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Document 62013CJ0417

Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 28. Januar 2015.
ÖBB Personenverkehr AG gegen Gotthard Starjakob.
Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Richtlinie 2000/78/EG – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a – Art. 6 Abs. 1 – Diskriminierung wegen des Alters – Nationale Regelung, die die Anrechnung der vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten bei der Festsetzung des Gehalts von der Verlängerung der Vorrückungszeiträume abhängig macht – Rechtfertigung – Eignung, das angestrebte Ziel zu erreichen – Möglichkeit, die Verlängerung der Vorrückungszeiträume anzufechten.
Rechtssache C-417/13.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2015:38

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

28. Januar 2015 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Sozialpolitik — Richtlinie 2000/78/EG — Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf — Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a — Art. 6 Abs. 1 — Diskriminierung wegen des Alters — Nationale Regelung, die die Anrechnung der vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten bei der Festsetzung des Gehalts von der Verlängerung der Vorrückungszeiträume abhängig macht — Rechtfertigung — Eignung, das angestrebte Ziel zu erreichen — Möglichkeit, die Verlängerung der Vorrückungszeiträume anzufechten“

In der Rechtssache C‑417/13

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 27. Juni 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Juli 2013, in dem Verfahren

ÖBB Personenverkehr AG

gegen

Gotthard Starjakob

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer sowie der Richter J.‑C. Bonichot, A. Arabadjiev (Berichterstatter) und J. L. da Cruz Vilaça,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von Herrn Starjakob, vertreten durch Rechtsanwalt M. Orgler und durch D. Rief,

der ÖBB Personenverkehr AG, vertreten durch Rechtsanwalt C. Wolf,

der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Hesse als Bevollmächtigten,

der Europäischen Kommission, vertreten durch B.‑R. Killmann und D. Martin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. Juli 2014

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Grundrechtecharta) sowie von Art. 7 Abs. 1, Art. 16 und Art. 17 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Starjakob und der ÖBB-Personenverkehr AG (im Folgenden: ÖBB) über die Zulässigkeit des vom österreichischen Gesetzgeber zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung eingeführten Vergütungssystems.

Rechtlicher Rahmen

Richtlinie 2000/78

3

Nach Art. 1 der Richtlinie 2000/78 ist „Zweck dieser Richtlinie … die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten“.

4

Art. 2 der Richtlinie sieht vor:

„(1)   Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2)   Im Sinne des Absatzes 1

a)

liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

…“

5

Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie gilt diese im Rahmen der auf die Europäische Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, u. a. in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts.

6

In Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie heißt es:

„Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

a)

die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen;

b)

die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile;

…“

7

Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt, dass „[d]er Gleichbehandlungsgrundsatz … die Mitgliedstaaten nicht daran [hindert], zur Gewährleistung der völligen Gleichstellung im Berufsleben spezifische Maßnahmen beizubehalten oder einzuführen, mit denen Benachteiligungen wegen eines in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgrunds verhindert oder ausgeglichen werden“.

8

Nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie können „[d]ie Mitgliedstaaten … Vorschriften einführen oder beibehalten, die im Hinblick auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes günstiger als die in dieser Richtlinie vorgesehenen Vorschriften sind“.

9

Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwiderlaufen, aufgehoben werden.

10

Art. 17 („Sanktionen“) der Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten legen die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Anwendung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um deren Durchführung zu gewährleisten. Die Sanktionen, die auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen können, müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Mitgliedstaaten teilen diese Bestimmungen der Kommission spätestens am 2. Dezember 2003 mit und melden alle sie betreffenden späteren Änderungen unverzüglich.“

Österreichisches Recht

Gleichbehandlungsgesetz

11

Die Richtlinie 2000/78 wurde in Österreich mit dem Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) von 2004 (BGBl. I Nr. 66/2004) umgesetzt. § 26 Abs. 2 GlBG bestimmt:

„Erhält ein/e Arbeitnehmer/in wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 17 Abs. 1 Z 2 durch den/die Arbeitgeber/in für gleiche Arbeit oder für eine Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, ein geringeres Entgelt als ein/e Arbeitnehmer/in, bei dem/der eine Diskriminierung wegen eines in § 17 genannten Grundes nicht erfolgt, so hat er/sie gegenüber dem/der Arbeitgeber/in Anspruch auf Bezahlung der Differenz und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.“

12

In § 29 Abs. 1 GlBG heißt es:

„Ansprüche nach § 26 Abs. 1 und 5 sind binnen sechs Monaten gerichtlich geltend zu machen. Die Frist zur Geltendmachung der Ansprüche nach § 26 Abs. 1 und 5 beginnt mit der Ablehnung der Bewerbung oder Beförderung. Ansprüche nach § 26 Abs. 11 sind binnen eines Jahres gerichtlich geltend zu machen. Für Ansprüche nach § 26 Abs. 2, 3, 4, 6, 8, 9 und 10 gilt die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 1486 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches [im Folgenden: ABGB].“

ABGB

13

§ 1480 ABGB betrifft die Verjährung. Diese Vorschrift sieht vor, dass „Forderungen von rückständigen jährlichen Leistungen, insbesondere Zinsen, Renten, Unterhaltsbeiträgen, Ausgedingsleistungen, sowie zur Kapitalstilgung vereinbarten Annuitäten … in drei Jahren [erlöschen]; das Recht selbst wird durch einen Nichtgebrauch von dreißig Jahren verjährt“.

14

§ 1486 („Besondere Verjährungszeit“) ABGB bestimmt:

„In drei Jahren sind verjährt: die Forderungen

5.

der Dienstnehmer wegen des Entgelts und des Auslagenersatzes aus den Dienstverträgen von Hilfsarbeitern, Taglöhnern, Dienstboten und allen Privatbediensteten, sowie der Dienstgeber wegen der auf solche Forderungen gewährten Vorschüsse;

…“

Bundesbahn-Besoldungsordnung 1963

15

Für die bis zum 31. Dezember 1995 eingestellten Beschäftigten der österreichischen Bundesbahnen galt das in § 3 der Bundesbahn-Besoldungsordnung 1963 (BGBl. 170/1963, im Folgenden: BO 1963) geregelte Vorrückungssystem. Diese Vorschrift sieht vor:

„(1)   Der Vorrückungsstichtag ist dadurch zu ermitteln, dass – unter Ausschluss der vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten und unter Beachtung der einschränkenden Bestimmungen der Abs. 4 bis 7 – dem Tag der Anstellung vorangesetzt werden:

a)

die im Abs. 2 angeführten Zeiten zur Gänze,

b)

die sonstigen Zeiten zur Hälfte.

(2)   Gemäß Abs. 1 lit. a sind voranzusetzen:

1.

die Zeit, die in einer Beschäftigung mit mindestens der Hälfte des für Vollbeschäftigte vorgeschriebenen Ausmaßes in einem Dienstverhältnis zu den Österreichischen Bundesbahnen zurückgelegt worden ist …

(6)   Die mehrfache Berücksichtigung eines und desselben Zeitraumes ist – abgesehen von der Doppelanrechnung des § 32 der Bundesbahn-Besoldungsordnung 1974, BGBl. Nr. 263 – unzulässig …“

Bundesbahngesetz

16

Infolge eines Konsenses zwischen den Sozialpartnern wurde das Bundesbahngesetz (BGBl. Nr. 852/1992, im Folgenden: ÖBB-G) durch ein Gesetz von 2011 (BGBl. I, 129/2011, im Folgenden: Gesetz von 2011) ergänzt. Mit diesem Gesetz wurde die in § 3 BO 1963 enthaltene Regelung geändert. Nunmehr sieht § 53a ÖBB-G vor:

„(1)   Für jene Bediensteten und Ruhegenussempfänger, die bis zum 31. Dezember 2004 bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) … eintreten beziehungsweise eingetreten sind und deren individueller Vorrückungsstichtag auf Grundlage von § 3 … BO 1963 … berechnet wird oder berechnet worden ist, wird der individuelle Vorrückungsstichtag nach Bekanntgabe der anzurechnenden Vordienstzeiten unter Maßgabe der folgenden Bestimmungen neu ermittelt:

1.

Der Vorrückungsstichtag ist dadurch zu ermitteln, dass anzurechnende Zeiten (Z 2) nach dem 30. Juni des Jahres, in dem nach der Aufnahme in die erste Schulstufe neun Schuljahre absolviert worden sind oder worden wären, dem Tag der Anstellung … vorangesetzt werden.

2.

Die anzurechnenden Zeiten ergeben sich aus den geltenden Anrechnungsbestimmungen der einschlägigen Bestimmungen der BO 1963 …

(2)   Im Fall der Neufestsetzung des individuellen Vorrückungsstichtages gemäß Abs. 1 gilt:

1.

Der für die Vorrückung in den jeweils ersten drei Gehaltsstufen erforderliche Zeitraum wird um jeweils ein Jahr verlängert.

2.

Die Vorrückung findet an dem auf die Vollendung des jeweiligen Vorrückungszeitraumes folgenden 1. Jänner statt (Vorrückungstermin).

3.

Die Neufestsetzung des individuellen Vorrückungsstichtages wird nicht wirksam, wenn damit eine gehaltsmäßige Verschlechterung gegenüber der bisherigen Festsetzung des Vorrückungsstichtages verbunden ist.

(4)   Anzurechnende Vordienstzeiten gemäß Abs. 1 sind für die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages von den Bediensteten und Ruhegenussempfängern mittels des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Formulars entsprechend nachzuweisen. Für Personen, die keinen, einen nicht korrekten oder unvollständigen Nachweis erbringen, bleibt der bisher für sie geltende Vorrückungsstichtag weiterhin wirksam …

(5)   Für Gehaltsansprüche, die sich aus der Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages ergeben, ist der Zeitraum vom 18. Juni 2009 bis zum Tag der Kundmachung des [Gesetzes von 2011] nicht auf die dreijährige Verjährungsfrist anzurechnen.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

17

Herr Starjakob, geboren am 11. Mai 1965, nahm am 1. Februar 1990 eine Beschäftigung bei einer Rechtsvorgängergesellschaft von ÖBB auf. Sein Vorrückungsstichtag wurde unter hälftiger Anrechnung des Teils der Lehrzeit festgesetzt, den er nach der Vollendung des 18. Lebensjahrs absolviert hatte, während der vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs absolvierte Teil gemäß § 3 BO 1963 nicht angerechnet wurde.

18

Im Jahr 2012 erhob Herr Starjakob unter Berufung auf das Urteil Hütter (C‑88/08, EU:C:2009:381) Klage gegen ÖBB auf Zahlung der Gehaltsdifferenz, die ihm für den Zeitraum von 2007 bis 2012 zugestanden hätte, wenn sein Vorrückungsstichtag unter Anrechnung der vor der Vollendung seines 18. Lebensjahrs absolvierten Lehrzeit errechnet worden wäre.

19

Das Landesgericht Innsbruck wies die Klage mit der Begründung ab, dass § 53a ÖBB-G die Diskriminierung wegen des Alters beseitige. Es stellte fest, dass Herr Starjakob nur dann die Berechnung des Vorrückungsstichtags gemäß Abs. 1 dieser Vorschrift verlangen könne, wenn er die mit diesem neuen Stichtag verbundenen Konsequenzen nach Abs. 2 der Vorschrift über die Verlängerung der für die Vorrückung erforderlichen Zeiträume akzeptiere und den Nachweis über seine nach Abs. 4 der genannten Vorschrift anzurechnenden Vordienstzeiten erbringe (Mitwirkungsobliegenheit). Da Herr Starjakob diesen Nachweis noch nicht erbracht habe, bleibe es bei dem nach § 3 BO 1963 festgesetzten Vorrückungsstichtag.

20

In der Berufungsinstanz gab das Oberlandesgericht Innsbruck dem Klagebegehren von Herrn Starjakob statt. Es vertrat die Auffassung, dass mangels der entsprechenden Nachweise die in der BO 1963 normierte Rechtslage auf Herrn Starjakob anwendbar sei, diese jedoch diskriminierend sei. Folglich sei für Herrn Starjakob ein neuer Vorrückungsstichtag unter Anrechnung der vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs absolvierten Lehrzeit zu bestimmen, jedoch ohne Verlängerung der für die Vorrückung erforderlichen Zeiträume.

21

Unter diesen Umständen hat der Oberste Gerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 21 der Grundrechtecharta in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1, Art. 16 und Art. 17 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen, dass

a)

ein Arbeitnehmer, für den vom Arbeitgeber aufgrund einer gesetzlich normierten altersdiskriminierenden Anrechnung von Vordienstzeiten zunächst ein unrichtiger Vorrückungsstichtag festgesetzt wurde, in jedem Fall Anspruch auf Zahlung der Gehaltsdifferenz unter Zugrundelegung des diskriminierungsfreien Vorrückungsstichtags hat,

b)

oder aber dahin, dass der Mitgliedstaat die Möglichkeit hat, durch eine diskriminierungsfreie Anrechnung der Vordienstzeiten die Altersdiskriminierung auch ohne finanziellen Ausgleich (durch Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags bei gleichzeitiger Verlängerung des Vorrückungszeitraums) zu beseitigen, insbesondere wenn diese entgeltneutrale Lösung die Liquidität des Arbeitgebers aufrechterhalten sowie einen übermäßigen Neuberechnungsaufwand vermeiden soll?

2.

Im Fall der Bejahung der Frage 1 lit. b):

Kann der Gesetzgeber eine solche diskriminierungsfreie Anrechnung der Vordienstzeiten

a)

auch rückwirkend (hier mit [dem Gesetz von 2011]) einführen, oder

b)

gilt sie erst ab dem Zeitpunkt des Erlasses bzw. der Kundmachung der neuen Anrechnungs- und Vorrückungsvorschriften?

3.

Im Fall der Bejahung der Frage 1 lit. b):

Ist Art. 21 der Grundrechtecharta in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 und 2 sowie Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen, dass

a)

eine gesetzliche Regelung, die für Beschäftigungszeiten am Beginn der Karriere einen längeren Vorrückungszeitraum vorsieht und die Vorrückung in die nächste Gehaltsstufe daher erschwert, eine mittelbare Ungleichbehandlung aus Gründen des Alters darstellt,

b)

und im Fall der Bejahung dahin, dass eine solche Regelung mit Rücksicht auf die geringe Berufserfahrung am Beginn der Karriere angemessen und erforderlich ist?

4.

Im Fall der Bejahung der Frage 1 lit. b):

Sind Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen, dass die Fortwirkung einer alten, altersdiskriminierenden Regelung allein aus dem Grund, um den Arbeitnehmer zu seinen Gunsten vor Einkommensnachteilen durch eine neue, diskriminierungsfreie Regelung zu schützen (Entgeltsicherungsklausel), aus Gründen der Wahrung des Besitzstandes und des Vertrauensschutzes zulässig bzw. gerechtfertigt ist?

5.

Im Fall der Bejahung der Frage 1 lit. b) und der Bejahung der Frage 3 lit. b):

a)

Kann der Gesetzgeber zur Ermittlung der anrechenbaren Vordienstzeiten eine Mitwirkungspflicht (Mitwirkungsobliegenheit) des Dienstnehmers vorsehen und den Übertritt in das neue Anrechnungs- und Vorrückungssystem von der Erfüllung dieser Obliegenheit abhängig machen?

b)

Kann sich ein Arbeitnehmer, der die ihm zumutbare Mitwirkung an der Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags nach dem neuen, diskriminierungsfreien Anrechnungs- und Vorrückungssystem unterlässt und daher von der diskriminierungsfreien Regelung bewusst nicht Gebrauch macht und freiwillig im alten, altersdiskriminierenden Anrechnungs- und Vorrückungssystem bleibt, auf eine Altersdiskriminierung nach dem alten System berufen, oder stellt der Verbleib im alten, diskriminierenden System nur aus dem Grund, um Geldansprüche geltend machen zu können, einen Rechtsmissbrauch dar?

6.

Im Fall der Bejahung der Frage 1 lit. a) oder der Bejahung der Fragen 1 lit. b) und 2 lit. b):

Gebietet es der unionsrechtliche Grundsatz der Effizienz nach Art. 47 Abs. 1 der Grundrechtecharta und nach Art. 19 Abs. 1 EUV, dass die Verjährung von im Unionsrecht begründeten Ansprüchen nicht vor eindeutiger Klärung der Rechtslage durch Verkündung einer einschlägigen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu laufen beginnt?

7.

Im Fall der Bejahung der Frage 1 lit. a) oder der Bejahung der Fragen 1 lit. b) und 2 lit. b):

Gebietet es der unionsrechtliche Grundsatz der Äquivalenz, eine im nationalen Recht vorgesehene Hemmung der Verjährung für die Geltendmachung von Ansprüchen nach einem neuen Anrechnungs- und Vorrückungssystem (§ 53a Abs. 5 ÖBB-G) auf die Geltendmachung von Gehaltsdifferenzen auszudehnen, die aus einem altersdiskriminierenden alten System resultieren?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage, Buchst. b, und zur vierten Frage

22

Mit seiner ersten Frage, Buchst. b, und seiner vierten Frage, die zusammen und an erster Stelle zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht – insbesondere Art. 2 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 – dahin auszulegen ist, dass es einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung die vor dem vollendeten 18. Lebensjahr zurückgelegten Vordienstzeiten berücksichtigt und zugleich den für die Vorrückung in den jeweils ersten drei Gehaltsstufen erforderlichen Zeitraum um jeweils ein Jahr verlängert.

23

In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob die Anwendung von § 53a ÖBB-G zu einer Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 führt. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift „bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 [dieser Richtlinie] genannten Gründe geben darf“. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie stellt klar, dass eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne des Abs. 1 vorliegt, wenn eine Person wegen eines der in Art. 1 der Richtlinie genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfährt.

24

Im Ausgangsverfahren sind die für die Zwecke dieses Vergleichs maßgeblichen Personengruppen auf der einen Seite die Bediensteten, die ihre Berufserfahrung, sei es auch nur teilweise, vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs erworben haben (im Folgenden: vom früheren System benachteiligte Bedienstete), und auf der anderen Seite die Bediensteten, die nach der Vollendung des 18. Lebensjahrs eine gleichartige Berufserfahrung in vergleichbarem zeitlichem Umfang erworben haben (im Folgenden: vom früheren System begünstigte Bedienstete).

25

Zum Vorliegen einer Ungleichbehandlung dieser beiden Gruppen von Bediensteten geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass der österreichische Gesetzgeber im Anschluss an das Urteil Hütter (EU:C:2009:381) mit dem Erlass von § 53a ÖBB-G ein Vergütungs- und Vorrückungssystem eingeführt hat, das es ermöglicht, bei der Festsetzung des Vorrückungsstichtags die Dienstzeiten nach dem 30. Juni ab Beendigung der allgemeinen Schulpflicht von neun Schuljahren zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob sie vor oder nach der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegt wurden. Wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, wird der Vorrückungsstichtag nunmehr ohne Diskriminierung wegen des Alters bestimmt.

26

Gleichwohl ist zu prüfen, ob die beiden Gruppen von Bediensteten nach § 53a ÖBB-G weiterhin unterschiedlich behandelt werden.

27

Dazu ist festzustellen, dass auf die vom früheren System benachteiligten Bediensteten, deren vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegte Vordienstzeiten nach § 53a Abs. 4 ÖBB-G berücksichtigt werden, § 53a Abs. 2 ÖBB-G Anwendung findet, nach dem der für die Vorrückung in den jeweils ersten drei Gehaltsstufen erforderliche Zeitraum um jeweils ein Jahr verlängert wird, was die Zeit bis zu einer weiteren Vorrückung um drei Jahre verlängert.

28

Hingegen haben die vom früheren System begünstigten Bediensteten keine Veranlassung, die Neuberechnung ihres Vorrückungsstichtags zu verlangen, da sie vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs keine Vordienstzeiten zurückgelegt haben. Jedenfalls sieht § 53a Abs. 2 Z 3 ÖBB-G vor, dass die Neufestsetzung des individuellen Vorrückungsstichtags nicht wirksam wird, wenn damit eine gehaltsmäßige Verschlechterung gegenüber der bisherigen Festsetzung des Vorrückungsstichtags verbunden ist. Da aber nach dieser Vorschrift der für eine Vorrückung erforderliche Zeitraum in den jeweils ersten drei Gehaltsstufen um jeweils ein Jahr verlängert wird, was für diese Bediensteten zu einer gehaltsmäßigen Verschlechterung führen würde, wird die Vorschrift auf sie im Gegensatz zu den vom früheren System benachteiligten Bediensteten, die an der Neuberechnung ihres Stichtags mitgewirkt haben, nicht angewandt.

29

Somit hat der österreichische Gesetzgeber durch den Erlass von § 53a Abs. 2 Z 1 ÖBB-G eine Bestimmung eingeführt, nach der die vom früheren System benachteiligten Bediensteten und die von diesem System begünstigten Bediensteten in Bezug auf ihre Einstufung in das Gehaltsschema und das entsprechende Gehalt weiterhin unterschiedlich behandelt werden.

30

Dadurch neutralisiert die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung nicht nur den Vorteil, der sich aus der Berücksichtigung der vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten ergibt, wie aus Rn. 27 des vorliegenden Urteils hervorgeht, sondern benachteiligt auch allein die vom früheren System benachteiligten Bediensteten, da die Verlängerung des Vorrückungszeitraums nur für sie gelten kann. Somit wurden die nachteiligen Folgen dieses Systems in Bezug auf diese Bediensteten nicht vollständig beseitigt (Urteil Schmitzer, C‑530/13, EU:C:2014:2359, Rn. 34).

31

Da die Verlängerung des für die Vorrückung in den jeweils ersten drei Gehaltsstufen erforderlichen Zeitraums um jeweils ein Jahr nur für Bedienstete gilt, die vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs Vordienstzeiten zurückgelegt haben, ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 enthält (vgl. in diesem Sinne Urteil Schmitzer, EU:C:2014:2359, Rn. 35).

32

In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden kann.

33

Nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78 können die Mitgliedstaaten nämlich vorsehen, dass eine Ungleichbehandlung wegen des Alters keine Diskriminierung darstellt, sofern sie objektiv und angemessen ist und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (Urteil Schmitzer, EU:C:2014:2359, Rn. 37).

34

Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass die Mitgliedstaaten nicht nur bei der Entscheidung darüber, welches konkrete Ziel von mehreren sie im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der zu seiner Erreichung geeigneten Maßnahmen über ein weites Ermessen verfügen (Urteil Schmitzer, EU:C:2014:2359, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35

Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts soll die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung vor allem ein diskriminierungsfreies Entgelt- und Vorrückungssystem schaffen. Im Rahmen dieser Reform werden mit den Vorschriften, nach denen die Neufestsetzung der Vorrückungsstichtage auf Antrag der einzelnen Betroffenen erfolgt, und den Vorschriften über die Verlängerung der Vorrückungszeiträume Ziele der Kostenneutralität, der Verwaltungsökonomie, der Besitzstandswahrung und des Vertrauensschutzes verfolgt.

36

Was zum einen das Ziel der Kostenneutralität der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass das Unionsrecht die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, neben politischen, sozialen oder demografischen Erwägungen auch Haushaltserwägungen zu berücksichtigen, sofern sie dabei insbesondere das allgemeine Verbot der Diskriminierung wegen des Alters beachten. Insoweit können Haushaltserwägungen zwar den sozialpolitischen Entscheidungen eines Mitgliedstaats zugrunde liegen und die Art oder das Ausmaß der von ihm zu treffenden Maßnahmen beeinflussen, für sich allein aber kein legitimes Ziel im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 darstellen (Urteil Fuchs und Köhler, C‑159/10 und C‑160/10, EU:C:2011:508, Rn. 73 und 74). Das Gleiche gilt für die vom vorlegenden Gericht und der österreichischen Regierung angeführten administrativen Erwägungen (vgl. in diesem Sinne Urteil Schmitzer, EU:C:2014:2359, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37

Was zum anderen die Besitzstandswahrung und den Schutz des berechtigten Vertrauens der vom früheren System begünstigten Bediensteten in Bezug auf ihr Entgelt anbelangt, ist festzustellen, dass sie legitime Ziele der Beschäftigungspolitik und des Arbeitsmarkts darstellen, die die Beibehaltung der bisherigen Vergütungen und somit einer Regelung, die zu einer Diskriminierung wegen des Alters führt, während eines Übergangszeitraums rechtfertigen können (Urteil Schmitzer, EU:C:2014:2359, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38

Im vorliegenden Fall bestimmt § 53a Abs. 2 Z 3 ÖBB-G, dass die Neufestsetzung des individuellen Vorrückungsstichtags nicht wirksam wird, wenn damit eine gehaltsmäßige Verschlechterung für die betreffenden Bediensteten verbunden ist, so dass das neue Vergütungssystem ihren Besitzstand in Bezug auf ihr Entgelt wahrt.

39

Die genannten Ziele können jedoch keine Maßnahme rechtfertigen, mit der – sei es auch nur für bestimmte Personen – eine Ungleichbehandlung wegen des Alters endgültig festgeschrieben wird, die durch die Reform eines diskriminierenden Systems, zu der diese Maßnahme gehört, beseitigt werden soll. Eine solche Maßnahme ist, auch wenn sie die Wahrung des Besitzstands und den Schutz des berechtigten Vertrauens der vom früheren System begünstigten Bediensteten sicherzustellen vermag, nicht geeignet, für die vom früheren System benachteiligten Bediensteten ein diskriminierungsfreies System zu schaffen (Urteil Schmitzer, EU:C:2014:2359, Rn. 44).

40

Nach alledem ist auf die erste Frage, Buchst. b, und die vierte Frage zu antworten, dass das Unionsrecht – insbesondere Art. 2 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 – dahin auszulegen ist, dass es einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung die vor dem vollendeten 18. Lebensjahr zurückgelegten Vordienstzeiten berücksichtigt, aber zugleich eine tatsächlich nur für Bedienstete, die Opfer dieser Diskriminierung sind, geltende Bestimmung enthält, die den für die Vorrückung in den jeweils ersten drei Gehaltsstufen erforderlichen Zeitraum um jeweils ein Jahr verlängert und damit eine Ungleichbehandlung wegen des Alters endgültig festschreibt.

Zur ersten Frage, Buchst. a

41

Mit seiner ersten Frage, Buchst. a, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 16 und 17 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen sind, dass eine nationale Regelung, mit der eine Altersdiskriminierung beseitigt werden soll, es einem Bediensteten, dessen vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegte Vordienstzeiten bei der Berechnung seiner Vorrückung nicht berücksichtigt worden sind, zwingend ermöglichen muss, einen finanziellen Ausgleich zu erhalten, der der Differenz zwischen dem Entgelt entspricht, das er ohne die Diskriminierung erhalten hätte, und dem Entgelt, das er tatsächlich erhalten hat.

42

Dazu ist festzustellen, dass Art. 17 der Richtlinie 2000/78 im Hinblick auf diese Frage, die sich nicht auf einen Verstoß gegen einzelstaatliche Rechtsvorschriften zur Anwendung dieser Richtlinie bezieht, sondern auf die Anwendung einer nationalen Regelung, die – wie sich aus der Antwort auf die erste Frage, Buchst. b, und die vierte Frage ergibt – selbst eine gegen die Richtlinie verstoßende Altersdiskriminierung beinhaltet, nicht relevant ist.

43

Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 16 der Richtlinie 2000/78 verpflichtet sind, die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwiderlaufen, aufzuheben.

44

Diese Vorschrift schreibt den Mitgliedstaaten oder einem privaten Arbeitgeber keine bestimmte Maßnahme im Fall einer Verletzung des Diskriminierungsverbots vor, sondern belässt ihnen nach Maßgabe der unterschiedlichen denkbaren Sachverhalte die Freiheit der Wahl unter den verschiedenen Lösungen, die zur Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels geeignet sind.

45

Somit ist diese Vorschrift dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, mit der eine Altersdiskriminierung beseitigt werden soll, es einem Bediensteten, dessen vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegte Vordienstzeiten bei der Berechnung seiner Vorrückung nicht berücksichtigt worden sind, nicht zwingend ermöglichen muss, einen finanziellen Ausgleich zu erhalten, der der Differenz zwischen dem Entgelt entspricht, das er ohne die Diskriminierung erhalten hätte, und dem Entgelt, das er tatsächlich erhalten hat.

46

Allerdings kann die Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung, wenn eine unionsrechtswidrige Diskriminierung festgestellt worden ist und solange keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung erlassen worden sind, nach ständiger Rechtsprechung nur dadurch gewährleistet werden, dass den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile gewährt werden wie die, die den Angehörigen der privilegierten Gruppe zugutekommen, wobei diese Regelung, solange das Unionsrecht nicht richtig durchgeführt ist, das einzig gültige Bezugssystem bleibt (vgl. Urteile Jonkman u. a., C‑231/06 bis C‑233/06, EU:C:2007:373, Rn. 39, sowie Landtová, C‑399/09, EU:C:2011:415, Rn. 51).

47

Der Gerichtshof hat klargestellt, dass diese Lösung nur dann zur Anwendung kommt, wenn es ein gültiges Bezugssystem gibt (vgl. Urteil Specht u. a., C‑501/12 bis C‑506/12, EU:C:2014:2005, Rn. 96). Dies ist im Ausgangsverfahren indessen der Fall.

48

Wie sich aus der Antwort auf die erste Frage, Buchst. b, und die vierte Frage ergibt, ist das Unionsrecht – insbesondere die Richtlinie 2000/78 – auch nach dem Erlass der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung noch immer nicht richtig durchgeführt. Das für die vom früheren System begünstigten Bediensteten geltende System bleibt somit das einzig gültige Bezugssystem. Folglich bedeutet die Herstellung der Gleichbehandlung in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, dass den vom früheren System benachteiligten Bediensteten sowohl hinsichtlich der Berücksichtigung der vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten als auch hinsichtlich der Vorrückung in der Gehaltstabelle dieselben Vorteile zu gewähren sind, wie sie den von diesem System begünstigten Bediensteten zuteil geworden sind.

49

Nach alledem ist auf die erste Frage, Buchst. a, zu antworten, dass das Unionsrecht – insbesondere Art. 16 der Richtlinie 2000/78 – dahin auszulegen ist, dass eine nationale Regelung, mit der eine Altersdiskriminierung beseitigt werden soll, es einem Bediensteten, dessen vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegte Vordienstzeiten bei der Berechnung seiner Vorrückung nicht berücksichtigt worden sind, nicht zwingend ermöglichen muss, einen finanziellen Ausgleich zu erhalten, der der Differenz zwischen dem Entgelt entspricht, das er ohne die Diskriminierung erhalten hätte, und dem Entgelt, das er tatsächlich erhalten hat. Gleichwohl bedeutet die Herstellung der Gleichbehandlung in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, solange kein System zur Beseitigung der Diskriminierung wegen des Alters in einer mit der Richtlinie 2000/78 in Einklang stehenden Art und Weise eingeführt worden ist, dass den vom früheren System benachteiligten Bediensteten hinsichtlich der Berücksichtigung der vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten, aber auch hinsichtlich der Vorrückung in der Gehaltstabelle dieselben Vorteile zu gewähren sind, wie sie den von diesem System begünstigten Bediensteten zuteil geworden sind.

Zur zweiten und zur dritten Frage

50

In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage, Buchst. b, und die vierte Frage sind die zweite und die dritte Frage des vorlegenden Gerichts nicht zu beantworten.

Zur fünften Frage

51

Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht – insbesondere die Richtlinie 2000/78 – dahin auszulegen ist, dass es den nationalen Gesetzgeber daran hindert, für die Berücksichtigung der vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten eine Mitwirkungsobliegenheit zu begründen, aufgrund deren der Bedienstete diese Zeiten gegenüber seinem Arbeitgeber nachzuweisen hat, und vorzusehen, dass der bisher für ihn geltende Vorrückungsstichtag weiterhin wirksam bleibt, wenn er die Mitwirkung unterlässt. Außerdem möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es einen Rechtsmissbrauch darstellt, wenn ein Bediensteter diese Obliegenheit nicht erfüllt und damit nur aus dem Grund, um Geldansprüche geltend machen zu können, freiwillig im alten System verbleibt.

52

Insoweit geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass zur Ermittlung des neuen individuellen Vorrückungsstichtags die Mitwirkung des betroffenen Bediensteten erforderlich ist und dass dieser seinen Arbeitgeber nach § 53a Abs. 4 Satz 1 ÖBB-G über die vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten informieren muss. Bringt der Bedienstete diese Informationen nicht bei, so bleibt gemäß § 53a Abs. 4 Satz 2 ÖBB-G sein nach § 3 BO 1963 ermittelter Vorrückungsstichtag weiterhin wirksam.

53

Diese Mitwirkung ist erforderlich, um einen Stichtag für die Bestimmung einer diskriminierungsfreien Vorrückung berechnen zu können, da dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann, die Vordienstzeiten jedes seiner Bediensteten selbst zu ermitteln. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass es um persönliche Interessen des Bediensteten geht und dass die Mitwirkungsobliegenheit notwendige Voraussetzung dafür ist, dass der Arbeitgeber den ihm durch Gesetz auferlegten Pflichten nachkommen kann, insbesondere den Pflichten nach § 53a Abs. 1 Z 1 ÖBB-G, der erlassen wurde, um die sich aus dem Urteil Hütter (EU:C:2009:381) ergebenden Vorgaben zu beachten.

54

Somit ist festzustellen, dass weder Art. 16 der Richtlinie 2000/78 noch irgendeine andere Vorschrift dieser Richtlinie es verbietet, dass eine Bestimmung wie § 53a Abs. 4 ÖBB-G eine Mitwirkungsobliegenheit begründet, nach der der Bedienstete gegenüber seinem Arbeitgeber seine vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten nachzuweisen hat, damit diese berücksichtigt werden.

55

Hinsichtlich eines möglichen Rechtsmissbrauchs ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf die Rechtsvorschriften der Europäischen Union nicht erlaubt ist (vgl. u. a. Urteile Halifax u. a., C‑255/02, EU:C:2006:121, Rn. 68, SICES u. a., C‑155/13, EU:C:2014:145, Rn. 29, sowie Torresi, C‑58/13 und C‑59/13, EU:C:2014:2088, Rn. 42).

56

Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis verlangt das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Elements. Hinsichtlich des objektiven Elements muss sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der in der Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde. In Bezug auf das subjektive Element muss die Absicht ersichtlich sein, sich einen ungerechtfertigten Vorteil aus der Unionsregelung dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden (vgl. Urteil Torresi, EU:C:2014:2088, Rn. 44 bis 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57

Aus der auf die erste und die vierte Frage gegebenen Antwort geht hervor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung weiterhin eine Diskriminierung wegen des Alters beinhaltet. Unter diesen Umständen und in Anbetracht der Ausführungen in den Rn. 46 bis 48 des vorliegenden Urteils können die Weigerung von Herrn Starjakob, bei der Anwendung dieser Regelung mitzuwirken, und sein Begehren auf Zahlung der Gehaltsdifferenz – die ihm für den Zeitraum von 2007 bis 2012 zugestanden hätte, wenn sein Vorrückungsstichtag unter Anrechnung der vor der Vollendung seines 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeit errechnet worden wäre –, um die Gleichbehandlung mit den vom früheren System begünstigten Bediensteten herzustellen, nicht als Rechtsmissbrauch zur Verschaffung eines ungerechtfertigten Vorteils aus der Unionsregelung angesehen werden.

58

Nach alledem ist auf die fünfte Frage zu antworten, dass das Unionsrecht – insbesondere Art. 16 der Richtlinie 2000/78 – dahin auszulegen ist, dass es den nationalen Gesetzgeber nicht daran hindert, für die Berücksichtigung der vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten eine Mitwirkungsobliegenheit zu begründen, aufgrund deren der Bedienstete diese Zeiten gegenüber seinem Arbeitgeber nachzuweisen hat. Es stellt indessen keinen Rechtsmissbrauch dar, wenn ein Bediensteter die Mitwirkung bei der Anwendung einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden verweigert, die eine gegen die Richtlinie 2000/78 verstoßende Diskriminierung wegen des Alters beinhaltet, und wenn er auf Zahlung eines Geldbetrags zur Herstellung der Gleichbehandlung mit den vom früheren System begünstigten Bediensteten klagt.

Zur sechsten Frage

59

Mit seiner sechsten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der Grundsatz der Effektivität dahin auszulegen ist, dass er es gebietet, dass eine im nationalen Recht bestimmte Frist für die Verjährung von im Unionsrecht begründeten Ansprüchen nicht vor dem Tag der Verkündung eines Urteils des Gerichtshofs, das die Rechtslage auf dem betreffenden Gebiet klärt, zu laufen beginnt.

60

Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts ist das Berufungsgericht der Ansicht, dass bis zur Verkündung des Urteils Hütter (EU:C:2009:381) ein rechtliches Hindernis für die Geltendmachung der einzelnen Aufwertungsansprüche bestanden habe, weshalb die Verjährungsfrist nicht vor dem 18. Juni 2009, dem Tag der Verkündung dieses Urteils, habe beginnen können.

61

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung mangels einer einschlägigen Unionsregelung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und das Verfahren für die Klagen auszugestalten, die den vollen Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Dabei dürfen diese Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Grundsatz der Äquivalenz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität) (vgl. u. a. Urteil Fiamingo u. a., C‑362/13, C‑363/13 und C‑407/13, EU:C:2014:2044, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62

Was den Grundsatz der Effektivität angeht, hat der Gerichtshof anerkannt, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Unionsrecht vereinbar ist, da solche Fristen nicht geeignet sind, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren (Urteil Pohl, C‑429/12, EU:C:2014:12, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63

Bezüglich der Frage, ob sich der Zeitpunkt der Verkündung des Urteils Hütter (EU:C:2009:381) auf die Bestimmung des Beginns der im nationalen Recht festgelegten Verjährungsfrist auswirkt, ist zu beachten, dass durch die Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts, die der Gerichtshof in Ausübung seiner Befugnisse aus Art. 267 AEUV vornimmt, erforderlichenfalls erläutert und verdeutlicht wird, in welchem Sinne und mit welcher Bedeutung diese Bestimmung seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Eine Vorabentscheidung ist, mit anderen Worten, nicht konstitutiver, sondern rein deklaratorischer Natur und wirkt daher grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der ausgelegten Vorschrift zurück (Urteil Pohl, EU:C:2014:12, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64

Der Gerichtshof hat klargestellt, dass sich der Beginn der Verjährungsfrist grundsätzlich nach dem nationalen Recht bestimmt und eine etwaige Feststellung des Unionsrechtsverstoßes durch den Gerichtshof für den Fristbeginn grundsätzlich unerheblich ist (Urteil Pohl, EU:C:2014:12, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65

Der Zeitpunkt der Verkündung des Urteils Hütter (EU:C:2009:381) wirkt sich daher nicht auf den Beginn der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verjährungsfrist aus und ist somit für die Beurteilung der Frage, ob im Rahmen der vorliegenden Rechtssache der Effektivitätsgrundsatz gewahrt ist, irrelevant (vgl. in diesem Sinne Urteil Pohl, EU:C:2014:12, Rn. 32).

66

Wie aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, verjährt der Anspruch auf eine Entgeltaufwertung und auf eine Korrektur der Einstufung gemäß § 1480 ABGB durch einen Nichtgebrauch von 30 Jahren. Diese Verjährungsfrist beginnt im Ausgangsverfahren ab dem Tag der Einstufung durch den Arbeitgeber, also mit Beginn des Arbeitsverhältnisses, zu laufen.

67

Es ist nicht zu bestreiten, dass eine solche Frist im Sinne der in Rn. 62 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung eine angemessene Ausschlussfrist für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit darstellt.

68

Zudem weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass im Ausgangsverfahren der Anspruch von Herrn Starjakob auf eine Neubewertung des Stichtags nicht verjährt ist.

69

Nach alledem ist auf die sechste Frage zu antworten, dass der Grundsatz der Effektivität dahin auszulegen ist, dass er es in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens nicht verbietet, dass eine im nationalen Recht bestimmte Frist für die Verjährung von im Unionsrecht begründeten Ansprüchen vor dem Tag der Verkündung eines Urteils des Gerichtshofs, das die Rechtslage auf dem betreffenden Gebiet klärt, zu laufen beginnt.

Zur siebten Frage

70

Mit seiner siebten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Grundsatz der Äquivalenz dahin auszulegen ist, dass die in einer neuen Regelung vorgesehene Hemmung der Verjährung von Ansprüchen auf Berücksichtigung der vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten auf Ansprüche auf Zahlung der Differenz zwischen dem Entgelt, das ohne die Diskriminierung wegen des Alters erzielt worden wäre, und dem Entgelt, das auf der Grundlage einer Altregelung, die eine solche Diskriminierung begründet, tatsächlich erzielt wurde, auszudehnen ist.

71

Neben der in Rn. 61 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist darauf hinzuweisen, dass der Äquivalenzgrundsatz verlangt, dass bei der Anwendung sämtlicher für Rechtsbehelfe geltenden Vorschriften nicht danach unterschieden wird, ob ein Verstoß gegen Unionsrecht oder gegen innerstaatliches Recht gerügt wird (Urteile Transportes Urbanos y Servicios Generales, C‑118/08, EU:C:2010:39, Rn. 33, und Barth, C‑542/08, EU:C:2010:193, Rn. 19).

72

Wie sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt, beträgt die Verjährungsfrist bei Rechtsbehelfen, die auf die Geltendmachung von Gehaltsansprüchen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden gerichtet sind, nach § 1486 Abs. 5 ABGB in Verbindung mit § 29 Abs. 1 GlBG drei Jahre. Hingegen kommt den Bediensteten, die ihrer Mitwirkungsobliegenheit nach § 53a Abs. 4 ÖBB-G nachgekommen sind, die Verjährungshemmung nach § 53a Abs. 5 ÖBB-G zugute. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts müsste die Verjährungshemmung nach der letztgenannten Bestimmung in Anbetracht des Grundsatzes der Äquivalenz auch hinsichtlich der Rechtsbehelfe zur Geltendmachung von Entgeltforderungen Anwendung finden, die auf der sich aus dem alten System ergebenden Altersdiskriminierung beruhen.

73

Jedoch ist festzustellen, dass es sich bei § 53a Abs. 5 ÖBB-G um eine Verfahrensvorschrift handelt, die Rechtsbehelfe regelt, die nicht auf eine Missachtung des nationalen Rechts, sondern auf eine Missachtung des Unionsrechts gestützt werden, da sie erlassen wurde, um die sich aus dem Urteil Hütter (EU:C:2009:381) ergebenden Vorgaben zu beachten, wobei diese Hemmung im Übrigen den Zeitraum ab dem Tag der Verkündung jenes Urteils bis zur Kundmachung des Gesetzes von 2011 umfasst.

74

Da die Wahrung des Grundsatzes der Äquivalenz beinhaltet, dass bei der Anwendung einer für die Geltendmachung von Ansprüchen geltenden nationalen Regelung nicht danach unterschieden wird, ob ein Verstoß gegen Unionsrecht oder gegen innerstaatliches Recht gerügt wird, kommt diesem Grundsatz somit in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die zwei Arten von Rechtsbehelfen betrifft, die beide auf einem Verstoß gegen das Unionsrecht beruhen, keine Bedeutung zu.

75

Nach alledem kommt dem Grundsatz der Äquivalenz in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden keine Bedeutung zu.

Kosten

76

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Das Unionsrecht – insbesondere Art. 2 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung die vor dem vollendeten 18. Lebensjahr zurückgelegten Vordienstzeiten berücksichtigt, aber zugleich eine tatsächlich nur für Bedienstete, die Opfer dieser Diskriminierung sind, geltende Bestimmung enthält, die den für die Vorrückung in den jeweils ersten drei Gehaltsstufen erforderlichen Zeitraum um jeweils ein Jahr verlängert und damit eine Ungleichbehandlung wegen des Alters endgültig festschreibt.

 

2.

Das Unionsrecht – insbesondere Art. 16 der Richtlinie 2000/78 – ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, mit der eine Altersdiskriminierung beseitigt werden soll, es einem Bediensteten, dessen vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegte Vordienstzeiten bei der Berechnung seiner Vorrückung nicht berücksichtigt worden sind, nicht zwingend ermöglichen muss, einen finanziellen Ausgleich zu erhalten, der der Differenz zwischen dem Entgelt entspricht, das er ohne die Diskriminierung erhalten hätte, und dem Entgelt, das er tatsächlich erhalten hat. Gleichwohl bedeutet die Herstellung der Gleichbehandlung in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, solange kein System zur Beseitigung der Diskriminierung wegen des Alters in einer mit der Richtlinie 2000/78 in Einklang stehenden Art und Weise eingeführt worden ist, dass den Bediensteten, die ihre Berufserfahrung, sei es auch nur teilweise, vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs erworben haben, hinsichtlich der Berücksichtigung der vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten, aber auch hinsichtlich der Vorrückung in der Gehaltstabelle dieselben Vorteile zu gewähren sind, wie sie den Bediensteten, die nach der Vollendung des 18. Lebensjahrs eine gleichartige Berufserfahrung in vergleichbarem zeitlichem Umfang erworben haben, zuteil geworden sind.

 

3.

Das Unionsrecht – insbesondere Art. 16 der Richtlinie 2000/78 – ist dahin auszulegen, dass es den nationalen Gesetzgeber nicht daran hindert, für die Berücksichtigung der vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten eine Mitwirkungsobliegenheit zu begründen, aufgrund deren der Bedienstete diese Zeiten gegenüber seinem Arbeitgeber nachzuweisen hat. Es stellt indessen keinen Rechtsmissbrauch dar, wenn ein Bediensteter die Mitwirkung bei der Anwendung einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden verweigert, die eine gegen die Richtlinie 2000/78 verstoßende Diskriminierung wegen des Alters beinhaltet, und wenn er auf Zahlung eines Geldbetrags zur Herstellung der Gleichbehandlung mit den Bediensteten klagt, die nach der Vollendung des 18. Lebensjahrs eine gleichartige Berufserfahrung in vergleichbarem zeitlichem Umfang erworben haben.

 

4.

Der Grundsatz der Effektivität ist dahin auszulegen, dass er es in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens nicht verbietet, dass eine im nationalen Recht bestimmte Frist für die Verjährung von im Unionsrecht begründeten Ansprüchen vor dem Tag der Verkündung eines Urteils des Gerichtshofs, das die Rechtslage auf dem betreffenden Gebiet klärt, zu laufen beginnt.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

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