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Document 62017CJ0030

Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 17. Mai 2018.
Dyrektor Izby Celnej w Poznaniu gegen Kompania Piwowarska S.A. w Poznaniu.
Vorabentscheidungsersuchen des Naczelny Sąd Administracyjny.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Steuerliche Vorschriften – Verbrauchsteuern – Richtlinie 92/83/EWG – Art. 3 Abs. 1 – Alkohol und alkoholische Getränke – Bier – Aromatisiertes Bier – Grad Plato – Berechnungsmethode.
Rechtssache C-30/17.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2018:325

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

17. Mai 2018 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Steuerliche Vorschriften – Verbrauchsteuern – Richtlinie 92/83/EWG – Art. 3 Abs. 1 – Alkohol und alkoholische Getränke – Bier – Aromatisiertes Bier – Grad Plato – Berechnungsmethode“

In der Rechtssache C‑30/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Verwaltungsgerichtshof, Polen) mit Entscheidung vom 19. Oktober 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Januar 2017, in dem Verfahren

Dyrektor Izby Celnej w Poznaniu

gegen

Kompania Piwowarska S.A. w Poznaniu

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Richter C. Vajda und E. Juhász, der Richterin K. Jürimäe und des Richters C. Lycourgos (Berichterstatter),

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

des Dyrektor Izby Celnej w Poznaniu, vertreten durch M. Jurkowska und C. Komorowski als Bevollmächtigte im Beistand von A. Toboła, radca prawny,

der Kompania Piwowarska S.A. w Poznaniu, vertreten durch M. Gizicki, adwokat, und R. Pietrzak, doradca podatkowy,

der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und A. Kramarczyk-Szaładzińska als Bevollmächtigte,

der griechischen Regierung, vertreten durch G. Papadaki, E. Zisi, M. Tassopoulou und D. Tsagkaraki als Bevollmächtigte,

der spanischen Regierung, vertreten durch S. Jiménez García als Bevollmächtigten,

der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Perrin und Ł. Habiak als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. Februar 2018

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/83/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke (ABl. 1992, L 316, S. 21).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Dyrektor Izby Celnej w Poznaniu (Direktor der Zollverwaltung Posen, Polen) und der Kompania Piwowarska S.A. w Poznaniu (im Folgenden: Kompania Piwowarska) wegen der Berechnung der von dieser Gesellschaft auf den Verkauf von aromatisiertem Bier geschuldeten Verbrauchsteuer.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 92/83

3

Die Erwägungsgründe 5 und 6 der Richtlinie 92/83 bestimmen:

„Für die Festsetzung der Steuer auf das Fertigerzeugnis können im Fall von Bier Alternativverfahren zugelassen werden.

Innerhalb bestimmter Grenzen kann den Mitgliedstaaten zugestanden werden, die Biersteuer auf Dichtestufen von mehr als einem Grad Plato anzuwenden, sofern der Mindestsatz der Gemeinschaft für Bier nicht unterschritten wird.“

4

Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten erheben nach Maßgabe dieser Richtlinie eine Verbrauchsteuer auf Bier.“

5

Art. 2 der Richtlinie bestimmt:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten als ‚Bier‘ alle Erzeugnisse des KN‑Codes 2203 mit einem vorhandenen Alkoholgehalt von mehr als 0,5 % vol., sowie alle Erzeugnisse des KN‑Codes 2206, die ein Gemisch von Bier und nichtalkoholischen Getränken enthalten und deren vorhandener Alkoholgehalt 0,5 % vol. übersteigt.“

6

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/83 lautet:

„Die von den Mitgliedstaaten auf Bier erhobene Verbrauchsteuer wird entweder

nach Anzahl Hektoliter/Grad Plato oder

oder

nach Anzahl Hektoliter/Grad vorhandener Alkoholgehalt

des Fertigerzeugnisses festgesetzt.“

7

Art. 5 der Richtlinie sieht vor:

„(1)   Die Mitgliedstaaten können auf Bier mit einem vorhandenen Alkoholgehalt von höchstens 2,8 % vol. ermäßigte Steuersätze anwenden, die den Mindestsatz unterschreiten dürfen.

(2)   Die Mitgliedstaaten können die Anwendung dieses Artikels auf Erzeugnisse des KN‑Codes 2206 beschränken, die ein Gemisch von Bier und nichtalkoholischen Getränken enthalten.“

8

In Art. 28 der Richtlinie 92/83 heißt es:

„Das Vereinigte Königreich [von Großbritannien und Nordirland] kann die von ihm am 1. Januar 1992 angewandten Befreiungen auf folgende Erzeugnisse weiterhin anwenden:

konzentrierte Malzgetränke, deren Würze vor der Gärung ein spezifisches Gewicht von mindestens 1 200° des Stammwürzegehalts (47 Grad Plato) hatte;

…“

Richtlinie 92/84/EWG

9

Die Erwägungsgründe 2 und 7 der Richtlinie 92/84/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Annäherung der Verbrauchsteuersätze auf Alkohol und alkoholische Getränke (ABl. 1992, L 316, S. 29) lauten:

„Die Richtlinie 92/83/EWG … enthält Bestimmungen über [die] Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke.

Bier wird in den Mitgliedstaaten nach unterschiedlichen Grundsätzen besteuert; diese unterschiedliche Handhabung kann insbesondere weiterhin gestattet werden, wenn eine Mindestabgabe festgelegt wird, die sich nach dem Stammwürzegehalt und dem Alkoholgehalt des Erzeugnisses errechnet.“

10

Art. 6 der Richtlinie 92/84 sieht vor:

„Ab dem 1. Januar 1993 wird der Mindestverbrauchsteuersatz für Bier auf

0,748 [Euro] je hl/Grad Plato oder

1,87 [Euro] je hl/Grad Alkohol

des Fertigerzeugnisses festgesetzt.“

Polnisches Recht

11

Art. 68 der Ustawa o podatku akcyzowym (Verbrauchsteuergesetz) vom 23. Januar 2004 (Dz. U. Nr. 29, Pos. 257) bestimmt in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung:

„1.   Bier im Sinne dieses Gesetzes sind die Erzeugnisse der Position 13 des Anhangs 2 zum Gesetz sowie alle Mischungen von Bier mit nicht alkoholischen Getränken, die der Nummer 15.94.10 PKWiU [Polnische Klassifizierung der Waren und Dienstleistungen] und dem KN‑Code 2206 00 zuzuordnen sind, deren tatsächlicher Alkoholgehalt 0,5% vol. überschreitet.

3.   Besteuerungsgrundlage für Bier ist die Anzahl Hektoliter/Grad Plato des Fertigerzeugnisses.

4.   Die Verbrauchsteuer für Bier beträgt 6,86 [polnische Zloty (PLN) (etwa 1,63 Euro)] für einen Hektoliter des Fertigerzeugnisses je Grad Plato.

5.   Der Finanzminister legt durch Verordnung die Art und Weise der Bestimmung der Besteuerungsgrundlage für Bier unter Berücksichtigung der in den Mitgliedstaaten angewandten Besteuerungsgrundlagen fest.“

12

Art. 1 Abs. 1 der Rozporządzenie Ministra Finansów w sprawie sposobu ustalania podstawy opodatkowania piwa (Verordnung des Finanzministers über die Art und Weise der Bestimmung der Besteuerungsgrundlage für Bier) vom 31. März 2004 (Dz. U. Nr. 70, Pos. 635) lautet:

„Für die Zwecke der Bestimmung der Besteuerungsgrundlage gilt als 1 Grad Plato 1 % m/m der Stammwürze, berechnet auf der Grundlage des im Fertigerzeugnis enthaltenen Alkohol- und tatsächlichen Restextraktgehalts.“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

13

Die Kompania Piwowarska ist eine Gesellschaft mit Sitz in Polen, die Bier, darunter auch aromatisiertes Bier, herstellt, das in die Position 2206 der Kombinierten Nomenklatur fällt und auf der Grundlage von traditionellem Bier hergestellt wird, dem nach dem Abschluss der alkoholischen Gärung Zuckersirup, Aromastoffe und Wasser hinzugefügt werden.

14

In ihrer ursprünglichen Steuererklärung legte die Kompania Piwowarska die Höhe der infolge des Verkaufs von aromatisiertem Bier geschuldeten Verbrauchsteuer fest und berücksichtigte bei der Berechnung des Grads Plato dieses Biers anhand der Balling-Formel die Zusatzstoffe, die dem Bier nach dem Abschluss der Alkoholgärung beigegeben werden. Die auf dieser Grundlage berechnete Verbrauchsteuer wurde von dieser Gesellschaft bezahlt.

15

Die Kompania Piwowarska stellte anschließend bei der Steuerverwaltung einen Antrag auf Feststellung einer Überzahlung von Verbrauchsteuer auf den Verkauf von aromatisierten Bieren im November 2004 und berichtigte zugleich ihre ursprüngliche Steuererklärung mit der Begründung, die Methode zur Berechnung des Grads Plato ihrer aromatisierten Biere, die in ihrer ursprünglichen Steuererklärung angewandt worden sei, sei fehlerhaft. Der im Fertigerzeugnis enthaltene Zucker hätte nämlich für die Zwecke der Balling-Formel vom tatsächlichen Restextrakt des Biers abgezogen werden müssen, da diese nur auf traditionelles Bier, also Bier ohne Zusätze, anwendbar sei.

16

Nachdem die erstinstanzliche Steuerbehörde den Antrag auf Feststellung einer Überzahlung zurückgewiesen und diese Zurückweisung von der Beschwerdeinstanz bestätigt worden war, reichte Kompania Piwowarska beim Wojewódzki Sąd Administracyjny w Poznaniu (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Posen, Polen) eine Klage ein. Dieses hob sowohl den Bescheid der erstinstanzlichen Steuerbehörde als auch den der Beschwerdeinstanz auf.

17

Der Direktor der Zollverwaltung Posen legte beim vorlegenden Gericht Kassationsbeschwerde gegen das Urteil des Wojewódzki Sąd Administracyjny w Poznaniu (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Posen) ein.

18

Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass im vorliegenden Fall das Gewicht des Extraktgehalts des aromatisierten Biers infolge der Beigabe von Zuckersirup sowie – im geringeren Maße – von Aromen und der damit einhergehenden Dichteerhöhung höher als das der Stammwürze sei. Es habe zu bestimmen, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/83 dazu verpflichte, wenn die Besteuerungsgrundlage für aromatisierte Biere anhand ihres Grads Plato berechnet werde, den tatsächlichen Restextrakt im Fertigerzeugnis, einschließlich des aus den beigefügten Aromen stammenden Extrakts nach Abschluss der Gärung, zu berücksichtigen oder die Stoffe, die nach Abschluss der Gärung hinzugefügt wurden, unberücksichtigt zu lassen.

19

Das Gericht bemerkt, dass es zwei verschiedene Vorgehensweisen gebe. Nach der ersten Vorgehensweise, für die sich die Kompania Piwowarska ausspreche, seien die bei der Bestimmung der Besteuerungsgrundlage für Bier verwendeten Begriffe in ihrem technischen, dem Brauereiwesen eigenen Sinne auszulegen und dürften nicht aus steuerlichen Gründen geändert werden. Da ein Grad Plato 1 % des Stammwürzextrakts entspreche, dürfe nur dieses Extrakt und nicht das Fertigerzeugnis als Bezugsgröße zur Bestimmung des Grads Plato dienen. Der Grad Plato von aromatisiertem Bier sei daher mit der Balling-Formel ohne Berücksichtigung der nach Abschluss der Gärung hinzugefügten Zutaten zu berechnen. Dieser Standpunkt beruhe auf dem aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/83 hervorgehenden Gedanken, dass, wenn die Unionsvorschriften die Möglichkeit vorsähen, zwei alternative Methoden zur Berechnung der Besteuerungsgrundlage für Bier zu erlassen, diese beiden Methoden zu ähnlichen Ergebnissen führen müssten.

20

Nach der zweiten Vorgehensweise, für die der Direktor der Zollverwaltung Posen plädiert, habe die Besteuerung nach Grad Plato alle im Fertigerzeugnis enthaltenen Extrakte, einschließlich des nach Abschluss der Gärung hinzugefügten Zuckers, zu berücksichtigen. Diese Vorgehensweise beruhe darauf, dass der Gesetzgeber vorgesehen habe, dass die Grad Plato auf der Grundlage des Fertigerzeugnisses bestimmt würden. Diese Vorgehensweise erlaube es, auf Biere mit derselben geschmacklichen Qualität und demselben Alkoholgehalt unabhängig von den unterschiedlichen Herstellungstechnologien dieselbe steuerliche Behandlung anzuwenden.

21

Da der Naczelny Sąd Administracyjny (Verwaltungsgerichtshof Polen) Zweifel hinsichtlich der Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/83 hat, hat er beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist im Licht von Art. 3 Abs. 1 und den Zielen der Richtlinie 92/83 bei der Bestimmung der Besteuerungsgrundlage für aromatisierte Biere anhand der Plato-Skala der von den Aromen, die nach Abschluss der Gärung beigegeben wurden, stammende Extrakt dem tatsächlichen Restextrakt im Fertigerzeugnis hinzuzurechnen, oder bleibt der aus den beigefügten Stoffen stammende Extrakt unberücksichtigt?

Zur Vorlagefrage

22

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/83 dahin auszulegen ist, dass bei der Bestimmung der Besteuerungsgrundlage für aromatisierte Biere anhand der Plato-Skala der Trockenextrakt der Stammwürze oder der Trockenextrakt des Fertigerzeugnisses einschließlich der Aromen und des Zuckersirups, die nach Abschluss der Gärung hinzugefügt werden, zu berücksichtigen ist.

23

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/83 zwischen zwei Methoden zur Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Verbrauchsteuer auf Bier wählen können, nämlich entweder nach Anzahl Hektoliter/Grad Plato oder nach Anzahl Hektoliter/Grad vorhandener Alkoholgehalt des Fertigerzeugnisses.

24

Im Fall der Republik Polen geht aus Art. 68 Abs. 3 des Verbrauchsteuergesetzes vom 23. Januar 2004 in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung, aus Art. 1 Abs. 1 der Verordnung des Finanzministers über die Art und Weise der Bestimmung der Besteuerungsgrundlage für Bier vom 31. März 2004 und aus den schriftlichen Erklärungen des Direktors der Zollverwaltung Posen hervor, dass sich dieser Mitgliedstaat für die Berechnungsmethode nach Anzahl Hektoliter/Grad Plato des Fertigerzeugnisses entschieden hat.

25

Zweitens ist klarzustellen, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende aromatisierte Bier nach den Angaben in der Vorlageentscheidung aus traditionellem Bier hergestellt wird, dem, grundsätzlich nach Abschluss der alkoholischen Gärung, Zuckersirup und Aromen zugesetzt werden.

26

Drittens bezeichnet der Begriff „Stammwürze“ bis zu dem Zeitpunkt des Beginns der Gärung, wie der Generalanwalt in Nr. 44 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ein Gemisch aus Wasser und anderen Inhaltsstoffen von Bier, die für die Gärung vorbereitet wurden, wie Gerstenmalz und Hopfen. Der „Trockenextrakt der Stammwürze“ besteht aus allen anderen Inhaltsstoffen der Stammwürze außer Wasser.

27

Hinsichtlich der Vorlagefrage ist darauf hinzuweisen, dass der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/83 genannte Begriff „Grad Plato“ weder in dieser Richtlinie noch in einem anderen Unionsrechtsakt definiert wird. Unter diesen Umständen ist die Bedeutung dieses Begriffs entsprechend seinem üblichen Sinn und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem er verwendet wird, sowie der mit der Regelung, zu der er gehört, verfolgten Ziele zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. März 2017, Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main, C‑568/15, EU:C:2017:154, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28

Insofern steht zunächst fest, dass es die Plato-Skala nach ihrem üblichen Sinn im Brauereiwesen erlaubt, den Prozentsatz der Trockenextrakts in der Masse der Stammwürze zu berechnen, wobei ein Grad Plato 1 g Trockenextrakt je 100 g Stammwürze entspricht. Daraus folgt, dass der Grad Plato, wie er im Brauereiwesen allgemein verstanden wird, ohne Berücksichtigung von Aromen und Zuckersirup, die den aromatisierten Bieren nach der Gärung hinzugefügt werden, berechnet wird.

29

Die Verwendung des Ausdrucks „des Fertigerzeugnisses“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/83 kann diese Auslegung nicht in Frage stellen. Wie nämlich die Europäische Kommission zutreffend ausführt, bedeutet die Tatsache, dass sich Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/83 auf die Grad Plato des Fertigerzeugnisses bezieht, dass die Zahl der Grad Plato ein Wert sein muss, der ein Merkmal des Fertigerzeugnisses bestimmt, unabhängig davon, ob diese Gradzahl im Fertigerzeugnis oder in einem früheren Stadium des Herstellungsprozesses gemessen wird.

30

Die Grad Plato, die den Trockenextrakt in der zur Gärung verwendeten Stammwürze messen, kennzeichnen weiterhin alle Fertigerzeugnisse, die aus dieser Würze stammen, seien diese Erzeugnisse aus traditionellem oder aromatisiertem Bier.

31

Zweitens bestätigt eine systematische Auslegung, dass die Berechnung der Grad Plato des aromatisierten Biers im Rahmen der Richtlinie 92/83 Aromen und Zuckersirup, die nach Abschluss der Gärung hinzugefügt werden, nicht berücksichtigen kann.

32

In diesem Zusammenhang ist zum einen auf Art. 28 erster Gedankenstrich der Richtlinie 92/83 zu verweisen, in dem ebenfalls der Begriff „Grad Plato“ verwendet wird. Nach dieser Bestimmung kann das Vereinigte Königreich die von ihm am 1. Januar 1992 angewandten Befreiungen, die u. a. konzentrierte Malzgetränke betreffen, deren Würze vor der Gärung ein spezifisches Gewicht von mindestens 1 200° des Stammwürzegehalts, also 47 Grad Plato, hatte, weiterhin anwenden.

33

Wie der Generalanwalt in den Nrn. 93 und 96 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, geht aus Art. 28 erster Gedankenstrich eindeutig hervor, dass für die Anwendung dieser Bestimmung die Grad Plato anhand des spezifischen Gewichts der Stammwürze vor der Gärung erfasst werden und nicht vorstellbar ist, dass der Unionsgesetzgeber ohne einen entsprechenden Hinweis in zwei Bestimmungen derselben Richtlinie zwei verschiedene Methoden zur Berechnung der Grad Plato festlegen wollte.

34

Zum anderen ist es gerechtfertigt, bei der systematischen Auslegung der Richtlinie 92/83 die Richtlinie 92/84 zur Festsetzung des Mindestsatzes der Verbrauchsteuer auf Bier zu berücksichtigen, deren Struktur durch die Erstere dieser Richtlinien festgelegt wird. Es ist darauf hinzuweisen, dass der siebte Erwägungsgrund der Richtlinie 92/84 vorsieht, dass Bier in den Mitgliedstaaten nach unterschiedlichen Grundsätzen besteuert wird; diese unterschiedliche Handhabung kann insbesondere weiterhin gestattet werden, wenn eine Mindestabgabe festgelegt wird, die sich entweder nach dem Stammwürzegehalt oder dem Alkoholgehalt des Erzeugnisses errechnet.

35

Dieser Mindestsatz wird in Art. 6 dieser Richtlinie anhand der Anzahl der Hektoliter je Grad Plato des Fertigerzeugnisses oder anhand der Anzahl der Hektoliter je Grad Alkohol des Fertigerzeugnisses festgelegt. Daher ist die im siebten Erwägungsgrund dieser Richtlinie enthaltene Bezugnahme auf den Stammwürzegehalt des Erzeugnisses dahin auszulegen, dass sie auf die Methode zur Berechnung der Verbrauchsteuer auf Bier anhand deren Grad Plato verweist, während die in diesem Erwägungsgrund enthaltene Bezugnahme auf den Alkoholgehalt des Erzeugnisses dahin auszulegen ist, dass sie auf die Methode zur Berechnung der Verbrauchsteuer auf Bier im Hinblick auf seinen Alkoholgehalt verweist. Daraus ergibt sich, dass die Grad Plato für die Zwecke dieses Art. 6 unter Berücksichtigung des Stammwürzegehalts des Biers, also seiner Stammwürze, zu berechnen sind.

36

Die zwei Methoden der Festlegung des Mindestsatzes der Verbrauchsteuer nach Art. 6 der Richtlinie 92/84 entsprechen den zwei Methoden der Festsetzung der Verbrauchsteuer nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/83. Der Ausdruck „des Fertigerzeugnisses“ wird in diesen beiden Artikeln auch in derselben Weise verwendet.

37

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Begriff „Grad Plato“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/83 unter Berücksichtigung seiner gewöhnlichen Bedeutung und des Kontexts, in dem er verwendet wird, dahin auszulegen ist, dass er eine Maßeinheit darstellt, die sich auf den Stammwürzegehalt des Biers und daher auf dessen Stammwürze bezieht.

38

Drittens ist darauf hinzuweisen, dass eine solche Auslegung auch durch die Prüfung der mit der in den Richtlinien 92/83 und 92/84 festgelegten rechtlichen Regelung verfolgten Ziele gestützt wird.

39

Die Richtlinien 92/83 und 92/84 sollen nämlich einen Mindestverbrauchsteuersatz je Hektoliter Bier vorschreiben, sei es aromatisiert oder nicht, der höher ist, je höher der Alkoholgehalt steigt. Die in diesen Richtlinien vorgesehene Verbrauchsteuer hat daher das Ziel, wie der Generalanwalt in Nr. 101 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, konsumierten Alkohol zu besteuern.

40

Art. 2 und Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 92/83 sehen somit Steuerbefreiungen für Bier bzw. aromatisierte Biere, deren Alkoholgehalt unter 0,5 % vol. liegt, und die Anwendung von ermäßigten Steuersätzen, die den Mindestsatz unterschreiten, auf Bier mit einem Alkoholgehalt von höchstens 2,8 % vol. vor. Außerdem ergibt sich aus Art. 6 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 92/84, dass der Mindestbetrag der Verbrauchsteuer auf Bier, wenn er anhand seines Alkoholgehalts berechnet wird, dazu direkt proportional ist.

41

Was die Bestimmung der Bemessungsgrundlage für die Verbrauchsteuer anhand der Plato-Skala betrifft, ist zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens unstreitig, dass je höher der Trockenextraktgehalt der Stammwürze ist, desto alkoholhaltiger grundsätzlich das aus dieser Stammwürze stammende Bier ist.

42

Wie der Generalanwalt hingegen in Nr. 107 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, haben die Stoffe, die nach der Gärung zugesetzt werden, keine Auswirkungen auf den Alkoholgehalt des Fertigerzeugnisses. Daher könnte die Berechnung der Grad Plato eines aromatisierten Biers unter Berücksichtigung nicht nur des Trockenextrakts der Stammwürze, sondern auch von Aromen und Zuckersirup, die nach der Gärung hinzugefügt werden, zu einer höheren Besteuerung dieses Biers als eines traditionellen Biers mit demselben Alkoholgehalt führen.

43

Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/83 dahin auszulegen ist, dass bei der Bestimmung der Besteuerungsgrundlage für aromatisierte Biere anhand der Plato-Skala der Trockenextrakt der Stammwürze zu berücksichtigen ist, Aromen und Zuckersirup, die nach Abschluss der Gärung hinzugefügt werden, aber unberücksichtigt bleiben.

Kosten

44

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 92/83/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke ist dahin auszulegen, dass bei der Bestimmung der Besteuerungsgrundlage für aromatisierte Biere anhand der Plato-Skala der Trockenextrakt der Stammwürze zu berücksichtigen ist, Aromen und Zuckersirup, die nach Abschluss der Gärung hinzugefügt werden, aber unberücksichtigt bleiben.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Polnisch.

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