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Document 62004CJ0526

Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 7. September 2006.
Laboratoires Boiron SA gegen Union de recouvrement des cotisations de sécurité sociale et d'allocations familiales (Urssaf) de Lyon, Rechtsnachfolgerin der Agence centrale des organismes de sécurité sociale (ACOSS).
Ersuchen um Vorabentscheidung: Cour de cassation - Frankreich.
Staatliche Beihilfen - Artikel 87 EG und 88 Absatz 3 EG - Abgabe auf die Direktverkäufe von Arzneimitteln - Abgabenpflicht der Pharmahersteller, aber nicht der Großhändler - Verbot der Durchführung von nicht notifizierten Beihilfemaßnahmen - Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit einer Beihilfemaßnahme geltend zu machen, um die Erstattung einer Abgabe zu erwirken - Ausgleich, der die Gegenleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen der Großhändler darstellt - Beweislast für eine Überkompensierung - Vorschriften des nationalen Rechts - Verbot, die Erstattung der Abgabe praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren.
Rechtssache C-526/04.

European Court Reports 2006 I-07529

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2006:528

Rechtssache C‑526/04

Laboratoires Boiron SA

gegen

Union de recouvrement des cotisations de sécurité sociale et d’allocations familiales (Urssaf) de Lyon, Rechtsnachfolgerin der Agence centrale des organismes de sécurité sociale (ACOSS)

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour de cassation [Frankreich])

„Staatliche Beihilfen – Artikel 87 EG und 88 Absatz 3 EG – Abgabe auf die Direktverkäufe von Arzneimitteln – Abgabenpflicht der Pharmahersteller, aber nicht der Großhändler – Verbot der Durchführung von nicht notifizierten Beihilfemaßnahmen – Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit einer Beihilfemaßnahme geltend zu machen, um die Erstattung einer Abgabe zu erwirken – Ausgleich, der die Gegenleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen der Großhändler darstellt – Beweislast für eine Überkompensierung – Vorschriften des nationalen Rechts – Verbot, die Erstattung der Abgabe praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren“

Schlussanträge des Generalanwalts A. Tizzano vom 30. März 2006 

Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 7. September 2006 

Leitsätze des Urteils

1.     Staatliche Beihilfen – Beihilfevorhaben – Verbot der Durchführung vor der abschließenden Entscheidung der Kommission – Umfang – Pflichten der nationalen Gerichte

(Artikel 87 Absatz 1 EG und 88 Absatz 3 EG)

2.     Staatliche Beihilfen – Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe

(Artikel 88 Absatz 2 Unterabsatz 1 EG)

1.     Eine Beihilfemaßnahme im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG, die unter Verstoß gegen die sich aus Artikel 88 Absatz 3 EG ergebenden Verpflichtungen durchgeführt wird, ist rechtswidrig. Es ist Sache der nationalen Gerichte, die Rechte des Einzelnen gegen eine mögliche Verletzung des Verbots der Durchführung der Beihilfen durch die staatlichen Stellen zu schützen und entsprechend ihrem nationalen Recht daraus alle Folgerungen sowohl für die Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung der fraglichen Beihilfemaßnahmen als auch für die Wiedereinziehung der gewährten finanziellen Unterstützung zu ziehen.

Die Schuldner einer Abgabe können sich zwar nicht darauf berufen, dass die Befreiung anderer Unternehmen eine staatliche Beihilfe darstelle, um sich der Zahlung dieser Abgabe zu entziehen oder um deren Erstattung zu erlangen, doch gilt dies nur dann, wenn es um eine Befreiung bestimmter Wirtschaftsteilnehmer von einer allgemeinen Abgabe geht. Eine völlig andere Situation liegt vor, wenn es um eine Abgabe geht, zu der nur eine von zwei miteinander in Wettbewerb stehenden Kategorien von Wirtschaftsteilnehmern herangezogen wird. In einem solchen Fall der asymmetrischen Heranziehung zu einer Abgabe kann sich nämlich eine Beihilfe daraus ergeben, dass eine andere Kategorie von Wirtschaftsteilnehmern, zu der die der Abgabe unterworfene Kategorie in einem unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis steht, von der Abgabe freigestellt ist.

In einem System, in dem zwei in unmittelbarem Wettbewerb miteinander stehende Vertriebswege für Arzneimittel bestehen, nämlich zum einen über die Großhändler und zum anderen über die Pharmahersteller, die den Direktverkauf betreiben, und in dem die Freistellung der Großhändler von der Direktverkaufsabgabe gewollt ist, ja sogar das Hauptziel der Direktverkaufsabgabe darstellt, könnte somit im Hinblick darauf, dass die Direktverkaufsabgabe insbesondere der Wiederherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen zwischen den beiden Vertriebswegen für Arzneimittel dient, die nach Ansicht des Gesetzgebers durch die gemeinwirtschaftlichen Pflichten verfälscht worden sind, denen nur die Großhändler unterliegen, die Heranziehung eines Pharmaherstellers zu einer solchen Abgabe einen Akt zur Durchführung einer Beihilfemaßnahme darstellen, und es ist daher gegebenenfalls Sache der nationalen Gerichte, entsprechend ihrem nationalen Recht alle Folgerungen für die Gültigkeit eines solchen Aktes zu ziehen, denn die Freistellung der Großhändler von der Direktverkaufsabgabe führt zu ihrer Überkompensierung, weil der von ihnen aus der Freistellung gezogene Vorteil die Zusatzkosten übersteigt, die ihnen durch die Erfüllung der ihnen auferlegten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen entstehen.

Deshalb muss in einem solchen Fall, in dem die Direktverkaufsabgabe selbst und nicht etwa irgendeine Form von Befreiung, die sich davon getrennt betrachten ließe, die Beihilfemaßnahme darstellt, ein Pharmahersteller, der zu einer solchen Abgabe herangezogen wird, einwenden können, dass die Freistellung der Großhändler von dieser Abgabe eine staatliche Beihilfe darstellt, um die Erstattung des Teils der entrichteten Beträge zu erwirken, der dem wirtschaftlichen Vorteil entspricht, den die Großhändler ungerechtfertigterweise erlangt haben. Dies hat nicht zur Folge, dass die nationalen Gerichte veranlasst würden, eine Erhöhung der Zahl der Beihilfeberechtigten zuzulassen. Vielmehr stellt eine solche Erstattung eine besonders angemessene Maßnahme dar, um die Zahl der durch die Maßnahme, die eine Beihilfe darstellen soll, verletzten Wirtschaftsteilnehmer zu verringern und damit ihre wettbewerbswidrigen Auswirkungen zu beschränken. Einem Wirtschaftsteilnehmer unter diesen Umständen das Recht zu gewähren, die Rechtswidrigkeit einer Abgabe geltend zu machen, um die Erstattung der insoweit entrichteten Beträge zu erwirken, entspricht im Übrigen den Grundsätzen, die der Rechtsprechung des Gerichtshofes im Bereich parafiskalischer Abgaben zugrunde liegen.

(vgl. Randnrn. 29-30, 32-41, 46, 48, Tenor 1)

2.     Fehlt es an einer einschlägigen Gemeinschaftsregelung, so ist es Sache des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Bürger aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, sofern diese Modalitäten gemäß dem Äquivalenzgrundsatz nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die entsprechender innerstaatlicher Klagen und gemäß dem Effektivitätsgrundsatz die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

Insoweit steht das Gemeinschaftsrecht der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften nicht entgegen, nach denen die Erstattung einer Zwangsabgabe wie der in Frankreich den Pharmaherstellern auferlegten Direktverkaufsabgabe voraussetzt, dass der Antragsteller den Beweis erbringt, dass der von den Großhändlern aus ihrer Freistellung von dieser Abgabe gezogene Vorteil die Zusatzkosten übersteigt, die ihnen durch die Erfüllung der ihnen durch die nationale Regelung auferlegten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen entstehen, und insbesondere, dass zumindest eine der sogenannten „Altmark“-Voraussetzungen nicht erfüllt ist.

Jedoch muss, damit die Einhaltung des Effektivitätsgrundsatzes gewährleistet ist, ein nationaler Richter, wenn er feststellt, dass die Beweislast für das Vorliegen einer Überkompensierung zugunsten der Großhändler und somit dafür, dass die Direktverkaufsabgabe den Charakter einer staatlichen Beihilfe hat, einen Pharmahersteller trifft und dass dieser Umstand geeignet ist, die Führung dieses Beweises praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, u. a., weil er Daten betrifft, über die ein Pharmahersteller nicht verfügen kann, alle ihm nach dem nationalen Recht zu Gebote stehenden Verfahrensmaßnahmen ausschöpfen, darunter die Anordnung der erforderlichen Beweiserhebungen, einschließlich der Vorlage von Urkunden oder Schriftstücken durch eine Partei oder einen Dritten.

(vgl. Randnrn. 51, 56-57, Tenor 2)




URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)

7. September 2006(*)

„Staatliche Beihilfen – Artikel 87 EG und 88 Absatz 3 EG – Abgabe auf die Direktverkäufe von Arzneimitteln – Abgabenpflicht der Pharmahersteller, aber nicht der Großhändler – Verbot der Durchführung von nicht notifizierten Beihilfemaßnahmen – Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit einer Beihilfemaßnahme geltend zu machen, um die Erstattung einer Abgabe zu erwirken – Ausgleich, der die Gegenleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen der Großhändler darstellt – Beweislast für eine Überkompensierung – Vorschriften des nationalen Rechts – Verbot, die Erstattung der Abgabe praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren“

In der Rechtssache C‑526/04

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von der Cour de cassation (Frankreich) mit Entscheidung vom 14. Dezember 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Dezember 2004, in dem Verfahren

Laboratoires Boiron SA

gegen

Union de recouvrement des cotisations de sécurité sociale et d’allocations familiales (Urssaf) de Lyon, Rechtsnachfolgerin der Agence centrale des organismes de sécurité sociale (ACOSS),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans (Berichterstatter), des Richters J. Makarczyk, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter P. Kūris und G. Arestis,

Generalanwalt: A. Tizzano,

Kanzler: K. Sztranc, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2005,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–       der Laboratoires Boiron SA, vertreten durch A. Lyon-Caen, J. Philippe, C.‑M. Dorémus und O. Cavézian, avocats,

–       der Union de recouvrement des cotisations de sécurité sociale et d’allocations familiales (Urssaf) de Lyon, Rechtsnachfolgerin der Agence centrale des organismes de sécurité sociale (ACOSS), vertreten durch H. Calvet und O. Billard, avocats,

–       der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und S. Ramet als Bevollmächtigte,

–       der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Di Bucci als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. März 2006

folgendes

Urteil

1       Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Vorschriften des EG-Vertrags über staatliche Beihilfen, insbesondere der Artikel 87 EG und 88 Absatz 3 EG.

2       Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen einer Klage der Laboratoires Boiron SA (im Folgenden: Boiron) auf Erstattung der Beträge, die sie als Abgabe auf die Direktverkäufe von Arzneimitteln an die Agence centrale des organismes de sécurité sociale (im Folgenden: ACOSS) entrichtet hat. Die Union de recouvrement des cotisations de sécurité sociale et d’allocations familiales (Urssaf) de Lyon ist Rechtsnachfolgerin der ACOSS.

 Nationales Recht

3       Gemäß Artikel R. 5106 Nr. 5 des Code de la santé publique (Gesetzbuch über das öffentliche Gesundheitswesen) sind Großhändler alle Unternehmen, „die sich zwecks Vertriebes im Großhandel ohne Weiterverarbeitung mit dem Kauf und der Bevorratung von Arzneimitteln befassen, soweit diese nicht zu Versuchen am Menschen bestimmt sind“.

4       Die bis Februar 1998 geltende Ministerialverordnung vom 3. Oktober 1962 betreffend die Pflichten der Großhändler in Bezug auf die Deckung des Bedarfs der Apotheken an Arzneimitteln (JORF vom 12. Oktober 1962, S. 9999) sah u. a. vor:

„Artikel 1 – Alle Betriebe des Großhandels mit pharmazeutischen Erzeugnissen im Sinne von Artikel R. 5115-6 Absatz 4 des Code de la santé publique und ihre Zweigniederlassungen haben ständig einen Vorrat von Arzneispezialitäten vorzuhalten, der die Deckung des monatlichen Bedarfs der zu ihren ständigen Kunden zählenden Apotheken des von ihnen belieferten Sektors sicherstellt.

Dieser Arzneimittelvorrat muss seinem Bestand nach einem Sortiment von Spezialitäten entsprechen, das zumindest zwei Drittel der effektiv gehandelten Aufmachungen an Spezialitäten ausmacht, sowie seinem Wert nach dem durchschnittlichen Monatsumsatz des Vorjahres.

Artikel 2 – Alle Betriebe des Großhandels mit Arzneimitteln und ihre Zweigniederlassungen müssen in der Lage sein, die Belieferung jeder zu ihren ständigen Kunden zählenden Apotheke innerhalb ihres Vertriebsgebiets mit jeder gehandelten Spezialität sowie die Lieferung jeder zu ihrem Sortiment zählenden Spezialität binnen 24 Stunden nach Eingang der Bestellung sicherzustellen.

Sie haben ihren Spezialitätenbezug zu überwachen, um jede Bevorratungslücke zu vermeiden.“

5       Diese Regelung wurde insbesondere durch das Dekret Nr. 98-79 vom 11. Februar 1998 betreffend die Apotheken und zur Änderung des Code de la santé publique (JORF vom 13. Februar 1998, S. 2287) geändert.

6       Artikel 12 des Gesetzes Nr. 97-1164 vom 19. Dezember 1997 über die Finanzierung der sozialen Sicherheit für 1998 (JORF vom 23. Dezember 1997, S. 18635), durch den u. a. Artikel L. 245-6-1 in den Code de la sécurité sociale eingefügt wurde, führt eine Abgabe von 2,5 % der Umsätze vor Steuern ein, die in Frankreich von Pharmaherstellern gegenüber Apotheken, Genossenschaftsapotheken und Apotheken von Knappschaftsvereinen mit dem Großhandelsverkauf von Arzneispezialitäten getätigt wurden. Diese Abgabe wird als „Direktverkaufsabgabe“ bezeichnet.

7       Nach Artikel L. 245-6-4 des Code de la sécurité sociale wird die Direktverkaufsabgabe zugunsten der Caisse nationale d’assurance maladie des travailleurs salariés (nationale Krankenkasse für Arbeitnehmer) erhoben.

8       Der französische Conseil constitutionnel hat in seiner Entscheidung 97‑393 vom 18. Dezember 1997 (JORF vom 23. Dezember 1997, S. 18649), die aufgrund einer Klage gegen Artikel 12 des Gesetzes Nr. 97‑1164 erging, darauf hingewiesen, dass diese Direktverkaufsabgabe, die nicht bei Arzneimittelverkäufen durch Großhändler erhoben wird, eingeführt worden sei, um zur Finanzierung der Caisse nationale d’assurance maladie beizutragen und zwischen den Vertriebswegen für Arzneimittel wieder gleiche Wettbewerbsbedingungen herzustellen, die verfälscht seien, da die Großhändler gemeinwirtschaftlichen Pflichten unterlägen, die nicht für Pharmahersteller gälten.

9       Artikel L. 245-6-1 des Code de la sécurité sociale wurde durch Artikel 16 des Gesetzes Nr. 2002-1487 vom 20. Dezember 2002 (JORF vom 24. Dezember 2002, S. 21482) mit Wirkung vom 1. Januar 2003 aufgehoben.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

10     Boiron ist eine Gesellschaft französischen Rechts, die homöopathische Arzneispezialitäten herstellt und in Frankreich ausschließlich in Apotheken im Wege eines Direktverkaufssystems oder über Großhändler vertreibt.

11     Für die Jahre 1998 und 1999 erklärte sie gegenüber der ACOSS als direktverkaufsabgabepflichtig nur die Umsätze, die sie im Wege des Direktverkaufs an die Apotheken getätigt hatte, nicht aber die Umsätze aus Verkäufen über Großhändler.

12     Die ACOSS war der Auffassung, diese Umsätze müssten in die Gesamtsumme der Direktverkäufe, die die Bemessungsgrundlage für die Abgabe bildeten, einbezogen werden, und nahm eine entsprechende Berichtigung vor.

13     Boiron zahlte die geforderten Beträge unter Vorbehalt. Nachdem ihr beim Verwaltungsrat der ACOSS eingelegter außergerichtlicher Rechtsbehelf nicht beschieden worden war, klagte sie beim Tribunal des affaires de sécurité sociale Lyon auf Erstattung der gezahlten Beträge.

14     Sie begründete ihre Klage im Wesentlichen damit, dass die Freistellung der Großhändler von der Direktverkaufsabgabe eine rechtswidrige staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 EG darstelle.

15     Mit Urteil vom 3. Juni 2000 gab das Tribunal des affaires de sécurité sociale Lyon der Klage statt und verurteilte die ACOSS zur Erstattung der von Boiron an sie entrichteten Beträge.

16     Die von der ACOSS angerufene Cour d’appel Lyon setzte das Verfahren zunächst bis zur Verkündung des Urteils des Gerichtshofes vom 22. November 2001 in der Rechtssache C‑53/00 (Ferring, Slg. 2001, I‑9067) aus und hob dann mit Urteil vom 29. Oktober 2002 die erstinstanzliche Entscheidung auf.

17     Boiron legte daraufhin Kassationsbeschwerde ein, die auf vier Kassationsgründe gestützt ist. Die Vorlagefragen beziehen sich nur auf den ersten Kassationsgrund, der die Auslegung der Vorschriften des EG-Vertrags über staatliche Beihilfen betrifft.

18     Die Cour de cassation weist erstens darauf hin, dass die Cour d’appel Lyon die Klage mit der auf das Urteil des Gerichtshofes vom 20. September 2001 in der Rechtssache C‑390/98 (Banks, Slg. 2001, I‑6117, Randnr. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung) gestützten Feststellung abgewiesen habe, dass die Schuldner einer Zwangsabgabe sich nicht darauf berufen könnten, dass die Befreiung anderer Personen eine staatliche Beihilfe darstelle, um sich der Zahlung dieser Abgabe zu entziehen. Diese Rechtsprechung sei durch das Urteil vom 13. Juni 2002 in den Rechtssachen C‑430/99 und C‑431/99 (Sea-Land Service und Nedlloyd Lijnen, Slg. 2002, I‑5235, Randnr. 47) bestätigt worden.

19     In anderen Urteilen habe sich der Gerichtshof nicht gegen die Zulässigkeit einer Klage auf Erstattung von Abgaben oder Beiträgen ausgesprochen, die unter Missachtung der Pflicht zur vorherigen Notifizierung gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG erhoben worden seien.

20     Diese Urteile behandelten diese Frage entweder nur implizit, obwohl eine Unzulässigkeitseinrede erhoben worden sei (vgl. Urteil Ferring), oder sie beträfen Beihilferegelungen, nach denen die Abgaben oder Beiträge, deren Erstattung beantragt wird, speziell zur Finanzierung der streitigen Beihilfe erhoben wurden (Urteile vom 21. Oktober 2003 in den Rechtssachen C‑261/01 und C‑262/01, Van Calster u. a., Slg. 2003, I‑12249, und vom 20. November 2003 in der Rechtssache C‑126/01, GEMO, Slg. 2003, I‑13769).

21     Zweitens habe der Gerichtshof im Urteil Ferring für Recht erkannt, dass die Direktverkaufsabgabe, da sie nur Direktverkäufe von Arzneimitteln durch Pharmahersteller betreffe, nur insoweit eine staatliche Beihilfe zugunsten der Großhändler darstelle, als der Vorteil, den diese daraus zögen, dass sie der Abgabe auf Direktverkäufe von Arzneimitteln nicht unterlägen, die zusätzlichen Kosten übersteige, die ihnen durch die Erfüllung der ihnen durch die nationale Regelung auferlegten gemeinwirtschaftlichen Pflichten entstünden.

22     Im Urteil vom 24. Juli 2003 in der Rechtssache C‑280/00 (Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, Slg. 2003, I‑7747) habe der Gerichtshof ausgeführt, dass das nationale Gericht für die Frage, ob öffentliche Zuschüsse als Ausgleich anzusehen seien, der die Gegenleistung für Leistungen darstelle, die von den begünstigten Unternehmen zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen erbracht würden, zu prüfen habe, ob folgende Voraussetzungen erfüllt seien (im Folgenden: „Altmark“-Voraussetzungen):

–       Erstens müsse das begünstigte Unternehmen tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut worden sein, und diese Verpflichtungen müssten klar definiert sein;

–       zweitens müssten zuvor objektive und transparente Parameter aufgestellt worden sein, anhand deren der Ausgleich berechnet werde;

–       drittens dürfe der Ausgleich nicht über das hinausgehen, was erforderlich sei, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken;

–       viertens sei, wenn das Unternehmen, das mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut werden solle, nicht im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge ausgewählt werde, die Höhe des erforderlichen Ausgleichs auf der Grundlage einer Analyse der Kosten zu bestimmen, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen, das so angemessen mit Mitteln ausgestattet sei, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen könne, bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen seien.

23     Das vorlegende Gericht weist hierzu zunächst darauf hin, dass die „Altmark“-Voraussetzungen Daten beträfen, zu denen der Wirtschaftsteilnehmer, der die Rechtswidrigkeit der Beihilfe geltend mache und der außerhalb des Rechtsverhältnisses zwischen dem von der Subvention oder der Freistellung Begünstigten und dem Staat oder der vom Staat zur Verwaltung der Beihilfe geschaffenen oder bestellten Einrichtung stehe, ohne eine gegen den Begünstigten selbst gerichtete Klage nicht unbedingt Zugang habe.

24     Ferner seien nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes solche Beweisvorschriften unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht, die dazu führten, dass eine Erstattung der unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Abgaben praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werde (vgl. u. a. Urteile vom 9. November 1983 in der Rechtssache 199/82, San Giorgio, Slg. 1983, 3595, Randnr. 14, und vom 9. Februar 1999 in der Rechtssache C‑343/96, Dilexport, Slg. 1999, I-579, Randnr. 48).

25     Schließlich könne der Wirtschaftsteilnehmer, der sich zur Begründung seines Erstattungsantrags darauf berufe, dass die streitige Maßnahme eine staatlichen Beihilfe sei, in Anwendung der nationalen Vorschriften gehalten sein, nachzuweisen, dass die „Altmark“-Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Bleibe er den für den Erfolg seines Begehrens erforderlichen Beweis schuldig, werde er möglicherweise allein dadurch daran gehindert, den Beihilfecharakter der Maßnahme darzutun.

26     Unter diesen Umständen hat die Cour de cassation das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist das Gemeinschaftsrecht dahin auszulegen, dass ein Pharmahersteller, der zu einer Abgabe der in Artikel 12 des Gesetzes Nr. 97-1164 vom 19. Dezember 1997 über die Finanzierung der sozialen Sicherheit für 1998 vorgesehenen Art herangezogen wird, einwenden kann, dass die Freistellung der Großhändler von der Abgabepflicht eine staatliche Beihilfe darstellt, um die Erstattung der Abgabe zu erwirken?

2.      Wenn ja und wenn der Erfolg des Erstattungsantrags möglicherweise allein von den vom Antragsteller vorgebrachten Tatsachen abhängt: Ist das Gemeinschaftsrecht dahin auszulegen, dass Bestimmungen des nationalen Rechts, nach denen die Erstattung einer Zwangsabgabe der in Artikel 245-6-1 des Code de la sécurité sociale vorgesehenen Art, die bei der zuständigen Behörde mit der Begründung beantragt worden ist, die Abgabenbefreiung zugunsten der Großhändler stelle eine der Kommission der Europäischen Gemeinschaften nicht gemeldete Beihilfe dar, voraussetzt, dass der Antragsteller den Beweis erbringt, dass der von den Begünstigten gezogene Vorteil die Zusatzkosten übersteigt, die diesen durch die Erfüllung der ihnen durch die nationale Regelung auferlegten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen entstehen, oder dass die vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 24. Juli 2003 (Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg) festgelegten Kriterien nicht erfüllt sind, Beweisvorschriften darstellen, die dazu führen, dass die beantragte Erstattung praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

27     Aus dem Urteil Ferring geht hervor, dass Artikel 87 EG so auszulegen ist, dass eine Maßnahme wie die Direktverkaufsabgabe, da sie nur Direktverkäufe von Arzneimitteln durch Pharmahersteller betrifft, nur insoweit eine staatliche Beihilfe für die Großhändler darstellt, als sie zu einer Überkompensierung zu deren Gunsten führt, also insoweit, als der Vorteil, den diese Wirtschaftsteilnehmer daraus ziehen, dass sie der Abgabe auf Direktverkäufe von Arzneimitteln nicht unterliegen, die zusätzlichen Kosten übersteigt, die ihnen durch die Erfüllung der ihnen durch die nationale Regelung auferlegten gemeinwirtschaftlichen Pflichten entstehen.

28     Im vorliegenden Fall macht die als Pharmaherstellerin zur Direktverkaufsabgabe herangezogene Boiron geltend, die Freistellung der Großhändler von dieser Abgabe führe zu einer Überkompensierung zu deren Gunsten und stelle daher als solche eine rechtswidrige Beihilfe für sie dar. Auf dieser Grundlage verlangt sie die Erstattung der für die Jahre 1998 und 1999 als Direktverkaufsabgabe entrichteten Beträge.

29     Hierzu ist daran zu erinnern, dass eine Beihilfemaßnahme im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG, die unter Verstoß gegen die sich aus Artikel 88 Absatz 3 EG ergebenden Verpflichtungen durchgeführt wird, rechtswidrig ist. Es ist Sache der nationalen Gerichte, die Rechte des Einzelnen gegen eine mögliche Verletzung des Verbots der Durchführung der Beihilfen durch die staatlichen Stellen zu schützen und entsprechend ihrem nationalen Recht daraus alle Folgerungen sowohl für die Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung der fraglichen Beihilfemaßnahmen als auch für die Wiedereinziehung der gewährten finanziellen Unterstützung zu ziehen (vgl. u. a. Urteil vom 27. Oktober 2005 in den Rechtssachen C‑266/04 bis C‑270/04, C‑276/04 und C‑321/04 bis C‑325/04, Distribution Casino France u. a., Slg. 2005, I‑9481, Randnr. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30     Der Gerichtshof hat zwar mehrfach entschieden, dass die Schuldner einer Abgabe sich nicht darauf berufen können, dass die Befreiung anderer Unternehmen eine staatliche Beihilfe darstelle, um sich der Zahlung dieser Abgabe zu entziehen oder um deren Erstattung zu erlangen (vgl. u. a. Urteile Banks, Randnr. 80, und Distribution Casino France u. a., Randnrn. 42 und 44, sowie vom 15. Juni 2006 in den Rechtssachen C‑393/04 und C‑41/05, Air Liquide, Slg. 2006, I‑0000, Randnr. 43).

31     Die nationalen Maßnahmen, die in den Rechtssachen in Rede standen, in denen die in der vorstehenden Randnummer genannten Urteile ergangen sind, unterscheiden sich jedoch wesentlich von der Direktverkaufsabgabe.

32     In diesen Rechtssachen ging es nämlich jeweils um eine Befreiung bestimmter Wirtschaftsteilnehmer von einer allgemeinen Abgabe, und es wurde vorgetragen, dass diese Befreiung an sich bereits eine Beihilfemaßnahme darstelle.

33     Dagegen geht es im Ausgangsverfahren nicht um eine solche Abgabenregelung, sondern um eine Abgabe, zu der nur eine von zwei miteinander in Wettbewerb stehenden Kategorien von Wirtschaftsteilnehmern herangezogen wird, nämlich die Pharmahersteller.

34     In einem solchen Fall der asymmetrischen Heranziehung zu einer Abgabe soll sich eine Beihilfe daraus ergeben, dass eine andere Kategorie von Wirtschaftsteilnehmern, zu der die der Abgabe unterworfene Kategorie in einem unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis steht, hier die Großhändler, von der Abgabe freigestellt ist.

35     In der vorliegenden Rechtssache steht fest, dass diese Freistellung im Übrigen gewollt ist, ja sogar das Hauptziel der Direktverkaufsabgabe darstellt.

36     In diesem Zusammenhang ist an die Ausführungen des Gerichtshofes im Urteil Ferring (Randnr. 19) zu erinnern. Danach bestehen in Frankreich zwei in unmittelbarem Wettbewerb miteinander stehende Vertriebswege für Arzneimittel, zum einen über die Großhändler und zum anderen über die Pharmahersteller, die den Direktverkauf betreiben. Die Direktverkaufsabgabe dient insbesondere der Wiederherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen zwischen den beiden Vertriebswegen für Arzneimittel, die nach Ansicht des französischen Gesetzgebers durch die gemeinwirtschaftlichen Pflichten verfälscht worden sind, denen nur die Großhändler unterliegen. Nach der Einführung der Abgabe durch das Gesetz Nr. 97-1164 wurde der in den unmittelbar vorhergehenden Jahren verzeichnete Anstieg der Direktverkäufe nicht nur unterbrochen, sondern die Tendenz kehrte sich sogar um, indem die Großhändler Marktanteile zurückgewannen.

37     Wäre der Nachweis erbracht, dass die Freistellung von der Direktverkaufsabgabe zu einer Überkompensierung der Großhändler führt, weil der von ihnen aus der Freistellung gezogene Vorteil die Zusatzkosten übersteigt, die ihnen durch die Erfüllung der ihnen auferlegten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen entstehen, so würde die Heranziehung eines Pharmaherstellers wie Boiron zu einer solchen Abgabe einen Akt zur Durchführung einer Beihilfemaßnahme darstellen.

38     In diesem Fall wäre es Sache der nationalen Gerichte, wie oben in Randnummer 29 ausgeführt, entsprechend ihrem nationalen Recht alle Folgerungen für die Gültigkeit eines solchen Aktes zu ziehen.

39     In der vorliegenden Rechtssache ist die Maßnahme, von der behauptet wird, sie stelle eine Beihilfe dar, die Direktverkaufsabgabe selbst und nicht etwa irgendeine Form von Befreiung, die sich davon getrennt betrachten ließe.

40     In einem solchen Fall muss es einem Wirtschaftsteilnehmer wie Boiron möglich sein, die Rechtswidrigkeit der Direktverkaufsabgabe mit der Begründung, sie stelle eine Beihilfemaßnahme dar, geltend zu machen, um ihre Erstattung zu beantragen.

41     Dies hätte im Übrigen nicht zur Folge, dass die nationalen Gerichte veranlasst würden, eine Erhöhung der Zahl der Beihilfeberechtigten zuzulassen. Vielmehr würde eine solche Erstattung, sofern sie denn geschuldet wäre, eine besonders angemessene Maßnahme darstellen, um die Zahl der durch die Maßnahme, die eine Beihilfe darstellen soll, verletzten Wirtschaftsteilnehmer zu verringern und damit ihre wettbewerbswidrigen Auswirkungen zu beschränken.

42     Das vorlegende Gericht und die Verfahrensbeteiligten, die beim Gerichtshof Erklärungen eingereicht haben, haben die Frage aufgeworfen, ob ein solches Recht, die Rechtswidrigkeit der Direktverkaufsabgabe, die eine staatliche Beihilfe darstellen soll, geltend zu machen, um ihre Erstattung zu erwirken, mit den Grundsätzen vereinbar ist, die der mit dem Urteil Van Calster u. a. beginnenden und in weiteren Urteilen fortentwickelten Rechtsprechung des Gerichtshofes im Bereich parafiskalischer Abgaben zugrunde liegen.

43     Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass die nationalen Gerichte grundsätzlich die Erstattung der Abgaben oder Beiträge anzuordnen haben, die speziell zur Finanzierung einer Beihilfe erhoben wurden, wenn die Finanzierungsweise Bestandteil der Beihilfemaßnahme ist und diese unter Missachtung der Meldepflicht durchgeführt worden ist (Urteil Van Calster u. a., Randnr. 54).

44     In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof ausgeführt, dass eine Abgabe nur dann als Bestandteil einer Beihilfemaßnahme angesehen werden kann, wenn nach der einschlägigen nationalen Regelung zwischen der Abgabe und der Beihilfe ein zwingender Verwendungszusammenhang in dem Sinne besteht, dass das Aufkommen aus der Abgabe notwendig für die Finanzierung der Beihilfe verwendet wird (vgl. u. a. Urteil Air Liquide, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45     Das Besondere an der Direktverkaufsabgabe ist, dass diese Abgabe und die angebliche Beihilfemaßnahme die beiden untrennbaren Bestandteile ein- und derselben fiskalischen Maßnahme sind. In einem solchen Fall hängen die Abgabe und die Beihilfe noch enger miteinander zusammen als im Fall einer parafiskalischen Abgabe, wie sie Gegenstand des Urteils Van Calster u. a. war.

46     Unter diesen Umständen entspricht es den Grundsätzen, die der mit dem Urteil Van Calster u. a. beginnenden und in weiteren Urteilen fortentwickelten Rechtsprechung des Gerichtshofes im Bereich parafiskalischer Abgaben zugrunde liegen, einem Wirtschaftsteilnehmer wie Boiron das Recht zu gewähren, die Rechtswidrigkeit der Direktverkaufsabgabe, die eine staatliche Beihilfe darstellen soll, geltend zu machen, um die Erstattung der insoweit entrichteten Beträge zu erwirken.

47     Es ist hinzuzufügen, dass eine solche Erstattung auf alle Fälle nur dann gewährt werden kann, wenn nachgewiesen ist, dass die genannten Beträge, jedenfalls soweit ihre Erstattung gefordert wird, eine Überkompensierung zugunsten der Großhändler darstellen und diesen damit insoweit einen wirtschaftlichen Vorteil verschaffen, und wenn darüber hinaus auch die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, die nach Artikel 87 Absatz 1 EG gegeben sein müssen, um eine Maßnahme als staatliche Beihilfe einstufen zu können.

48     Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass das Gemeinschaftsrecht dahin auszulegen ist, dass ein Pharmahersteller, der zu einer Abgabe der in Artikel 12 des Gesetzes Nr. 97-1164 vorgesehenen Art herangezogen wird, einwenden kann, dass die Freistellung der Großhändler von dieser Abgabe eine staatliche Beihilfe darstellt, um die Erstattung des Teils der entrichteten Beträge zu erwirken, der dem wirtschaftlichen Vorteil entspricht, den die Großhändler ungerechtfertigterweise erlangt haben.

 Zur zweiten Frage

49     Im Ausgangsverfahren wendet ein Pharmahersteller, der zu der Direktverkaufsabgabe herangezogen wurde, die unstreitig nicht entsprechend Artikel 88 Absatz 3 EG notifiziert wurde, die Rechtswidrigkeit dieser Abgabe ein, um deren Erstattung zu erwirken, weil die Freistellung der mit ihm im unmittelbaren Wettbewerb stehenden Großhändler von dieser Abgabe eine staatliche Beihilfe darstelle.

50     In diesem Zusammenhang möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Einhaltung des Effektivitätsgrundsatzes gewährleistet ist, wenn der betreffende Wirtschaftsteilnehmer nach den nationalen Vorschriften über die Beweislast, um eine Erstattung der auf die Direktverkaufsabgabe entrichteten Beträge zu erwirken, nachweisen muss, dass die Freistellung der Großhändler von dieser Abgabe zu einer Überkompensierung zu deren Gunsten führt, weil zumindest eine der vier „Altmark“-Voraussetzungen nicht erfüllt ist, und damit bereits als solche einen wirtschaftlichen Vorteil im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG darstellt.

51     Fehlt es, wie in der vorliegenden Rechtssache, an einer einschlägigen Gemeinschaftsregelung, so ist es Sache des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Bürger aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, sofern diese Modalitäten nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die entsprechender innerstaatlicher Klagen (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. April 2003 in der Rechtssache C‑276/01, Steffensen, Slg. 2003, I‑3735, Randnr. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52     Das vorlegende Gericht weist hierzu zum einen darauf hin, dass zwar nach dem anwendbaren nationalen Recht die Beweislast dafür, dass eine Überkompensierung zugunsten der Großhändler vorliege, was den Nachweis erfordere, dass zumindest eine der vier „Altmark“-Voraussetzungen nicht erfüllt sei, grundsätzlich der Wirtschaftsteilnehmer trage, der das Bestehen einer Beihilfe geltend mache, um die Erstattung der fraglichen Abgabe zu erwirken, dass aber dieses nationale Recht dem Richter auch eine weitgehende Befugnis einräume, von Amts wegen alle gesetzlich zulässigen Beweiserhebungen anzuordnen.

53     Zum anderen hebt das vorlegende Gericht hervor, dass es sich dabei um eine bloße Befugnis handele und dass der betreffende Wirtschaftsteilnehmer, wenn er den für den Erfolg des Antrags erforderlichen Nachweis schuldig bleibe, möglicherweise allein dadurch daran gehindert werde, den Beihilfecharakter der Direktverkaufsabgabe im Sinne von Artikel 88 Absatz 3 EG darzutun, da die „Altmark“-Voraussetzungen Daten beträfen, zu denen dieser Wirtschaftsteilnehmer ohne eine gegen den Begünstigten selbst gerichtete Klage nicht unbedingt Zugang habe.

54     Die Union de recouvrement des cotisations de sécurité sociale et d’allocations familiales (Urssaf) de Lyon hat ferner darauf hingewiesen, dass der nationale Richter u. a. befugt sei, einer Partei oder einem nicht am Rechtsstreit beteiligten Dritten die Vorlage von Urkunden oder Schriftstücken aufzugeben.

55     Unter diesen Umständen muss, damit die Einhaltung des Effektivitätsgrundsatzes gewährleistet ist, ein nationaler Richter, wenn er feststellt, dass die Beweislast für das Vorliegen einer Überkompensierung zugunsten der Großhändler und somit dafür, dass die Direktverkaufsabgabe den Charakter einer staatlichen Beihilfe hat, einen Pharmahersteller wie Boiron trifft und dass dieser Umstand geeignet ist, die Führung dieses Beweises praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, u. a., weil er Daten betrifft, über die ein Pharmahersteller nicht verfügen kann, alle ihm nach dem nationalen Recht zu Gebote stehenden Verfahrensmaßnahmen ausschöpfen, darunter die Anordnung der erforderlichen Beweiserhebungen, einschließlich der Vorlage von Urkunden oder Schriftstücken durch eine Partei oder einen Dritten.

56     Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass das Gemeinschaftsrecht der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, nach denen die Erstattung einer Zwangsabgabe wie der nach Artikel 12 des Gesetzes Nr. 97-1164 voraussetzt, dass der Antragsteller den Beweis erbringt, dass der von den Großhändlern aus ihrer Freistellung von dieser Abgabe gezogene Vorteil die Zusatzkosten übersteigt, die ihnen durch die Erfüllung der ihnen durch die nationale Regelung auferlegten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen entstehen, und insbesondere, dass zumindest eine der „Altmark“-Voraussetzungen nicht erfüllt ist.

57     Jedoch muss, damit die Einhaltung des Effektivitätsgrundsatzes gewährleistet ist, ein nationaler Richter, wenn er feststellt, dass die Beweislast für das Vorliegen einer Überkompensierung zugunsten der Großhändler und somit dafür, dass die Direktverkaufsabgabe den Charakter einer staatlichen Beihilfe hat, einen Pharmahersteller wie Boiron trifft und dass dieser Umstand geeignet ist, die Führung dieses Beweises praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, u. a., weil er Daten betrifft, über die ein Pharmahersteller nicht verfügen kann, alle ihm nach dem nationalen Recht zu Gebote stehenden Verfahrensmaßnahmen ausschöpfen, darunter die Anordnung der erforderlichen Beweiserhebungen, einschließlich der Vorlage von Urkunden oder Schriftstücken durch eine Partei oder einen Dritten.

 Kosten

58     Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit. Die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1.      Das Gemeinschaftsrecht ist dahin auszulegen, dass ein Pharmahersteller, der zu einer Abgabe der in Artikel 12 des Gesetzes Nr. 97-1164 vom 19. Dezember 1997 vorgesehenen Art herangezogen wird, einwenden kann, dass die Freistellung der Großhändler von dieser Abgabe eine staatliche Beihilfe darstellt, um die Erstattung des Teils der entrichteten Beträge zu erwirken, der dem wirtschaftlichen Vorteil entspricht, den die Großhändler ungerechtfertigterweise erlangt haben.

2.      Das Gemeinschaftsrecht steht der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften nicht entgegen, nach denen die Erstattung einer Zwangsabgabe wie der nach Artikel 12 des Gesetzes Nr. 97-1164 voraussetzt, dass der Antragsteller den Beweis erbringt, dass der von den Großhändlern aus ihrer Freistellung von dieser Abgabe gezogene Vorteil die Zusatzkosten übersteigt, die ihnen durch die Erfüllung der ihnen durch die nationale Regelung auferlegten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen entstehen, und insbesondere, dass zumindest eine der im Urteil vom 24. Juli 2003 in der Rechtssache C-280/00 (Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg) genannten Voraussetzungen nicht erfüllt ist.

Jedoch muss, damit die Einhaltung des Effektivitätsgrundsatzes gewährleistet ist, ein nationaler Richter, wenn er feststellt, dass die Beweislast für das Vorliegen einer Überkompensierung zugunsten der Großhändler und somit dafür, dass die Direktverkaufsabgabe den Charakter einer staatlichen Beihilfe hat, einen Pharmahersteller wie Boiron trifft und dass dieser Umstand geeignet ist, die Führung dieses Beweises praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, u. a., weil er Daten betrifft, über die ein Pharmahersteller nicht verfügen kann, alle ihm nach dem nationalen Recht zu Gebote stehenden Verfahrensmaßnahmen ausschöpfen, darunter die Anordnung der erforderlichen Beweiserhebungen, einschließlich der Vorlage von Urkunden oder Schriftstücken durch eine Partei oder einen Dritten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Französisch.

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