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Document 62018CJ0447

Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 18. Dezember 2019.
UB gegen Generálny riaditeľ Sociálnej poisťovne Bratislava.
Vorabentscheidungsersuchen des Najvyšší súd Slovenskej republiky.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Soziale Sicherheit – Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit – Verordnung (EG) Nr. 883/2004 – Art. 3 – Sachlicher Geltungsbereich – Leistung bei Alter – Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union – Verordnung (EU) Nr. 492/2011 – Art. 7 – Gleichbehandlung von inländischen Arbeitnehmern und Wanderarbeitnehmern – Soziale Vergünstigungen – Gesetzgebung eines Mitgliedstaats, die die Gewährung einer ‚Zusatzleistung für Sportler‘ den Bürgern dieses Staates vorbehält.
Rechtssache C-447/18.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2019:1098

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

18. Dezember 2019 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Soziale Sicherheit – Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit – Verordnung (EG) Nr. 883/2004 – Art. 3 – Sachlicher Geltungsbereich – Leistung bei Alter – Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union – Verordnung (EU) Nr. 492/2011 – Art. 7 – Gleichbehandlung von inländischen Arbeitnehmern und Wanderarbeitnehmern – Soziale Vergünstigungen – Gesetzgebung eines Mitgliedstaats, die die Gewährung einer ‚Zusatzleistung für Sportler‘ den Bürgern dieses Staates vorbehält“

In der Rechtssache C‑447/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Najvyšší súd Slovenskej republiky (Oberstes Gericht der Slowakischen Republik) mit Entscheidung vom 29. Mai 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Juli 2018, in dem Verfahren

UB

gegen

Generálny riaditeľ Sociálnej poisťovne Bratislava

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts, der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta, beide in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters bzw. einer Richterin der Dritten Kammer, der Richterin L. S. Rossi (Berichterstatterin) und des Richters F. Biltgen,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: M. Aleksejev, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Mai 2019,

aufgrund der schriftlichen Erklärungen

der slowakischen Regierung, vertreten durch B. Ricziová und M. Kianička als Bevollmächtigte,

der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Pavliš, J. Vláčil und L. Dvořáková als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin, A. Tokár und B.‑R. Killmann als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Juli 2019

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Buchst. w und der Art. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, berichtigt im ABl. 2004, L 200, S. 1) sowie von Art. 34 Abs. 1 und 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen UB und dem Generálny riaditel’ Sociálnej poisťovne Bratislava (Generaldirektor der Sozialversicherung Bratislava, Slowakei) über die Rechtmäßigkeit der Entscheidung, UB die Gewährung einer Zusatzleistung für bestimmte Spitzensportler zu verweigern.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Art. 1 („Definitionen“) der Verordnung Nr. 883/2004 sieht vor:

„Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

w)

‚Renten‘ nicht nur Renten im engeren Sinn, sondern auch Kapitalabfindungen, die an deren Stelle treten können, und Beitragserstattungen sowie, soweit Titel III nichts anderes bestimmt, Anpassungsbeträge und Zulagen;

…“

4

Art. 3 („Sachlicher Geltungsbereich“) der Verordnung Nr. 883/2004 bestimmt:

„(1)   Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen:

a)

Leistungen bei Krankheit;

b)

Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft;

c)

Leistungen bei Invalidität;

d)

Leistungen bei Alter;

e)

Leistungen an Hinterbliebene;

f)

Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten;

g)

Sterbegeld;

h)

Leistungen bei Arbeitslosigkeit;

i)

Vorruhestandsleistungen;

j)

Familienleistungen.

(3)   Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gemäß Artikel 70.

…“

5

Art. 4 („Gleichbehandlung“) der Verordnung Nr. 883/2004 bestimmt:

„Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.“

6

Art. 5 („Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten oder Ereignissen“) der Verordnung Nr. 883/2004 sieht vor:

„Sofern in dieser Verordnung nicht anderes bestimmt ist, gilt unter Berücksichtigung der besonderen Durchführungsbestimmungen Folgendes:

a)

Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Bezug von Leistungen der sozialen Sicherheit oder sonstiger Einkünfte bestimmte Rechtswirkungen, so sind die entsprechenden Rechtsvorschriften auch bei Bezug von nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gewährten gleichartigen Leistungen oder bei Bezug von in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Einkünften anwendbar.

b)

Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse Rechtswirkungen, so berücksichtigt dieser Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen entsprechenden Sachverhalte oder Ereignisse, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären.“

7

Titel III der Verordnung Nr. 883/2004 enthält ein Kapitel 9 („Besondere beitragsunabhängige Geldleistungen“). Dieses Kapitel enthält einen einzigen Artikel, nämlich Art. 70 („Allgemeine Vorschrift“) der Verordnung, dessen Abs. 1 und 2 bestimmen:

„(1)   Dieser Artikel gilt für besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, die nach Rechtsvorschriften gewährt werden, die aufgrund ihres persönlichen Geltungsbereichs, ihrer Ziele und/oder ihrer Anspruchsvoraussetzungen sowohl Merkmale der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit als auch Merkmale der Sozialhilfe aufweisen.

(2)   Für die Zwecke dieses Kapitels bezeichnet der Ausdruck ‚besondere beitragsunabhängige Geldleistungen‘ die Leistungen:

a)

die dazu bestimmt sind,

i)

einen zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzenden Schutz gegen die Risiken zu gewähren, die von den in Artikel 3 Absatz 1 genannten Zweigen der sozialen Sicherheit gedeckt sind, und den betreffenden Personen ein Mindesteinkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts garantieren, das in Beziehung zu dem wirtschaftlichen und sozialen Umfeld in dem betreffenden Mitgliedstaat steht,

oder

ii)

allein dem besonderen Schutz des Behinderten zu dienen, der eng mit dem sozialen Umfeld dieser Person in dem betreffenden Mitgliedstaat verknüpft ist,

und

b)

deren Finanzierung ausschließlich durch obligatorische Steuern zur Deckung der allgemeinen öffentlichen Ausgaben erfolgt und deren Gewährung und Berechnung nicht von Beiträgen hinsichtlich der Leistungsempfänger abhängen. Jedoch sind Leistungen, die zusätzlich zu einer beitragsabhängigen Leistung gewährt werden, nicht allein aus diesem Grund als beitragsabhängige Leistungen zu betrachten,

und

c)

die in Anhang X aufgeführt sind.“

8

Art. 7 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. 2011, L 141, S. 1) lautet:

„(1)   Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.

(2)   Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.“

Slowakisches Recht

9

In § 1 des Zákon č. 112/2015 Z.z. o príspevku športovému reprezentantovi a o zmene a doplnení zákona č. 461/2003 Z.z. o sociálnom poistení v znení neskorších predpisov (Gesetz Nr. 112/2015 über eine Zusatzleistung für sportliche Vertreter und zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes Nr. 461/2003 über die Sozialversicherung in der Fassung späterer Änderungen) in der auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz Nr. 112/2015) heißt es:

„Das vorliegende Gesetz regelt die Gewährung einer Zusatzleistung für sportliche Vertreter (im Folgenden: Zusatzleistung) als staatliche Sozialleistung, deren Ziel es ist, einen Sportler finanziell abzusichern, der – als sportlicher Vertreter der Tschechoslowakischen Republik, der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik, der Tschechoslowakischen Föderativen Republik, der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik oder der Slowakischen Republik – eine Medaille bei den Olympischen Spielen, den Paralympischen Spielen, den Deaflympics, den Weltmeisterschaften oder den Europameisterschaften gewonnen hat.“

10

§ 2 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 112/2015 bestimmt:

„Anspruch auf die Zusatzleistung hat eine natürliche Person, die

a)

als sportlicher Vertreter der Tschechoslowakischen Republik, der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik, der Tschechoslowakischen Föderativen Republik, der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik oder der Slowakischen Republik Folgendes gewonnen hat:

1.

eine Goldmedaille (erster Platz), eine Silbermedaille (zweiter Platz) oder eine Bronzemedaille (dritter Platz) bei den Olympischen Spielen, den Paralympischen Spielen oder den Deaflympics,

2.

eine Goldmedaille (erster Platz), eine Silbermedaille (zweiter Platz) oder eine Bronzemedaille (dritter Platz) bei den Weltmeisterschaften oder eine Goldmedaille (erster Platz) bei den Europameisterschaften in einer Sportart, die durch das Internationale Olympische Komitee in die Olympischen Spiele, durch das Internationale Paralympische Komitee in die Paralympischen Spiele oder durch das Internationale Komitee für Gehörlosensport in die Deaflympics aufgenommen wurde, die unmittelbar vor den Weltmeisterschaften oder Europameisterschaften oder in dem Jahr stattfanden, in dem die Weltmeisterschaften oder Europameisterschaften stattfanden;

b)

Staatsangehöriger der Slowakischen Republik ist;

c)

ihren ständigen Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Slowakischen Republik hat oder eine Person ist, auf die eine gesonderte Bestimmung Anwendung findet;

d)

keine ähnliche Leistung aus dem Ausland bezieht;

e)

das Rentenalter erreicht hat und

f)

ihren Anspruch auf eine Rentenleistung gemäß gesonderten Bestimmungen geltend gemacht hat.“

11

§ 3 des Gesetzes Nr. 112/2015 lautet:

„Die Höhe der Leistung entspricht der Differenz zwischen

a)

750 Euro und der Gesamtsumme der gemäß gesonderten Bestimmungen gezahlten Rentenleistungen und ähnlichen Rentenleistungen aus dem Ausland, sofern die natürliche Person Folgendes gewonnen hat:

1.

eine Goldmedaille im Sinne von § 2 Abs. 1 Buchst. a Nr. 1,

2.

eine Goldmedaille im Sinne von § 2 Abs. 1 Buchst. a Nr. 2 bei den Weltmeisterschaften oder

b)

600 Euro und der Gesamtsumme der gemäß gesonderten Bestimmungen gezahlten Rentenleistungen und ähnlichen Rentenleistungen aus dem Ausland, sofern die natürliche Person Folgendes gewonnen hat:

1.

eine Silbermedaille im Sinne von § 2 Abs. 1 Buchst. a Nr. 1,

2.

eine Silbermedaille im Sinne von § 2 Abs. 1 Buchst. a Nr. 2 bei den Weltmeisterschaften oder

c)

500 Euro und der Gesamtsumme der gemäß gesonderten Bestimmungen gezahlten Rentenleistungen und ähnlichen Rentenleistungen aus dem Ausland, sofern die natürliche Person Folgendes gewonnen hat:

1.

eine Bronzemedaille im Sinne von § 2 Abs. 1 Buchst. a Nr. 1,

2.

eine Bronzemedaille im Sinne von § 2 Abs. 1 Buchst. a Nr. 2 bei den Weltmeisterschaften oder

3.

eine Goldmedaille im Sinne von § 2 Abs. 1 Buchst. a Nr. 2 bei den Europameisterschaften.“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

12

UB, ein tschechischer Staatsangehöriger, der seit 52 Jahren im Gebiet der heutigen Slowakei lebt, gewann 1971 als Mitglied der Nationalmannschaft der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik eine Goldmedaille bei der Eishockey-Europameisterschaft und eine Silbermedaille bei der Eishockey-Weltmeisterschaft.

13

Als die Tschechische und Slowakische Föderative Republik am 31. Dezember 1992 um Mitternacht aufgelöst wurde, entschied sich UB für die tschechische Staatsangehörigkeit. Dennoch wohnte er weiterhin im Gebiet der Slowakei. In der mündlichen Verhandlung hat die slowakische Regierung im Übrigen – von den übrigen Beteiligten unwidersprochen – erklärt, dass UB zum Zeitpunkt des Beitritts der Slowakischen Republik und der Tschechischen Republik zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 in einer Grundschule beschäftigt war und dies auch bis mindestens 2006 noch war.

14

Am 17. Dezember 2015 beantragte UB die im Gesetz Nr. 112/2015 vorgesehene Zusatzleistung für sportliche Vertreter (im Folgenden: Sportlergeld). Die Sozialversicherung Bratislava stellte fest, dass UB die in § 2 Abs. 1 Buchst. b des Gesetzes genannte Voraussetzung, slowakischer Staatsbürger zu sein, nicht erfüllte, und lehnte den Antrag ab.

15

Gegen diese Entscheidung klagte UB beim Krajský súd v Košiciach (Regionalgericht Košice, Slowakei). Er machte geltend, nach dem Unionsrecht stelle die slowakische Regelung eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar; sie berücksichtige nicht, dass er seit 52 Jahren im Gebiet der Slowakei wohne.

16

Die Klage wurde abgewiesen, und UB legte eine Kassationsbeschwerde bei dem vorlegenden Gericht ein.

17

Anhand der Gesetzesmaterialien zu dem Gesetz Nr. 112/2015 stellt das vorlegende Gericht fest, dass der slowakische Gesetzgeber seine Entscheidung, die Gewährung der im Ausgangsverfahren fraglichen Zusatzleistung vom Besitz der slowakischen Staatsbürgerschaft abhängig zu machen, damit begründet habe, es handele sich dabei um eine staatliche Sozialleistung und nicht um eine Rentenleistung; sie solle zur finanziellen Sicherheit von Spitzensportlern beitragen, die als slowakische Staatsangehörige die Slowakische Republik oder deren Rechtsvorgänger bei bedeutenden internationalen Sportwettbewerben vertreten hätten. Darüber hinaus solle das Gesetz nicht für Sportler gelten, die Staatsangehörige anderer Staaten seien.

18

Das vorlegende Gericht meint jedoch, zum einen sei das Sportlergeld nicht ausschließlich eine staatliche Sozialleistung, denn es werde regelmäßig und zusammen mit der Rente gezahlt, um diese auf die in § 3 Buchst. a bis c des Gesetzes Nr. 112/2015 vorgesehene Höhe zu bringen. Auch sei UB als sportlicher Vertreter in einem Mannschaftssport allein deshalb anders als seine Mannschaftskameraden behandelt worden, weil er im Gegensatz zu diesen kein slowakischer Staatsangehöriger sei, obwohl auch er mit seinen sportlichen Leistungen und Bemühungen zu den gemeinsamen Ergebnissen der Nationalmannschaft beigetragen habe.

19

Unter diesen Umständen hat der Najvyšší súd Slovenskej republiky (Oberstes Gericht der Slowakischen Republik) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Können Art. 1 Buchst. w, Art. 4 und Art. 5 der Verordnung Nr. 883/2004 in Verbindung mit dem in Art. 34 Abs. 1 und 2 der Charta verankerten Anspruch auf Leistungen der sozialen Sicherheit und soziale Vergünstigungen unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache dahin ausgelegt werden, dass sie der Anwendung einer nationalen Vorschrift entgegenstehen, nach der der slowakische Sozialversicherungsträger bei einem Anspruch auf eine Zusatzleistung zur Altersrente für sportliche Vertreter die Staatsangehörigkeit des Antragstellers als grundlegende Voraussetzung bewertet, wenn dabei eine weitere gesetzliche Voraussetzung, nämlich die Zugehörigkeit zur Nationalmannschaft der Rechtsvorgänger, einschließlich der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik, weiterhin Bestandteil der nationalen Vorschrift ist?

Zur Vorlagefrage

20

Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 1 Buchst. w und die Art. 4 und 5 der Verordnung Nr. 883/2004 in Verbindung mit Art. 34 Abs. 1 und 2 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die die Gewährung einer Zusatzleistung für bestimmte Spitzensportler, die diesen Mitgliedstaat oder seine Rechtsvorgänger bei internationalen Sportwettbewerben vertreten haben, u. a. davon abhängig macht, dass der Antragsteller die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzt.

21

Zur Beantwortung dieser Frage ist vorab zu prüfen, ob eine Zusatzleistung wie die im Ausgangsverfahren fragliche in den sachlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 fällt.

22

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs hängt die Unterscheidung zwischen Leistungen, die vom Geltungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 erfasst sind, und solchen, die von ihm ausgeschlossen sind, im Wesentlichen von den grundlegenden Merkmalen der jeweiligen Leistung ab, insbesondere von ihrem Zweck und den Voraussetzungen ihrer Gewährung, nicht dagegen davon, ob eine Leistung von den nationalen Rechtsvorschriften als eine Leistung der sozialen Sicherheit eingestuft wird (Urteil vom 25. Juli 2018, A [Hilfe für eine schwerbehinderte Person], C‑679/16, EU:C:2018:601, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23

Somit kann eine Leistung dann als eine Leistung der sozialen Sicherheit betrachtet werden, wenn sie den Begünstigten ohne jede im Ermessen liegende individuelle Prüfung der persönlichen Bedürfnisse aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands gewährt wird und sie sich auf eines der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 ausdrücklich aufgezählten Risiken bezieht (Urteil vom 25. Juli 2018, A [Hilfe für eine schwerbehinderte Person], C‑679/16, EU:C:2018:601, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24

Da die beiden in der vorstehenden Randnummer aufgezählten Voraussetzungen kumulativ sind, fällt die fragliche Leistung nicht in den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004, wenn eine davon nicht erfüllt ist (Urteil vom 25. Juli 2018, A [Hilfe für eine schwerbehinderte Person], C‑679/16, EU:C:2018:601, Rn. 33).

25

Was insbesondere die zweite Voraussetzung angeht, ist zu prüfen, ob sich eine Leistung wie die im Ausgangsverfahren fragliche auf eines der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 ausdrücklich aufgezählten Risiken bezieht.

26

Der Gerichtshof hat entschieden, dass insbesondere eine Sozialleistung, die als Zulage ausschließlich den Empfängern einer Alters- und/oder Hinterbliebenenrente ausgezahlt wird, die aus genau den gleichen Mitteln wie die Alters- und Hinterbliebenenrenten finanziert wird und die die Altersrente ergänzt, um es den Empfängern zu ermöglichen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, indem ihnen ein zusätzlicher Betrag gewährt wird, als Leistung bei Alter im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 883/2004 eingestuft werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. Januar 2005, Noteboom, C‑101/04, EU:C:2005:51, Rn. 25 bis 29, und vom 16. September 2015, Kommission/Slowakei, C‑361/13, EU:C:2015:601, Rn. 56).

27

Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 1 des Gesetzes Nr. 112/2015 mit Sportlergeld zwar u. a. bezweckt wird, „Sportler finanziell abzusichern“; aus der dem Gerichtshof vorgelegten Akte geht indes hervor, dass damit vor allem die außergewöhnlichen Anstrengungen und bemerkenswerten Ergebnisse einer sehr begrenzten Zahl von Spitzensportlern bei bestimmten internationalen Sportwettbewerben anerkannt werden sollen. Der wesentliche Zweck des Sportlergelds besteht daher darin, seine Empfänger für die Leistungen zu belohnen, die sie im Bereich des Sports als Vertreter ihres Landes erbracht haben.

28

Aus diesem wesentlichen Zweck erklärt sich sodann, weshalb das Sportlergeld unmittelbar vom Staat finanziert wird, unabhängig von den Finanzierungsquellen des nationalen Systems der sozialen Sicherheit und den von dessen Begünstigten geleisteten Beiträgen, und weshalb es nicht allen Sportlern gewährt wird, die an solchen Wettbewerben teilgenommen haben, sondern nur einer sehr begrenzten Anzahl von ihnen, die in diesem Rahmen bestimmte Medaillen gewonnen haben.

29

Selbst wenn der Höchstbetrag des im Ausgangsverfahren fraglichen Sportlergelds unter Bezugnahme auf eine vom Empfänger eventuell bezogene Altersrente gedeckelt ist, hängt seine Zahlung nicht davon ab, ob der Empfänger auf eine solche Rente Anspruch hat, sondern nur davon, ob er sie beantragt hat.

30

Daher ist ein Sportlergeld wie das im Ausgangsverfahren fragliche keine Leistung bei Alter; es bezieht sich demnach auf keines der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 ausdrücklich aufgezählten Risiken.

31

Infolgedessen ist die zweite oben in Rn. 23 des vorliegenden Urteils genannte Voraussetzung nicht erfüllt.

32

Da sich das Sportlergeld im Übrigen auf keines der Risiken bezieht, die von den in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 genannten Zweigen der sozialen Sicherheit gedeckt sind, es nicht allein dem besonderen Schutz der Behinderten dient und jedenfalls nicht in Anhang X der Verordnung aufgeführt ist, ist es auch keine besondere beitragsunabhängige Geldleistung im Sinne von Art. 70 dieser Verordnung.

33

Nach alledem fällt eine Zusatzleistung wie die im Ausgangsverfahren fragliche nicht in den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004.

34

Unter diesen Umständen ist die Vorlagefrage nicht in Bezug auf Art. 34 Abs. 1 und 2 der Charta zu prüfen.

35

Allerdings ist es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof dessen Aufgabe, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Verfahrens sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat der Gerichtshof die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren. Es ist nämlich Aufgabe des Gerichtshofs, alle Bestimmungen des Unionsrechts auszulegen, die die nationalen Gerichte benötigen, um die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden, auch wenn diese Bestimmungen in den dem Gerichtshof von diesen Gerichten vorgelegten Fragen nicht ausdrücklich genannt sind. Zu diesem Zweck kann der Gerichtshof aus dem gesamten vom nationalen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Normen und Grundsätze des Unionsrechts herausarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Ausgangsrechtsstreits einer Auslegung bedürfen (Urteil vom 16. Juli 2015, Abcur, C‑544/13 und C‑545/13, EU:C:2015:481, Rn. 33 und 34 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

36

Hier hat das vorlegende Gericht den Gerichtshof formal zwar nur zur Auslegung der Verordnung Nr. 883/2004 befragt; wie von der Kommission vorgeschlagen, ist jedoch zu prüfen, ob die Verordnung Nr. 492/2011 und insbesondere deren Art. 7 Abs. 2 dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen.

37

Wie in Rn. 13 des vorliegenden Urteils dargelegt, hat die slowakische Regierung nämlich auf eine Frage des Gerichtshofs in der mündlichen Verhandlung geantwortet, dass UB zum Zeitpunkt des Beitritts der Slowakischen Republik und der Tschechischen Republik zur Union an einer Grundschule beschäftigt war und dies auch bis mindestens 2006 noch war.

38

Nach Art. 45 Abs. 2 AEUV umfasst indessen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen (Urteil vom 15. Dezember 2016, Depesme u. a., C‑401/15 bis C‑403/15, EU:C:2016:955, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39

Weiterhin ist Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 eine besondere Ausprägung des in Art. 45 Abs. 2 AEUV enthaltenen Gleichbehandlungsgrundsatzes auf dem spezifischen Gebiet der Gewährung sozialer Vergünstigungen und daher ebenso auszulegen wie Art. 45 Abs. 2 AEUV (Urteil vom 15. Dezember 2016, Depesme u. a., C‑401/15 bis C‑403/15, EU:C:2016:955, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40

Nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 genießt ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.

41

Der Gerichtshof hat festgestellt, dass diese Bestimmung gleichermaßen sowohl den in einem Aufnahmemitgliedstaat wohnhaften Wanderarbeitnehmern als auch Grenzgängern zugutekommt, die ihre unselbständige Erwerbstätigkeit in diesem Mitgliedstaat ausüben, aber in einem anderen Mitgliedstaat wohnen (Urteile vom 15. Dezember 2016, Depesme u. a., C‑401/15 bis C‑403/15, EU:C:2016:955, Rn. 37, und vom 10. Juli 2019, Aubriet, C‑410/18, EU:C:2019:582, Rn. 24).

42

Auch hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass sich ein Arbeitnehmer, der am Tag des Beitritts seines Herkunftsmitgliedstaats zur Union eine Beschäftigung im Aufnahmemitgliedstaat ausgeübt hat und diese Beschäftigung auch nach dem Beitritt weiterhin ausgeübt hat, ab dem Tag des Beitritts auf Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. 1968, L 257, S. 2), dessen Wortlaut in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 übernommen wurde, berufen kann, es sei denn, die von der Beitrittsakte vorgesehene Übergangsregelung bestimmt etwas anderes (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 1989, Lopes da Veiga, 9/88, EU:C:1989:346, Rn. 9, 10 und 19).

43

Seit dem Beitritt der Slowakischen Republik und der Tschechischen Republik zur Union am 1. Mai 2004 gilt die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach Art. 24 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 2003, L 236, S. 33) sowie nach Anhang V Kapitel 1 Nr. 1 dieser Akte für in der Slowakei beschäftigte tschechische Staatsangehörige grundsätzlich in vollem Umfang, nur vorbehaltlich der in Anhang V Kapitel 1 Nrn. 2 bis 14 vorgesehenen Übergangsbestimmungen. Da Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 nicht Gegenstand solcher Übergangsbestimmungen ist, ist er auf diese tschechischen Staatsangehörigen seit dem 1. Mai 2004 anwendbar (vgl. entsprechend Urteil vom 27. September 1989, Lopes da Veiga, 9/88, EU:C:1989:346, Rn. 9).

44

Folglich ist Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 auch auf einen Arbeitnehmer wie UB anwendbar, der seinen Wohnsitz zwar nicht verlegt hat, sich aber aufgrund des Beitritts des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und seines Wohnsitzstaats zur Union in der Situation eines Wanderarbeitnehmers befindet.

45

Daher ist zu prüfen, ob ein Sportlergeld wie das im Ausgangsverfahren fragliche eine „soziale Vergünstigung“ im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 ist.

46

Dieser Begriff der sozialen Vergünstigung darf nicht eng ausgelegt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. September 1975, Cristini, 32/75, EU:C:1975:120, Rn. 12, und vom 17. April 1986, Reed, 59/85, EU:C:1986:157, Rn. 25).

47

Aus dem mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 verfolgten Ziel der Gleichbehandlung ergibt sich nämlich, dass der durch diese Vorschrift auf Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, erstreckte Begriff der „sozialen Vergünstigung“ alle Vergünstigungen umfasst, die – ob sie an einen Arbeitsvertrag anknüpfen oder nicht – den inländischen Arbeitnehmern im Allgemeinen gewährt werden, und zwar hauptsächlich wegen ihrer objektiven Arbeitnehmereigenschaft oder einfach wegen ihres Wohnorts im Inland, und deren Erstreckung auf die Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind, deshalb als geeignet erscheint, deren Mobilität innerhalb der Union (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. April 1986, Reed, 59/85, EU:C:1986:157, Rn. 26, vom 12. Mai 1998, Martínez Sala, C‑85/96, EU:C:1998:217, Rn. 25, und vom 15. September 2005, Ioannidis, C‑258/04, EU:C:2005:559, Rn. 35) und daher auch ihre Integration im Aufnahmemitgliedstaat zu fördern.

48

Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, umfassen diese Vergünstigungen u. a. eine Arbeitslosenunterstützung für junge Menschen, die ihr Studium abgeschlossen haben und ihre erste Stelle suchen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2005, Ioannidis, C‑258/04, EU:C:2005:559, Rn. 34), ein Erziehungsgeld für Kinder eines Arbeitnehmers (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Mai 1998, Martínez Sala, C‑85/96, EU:C:1998:217, Rn. 26), die Inanspruchnahme von Fahrpreisermäßigungen für kinderreiche Familien durch die Witwe und die minderjährigen Kinder eines Wanderarbeitnehmers (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. September 1975, Cristini, 32/75, EU:C:1975:120, Rn. 13), das Recht eines Angeklagten, der Arbeitnehmer ist, sich einer der den Einwohnern einer Gemeinde des Aufnahmemitgliedstaats zur Verfügung stehenden Sprachen zu bedienen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 1985, Mutsch, 137/84, EU:C:1985:335, Rn. 16 und 17), oder die Möglichkeit, zu erreichen, dass dem ledigen Partner eines Arbeitnehmers, der nicht Staatsangehöriger des Aufnahmemitgliedstaats ist, gestattet wird, sich dort bei ihm aufzuhalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. April 1986, Reed, 59/85, EU:C:1986:157, Rn. 28), da all diese Maßnahmen zur Integration des Wanderarbeitnehmers in sein Aufnahmeland und damit zur Verwirklichung des Ziels der Freizügigkeit der Arbeitnehmer beitragen können.

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In diesem Sinne kann die Möglichkeit, dass ein Wanderarbeitnehmer, genau wie Arbeitnehmer, die Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats sind, für außergewöhnliche sportliche Leistungen als Vertreter dieses Mitgliedstaats oder seiner Rechtsvorgänger belohnt wird, zu seiner Integration in diesen Mitgliedstaat und damit zur Erreichung des Ziels der Freizügigkeit der Arbeitnehmer beitragen.

50

Diese Auslegung kann entgegen den Ausführungen der slowakischen Regierung in der mündlichen Verhandlung nicht mit den Urteilen vom 31. Mai 1979, Even und ONPTS (207/78, EU:C:1979:144), und vom 16. September 2004, Baldinger (C‑386/02, EU:C:2004:535), in Frage gestellt werden.

51

In diesen Urteilen hat der Gerichtshof zwar festgestellt, dass eine Leistung, mit der ehemaligen Kämpfern, die aufgrund eines Kriegsereignisses arbeitsunfähig sind, oder ehemaligen Kriegsgefangenen, die eine längere Gefangenschaft nachweisen, ein Zeichen der nationalen Anerkennung für die erduldeten Prüfungen gegeben werden sollte, und die deshalb als Gegenleistung für die ihrem Land erwiesenen Dienste gezahlt wurde, keine „soziale Vergünstigung“ im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1612/68 darstellt, obwohl die Antragsteller Wanderarbeitnehmer waren. Diese Leistungen trugen somit nicht zur Integration dieser Arbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat bei.

52

Demgegenüber soll die im Ausgangsverfahren fragliche Zusatzleistung Spitzensportler belohnen, die den Aufnahmemitgliedstaat oder seine Rechtsvorgänger bei internationalen Sportwettbewerben vertreten und hervorragende Ergebnisse erzielt haben. Insbesondere bietet diese Leistung den Begünstigten nicht nur finanzielle Sicherheit, die u. a. die mangelnde vollständige Integration in den Arbeitsmarkt in den Jahren der Ausübung des Spitzensports ausgleichen soll, sondern verleiht ihnen auch und vor allem ein besonderes soziales Ansehen aufgrund der sportlichen Ergebnisse, die sie im Rahmen einer solchen Vertretung erzielt haben. Ein solches Ansehen zu genießen, genau wie die Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats, die sich in der gleichen Situation befinden oder sogar Medaillen in Mannschaftssportwettbewerben mit derselben Mannschaft gewonnen haben, kann die Integration dieser Wanderarbeitnehmer in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats erleichtern. Der Gerichtshof hat die in Art. 165 AEUV zum Ausdruck kommende beträchtliche soziale Bedeutung des Sports, insbesondere des Amateursports, in der Union, sowie seine Rolle als Faktor der Integration in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats im Übrigen bereits anerkannt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juni 2019, TopFit und Biffi, C‑22/18, EU:C:2019:497, Rn. 33).

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Daraus folgt, dass eine Zusatzleistung wie die im Ausgangsverfahren fragliche eine „soziale Vergünstigung“ im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 ist, die ein Mitgliedstaat, der sie seinen inländischen Arbeitnehmern gewährt, den Arbeitnehmern, die die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats besitzen, nicht verwehren kann, ohne eine nach dieser Bestimmung verbotene Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit zu begehen.

54

Nach alledem ist die Vorlagefrage wie folgt zu beantworten:

Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 883/2004 ist dahin auszulegen, dass eine an bestimmte Spitzensportler, die einen Mitgliedstaat oder seine Rechtsvorgänger bei internationalen Sportveranstaltungen vertreten haben, gezahlte Zusatzleistung nicht unter den Begriff „Leistung bei Alter“ im Sinne dieser Bestimmung fällt und daher vom Geltungsbereich dieser Verordnung ausgeschlossen ist;

Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die die Gewährung einer Zusatzleistung für bestimmte Spitzensportler, die diesen Mitgliedstaat oder seine Rechtsvorgänger bei internationalen Sportveranstaltungen vertreten haben, u. a. davon abhängig macht, dass der Antragsteller die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzt.

Kosten

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Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ist dahin auszulegen, dass eine an bestimmte Spitzensportler, die einen Mitgliedstaat oder seine Rechtsvorgänger bei internationalen Sportveranstaltungen vertreten haben, gezahlte Zusatzleistung nicht unter den Begriff „Leistung bei Alter“ im Sinne dieser Bestimmung fällt und daher vom Geltungsbereich dieser Verordnung ausgeschlossen ist.

 

2.

Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die die Gewährung einer Zusatzleistung für bestimmte Spitzensportler, die diesen Mitgliedstaat oder seine Rechtsvorgänger bei internationalen Sportveranstaltungen vertreten haben, u. a. davon abhängig macht, dass der Antragsteller die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzt.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Slowakisch.

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