vom 11. März 2005 zurück.

13      Am 19. April 2005 erhob die X BV Klage bei der Rechtbank Haarlem.

14      Mit Urteil vom 22. Mai 2006 erkannte dieses Gericht die teilweise Abzugsfähigkeit der Geldbuße an.

15      Der Inspecteur legte gegen dieses Urteil mit Rechtsmittelschrift vom 30. Juni 2006 Rechtsmittel beim Gerechtshof te Amsterdam ein.

16      Mit Schreiben vom 15. März 2007 teilte die Kommission, die durch die Presse und durch die nationalen Wettbewerbsbehörden informiert worden war, dem Gerechtshof te Amsterdam ihren Wunsch mit, gemäß Art. 15 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 und Art. 89h Mededingingswet sich am Rechtsstreit als amicus curiae zu beteiligen. Außerdem beantragte sie, ihr hierfür eine Frist zu setzen und ihr die für das Verständnis des Rechtsstreits erforderlichen Schriftstücke zu übermitteln.

17      Am 22. August 2007 wurden in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerechtshof te Amsterdam die Parteien des Ausgangsverfahrens und die Kommission aufgefordert, sich zu der Frage zu äußern, ob die Kommission nach Art. 15 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 befugt sei, von sich aus schriftliche Erklärungen im Rahmen des vor dem Gerechtshof te Amsterdam anhängigen Verfahrens einzureichen.

18      In diesem Zusammenhang hat der Gerechtshof te Amsterdam das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist die Kommission gemäß Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 befugt, von sich aus eine schriftliche Stellungnahme in einem Verfahren zu übermitteln, in dem es darum geht, ob eine Geldbuße, die die Kommission gegen die X KG wegen Zuwiderhandlung gegen das europäische Wettbewerbsrecht verhängt hat und die von dem Unternehmen (teilweise) auf die Steuerpflichtige abgewälzt worden ist, von dem (steuerlichen) Gewinn, den die Steuerpflichtige 2002 erzielt hat, abgezogen werden kann?

 Zur Vorlagefrage

19      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Kommission nach Art. 15 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 befugt ist, von sich aus einem einzelstaatlichen Gericht eine schriftliche Stellungnahme in einem Verfahren zu übermitteln, in dem es darum geht, ob eine Geldbuße, die die Kommission wegen Verstoßes gegen Art. 81 EG oder 82 EG verhängt hat, insgesamt oder teilweise von dem steuerbaren Gewinn abgezogen werden kann.

20      Um eine kohärente Anwendung der Wettbewerbsregeln in den Mitgliedstaaten zu gewährleisten, wurde in Kapitel IV der Verordnung Nr. 1/2003 ein Mechanismus der Zusammenarbeit zwischen der Kommission, den nationalen Wettbewerbsbehörden und den Gerichten der Mitgliedstaaten eingerichtet.

21      Diese Zusammenarbeit erfolgt im Rahmen des in Art. 10 EG genannten allgemeinen Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit, der für die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsorganen gilt. Die Pflicht der Gemeinschaftsorgane zur loyalen Zusammenarbeit hat, wie der Gerichtshof festgestellt hat, besondere Bedeutung im Verhältnis zu den Gerichten der Mitgliedstaaten, die für die Anwendung und Wahrung des Gemeinschaftsrechts im Rahmen der nationalen Rechtsordnung Sorge zu tragen haben (vgl. Beschluss vom 13. Juli 1990, Zwartveld u. a., C‑2/88, Slg. 1990, I‑3365, Randnr. 18).

22      In diesem Rahmen handeln die nationalen Gerichte einerseits und die Kommission und die Gemeinschaftsgerichte andererseits entsprechend der ihnen durch den Vertrag zugewiesenen Rolle (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2000, Masterfoods und HB, C‑344/98, Slg. 2000, I‑11369, Randnr. 56).

23      Die Art. 11 bis 14 der Verordnung Nr. 1/2003 sehen verschiedene Formen der Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den nationalen Wettbewerbsbehörden vor.

24      Mit Art. 15 („Zusammenarbeit mit Gerichten der Mitgliedstaaten“) dieser Verordnung wurde ein System des gegenseitigen Informationsaustauschs zwischen der Kommission und den Gerichten der Mitgliedstaaten eingeführt, das der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten unter bestimmten Umständen die Möglichkeit bietet, sich an Verfahren zu beteiligen, die vor den nationalen Gerichten anhängig sind.

25      Der Mechanismus der Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der Mitgliedstaaten gilt gemäß dem 21. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 für alle Gerichte der Mitgliedstaaten, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Privatparteien, als Wettbewerbsbehörde oder als Rechtsmittelinstanz die Art. 81 EG oder 82 EG anwenden.

26      Nach Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 können die genannten Gerichte die Kommission um die Übermittlung von Informationen, die sich in ihrem Besitz befinden, oder um Stellungnahmen zu Fragen bitten, die die Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft betreffen. Die Mitgliedstaaten übermitteln nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung der Kommission eine Kopie jedes schriftlichen Urteils eines einzelstaatlichen Gerichts über die Anwendung der Art. 81 EG oder 82 EG.

27      Die einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden können gemäß Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 1 Sätze 1 und 2 der Verordnung von sich aus den Gerichten ihres Mitgliedstaats schriftliche Stellungnahmen zur Anwendung des Art. 81 EG oder 82 EG übermitteln und mit Erlaubnis des betreffenden Gerichts vor den Gerichten ihres Mitgliedstaats auch mündlich Stellung nehmen. Sofern die kohärente Anwendung der Art. 81 EG oder 82 EG es erfordert, ist gemäß Art. 15 Abs. 3 Sätze 3 und 4 der Verordnung auch die Kommission befugt, von sich aus den Gerichten der Mitgliedstaaten schriftliche Stellungnahmen zu übermitteln und mit Erlaubnis des betreffenden Gerichts mündlich Stellung zu nehmen.

28      Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 sieht also zwei verschiedene Beteiligungen mit unterschiedlichem Anwendungsbereich vor: die Beteiligung der nationalen Wettbewerbsbehörden in Verfahren vor den Gerichten ihres Mitgliedstaats, die die Anwendung der Art. 81 EG oder 82 EG betreffen, und die Beteiligung der Kommission in Verfahren vor den Gerichten der Mitgliedstaaten, sofern die kohärente Anwendung der Art. 81 EG oder 82 EG dies erfordert.

29      Die vier Sätze dieses Absatzes und insbesondere die Tatsache, dass die Sätze 2 und 4 nahezu völlig übereinstimmen, zeigen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber diese beiden Fälle, obwohl sie im selben Absatz behandelt werden, voneinander unterscheiden wollte.

30      Daher ergibt sich aus der grammatikalischen Auslegung des Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003, dass die Befugnis der Kommission, von sich aus den Gerichten der Mitgliedstaaten schriftliche Stellungnahmen zu übermitteln, allein unter dem Vorbehalt steht, dass die kohärente Anwendung der Art. 81 EG oder 82 EG dies erfordert. Diese Voraussetzung kann auch dann erfüllt sein, wenn das betreffende Verfahren nicht die Anwendung der Art. 81 EG oder 82 EG betrifft.

31      Dieser Auslegung steht Satz 4 des 21. Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 1/2003 nicht entgegen, wonach der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten die Möglichkeit gegeben werden muss, sich mündlich oder schriftlich vor einzelstaatlichen Gerichten zu äußern, wenn Art. 81 EG oder 82 EG zur Anwendung kommt. Dieser Erwägungsgrund bezieht sich ganz einfach auf einen typischen Fall, ohne andere Fälle auszuschließen, in denen die Kommission sich am Verfahren beteiligen kann. Außerdem kann ein Erwägungsgrund einer Verordnung zwar dazu beitragen, Aufschluss über die Auslegung einer Rechtsvorschrift zu geben, er stellt jedoch selbst keine solche Vorschrift dar (Urteile des Gerichtshofs vom 13. Juli 1989, Casa Fleischhandels, 215/88, Slg. 1989, 2789, Randnr. 31, und vom 24. November 2005, Deutsches Milch Kontor, C‑136/04, Slg. 2005, I‑10095, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Entgegen dem Vorbringen der X BV und der niederländischen Regierung steht die in Randnr. 30 dieses Urteils wiedergegebene Auslegung von Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 im Übrigen nicht im Widerspruch zu den Nrn. 31 bis 35 der Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der EU-Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Artikel 81 und 82 des Vertrags, wonach die Kommission zur Anwendung der Art. 81 EG oder 82 EG schriftliche Stellungnahmen übermitteln kann. Der in dieser Bekanntmachung verwendete allgemeine Begriff „zur Anwendung der Art. 81 [EG] oder 82 [EG]“ schließt die Möglichkeit ein, dass die Kommission den Gerichten der Mitgliedstaaten schriftliche Stellungnahmen übermittelt, sofern die kohärente Anwendung der Art. 81 EG oder 82 EG dies erfordert. Jedenfalls hat der Inhalt einer Bekanntmachung der Kommission keinen Vorrang gegenüber den Vorschriften einer Verordnung.

33      Das Gemeinschaftsrecht hat in Bezug auf Kartelle und Missbräuche einer beherrschenden Stellung ein umfassendes System der Überwachung eingeführt, das in den Art. 81 EG und 82 EG ein grundsätzliches Verbot und dazu Sanktionen auf der Grundlage von Art. 83 EG vorsieht. Diese Artikel sind als Teil eines umfassenden Regelungswerks zu verstehen, das auf ein Verbot und die Ahndung wettbewerbswidriger Praktiken ausgerichtet ist.

34      Gemäß Art. 83 Abs. 2 Buchst. a EG bezwecken die Geldbußen und Zwangsgelder, die den Unternehmen im Rahmen des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts auferlegt werden können, „die Beachtung der in Artikel 81 Absatz 1 [EG] und Artikel 82 [EG] genannten Verbote … zu gewährleisten“. Art. 83 EG hat somit insbesondere zum Ziel, eine wirksame Überwachung in Bezug auf Kartelle und Missbräuche einer beherrschenden Stellung zu gewährleisten.

35      Die Befugnis der Kommission, Geldbußen gegen Unternehmen zu verhängen, die vorsätzlich oder fahrlässig gegen Art. 81 Abs. 1 EG oder Art. 82 EG verstoßen, gehört zu den Befugnissen, die der Kommission eingeräumt worden sind, um sie in die Lage zu versetzen, die ihr durch das Gemeinschaftsrecht übertragene Überwachungsaufgabe zu erfüllen (vgl. in diesem Zusammenhang Urteile des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 105, und vom 7. Juni 2007, Britannia Alloys & Chemicals/Kommission, C‑76/06 P, Slg. 2007, I‑4405, Randnr. 22).

36      Eine Trennung des grundsätzlichen Verbots wettbewerbswidriger Praktiken von den Sanktionen, die für den Fall eines Verstoßes gegen dieses Verbot vorgesehen sind, würde den Maßnahmen der Behörden, die für die Überwachung der Einhaltung dieses Verbots und die Ahndung derartiger Praktiken zuständig sind, jede Wirksamkeit nehmen. Die Art. 81 EG und 82 EG wären wirkungslos, wenn sie nicht mit den in Art. 83 Abs. 2 Buchst. a EG vorgesehenen Zwangsmaßnahmen einhergingen. Es besteht, wie der Generalanwalt in Nr. 38 seiner Schlussanträge festgestellt hat, zwischen den Geldbußen und der Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG ein innerer Zusammenhang.

37      Die Wirksamkeit der Sanktionen, die von den nationalen oder den gemeinschaftlichen Wettbewerbsbehörden auf der Grundlage von Art. 83 Abs. 2 Buchst. a EG verhängt werden, ist also eine Voraussetzung für die kohärente Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG.

38      In einem Verfahren, das Sanktionen gemäß Art. 83 Abs. 2 Buchst. a EG wegen wettbewerbswidriger Praktiken betrifft, kann die vom angerufenen Gericht zu treffende Entscheidung die Wirksamkeit dieser Sanktionen beeinträchtigen und dadurch die kohärente Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG gefährden.

39      Im Ausgangsfall ist offensichtlich, dass der Ausgang des Rechtsstreits über die steuerliche Abzugsfähigkeit eines Teils einer von der Kommission verhängten Geldbuße die Wirksamkeit der von der gemeinschaftlichen Wettbewerbsbehörde verhängten Sanktion beeinträchtigen könnte. Die Entscheidung der Kommission, durch die einem Unternehmen eine Geldbuße auferlegt worden ist, könnte nämlich sehr viel von ihrer Wirksamkeit einbüßen, wenn das betroffene Unternehmen oder zumindest das mit diesem verbundene Unternehmen berechtigt wäre, diese Geldbuße insgesamt oder teilweise von seinen steuerbaren Gewinnen in Abzug zu bringen, denn diese Möglichkeit hätte zur Folge, dass die Belastung mit dieser Geldbuße durch eine Verringerung der Steuerlast teilweise ausgeglichen würde.

40      Nach alledem ist Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 1/2003 dahin auszulegen, dass die Kommission nach dieser Bestimmung befugt ist, von sich aus einem einzelstaatlichen Gericht eine schriftliche Stellungnahme in einem Verfahren zu übermitteln, in dem es darum geht, ob eine Geldbuße, die die Kommission wegen Verstoßes gegen Art. 81 EG oder 82 EG verhängt hat, insgesamt oder teilweise von dem steuerbaren Gewinn abgezogen werden kann.

 Kosten

41      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln ist dahin auszulegen, dass die Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach dieser Bestimmung befugt ist, von sich aus einem einzelstaatlichen Gericht eine schriftliche Stellungnahme in einem Verfahren zu übermitteln, in dem es darum geht, ob eine Geldbuße, die die Kommission wegen Verstoßes gegen Art. 81 EG oder 82 EG verhängt hat, insgesamt oder teilweise von dem steuerbaren Gewinn abgezogen werden kann.

Unterschriften


** Verfahrenssprache: Niederländisch.

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