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Document 62009CJ0165

Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 26. Mai 2011.
Stichting Natuur en Milieu und andere gegen College van Gedeputeerde Staten van Groningen (C-165/09) und College van Gedeputeerde Staten van Zuid-Holland (C-166/09 und C-167/09).
Ersuchen um Vorabentscheidung: Raad van State - Niederlande.
Umwelt - Richtlinie 2008/1/EG - Genehmigung für den Bau und den Betrieb eines Elektrizitätskraftwerks - Richtlinie 2001/81/EG - Nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe - Befugnisse der Mitgliedstaaten während des Übergangszeitraums - Unmittelbare Wirkung.
Verbundene Rechtssachen C-165/09 bis C-167/09.

European Court Reports 2011 I-04599

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2011:348

Verbundene Rechtssachen C-165/09 bis C-167/09

Stichting Natuur en Milieu u. a.

gegen

College van Gedeputeerde Staten van Groningen

und

College van Gedeputeerde Staten van Zuid-Holland

(Vorabentscheidungsersuchen des Raad van State)

„Umwelt – Richtlinie 2008/1/EG – Genehmigung für den Bau und den Betrieb eines Elektrizitätskraftwerks – Richtlinie 2001/81/EG – Nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe – Befugnisse der Mitgliedstaaten während des Übergangszeitraums – Unmittelbare Wirkung“

Leitsätze des Urteils

1.        Vorabentscheidungsverfahren – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Grenzen – Zuständigkeit des nationalen Gerichts

(Art. 267 AEUV)

2.        Umwelt – Integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung – Richtlinie 2008/1 – Voraussetzungen für die Genehmigung für den Bau und den Betrieb einer Industrieanlage – Verpflichtung der Mitgliedstaaten, bei den Voraussetzungen für die Erteilung dieser Genehmigung die mit der Richtlinie 2001/81 festgelegten nationalen Emissionshöchstmengen für SO2 und NOx zu berücksichtigen – Fehlen

(Richtlinie 96/61 des Rates in der durch die Richtlinie 2008/1 des Europäischen Parlaments und des Rates kodifizierten Fassung, Art. 9 Abs. 1, 3 und 4)

3.        Umwelt – Luftverschmutzung – Richtlinie 2001/81 – Nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe – Unterlassensverpflichtungen der Mitgliedstaaten während des Übergangszeitraums

(Art. 4 Abs. 3 EUV; Art. 288 Abs. 3 AEUV; Richtlinie 2001/81 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4)

4.        Umwelt – Luftverschmutzung – Richtlinie 2001/81 – Nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe – Unterlassensverpflichtungen der Mitgliedstaaten während des Übergangszeitraums

(Art. 4 Abs. 3 EUV; Art. 288 Abs. 3 AEUV; Richtlinie 2001/81 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4)

5.        Umwelt – Luftverschmutzung – Richtlinie 2001/81 – Nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe – Handlungspflichten der Mitgliedstaaten während des Übergangszeitraums

(Art. 288 Abs. 3 AEUV; Richtlinie 2001/81 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4, 6, 7 Abs. 1 und 2 sowie 8 Abs. 1 und 2)

6.        Umwelt – Luftverschmutzung – Richtlinie 2001/81 – Nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe – Verpflichtungen der Mitgliedstaaten während des Übergangszeitraums

(Art. 288 Abs. 3 AEUV; Richtlinie 2001/81 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4)

7.        Umwelt – Luftverschmutzung – Richtlinie 2001/81 – Unmittelbare Wirkung während des Übergangszeitraums

(Richtlinie 2001/81 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 und 6)

1.        In einem Verfahren nach Art. 267 AEUV, das auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, ist allein das nationale Gericht für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits sowie die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts zuständig. Ebenso hat nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen.

(vgl. Randnr. 47)

2.        Art. 9 Abs. 1, 3 und 4 der Richtlinie 96/61 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung in ihrer ursprünglichen und in der durch die Richtlinie 2008/1 kodifizierten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten bei der Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung für den Bau und den Betrieb einer Industrieanlage nicht verpflichtet sind, bei den Voraussetzungen für die Erteilung dieser Genehmigung die mit der Richtlinie 2001/81 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe festgelegten nationalen Emissionshöchstmengen für SO2 und NOx zu berücksichtigen, dass sie jedoch die sich aus dieser Richtlinie ergebende Verpflichtung zu beachten haben, im Rahmen nationaler Programme geeignete und schlüssige Politiken und Maßnahmen einzuführen oder zu planen, die in ihrer Gesamtheit geeignet sind, die Emissionen insbesondere dieser Schadstoffe bis spätestens Ende 2010 auf die in Anhang I dieser Richtlinie angegebenen Höchstmengen zu vermindern.

(vgl. Randnr. 76, Tenor 1)

3.        Während des in Art. 4 der Richtlinie 2001/81 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe vorgesehenen Übergangszeitraums vom 27. November 2002 bis 31. Dezember 2010 verpflichten die Art. 4 Abs. 3 EUV und 288 Abs. 3 AEUV sowie die Richtlinie 2001/81 die Mitgliedstaaten, davon abzusehen, Maßnahmen zu erlassen, die geeignet sind, die Erreichung des in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Ziels ernstlich zu gefährden.

(vgl. Randnrn. 78-79, 91, Tenor 2)

4.        Während des in Art. 4 der Richtlinie 2001/81 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe vorgesehenen Übergangszeitraums vom 27. November 2002 bis 31. Dezember 2010 erscheint der Erlass einer spezifischen, eine einzige SO2- und NOx-Quelle betreffenden Maßnahme durch die Mitgliedstaaten als solcher nicht geeignet, die Verwirklichung des in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Ziels ernstlich in Frage zu stellen. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob dies bei jeder der Entscheidungen über die Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung für den Bau und den Betrieb einer Industrieanlage der Fall ist.

(vgl. Randnrn. 80-83, 91, Tenor 2)

5.        Während des in Art. 4 der Richtlinie 2001/81 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe vorgesehenen Übergangszeitraums vom 27. November 2002 bis 31. Dezember 2010 müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 288 Abs. 3 AEUV und den Art. 6, 7 Abs. 1 und 2 sowie 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/81 zum einen Programme für die fortschreitende Verminderung der nationalen SO2- und NOx-Emissionen erstellen und gegebenenfalls aktualisieren und überarbeiten, die sie der Öffentlichkeit und den betroffenen Organisationen mittels klarer, verständlicher und leicht zugänglicher Informationen zur Verfügung stellen und über die sie die Europäische Kommission fristgerecht zu unterrichten haben, und zum anderen jährlich nationale Inventare dieser Emissionen erstellen und aktualisieren sowie nationale Prognosen für das Jahr 2010 erstellen, die sie der Europäischen Kommission und der Europäischen Umweltagentur fristgerecht zu übermitteln haben.

(vgl. Randnrn. 87, 91, Tenor 2)

6.        Während des in Art. 4 der Richtlinie 2001/81 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe vorgesehenen Übergangszeitraums vom 27. November 2002 bis 31. Dezember 2010 verpflichten Art. 288 Abs. 3 AEUV und die Richtlinie 2001/81 selbst die Mitgliedstaaten weder dazu, die Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung für den Bau und den Betrieb einer Industrieanlage zu versagen oder zu beschränken, noch – selbst bei Überschreitung oder bei drohender Überschreitung der nationalen Emissionshöchstmengen für SO2 und NOx – dazu, spezifische Ausgleichsmaßnahmen für jede erteilte derartige Genehmigung zu erlassen.

(vgl. Randnrn. 90-91, Tenor 2)

7.        Art. 4 der Richtlinie 2001/81 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe ist nicht so unbedingt und hinreichend genau, dass sich ein Einzelner vor dem 31. Dezember 2010 vor nationalen Gerichten auf ihn berufen kann.

Hingegen verleiht Art. 6 der Richtlinie 2001/81 unmittelbar betroffenen Einzelnen Rechte, auf die diese sich vor nationalen Gerichten berufen können, um zu verlangen, dass die Mitgliedstaaten während des Übergangszeitraums vom 27. November 2002 bis 31. Dezember 2010 im Rahmen nationaler Programme angemessene und schlüssige Politiken und Maßnahmen einführen oder planen, die in ihrer Gesamtheit geeignet sind, die Emissionen der genannten Schadstoffe derart zu vermindern, dass die in Anhang I dieser Richtlinie vorgesehenen nationalen Höchstmengen spätestens Ende 2010 eingehalten werden, und die für diese Zwecke erstellten Programme der Öffentlichkeit und den betroffenen Organisationen mittels klarer, verständlicher und leicht zugänglicher Informationen zur Verfügung stellen.

(vgl. Randnrn. 98-104, Tenor 3)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

26. Mai 2011(*)

„Umwelt – Richtlinie 2008/1/EG – Genehmigung für den Bau und den Betrieb eines Elektrizitätskraftwerks – Richtlinie 2001/81/EG – Nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe – Befugnisse der Mitgliedstaaten während des Übergangszeitraums – Unmittelbare Wirkung“

In den verbundenen Rechtssachen C‑165/09 bis C‑167/09

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Raad van State (Niederlande) mit Entscheidungen vom 29. April 2009, eingegangen beim Gerichtshof am 30. April 2009, in den Verfahren

Stichting Natuur en Milieu (C‑165/09),

Stichting Greenpeace Nederland,

Eheleute B. Meijer,

E. Zwaag,

F. Pals

gegen

College van Gedeputeerde Staten van Groningen

und

Stichting Natuur en Milieu (C‑166/09),

Stichting Zuid-Hollandse Milieufederatie,

Stichting Greenpeace Nederland,

Vereniging van Verontruste Burgers van Voorne

gegen

College van Gedeputeerde Staten van Zuid-Holland

und

Stichting Natuur en Milieu (C‑167/09),

Stichting Zuid-Hollandse Milieufederatie,

Stichting Greenpeace Nederland,

Vereniging van Verontruste Burgers van Voorne

gegen

College van Gedeputeerde Staten van Zuid-Holland,

Beteiligte:

RWE Eemshaven Holding BV, vormals RWE Power AG (C‑165/09),

Electrabel Nederland NV (C‑166/09),

College van Burgemeester en Wethouders Rotterdam (C‑166/09 und C‑167/09),

E.On Benelux NV (C‑167/09),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter), der Richter J.‑J. Kasel, E. Levits und M. Safjan sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Stichting Natuur en Milieu, vertreten durch J. G. Vollenbroek als Bevollmächtigten,

–        der Stichting Greenpeace Nederland, vertreten durch J. G. Vollenbroek als Bevollmächtigten und B. N. Kloostra, advocaat,

–        der Stichting Zuid-Hollandse Milieufederatie, vertreten durch J. G. Vollenbroek als Bevollmächtigten,

–        des College van Gedeputeerde Staten van Groningen, vertreten durch A. Ayal und W. J. W. Snippe als Bevollmächtigte,

–        des College van Gedeputeerde Staten van Zuid-Holland, vertreten durch B. J. M. Verras als Bevollmächtigte,

–        der RWE Eemshaven Holding BV, vormals RWE Power AG, vertreten durch D. N. Broerse und J. J. Peelen, advocaten, sowie durch Rechtsanwalt M. Werner,

–        der E.On Benelux NV, vertreten durch J. M. Osse, J. C. A. Houdijk und A. A. Freriks, advocaten, sowie durch Rechtsanwältin E. Broeren,

–        der Electrabel Nederland NV, vertreten durch P. Wytinck, M. van der Woude und M. M. Kaajan, advocaten,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch C. M. Wissels, B. Koopman, M. A. M. de Ree und Y. de Vries als Bevollmächtigte,

–        der dänischen Regierung, vertreten durch V. Pasternak Jørgensen, R. Holdgaard und C. Vang als Bevollmächtigte,

–        der französischen Regierung, vertreten durch S. Menez als Bevollmächtigten,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Alcover San Pedro und F. Ronkes Agerbeek als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 16. Dezember 2010

folgendes

Urteil

1        Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 9 der Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (ABl. L 257, S. 26) in ihrer ursprünglichen und in der durch die Richtlinie 2008/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (ABl. L 24, S. 8) kodifizierten Fassung (im Folgenden: IVU-Richtlinie) sowie der im Hinblick auf die in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten gegebenen Umstände einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2001/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2001 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe (ABl. L 309, S. 22) (im Folgenden: NEC‑Richtlinie).

2        Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen den Stiftungen Stichting Natuur en Milieu (im Folgenden: Natuur en Milieu) und Stichting Greenpeace Nederland (im Folgenden: Greenpeace) sowie vier natürlichen Personen und dem College van Gedeputeerde Staten van Groningen (Vorstand des Provinzialausschusses von Groningen) wegen einer Entscheidung, mit der dieser der Gesellschaft RWE Eemshaven Holding BV, vormals RWE Power AG (im Folgenden: RWE), eine Genehmigung für den Bau und den Betrieb eines Elektrizitätskraftwerks auf dem Gebiet der Provinz Groningen erteilt hat (Rechtssache C‑165/09), sowie zwischen den Stiftungen Natuur en Milieu, Stichting Zuid-Hollandse Milieufederatie (im Folgenden: Milieufederatie) und Greenpeace sowie der Vereinigung Vereniging van Verontruste Burgers van Voorne (Vereinigung beunruhigter Bürger aus Voorne, im Folgenden: VVBV) und dem College van Gedeputeerde Staten van Zuid-Holland (Vorstand des Provinzialausschusses von Zuid‑Holland) wegen Entscheidungen, mit denen diese Behörde den Gesellschaften Electrabel Nederland NV (im Folgenden: Electrabel) und E.On Benelux NV (im Folgenden: E.On) Genehmigungen für den Bau und den Betrieb zweier Elektrizitätskraftwerke im Gebiet der Provinz Zuid-Holland erteilt hat (Rechtssachen C‑166/09 und C‑167/09).

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Die IVU-Richtlinie

3        Die Bestimmungen der IVU-Richtlinie, durch die die Richtlinie 96/61 kodifiziert und ersetzt wurde, werden nachfolgend in ihrer konsolidierten Fassung wiedergegeben, die keine inhaltliche Veränderung bewirkt.

4        Der dritte und der neunte Erwägungsgrund der IVU-Richtlinie lauten:

„(3)      Im fünften Umweltaktionsprogramm … wurde der integrierten Verminderung der Umweltverschmutzung eine bedeutende Rolle bei der Herstellung eines dauerhaften und umweltgerechten Gleichgewichts zwischen menschlicher Tätigkeit und sozioökonomischer Entwicklung, den Ressourcen und der Regenerationsfähigkeit der Natur eingeräumt.

(9)      Das Ziel des integrierten Konzepts der Verminderung der Verschmutzung besteht darin, Emissionen in Luft, Wasser und Boden unter Einbeziehung der Abfallwirtschaft so weit wie möglich zu vermeiden und, wo dies nicht möglich ist, zu vermindern, um ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu erreichen.“

5        Art. 2 Nr. 7 der IVU-Richtlinie definiert als „Umweltqualitätsnorm“ „die Gesamtheit von Anforderungen, die zu einem gegebenen Zeitpunkt in einer gegebenen Umwelt oder einem bestimmten Teil davon nach den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft erfüllt werden müssen“.

6        Art. 2 Nr. 12 dieser Richtlinie bezeichnet als „beste verfügbare Techniken“ „den effizientesten und fortschrittlichsten Entwicklungsstand der Tätigkeiten und entsprechenden Betriebsmethoden, der spezielle Techniken als praktisch geeignet erscheinen lässt, grundsätzlich als Grundlage für die Emissionsgrenzwerte zu dienen, um Emissionen in und Auswirkungen auf die gesamte Umwelt allgemein zu vermeiden oder, wenn dies nicht möglich ist, zu vermindern“.

7        Art. 4 der IVU-Richtlinie bestimmt:

„… die Mitgliedstaaten [treffen] die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass keine neue Anlage ohne eine Genehmigung gemäß dieser Richtlinie betrieben wird.“

8        Art. 9 der IVU-Richtlinie sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Genehmigung alle Maßnahmen umfasst, die zur Erfüllung der in den Artikeln 3 und 10 genannten Genehmigungsvoraussetzungen notwendig sind, um durch den Schutz von Luft, Wasser und Boden zu einem hohen Schutzniveau für die Umwelt insgesamt beizutragen.

(3)      Die Genehmigung muss Emissionsgrenzwerte für die Schadstoffe, namentlich die Schadstoffe der Liste in Anhang III, enthalten, die von der betreffenden Anlage unter Berücksichtigung der Art der Schadstoffe und der Gefahr einer Verlagerung der Verschmutzung von einem Medium auf ein anderes (Wasser, Luft, Boden) in relevanter Menge emittiert werden können. Erforderlichenfalls enthält die Genehmigung geeignete Auflagen zum Schutz des Bodens und des Grundwassers sowie Maßnahmen zur Behandlung der von der Anlage erzeugten Abfälle. Gegebenenfalls können die Grenzwerte durch äquivalente Parameter bzw. äquivalente technische Maßnahmen erweitert oder ersetzt werden.

(4)      Die in Absatz 3 genannten Emissionsgrenzwerte, äquivalenten Parameter und äquivalenten technischen Maßnahmen sind vorbehaltlich des Artikels 10 auf die besten verfügbaren Techniken zu stützen, ohne dass die Anwendung einer bestimmten Technik oder Technologie vorgeschrieben wird; hierbei sind die technische Beschaffenheit der betreffenden Anlage, ihr geografischer Standort und die jeweiligen örtlichen Umweltbedingungen zu berücksichtigen. In jedem Fall sehen die Genehmigungsauflagen Vorkehrungen zur weitestgehenden Verminderung der weiträumigen oder grenzüberschreitenden Umweltverschmutzung vor und stellen ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt sicher.

(7)      Die Genehmigung kann andere spezielle Auflagen für die Zwecke dieser Richtlinie enthalten, die die Mitgliedstaaten oder die zuständige Behörde als zweckmäßig erachten.

(8)      Unbeschadet der Verpflichtung zur Durchführung eines Genehmigungsverfahrens im Sinne dieser Richtlinie können die Mitgliedstaaten bestimmte Anforderungen für bestimmte Kategorien von Anlagen in Form von allgemeinen bindenden Vorschriften statt in Genehmigungsauflagen festlegen, sofern dabei ein integriertes Konzept und ein gleichwertiges hohes Schutzniveau für die Umwelt gewährleistet werden.“

9        Art. 10 dieser Richtlinie lautet:

„Erfordert eine Umweltqualitätsnorm strengere Auflagen, als durch die Anwendung der besten verfügbaren Techniken zu erfüllen sind, so werden unbeschadet anderer Maßnahmen, die zur Einhaltung der Umweltqualitätsnormen ergriffen werden können, insbesondere zusätzliche Auflagen in der Genehmigung vorgesehen.“

10      Art. 19 Abs. 2 der IVU-Richtlinie sieht vor:

„Wurden keine Emissionsgrenzwerte aufgrund dieser Richtlinie festgelegt, so gelten mindestens die einschlägigen Emissionsgrenzwerte, die in den in Anhang II aufgeführten Richtlinien und den anderen gemeinschaftlichen Vorschriften festgelegt sind, für die in Anhang I genannten Anlagen als Emissionsgrenzwerte nach dieser Richtlinie.“

11      In Anhang II dieser IVU-Richtlinie sind folgende Richtlinien aufgelistet:

„1.      Richtlinie 87/217/EWG des Rates vom 19. März 1987 zur Verhütung und Verringerung der Umweltverschmutzung durch Asbest.

2.      Richtlinie 82/176/EWG des Rates vom 22. März 1982 betreffend Grenzwerte und Qualitätsziele für Quecksilberableitungen aus dem Industriezweig Alkalichloridelektrolyse.

3.      Richtlinie 83/513/EWG des Rates vom 26. September 1983 betreffend Grenzwerte und Qualitätsziele für Cadmiumableitungen.

4.      Richtlinie 84/156/EWG des Rates vom 8. März 1984 betreffend Grenzwerte und Qualitätsziele für Quecksilberableitungen mit Ausnahme des Industriezweigs Alkalichloridelektrolyse.

5.      Richtlinie 84/491/EWG des Rates vom 9. Oktober 1984 betreffend Grenzwerte und Qualitätsziele für Ableitungen von Hexachlorcyclohexan.

6.      Richtlinie 86/280/EWG des Rates vom 12. Juni 1986 betreffend Grenzwerte und Qualitätsziele für die Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe im Sinne der Liste I im Anhang der Richtlinie 76/464/EWG.

7.      Richtlinie 2000/76/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Dezember 2000 über die Verbrennung von Abfällen.

8.      Richtlinie 92/112/EWG des Rates vom 15. Dezember 1992 über die Modalitäten zur Vereinheitlichung der Programme zur Verringerung und späteren Unterbindung der Verschmutzung durch Abfälle der Titandioxid-Industrie.

9.      Richtlinie 2001/80/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2001 zur Begrenzung von Schadstoffemissionen von Großfeuerungsanlagen in die Luft.

10.      Richtlinie 2006/11/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Februar 2006 betreffend die Verschmutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft.

11.      Richtlinie 2006/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2006 über Abfälle.

12.      Richtlinie 75/439/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 über die Altölbeseitigung.

13.      Richtlinie 91/689/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 über gefährliche Abfälle.

14.      Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien.“

 Die NEC‑Richtlinie

12      Der elfte und der zwölfte Erwägungsgrund der NEC‑Richtlinie lauten:

„(11)      Die Festlegung nationaler Höchstmengen für Emissionen von Schwefeldioxid, Stickstoffoxiden, flüchtigen organischen Verbindungen und Ammoniak für die einzelnen Mitgliedstaaten stellt einen kosteneffizienten Weg zur Verwirklichung der Umweltzwischenziele dar. Solche Emissionshöchstmengen bieten der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten Flexibilität bei der Festlegung der Strategien zu ihrer Einhaltung.

(12)      Für die Umsetzung der Maßnahmen zur Einhaltung der nationalen Emissionshöchstmengen sollten die Mitgliedstaaten verantwortlich sein. Es wird erforderlich sein, die Fortschritte im Hinblick auf die Einhaltung dieser Emissionshöchstmengen zu evaluieren. Deshalb sollten nationale Programme zur Verminderung der Emissionen erstellt werden, über die der Kommission berichtet werden sollte. Diese Programme sollten Informationen über erlassene oder geplante Maßnahmen zur Einhaltung der Emissionshöchstmengen enthalten.“

13      Im neunzehnten Erwägungsgrund der NEC‑Richtlinie heißt es:

„Diese Richtlinie sollte unbeschadet der Rechtsvorschriften der Gemeinschaft über Emissionen dieser Schadstoffe aus spezifischen Quellen und der Richtlinie 96/61… in Bezug auf Emissionsgrenzwerte und die Anwendung der besten verfügbaren Techniken gelten.“

14      Nach Art. 1 der NEC‑Richtlinie ist deren Ziel die Begrenzung der Emissionen versauernder und eutrophierender Schadstoffe sowie der Ozonvorläufer, um den Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit gegen die Risiken der Versauerung, der Eutrophierung des Bodens und des bodennahen Ozons zu verbessern.

15      Art. 4 („Nationale Emissionshöchstmengen“) der NEC‑Richtlinie sieht vor:

„(1)      Bis spätestens 2010 begrenzen die Mitgliedstaaten ihre nationalen Emissionen an Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffoxiden (NOX), flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) und Ammoniak (NH3) auf die in Anhang I festgelegten Emissionshöchstmengen unter Berücksichtigung der etwaigen Änderungen, die aufgrund von Maßnahmen der Gemeinschaft erfolgt sind, die im Anschluss an die Berichte nach Artikel 9 angenommen wurden.

(2)      Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die Emissionshöchstmengen in Anhang I nach dem Jahr 2010 nicht mehr überschritten werden.“

16      Art. 6 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten erstellen bis spätestens 1. Oktober 2002 Programme für die fortschreitende Verminderung der nationalen Emissionen der in Artikel 4 genannten Schadstoffe mit dem Ziel, bis Ende 2010 mindestens die nationalen Emissionshöchstmengen in Anhang I einzuhalten.

(2)      Die nationalen Programme umfassen Informationen über eingeführte und geplante Politiken und Maßnahmen sowie quantifizierte Schätzungen der Auswirkung dieser Politiken und Maßnahmen auf die Schadstoffemissionen im Jahr 2010. Erwartete erhebliche Veränderungen der geografischen Verteilung der nationalen Emissionen sind anzugeben.

(3)      Die Mitgliedstaaten aktualisieren und überarbeiten gegebenenfalls ihre nationalen Programme zum 1. Oktober 2006.

(4)      Die Mitgliedstaaten stellen die gemäß den Absätzen 1, 2 und 3 erstellten Programme der Öffentlichkeit und geeigneten Organisationen, wie Umweltorganisationen, zur Verfügung. Die der Öffentlichkeit und den Organisationen nach diesem Absatz zur Verfügung gestellten Informationen müssen klar, verständlich und leicht zugänglich sein.“

17      Art. 7 Abs. 1 und 2 der NEC‑Richtlinie lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten erstellen für die in Artikel 4 genannten Schadstoffe nationale Emissionsinventare und ‑prognosen für das Jahr 2010 und aktualisieren diese jährlich.

(2)      Die Mitgliedstaaten erstellen ihre Emissionsinventare und -prognosen nach den Methoden in Anhang III.“

18      Art. 8 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission und der Europäischen Umweltagentur spätestens am 31. Dezember jeden Jahres ihre gemäß Artikel 7 erstellten nationalen Emissionsinventare und ‑prognosen für das Jahr 2010. Ferner übermitteln sie ihre endgültigen Emissionsinventare für das zwei Jahre zurückliegende Jahr und die vorläufigen Emissionsinventare für das Vorjahr. Die Emissionsprognosen umfassen eine quantitative Beschreibung der ihrer Berechnung zugrunde gelegten sozioökonomischen Annahmen.

(2)      Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission spätestens am 31. Dezember 2002 über die gemäß Artikel 6 Absätze 1 und 2 erstellten Programme.

Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission spätestens am 31. Dezember 2006 über die gemäß Artikel 6 Absatz 3 aktualisierten Programme.“

19      Anhang I der NEC‑Richtlinie sieht für das Königreich der Niederlande eine Emissionshöchstmenge von 50 Kilotonnen SO2 und von 260 Kilotonnen NOx vor, die bis 2010 erreicht werden müssen.

 Nationales Recht

20      Die Umsetzung der Richtlinie 96/61 und der IVU-Richtlinie in innerstaatliches Recht erfolgte durch Änderung einiger Bestimmungen der Wet milieubeheer (WMB) (Umweltschutzgesetz). Nach Art. 8.1 Abs. 1 Buchst. b WMB ist es untersagt, eine Einrichtung im Sinne der Richtlinie 96/61 und später der IVU-Richtlinie ohne hierfür erteilte Genehmigung zu verändern oder ihre Funktionsweise zu ändern.

21      Art. 8.10 WMB sieht insbesondere vor, dass die Genehmigung für den Bau und den Betrieb einer solchen Anlage nur im Interesse des Schutzes der Umwelt versagt werden kann. Nach Art. 8.10 Abs. 2 Buchst. a WMB ist die Genehmigung insoweit auf jeden Fall zu versagen, wenn durch ihre Erteilung nicht erreicht werden kann, dass in der betreffenden Anlage die besten verfügbaren Techniken angewandt werden.

22      Gemäß Art. 8.11 Abs. 2 WMB kann eine Genehmigung im Interesse des Umweltschutzes mit Auflagen versehen werden.

23      Zur Anwendung und Umsetzung der NEC‑Richtlinie haben die niederländischen Behörden mehrere Initiativen und Maßnahmen ergriffen.

24      Gemäß Art. 8 Abs. 2 dieser Richtlinie erstellte der Staatssecretaris van Volkshuisvesting, Ruimtelijke ordening en Milieubeheer (Staatssekretär für Wohnungswesen, Raumordnung und Umweltfragen) im Jahr 2002 das nationale Programm in Bezug auf Emissionshöchstmengen, Versauerung und großräumige Luftverschmutzung (Rapportage emissieplafonds verzuring en grootschalige luchtverontreiniging 2002) und übermittelte es der Kommission. Im Jahr 2003 erstellte der Staatssecretaris den Durchführungsvermerk betreffend Emissionshöchstmengen, Versauerung und großräumige Luftverschmutzung 2003 (Uitvoeringsnotitie emissieplafonds verzuring en grootschalige luchtverontreiniging 2003 Erop of eronder), in dem die geplanten Maßnahmen beschrieben und die nationalen Emissionshöchstmengen auf Sektoren verteilt werden.

25      Am 6. Juli 2005 traten die Wet van 16 Juni 2005 tot wijziging van de Wet inzake de luchtverontreiniging (uitvoering EG-richtlijn nationale emissieplafonds) (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Luftverschmutzung [Umsetzung der EG-Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen] vom 16. Juni 2005) und der Besluit uitvoering EG-richtlijn nationale emissieplafonds (Verordnung zur Umsetzung der EG-Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen) in Kraft.

26      Gemäß Art. 8 Abs. 2 der NEC‑Richtlinie wurde 2006 das nationale Programm der Umweltpolitik überarbeitet und aktualisiert. Zu diesem Zweck nahm der Minister van Volkshuisvesting, Ruimtelijke Ordening en Milieubeheer (Minister für Wohnungswesen, Raumordnung und Umweltfragen) (im Folgenden: Minister) einen Bericht über Emissionshöchstmengen in Bezug auf Versauerung und großräumige Luftverschmutzung (Uitvoeringsnotitie emissieplafonds verzuring en grootschalige luchtverontreiniging 2006) an, der ein geplantes Paket gesetzlicher Anforderungen, steuerlicher Maßnahmen und verbindlicher Vereinbarungen enthielt mit dem Ziel, bis spätestens 31. Dezember 2010 die für das Königreich der Niederlande festgelegten Emissionshöchstmengen einzuhalten.

27      Gemäß dem vom Staatssecretaris van Volkshuisvesting, Ruimtelijke ordening en Milieubeheer erstellten Durchführungsvermerk betreffend Emissionshöchstmengen, Versauerung und großräumige Luftverschmutzung legte der Minister am 28. Juni 2007 die sektorielle Höchstmenge für SO2-Emissionen im Energiesektor – unabhängig von der Inbetriebnahme neuer Kraftwerke – auf insgesamt 13,5 Kilotonnen/Jahr fest. Am 26. Juni 2008 schlossen die betroffenen nationalen Behörden, die Provinzialbehörden (darunter die von Zuid‑Holland und Groningen) sowie sämtliche Elektrizitätsgesellschaften eine verpflichtende und vollziehbare SO2-Protokollvereinbarung mit dem Ziel, die Einhaltung dieser Grenze für Emissionen im Energiesektor über einen sich bis zum 31. Dezember 2019 erstreckenden Zeitraum für alle Unterzeichner verbindlich zu machen.

28      Im Rahmen der nationalen Höchstmenge für NOx-Emissionen führten die niederländischen Behörden hingegen für ihre großindustriellen Anlagen auf der Grundlage eines Ziels von 55 Kilotonnen NOx-Emissionen für das Jahr 2010 ein System des Handels mit Emissionsrechten ein.

 Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefragen

29      In der Rechtssache C‑165/09 erteilte das College van Gedeputeerde Staten van Groningen RWE mit Bescheid vom 11. Dezember 2007 eine Genehmigung für den Bau und den Betrieb eines Kohlenstaub- und Biomassekraftwerks auf dem Industriegelände Eemshaven in Eemsmond.

30      Die von dieser Anlage ab ihrer frühestens für 2012 vorgesehenen Inbetriebnahme ausgestoßene Gesamtmenge an Emissionen sollte sich auf 1 454 Tonnen SO2 belaufen, was etwa 2,9 % der nationalen Emissionshöchstmenge für diesen Schadstoff ausmacht.

31      Gegen diesen Bescheid erhoben Natuur en Milieu, Greenpeace, Herr und Frau B. Meijer sowie Herr E. Zwaag und Herr F. Pals Klage beim Raad van State.

32      In der Rechtssache C‑166/09 genehmigte das College van Gedeputeerde Staten van Zuid-Holland am 11. März 2008 das Vorhaben von Electrabel betreffend den Bau und den Betrieb eines Kohle- und Biomassekraftwerks am Missouriweg in Rotterdam.

33      Dieses Kraftwerk, das frühestens im Jahr 2013 in Betrieb genommen wird, sollte einen Jahresausstoß von 580 Tonnen SO2 und 730 Tonnen NOx erzeugen, d. h. 1,2 % bzw. 0,3 % der für SO2 und NOx festgelegten nationalen Emissionshöchstmengen.

34      Die Stiftungen Natuur en Milieu, Milieufederatie, Greenpeace und VVBV fochten die Entscheidung über die Erteilung dieser Genehmigung beim Raad van State an.

35      In der Rechtssache C‑167/09 erteilte das College van Gedeputeerde Staten van Zuid-Holland E.On mit Bescheid vom 26. Oktober 2007 eine Genehmigung zur Teilüberholung einer neuen Anlage zur Stromerzeugung durch Verfeuerung in erster Linie von Kohle am Coloradoweg auf dem Industriegelände in Rotterdam.

36      Der von der Inbetriebnahme frühestens im Jahr 2012 an erwartete Jahresausstoß sollte sich auf 923 Tonnen SO2 und 1 535 Tonnen NOx belaufen, was 1,8 % bzw. 0,6 % der nationalen Emissionshöchstmengen für SO2 und NOx ausmacht.

37      Die Stiftungen Natuur en Milieu, Milieufederatie, Greenpeace und VVBV erhoben gegen die Entscheidung über die Erteilung dieser Genehmigung Klage beim Raad van State.

38      Im Rahmen dieser drei Klagen machen die Klägerinnen der Ausgangsverfahren im Wesentlichen geltend, dass die zuständigen Behörden unter Berücksichtigung dessen, dass die durch die NEC‑Richtlinie für das Königreich der Niederlande festgelegten Emissionshöchstgrenzen Ende 2010 nicht eingehalten würden, diese Genehmigungen nicht hätten erteilen dürfen oder ihre Erteilung zumindest an strengere Bedingungen hätten knüpfen müssen.

39      Der Raad van State teilt in seinem Vorlagebeschluss die Auffassung, dass zum Zeitpunkt der Erteilung dieser Genehmigungen die eingeführten Politiken und Maßnahmen nicht ausreichten, um dem Königreich der Niederlande zu ermöglichen, bis Ende 2010 das in Art. 4 der NEC‑Richtlinie genannte Ziel zu erreichen.

40      Wie nämlich insbesondere aus dem vom Minister verfassten Bericht über Emissionshöchstmengen in Bezug auf Versauerung und großräumige Luftverschmutzung, aus dem von der AEA Energy & Environment im März 2008 verfassten Bericht über die Bewertung der gemäß der NEC‑Richtlinie eingereichten nationalen Pläne sowie aus der vom Planbureau voor de Leefomgeving (Planungsbüro für den Lebensraum) verabschiedeten Milieubalans 2008 (Umweltbilanz) hervorgehe, würden die nationalen Emissionshöchstmengen für SO2 und NOx nach den Schätzungen in Ermangelung einer Politikänderung in den Niederlanden im Jahr 2010 wahrscheinlich überschritten.

41      Das vorlegende Gericht sah somit in den verschiedenen Ausgangsverfahren Anlass zu gleichlautenden Fragen zu bestimmten Aspekten des Unionsrechts, allerdings unter folgenden Vorbehalten:

–        In der Rechtssache C‑165/09 geht es allein um die durch die NEC‑Richtlinie festgelegte Emissionshöchstmenge für SO2, während es in den Rechtssachen C‑166/09 und C‑167/09 auch um die in dieser Richtlinie genannte Emissionshöchstmenge für NOx geht;

–        berücksichtigt man den Zeitraum, in dem sich der den Ausgangsverfahren zugrunde liegende Sachverhalt ereignet hat, betrifft die in den Rechtssachen C‑165/09 und C‑167/09 gestellte erste Vorlagefrage die Auslegung von Art. 9 der Richtlinie 96/61, während sich diese Frage in der Rechtssache C‑166/09 auf die gleiche Bestimmung bezieht, deren Wortlaut in ihrer durch die IVU-Richtlinie kodifizierten Fassung unverändert ist.

42      Unter diesen Umständen hat der Raad van State beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof in den jeweiligen Ausgangsverfahren folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Bedeutet die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung, dass die in der Wet milieubeheer umgesetzten Verpflichtungen aus der Richtlinie 96/61 (jetzt die IVU-Richtlinie) (Rechtssachen C‑165/09 und C‑167/09) oder der IVU-Richtlinie (Rechtssache C‑166/09) dahin ausgelegt werden können und müssen, dass bei der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung die nationale Emissionshöchstmenge für SO2 (Rechtssache C‑165/09) oder die nationalen Emissionshöchstmengen für SO2 und NOx (Rechtssachen C‑166/09 und C‑167/09) nach der NEC‑Richtlinie in vollem Umfang zu berücksichtigen sind, insbesondere soweit es die Verpflichtungen aus Art. 9 Abs. 4 der IVU-Richtlinie betrifft?

2. a) Gilt die Verpflichtung eines Mitgliedstaats, den Erlass von Maßnahmen zu unterlassen, die geeignet sind, die Erreichung des in einer Richtlinie vorgeschriebenen Ziels ernstlich in Frage zu stellen, auch während des Zeitraums vom 27. November 2002 bis 31. Dezember 2010 im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der NEC‑Richtlinie?

2. b) Gelten während des betreffenden Zeitraums vom 27. November 2002 bis 31. Dezember 2010 neben oder anstelle der vorgenannten Unterlassenspflicht positive Verpflichtungen für den betreffenden Mitgliedstaat, falls nach Ablauf dieses Zeitraums eine Überschreitung der nationalen Emissionshöchstmengen für SO2 und/oder NOx gemäß der NEC‑Richtlinie droht oder eintritt?

2. c) Ist es für die Beantwortung der Fragen 2 a und 2 b von Bedeutung, dass aus einem Antrag auf Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung für eine Anlage, die zur Überschreitung oder drohenden Überschreitung der nationalen Emissionshöchstmengen für SO2 und/oder NOx gemäß der NEC‑Richtlinie beiträgt, hervorgeht, dass die Anlage frühestens im Jahr 2011 in Betrieb genommen wird?

3. a) Bringen die in Frage 2 genannten Verpflichtungen mit sich, dass der Mitgliedstaat eine beantragte umweltrechtliche Genehmigung versagen oder sie mit weiter gehenden Auflagen oder Beschränkungen verbinden muss, falls nicht gewährleistet ist, dass die Anlage, für die die umweltrechtliche Genehmigung beantragt wurde, nicht zur Überschreitung oder drohenden Überschreitung der nationalen Emissionshöchstmengen für SO2 und/oder NOx beiträgt? Ist es für die Beantwortung dieser Frage von Bedeutung, in welchem Umfang die Anlage zu dieser Überschreitung oder drohenden Überschreitung beiträgt?

3. b) Oder geht aus der NEC‑Richtlinie hervor, dass ein Mitgliedstaat auch bei Überschreitung oder bei drohender Überschreitung der nationalen Emissionshöchstmengen für SO2 und/oder NOx über einen Ermessensspielraum verfügt, um die Erreichung des in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Ziels dadurch zu erwirken, dass er, statt die Genehmigung zu versagen oder sie mit weiter gehenden Auflagen oder Beschränkungen zu verbinden, andere Maßnahmen wie einen anderweitigen Ausgleich trifft?

4.      Kann sich ein Einzelner, soweit den Mitgliedstaat Verpflichtungen im Sinne der Fragen 2 und 3 treffen, vor nationalen Gerichten auf die Einhaltung dieser Verpflichtungen berufen?

5. a) Kann sich ein Einzelner unmittelbar auf Art. 4 der NEC‑Richtlinie berufen?

5. b) Wenn ja, ist eine unmittelbare Berufung seit dem 27. November 2002 oder erst ab dem 31. Dezember 2010 möglich? Ist es für die Beantwortung dieser Frage von Bedeutung, dass aus dem Antrag auf Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung hervorgeht, dass die Anlage frühestens im Jahr 2011 in Betrieb genommen wird?

6.      Kann insbesondere ein Einzelner, falls die Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung und/oder andere Maßnahmen zur Überschreitung oder drohenden Überschreitung der nationalen Emissionshöchstmenge für SO2 und/oder NOx nach der NEC‑Richtlinie beitragen, aus Art. 4 dieser Richtlinie

a)      einen allgemeinen Anspruch darauf ableiten, dass der betreffende Mitgliedstaat ein Paket von Maßnahmen festlegt, durch die bis 2010 die jährlichen nationalen Emissionen von SO2 und NOx auf Mengen begrenzt werden, die nicht größer sind als die nationalen Emissionshöchstmengen nach der NEC‑Richtlinie, oder, falls dies nicht gelingt, ein Paket von Maßnahmen, mit denen die Emissionen danach so rasch wie möglich auf diese Mengen begrenzt werden;

b)      konkrete Ansprüche darauf ableiten, dass der betreffende Mitgliedstaat spezifische Maßnahmen in Bezug auf eine individuelle Anlage trifft – beispielsweise in Form der Versagung der Genehmigung oder der Verbindung dieser Genehmigung mit weiter gehenden Auflagen oder Beschränkungen – die dazu beitragen, bis 2010 die jährlichen nationalen Emissionen von SO2 und NOx auf Mengen zu begrenzen, die nicht größer sind als die nationalen Emissionshöchstmengen nach der NEC‑Richtlinie, oder, falls dies nicht gelingt, spezifische Maßnahmen, die dazu beitragen, dass die Emissionen danach so rasch wie möglich auf diese Mengen begrenzt werden?

c)      Ist es für die Beantwortung der Fragen 6 a und 6 b von Bedeutung, in welchem Umfang die Anlage zur Überschreitung oder drohenden Überschreitung beiträgt?

43      Mit Beschluss vom 24. Juni 2009 hat der Präsident des Gerichtshofs die Rechtssachen C‑165/09, C‑166/09 und C‑167/09 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

 Zur Zulässigkeit

44      RWE, Electrabel und E.On ziehen die Zulässigkeit der vorgelegten Vorabentscheidungsersuchen in Zweifel.

45      Diese Gesellschaften machen insbesondere geltend, dass die gestellten Fragen die Auslegung der Bestimmungen der NEC‑Richtlinie beträfen und deshalb in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand der Ausgangsrechtsstreitigkeiten stünden, in denen es um die Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung aufgrund nationaler Vorschriften gehe, mit denen die Umsetzung der IVU-Richtlinie in innerstaatliches Recht sichergestellt worden sei, und dass sie außerdem hypothetischer Natur seien, da es die erlassenen nationalen Programme dem Königreich der Niederlande ermöglichten, die für SO2 und NOx festgelegten Emissionshöchstmengen zum 31. Dezember 2010 nicht zu überschreiten.

46      E.On trägt darüber hinaus vor, dass der Raad van State die Ausgangsrechtsstreitigkeiten auf der Grundlage einer bereits bestehenden gefestigten Rechtsprechung hätte entscheiden können, die hinsichtlich der zutreffenden Anwendung des betreffenden Unionsrechts keinen Zweifel lasse.

47      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung in einem Verfahren nach Art. 267 AEUV, das auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, allein das nationale Gericht für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits sowie die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts zuständig ist. Ebenso hat nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (vgl. Urteile vom 12. April 2005, Keller, C‑145/03, Slg. 2005, I‑2529, Randnr. 33, vom 18. Juli 2007, Lucchini, C‑119/05, Slg. 2007, I‑6199, Randnr. 43, sowie vom 11. September 2008, Eckelkamp u. a., C‑11/07, Slg. 2008, I‑6845, Randnrn. 27 und 32).

48      Der Gerichtshof ist u. a. dann nicht zur Entscheidung verpflichtet, wenn offensichtlich ist, dass die erbetene Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder auch wenn das Problem hypothetischer Natur ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. März 2001, PreussenElektra, C‑379/98, Slg. 2001, I‑2099, Randnr. 39, und vom 10. März 2009, Hartlauer, C‑169/07, Slg. 2009, I‑1721, Randnr. 25).

49      Das ist in den vorliegenden Verfahren indessen nicht der Fall.

50      In den Vorlageentscheidungen wirft der Raad van State nämlich konkret die Frage auf, ob die sich aus der IVU-Richtlinie, insbesondere aus ihrem Art. 9, ergebenden Verpflichtungen den zuständigen nationalen Behörden aufgeben, bei der Erteilung einer Genehmigung im Sinne dieser Richtlinie (im Folgenden: umweltrechtliche Genehmigung) in der NEC‑Richtlinie festgelegte nationale Höchstmengen für SO2 und NOx zu berücksichtigen. Es lässt sich daher nicht behaupten, die erbetene Auslegung der Bestimmungen dieser Richtlinie stehe in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits.

51      Außerdem fragt er nach dem Umfang der Verpflichtungen, die den Mitgliedstaaten nach Art. 4 der NEC‑Richtlinie sowie weiteren einschlägigen Bestimmungen dieser Richtlinie insbesondere in den Fällen obliegen, in denen die Gefahr besteht, dass diese Staaten die in dieser Richtlinie festgelegten nationalen Höchstmengen für SO2 und NOx nicht einhalten. Da aber die Bewertung der technischen Angaben und der wissenschaftlichen Daten, auf die der Raad van State in diesem letztgenannten Zusammenhang Bezug nimmt, nicht von allen Parteien geteilt wird und solche Gefahren nicht auszuschließen sind, ist zumindest nicht offensichtlich, dass die vorgelegten Fragen im Hinblick auf die Entscheidungen, die dieses nationale Gericht in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten zu erlassen hat, hypothetischer Natur wären.

52      Im Übrigen ist zu dem Vorbringen von E.ON, die in den vorliegenden Rechtssachen gestellten Fragen beträfen eine Auslegung des Unionsrechts, die sich bereits hinreichend klar einer gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs entnehmen lasse, darauf hinzuweisen, dass es Art. 267 AEUV den nationalen Gerichten stets gestattet, dem Gerichtshof Auslegungsfragen erneut vorzulegen, wenn sie dies für angebracht halten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. März 1963, Da Costa u. a., 28/62 bis 30/62, Slg. 1963, 59, 76, vom 6. Oktober 1982, Cilfit u. a., 283/81, Slg. 1982, 3415, Randnr. 15, sowie vom 12. Oktober 2010, Rosenbladt, C‑45/09, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 31).

53      Daher sind die Vorabentscheidungsersuchen zulässig.

 Zur Begründetheit

 Vorbemerkungen

54      In den dem Gerichtshof vorgelegten Vorabentscheidungsersuchen erwähnt das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung des für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Zeitraums sowohl die Richtlinie 96/61 als auch die IVU-Richtlinie.

55      Da allerdings die in der ersten Vorlagefrage genannten Bestimmungen des Art. 9 der Richtlinie 96/61 und der IVU-Richtlinie übereinstimmen und daher gleich auszulegen sind (vgl. Urteile vom 17. September 2002, Concordia Bus Finland, C‑513/99, Slg. 2002, I‑7213, Randnr. 91, und vom 24. November 2005, ATI EAC e Viaggi di Maio u. a., C‑331/04, Slg. 2005, I‑10109, Randnr. 20), kann der Gerichtshof unter alleiniger Bezugnahme auf die konsolidierte Fassung dieser Bestimmungen eine zweckdienliche Antwort auf diese Fragen geben.

 Zur ersten Frage

56      Mit seiner ersten Frage möchte der Raad van State wissen, ob Art. 9 Abs. 1, 3 und 4 der IVU-Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die zuständigen nationalen Behörden bei der Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung für den Bau und den Betrieb einer Industrieanlage verpflichtet sind, bei den Voraussetzungen für die Erteilung dieser Genehmigung die in der NEC‑Richtlinie festgelegten nationalen Emissionshöchstmengen für SO2 und NOx zu berücksichtigen.

57      Hierzu ist zunächst festzustellen, dass – wie auch alle als Streithelfer am vorliegenden Verfahren beteiligten Mitgliedstaaten geltend gemacht haben – in keinem der genannten Absätze von Art. 9 der IVU-Richtlinie ausdrücklich oder implizit auf diese Emissionshöchstmengen verwiesen wird.

58      Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie nimmt nicht auf diese Emissionshöchstmengen Bezug, wenn er die Mitgliedstaaten verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die umweltrechtliche Genehmigung alle Maßnahmen umfasst, die zur Erfüllung der in Art. 3 der IVU-Richtlinie genannten Voraussetzungen notwendig sind. Dieser schreibt nämlich lediglich vor, dass zum einen die Anlage so betrieben wird, dass die geeigneten Vorsorgemaßnahmen gegen erhebliche Umweltverschmutzungen, insbesondere durch den Einsatz der besten verfügbaren Techniken, getroffen werden, und dass zum anderen die Entstehung von Abfällen vermieden oder begrenzt wird, um die Auswirkungen auf die Umwelt zu vermindern, dass Energie effizient verwendet wird und dass die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um Unfälle zu verhindern oder deren Folgen zu begrenzen sowie jegliche Gefahr einer Umweltverschmutzung zu vermeiden und um bei einer endgültigen Stilllegung einen zufriedenstellenden Zustand des Betriebsgeländes wiederherzustellen.

59      Auch aus Art. 9 Abs. 1 der IVU-Richtlinie in Verbindung mit Art. 9 Abs. 4 dieser Richtlinie ergibt sich keine Bezugnahme, da er den zuständigen nationalen Behörden aufgibt, gegebenenfalls auch die in Art. 10 dieser Richtlinie genannten Genehmigungsvoraussetzungen zu beachten.

60      Nach diesem Artikel können nämlich u. a. in dieser Genehmigung zusätzliche Auflagen vorgesehen werden, wenn „Umweltqualitätsnormen“ strengere Auflagen erfordern, als durch die Anwendung der besten verfügbaren Techniken zu erfüllen sind.

61      Dem Wortlaut von Art. 2 Nr. 7 der IVU-Richtlinie ist jedoch zu entnehmen, dass es sich bei diesen Normen um Vorschriften handelt, die „Anforderungen [festlegen], die zu einem gegebenen Zeitpunkt in einer gegebenen Umwelt oder einem bestimmten Teil davon … erfüllt werden müssen“, und die daher mit den qualitativen Merkmalen der geschützten Elemente verbunden sind.

62      Wie jedoch auch die Generalanwältin in Nr. 63 ihrer Schlussanträge ausführt, weisen die in der NEC‑Richtlinie vorgesehenen nationalen Emissionshöchstmengen keine solchen Merkmale auf, da sie auf die Gesamtmenge der Schadstoffe verweisen, die in die Luft ausgestoßen werden können, nicht aber auf konkrete Anforderungen qualitativer Natur betreffend die Schadstoffkonzentrationen, die zu einem gegebenen Zeitpunkt in diesem besonderen Milieu erfüllt werden müssen.

63      Eine Bezugnahme auf die fraglichen Emissionshöchstmengen ergibt sich auch aus Art. 9 Abs. 3 der IVU-Richtlinie nicht. Tatsächlich muss im Sinne dieser Bestimmung zwar jede umweltrechtliche Genehmigung die Emissionsgrenzwerte für die Schadstoffe enthalten, die von den betreffenden Anlagen emittiert werden können, zu denen namentlich SO2 und NOx zählen.

64      Jedoch sieht Art. 19 Abs. 2 der IVU-Richtlinie insoweit vor, dass dann, wenn keine Emissionsgrenzwerte aufgrund dieser Richtlinie festgelegt wurden, mindestens die Werte, „die in den in Anhang II aufgeführten Richtlinien und den anderen gemeinschaftlichen Vorschriften festgelegt sind“, für diese Anlagen als Emissionsgrenzwerte gelten.

65      Die NEC‑Richtlinie zählt jedoch nicht zu den in diesem Anhang II aufgeführten Richtlinien. Außerdem kann diese Richtlinie, soweit sie nationale Emissionshöchstmengen für Schadstoffe vorsieht, die aus vielfältigen Quellen und durch nicht spezifizierte Tätigkeiten in die Luft ausgestoßen werden, auch nicht als eine „andere gemeinschaftliche Vorschrift“ angesehen werden, die Emissionsgrenzwerte festlegt, da es sich bei diesen nach Art. 2 der IVU-Richtlinie um „die im Verhältnis zu bestimmten spezifischen Parametern ausgedrückte Masse, die Konzentration und/oder das Niveau einer Emission [handelt], die in einem oder mehreren Zeiträumen nicht überschritten werden dürfen [und die] normalerweise an dem Punkt [gelten], an dem die Emissionen die Anlage verlassen“.

66      Schließlich lässt Art. 9 Abs. 4 der IVU-Richtlinie keine implizite Bezugnahme auf die in der NEC‑Richtlinie genannten Höchstmengen erkennen. Zum einen sieht Art. 9 Abs. 4 Satz 1 dieser Richtlinie nämlich lediglich vor, dass die Emissionsgrenzwerte auf die besten verfügbaren Techniken zu stützen sind, ohne dass die Anwendung einer bestimmten Technik oder Technologie vorgeschrieben wird; hierbei sind die technische Beschaffenheit der betreffenden Anlage, ihr geografischer Standort und die jeweiligen örtlichen Umweltbedingungen zu berücksichtigen.

67      Zum anderen kann die in Art. 9 Abs. 4 Satz 2 dieser Richtlinie festgelegte Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Genehmigungsauflagen Vorkehrungen zur weitestgehenden Verminderung der weiträumigen oder grenzüberschreitenden Umweltverschmutzung vorsehen und ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt sicherstellen, nur im Rahmen des durch die IVU-Richtlinie selbst eingeführten Systems und insbesondere der genannten, in Art. 9 Abs. 4 Satz 1 dieser Richtlinie niedergelegten Vorschrift ausgelegt werden, wonach die Emissionsgrenzwerte zwingend auf die besten verfügbaren Techniken zu stützen sind.

68      Hinzu kommt, dass die IVU-Richtlinie, die auf der Grundlage von Art. 175 Abs. 1 EG erlassen wurde, um die Ziele und Prinzipien der Umweltpolitik der Union im Sinne von Art. 174 EG zu verwirklichen, keine vollständige Harmonisierung anstrebt. Die Mitgliedstaaten bleiben in diesem Zusammenhang im Sinne von Art. 9 Abs. 7 und 8 dieser Richtlinie befugt, andere spezielle, gegebenenfalls strengere, Genehmigungsauflagen vorzusehen und bestimmte Anforderungen für bestimmte Kategorien von Anlagen in Form von allgemeinen bindenden Vorschriften festzulegen, sofern dabei ein integriertes Konzept und ein gleichwertiges hohes Schutzniveau für die Umwelt gewährleistet werden.

69      Sodann ist festzustellen, dass auch keine Bestimmung der NEC‑Richtlinie Verpflichtungen der zuständigen nationalen Behörden aufstellt, bei der Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung die nationalen Emissionshöchstmengen für SO2 und NOx als Genehmigungsvoraussetzung zu berücksichtigen.

70      Der Unionsgesetzgeber hat im 19. Erwägungsgrund der NEC‑Richtlinie vielmehr ausdrücklich vorgesehen, dass diese Richtlinie „unbeschadet der Rechtsvorschriften … der [IVU-]Richtlinie … in Bezug auf Emissionsgrenzwerte und die Anwendung der besten verfügbaren Techniken gelten [sollte]“, und somit zu verstehen gegeben, dass die den Mitgliedstaaten nach der NEC‑Richtlinie obliegenden Verpflichtungen die sich insbesondere aus Art. 9 der IVU-Richtlinie ergebenden Verpflichtungen nicht unmittelbar berühren können.

71      Diese Auslegung wird schließlich durch die jeweils unterschiedliche Zweckbestimmung und Systematik der beiden fraglichen Richtlinien bestätigt.

72      Der Zweck der IVU-Richtlinie, wie er im Kern in ihrem Art. 1 festgelegt wird, ist nämlich die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung durch Maßnahmen zur Vermeidung und, wo dies nicht möglich ist, zur Verminderung von Emissionen aus den in der Richtlinie genannten Tätigkeiten in Luft, Wasser und Boden, um ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu erreichen. Dieses integrierte Konzept wird umgesetzt durch eine geeignete Koordinierung hinsichtlich der Genehmigungsverfahren und ‑auflagen für Industrieanlagen mit hohem Umweltverschmutzungspotenzial (vgl. in diesem Sinne zur Richtlinie 96/61 Urteil vom 22. Januar 2009, Association nationale pour la protection des eaux et rivières und Association OABA, C‑473/07, Slg. 2009, I‑319, Randnrn. 25 und 26).

73      Zu diesem Zweck stellt die IVU-Richtlinie – wie die Kommission in ihrer am 21. Dezember 2007 vorgelegten Mitteilung an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Eine bessere Politik für Industrieemissionen [KOM(2007) 843 endg.] ausgeführt hat – die Grundsätze für die Genehmigung und Kontrolle von großindustriellen Anlagen auf, wobei von einem integrierten Konzept und der Anwendung der besten verfügbaren Techniken ausgegangen wird, d. h. von Verfahren, die sich unter Berücksichtigung von Kosten und Nutzen optimal dazu eignen, ein hohes Maß an Umweltschutz zu erzielen.

74      Demgegenüber dient die NEC‑Richtlinie ausweislich ihrer Art. 1 und 2 der Begrenzung der durch jede beliebige Quelle erzeugten Emissionen versauernder und eutrophierender Schadstoffe sowie der Ozonvorläufer, um den Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit zu verbessern mit dem langfristigen Ziel der Einhaltung kritischer Konzentrationen und Eintragsraten.

75      Wie ferner aus Art. 4 sowie aus dem elften und dem zwölften Erwägungsgrund der NEC‑Richtlinie klar hervorgeht, findet diese ihre Grundlage in einem rein programmatischen Ansatz, wonach die Mitgliedstaaten hinsichtlich der Wahl der einzuführenden oder zu planenden Politiken und Maßnahmen im Rahmen von sämtliche Schadstoffquellen betreffenden nationalen Programmen über einen weiten Handlungsspielraum verfügen, um strukturell fortschreitend insbesondere die SO2- und die NOx-Emissionen bis spätestens 2010 auf die in Anhang I dieser Richtlinie angegebenen Emissionshöchstmengen zu vermindern. Folglich kann die Verwirklichung der in ihr festgelegten Ziele nicht unmittelbar auf die Verfahren zur Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung einwirken.

76      Nach alledem ist somit auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 9 Abs. 1, 3 und 4 der IVU-Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten bei der Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung für den Bau und den Betrieb einer Industrieanlage wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht verpflichtet sind, bei den Voraussetzungen für die Erteilung dieser Genehmigung die mit der NEC‑Richtlinie festgelegten nationalen Emissionshöchstmengen für SO2 und NOx zu berücksichtigen, dass sie jedoch die sich aus dieser NEC‑Richtlinie ergebende Verpflichtung zu beachten haben, im Rahmen nationaler Programme geeignete und schlüssige Politiken und Maßnahmen einzuführen oder zu planen, die in ihrer Gesamtheit geeignet sind, die Emissionen insbesondere dieser Schadstoffe bis spätestens Ende 2010 auf die in Anhang I dieser Richtlinie angegebenen Höchstmengen zu vermindern.

 Zur zweiten und zur dritten Frage

77      Mit seiner zweiten und seiner dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, welche Verpflichtungen den Mitgliedstaaten nach der NEC‑Richtlinie in dem Zeitraum zwischen dem 27. November 2002, dem Ende ihrer Umsetzungsfrist, und dem 31. Dezember 2010, dem Zeitpunkt, zu dem diese Staaten die in der Richtlinie festgelegten Emissionshöchstmengen einzuhalten haben, obliegen. Außerdem möchte es wissen, ob die zuständigen nationalen Behörden in Anbetracht dieser Verpflichtungen gehalten sein könnten, die Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung zu versagen oder einzuschränken oder auch bei Überschreitung oder bei drohender Überschreitung der nationalen Emissionshöchstmengen für SO2 und NOx nach der NEC‑Richtlinie spezielle Ausgleichsmaßnahmen zu erlassen.

 Zum Absehen von Maßnahmen, die geeignet sind, die Erreichung des in einer Richtlinie vorgeschriebenen Ziels ernstlich in Frage zu stellen

78      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Mitgliedstaaten, an die die Richtlinie gerichtet ist, während der Frist für deren Umsetzung keine Vorschriften erlassen dürfen, die geeignet sind, die Erreichung des in der Richtlinie vorgeschriebenen Ziels ernstlich zu gefährden (Urteile vom 18. Dezember 1997, Inter-Environnement Wallonie, C‑129/96, Slg. 1997, I‑7411, Randnr. 45, vom 8. Mai 2003, ATRAL, C‑14/02, Slg. 2003, I‑4431, Randnr. 58, und vom 23. April 2009, VTB-VAB und Galatea, C‑261/07 und C‑299/07, Slg. 2009, I‑2949, Randnr. 38). Diese Unterlassenspflicht, die für alle nationalen Träger öffentlicher Gewalt gilt (vgl. Urteil vom 4. Juli 2006, Adeneler u. a., C‑212/04, Slg. 2006, I‑6057, Randnr. 122 und die dort angeführte Rechtsprechung), ist dahin zu verstehen, dass sie den Erlass jeder allgemeinen und speziellen Maßnahme erfasst, die eine solche zielgefährdende Wirkung entfalten kann.

79      Diese Unterlassenspflicht gilt für die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 3 EUV in Verbindung mit Art. 288 Abs. 3 AEUV auch während eines Übergangszeitraums, während dessen sie ihre nationalen Regelungen weiter anwenden dürfen, obwohl diese nicht in Einklang mit der betreffenden Richtlinie stehen (vgl. Urteile vom 10. November 2005, Stichting Zuid-Hollandse Milieufederatie, C‑316/04, Slg. 2005, I‑9759, Randnr. 42, und vom 14. September 2006, Stichting Zuid-Hollandse Milieufederatie, C‑138/05, Slg. 2006, I‑8339, Randnr. 42).

80      Folglich ist eine solche Verpflichtung auch während des in Art. 4 der NEC‑Richtlinie vorgesehenen Übergangszeitraums zu beachten, während dessen es den Mitgliedstaaten gestattet ist, die in Anhang I dieser Richtlinie angegebenen jährlichen nationalen Emissionshöchstmengen noch nicht einzuhalten. Es ist Sache des nationalen Gerichts, die Einhaltung dieser Verpflichtung im Hinblick auf die Bestimmungen und Maßnahmen zu prüfen, deren Rechtmäßigkeit es zu beurteilen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Inter-Environnement Wallonie, Randnr. 46).

81      Hierzu ist jedoch darauf hinzuweisen, dass eine solche Beurteilung zwangsläufig auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller in dem betreffenden Staatsgebiet eingeführten Politiken und Maßnahmen durchzuführen ist.

82      In Anbetracht des mit der NEC‑Richtlinie eingeführten Systems und insbesondere des darin vorgesehenen programmatischen Ansatzes, auf den in Randnr. 75 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist, kann nämlich der Verwirklichung des in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Ziels von den Mitgliedstaaten nur durch die Ein- und Durchführung eines Pakets von Politiken und Maßnahmen ernstlich entgegengewirkt werden, die unter Berücksichtigung insbesondere ihrer konkreten Auswirkungen sowie ihrer zeitlichen Dauer in Anbetracht der Gesamtmenge der von sämtlichen Schadstoffquellen in die Luft ausgestoßenen Emissionen eine kritische Lage dulden oder schaffen, die geeignet ist, Ende 2010 zwangsläufig die Einhaltung der in Anhang I dieser Richtlinie angegebenen Höchstmengen in Frage zu stellen (vgl. entsprechend Urteil Inter-Environnement Wallonie, Randnrn. 47 und 49).

83      Demnach erscheint eine einfache spezifische, eine einzige SO2- und NOx-Quelle betreffende Maßnahme, die in der Entscheidung über die Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung für den Bau und den Betrieb einer Industrieanlage bestünde, als solche nicht geeignet, das in der NEC‑Richtlinie vorgeschriebene Ziel, nämlich bis spätestens 2010 die Emissionen dieser Schadstoffquellen in die Luft auf jährliche Gesamtmengen zu begrenzen, die die genannten nationalen Höchstmengen nicht überschreiten, ernstlich in Frage zu stellen. Diese Schlussfolgerung gilt erst recht, wenn unter Umständen wie den in den Ausgangsverfahren gegebenen die fragliche Anlage frühestens erst im Laufe des Jahres 2012 in Betrieb genommen werden soll.

 Zu den für die Mitgliedstaaten während des Übergangszeitraums vom 27. November 2002 bis 31. Dezember 2010 geltenden positiven Verpflichtungen

84      Zur Frage, ob für die Mitgliedstaaten während des Übergangszeitraums vom 27. November 2002 bis 31. Dezember 2010 positive Verpflichtungen gelten und gegebenenfalls welche, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Pflicht eines Mitgliedstaats, alle zur Erreichung des durch eine Richtlinie vorgeschriebenen Ziels erforderlichen Maßnahmen zu treffen, eine durch Art. 288 Abs. 3 AEUV und durch die Richtlinie selbst auferlegte zwingende Pflicht ist (Urteile vom 26. Februar 1986, Marshall, 152/84, Slg. 1986, 723, Randnr. 48, vom 24. Oktober 1996, Kraaijeveld u. a., C‑72/95, Slg. 1996, I‑5403, Randnr. 55, und Inter-Environnement Wallonie, Randnr. 40).

85      Aus dieser Verpflichtung ergibt sich, dass es den Mitgliedstaaten während der Umsetzungsfrist obliegt, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass das in der Richtlinie vorgeschriebene Ziel bei Ablauf dieser Frist erreicht wird (Urteil Inter-Environnement Wallonie, Randnr. 44). Das Gleiche gilt für einen Übergangszeitraum, wie er in Art. 4 der NEC‑Richtlinie vorgesehen ist.

86      Die NEC‑Richtlinie selbst erlegt insoweit den Mitgliedstaaten während dieses Zeitraums bestimmte positive Verpflichtungen auf, die insbesondere die Festlegung von Strategien für ein Eingreifen auf übergeordneter Ebene mit dem Ziel betreffen, bis spätestens Ende 2010 die jährlichen Emissionen der betreffenden Schadstoffe fortschreitend auf die in Anhang I dieser Richtlinie festgelegten Höchstmengen zu verringern.

87      Konkret müssen nach den Art. 6 und 8 Abs. 2 der NEC‑Richtlinie die Mitgliedstaaten bis spätestens 1. Oktober 2002 Programme für die fortschreitende Verminderung der in Rede stehenden Emissionen erstellen und gegebenenfalls spätestens zum 1. Oktober 2006 aktualisieren und überarbeiten, und sie sind verpflichtet, die Programme der Öffentlichkeit und den betroffenen Organisationen mittels klarer, verständlicher und leicht zugänglicher Informationen zur Verfügung zu stellen und die Kommission fristgerecht zu unterrichten. Die Art. 7 Abs. 1 und 2 sowie 8 Abs. 1 der NEC‑Richtlinie verpflichten die Mitgliedstaaten ferner, jährlich nationale Inventare dieser Emissionen zu erstellen und zu aktualisieren und nationale Prognosen für das Jahr 2010 zu erstellen. Die endgültigen Inventare für das zwei Jahre zurückliegende Jahr und die vorläufigen Inventare für das Vorjahr sind ebenso wie die nationalen Prognosen für das Jahr 2010 der Kommission und der Europäischen Umweltagentur spätestens am 31. Dezember jeden Jahres zu übermitteln (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2008, Kommission/Luxemburg, C‑273/08, Randnrn. 2 und 11).

88      Zum konkreten Inhalt dieser nationalen Programme ist jedoch festzustellen, dass, wie in Randnr. 75 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, der den Mitgliedstaaten durch die NEC‑Richtlinie eingeräumte weite Handlungsspielraum dem entgegensteht, dass ihnen bei der Ausgestaltung dieser Programme Grenzen gesetzt und sie somit verpflichtet werden, Maßnahmen oder spezifische Initiativen aus Gründen zu ergreifen oder von ihnen abzusehen, die nichts mit Bewertungen strategischer Natur zu tun haben, die den tatsächlichen Umständen und unterschiedlichen öffentlichen und privaten beteiligten Interessen in übergeordneter Weise Rechnung tragen.

89      Etwaige entsprechende Vorschriften liefen dem Willen des Unionsgesetzgebers zuwider, es den Mitgliedstaaten insbesondere zu ermöglichen, eine gewisse Ausgewogenheit zwischen den verschiedenen beteiligten Interessen zu gewährleisten. Außerdem würde dies zur Schaffung übermäßiger Zwänge für diese Staaten führen und verstieße daher gegen den in Art. 5 EUV niedergelegten und im 13. Erwägungsgrund der NEC‑Richtlinie ausdrücklich erwähnten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der verlangt, dass die von einer unionsrechtlichen Bestimmung eingesetzten Mittel zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten berechtigten Ziele geeignet sind und nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen (vgl. Urteile vom 6. Dezember 2005, ABNA u. a., C‑453/03, C‑11/04, C‑12/04 und C‑194/04, Slg. 2005, I‑10423, Randnr. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 8. Juni 2010, Vodafone u. a., C‑58/08, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 51).

90      Demnach verpflichten Art. 288 Abs. 3 AEUV und die NEC‑Richtlinie selbst die Mitgliedstaaten während des Übergangszeitraums vom 27. November 2002 bis 31. Dezember 2010 weder dazu, die Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden zu versagen oder zu beschränken, noch – selbst bei Überschreitung oder bei drohender Überschreitung der nationalen Emissionshöchstmengen für SO2 und NOx – dazu, spezifische Ausgleichsmaßnahmen für jede erteilte derartige Genehmigung zu erlassen.

91      Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass während des in Art. 4 der NEC‑Richtlinie vorgesehenen Übergangszeitraums vom 27. November 2002 bis 31. Dezember 2010

–        die Art. 4 Abs. 3 EUV und 288 Abs. 3 AEUV sowie die NEC‑Richtlinie die Mitgliedstaaten verpflichten, davon abzusehen, Maßnahmen zu erlassen, die geeignet sind, die Erreichung des in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Ziels ernstlich zu gefährden;

–        der Erlass einer spezifischen, eine einzige SO2- und NOx-Quelle betreffenden Maßnahme als solcher nicht geeignet erscheint, die Verwirklichung des in der NEC‑Richtlinie vorgeschriebenen Ziels ernstlich in Frage zu stellen. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob dies bei jeder der Entscheidungen über die Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung für den Bau und den Betrieb einer Industrieanlage wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden der Fall ist;

–        die Mitgliedstaaten nach Art. 288 Abs. 3 AEUV und den Art. 6, 7 Abs. 1 und 2 sowie 8 Abs. 1 und 2 der NEC‑Richtlinie zum einen Programme für die fortschreitende Verminderung der nationalen SO2- und NOx-Emissionen erstellen und gegebenenfalls aktualisieren und überarbeiten müssen, die sie der Öffentlichkeit und den betroffenen Organisationen mittels klarer, verständlicher und leicht zugänglicher Informationen zur Verfügung zu stellen und über die sie die Kommission fristgerecht zu unterrichten haben, und dass sie zum anderen jährlich nationale Inventare dieser Emissionen erstellen und aktualisieren sowie nationale Prognosen für das Jahr 2010 erstellen müssen, die sie der Kommission und der Europäischen Umweltagentur fristgerecht zu übermitteln haben;

–        Art. 288 Abs. 3 AEUV und die NEC‑Richtlinie selbst die Mitgliedstaaten weder dazu verpflichten, die Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung für den Bau und den Betrieb einer Industrieanlage wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden zu versagen oder zu beschränken, noch – selbst bei Überschreitung oder bei drohender Überschreitung der nationalen Emissionshöchstmengen für SO2 und NOx – dazu, spezifische Ausgleichsmaßnahmen für jede erteilte derartige Genehmigung zu erlassen.

 Zu den Fragen 4 bis 6

92      Mit seinen Fragen 4 bis 6, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sich ein Einzelner vor nationalen Gerichten unmittelbar auf die mit den Art. 4 und 6 der NEC‑Richtlinie auferlegten Verpflichtungen berufen kann.

93      Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich nach ständiger Rechtsprechung der Einzelne in all den Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, gegenüber dem Mitgliedstaat auf diese Bestimmungen berufen kann, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in nationales Recht umgesetzt hat (vgl. insbesondere Urteile vom 19. November 1991, Francovich u. a., C‑6/90 und C‑9/90, Slg. 1991, I‑5357, Randnr. 11, vom 11. Juli 2002, Marks & Spencer, C‑62/00, Slg. 2002, I‑6325, Randnr. 25, und vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a., C‑397/01 bis C‑403/01, Slg. 2004, I‑8835, Randnr. 103).

94      Wie der Gerichtshof wiederholt ausgeführt hat, wäre es mit dem zwingenden Charakter, den Art. 288 Abs. 3 AEUV der Richtlinie verleiht, nämlich unvereinbar, grundsätzlich auszuschließen, dass eine mit ihr auferlegte Verpflichtung von den betroffenen Personen geltend gemacht werden kann. Diese Überlegung gilt ganz besonders für eine Richtlinie, die eine Eindämmung und Reduzierung der Luftverschmutzung und damit den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung bezweckt (vgl. Urteil vom 25. Juli 2008, Janecek, C‑237/07, Slg. 2008, I‑6221, Randnr. 37).

95      In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass eine Unionsvorschrift dann unbedingt ist, wenn sie eine Verpflichtung normiert, die an keine Bedingung geknüpft ist und zu ihrer Durchführung oder Wirksamkeit auch keiner weiteren Maßnahmen der Unionsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf (vgl. u. a. Urteile vom 3. April 1968, Molkerei-Zentrale Westfalen/Lippe, 28/67, Slg. 1968, 216, 230 f., und vom 23. Februar 1994, Comitato di coordinamento per la difesa della cava u. a., C‑236/92, Slg. 1994, I‑483, Randnr. 9).

96      Art. 4 der NEC‑Richtlinie weist aber die oben genannten Merkmale nicht auf.

97      Dieser Artikel hat nämlich – in seinem Zusammenhang gesehen – rein programmatischen Charakter, da er lediglich ein zu erreichendes Ziel nennt, den Mitgliedstaaten bei der Wahl der Mittel zur Verwirklichung dieses Ziels jedoch einen weiten Handlungsspielraum lässt.

98      Da Art. 4 der NEC‑Richtlinie keine unbedingte und hinreichend genaue Verpflichtung vorsieht, die dazu verpflichtet, Politiken oder spezifische punktuelle Maßnahmen einzuführen, die dazu bestimmt sind, die Verwirklichung des festgelegten Ziels zu ermöglichen, kann sich ein Einzelner vor einem nationalen Gericht folglich nicht unmittelbar auf diesen Artikel berufen, um vor dem 31. Dezember 2010 zu verlangen, dass die zuständigen Behörden den Erlass einer Entscheidung über die Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden versagen oder beschränken, oder auch im Anschluss an die Erteilung einer solchen Genehmigung spezifische Ausgleichsmaßnahmen erlassen.

99      Hingegen weist Art. 6 der NEC‑Richtlinie insoweit einen unbedingten und hinreichend genauen Charakter auf, als er die Mitgliedstaaten in unzweideutigen Worten verpflichtet, zum einen nach Art. 6 Abs. 1 bis 3 dieser Richtlinie nationale Programme für die fortschreitende Verminderung der nationalen Emissionen insbesondere von SO2 und NOx zu erstellen, um bis Ende 2010 die Höchstmengen in Anhang I dieser Richtlinie einzuhalten, und zum anderen, im Sinne von Art. 6 Abs. 4 dieser Richtlinie diese Programme der Öffentlichkeit und den betroffenen Organisationen, wie Umweltorganisationen, über klare, verständliche und leicht zugängliche Informationen zur Verfügung zu stellen.

100    Folglich muss es unmittelbar betroffenen natürlichen und juristischen Personen möglich sein, gegebenenfalls unter Anrufung der innerstaatlichen Gerichte, bei den zuständigen Behörden die Einhaltung und Umsetzung solcher unionsrechtlicher Normen zu erwirken.

101    Was den Inhalt der zu erstellenden Programme angeht, trifft zwar zu, dass – wie Randnr. 88 des vorliegenden Urteils zu entnehmen ist – die Mitgliedstaaten bei der Wahl der umzusetzenden spezifischen Initiativen über einen weiten Handlungsspielraum verfügen, doch ist ebenso richtig, dass sie nicht verpflichtet sind, Politiken und Maßnahmen einzuführen, die so beschaffen sind, dass es vor Ende 2010 nicht zu einer Überschreitung kommt.

102    Aus Art. 6 der NEC‑Richtlinie sowie aus deren Systematik, die auf eine fortschreitende Verminderung der nationalen Emissionen ausdrücklich genannter Schadstoffe abzielt, geht allerdings hervor, dass die Mitgliedstaaten während des Übergangszeitraums vom 27. November 2002 bis 31. Dezember 2010 geeignete und schlüssige Politiken und Maßnahmen einzuführen oder zu planen haben, die in ihrer Gesamtheit geeignet sind, die Emissionen dieser Schadstoffe derart zu vermindern, dass die in Anhang I dieser Richtlinie vorgesehenen nationalen Höchstmengen eingehalten werden.

103    Unter diesem Aspekt ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten somit zwar über einen Ermessensspielraum verfügen, dass Art. 6 der NEC‑Richtlinie aber der Ausübung dieses Ermessens hinsichtlich der Ausrichtung der Gesamtheit der im Rahmen der jeweiligen nationalen Programme eingeführten oder geplanten Politiken und Maßnahmen, an diesem Ziel, bis spätestens Ende 2010 die Emissionen der betroffenen Schadstoffe auf die für jeden Mitgliedstaat festgelegten Höchstmengen zu verringern, Grenzen setzt, die vor nationalen Gerichten geltend gemacht werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil Janecek, Randnr. 46).

104    Demnach ist auf die Fragen 4 bis 6 wie folgt zu antworten:

–        Art. 4 der NEC‑Richtlinie ist nicht so unbedingt und hinreichend genau, dass sich ein Einzelner vor dem 31. Dezember 2010 vor nationalen Gerichten auf ihn berufen kann.

–        Art. 6 der NEC‑Richtlinie verleiht unmittelbar betroffenen Einzelnen Rechte, auf die diese sich vor nationalen Gerichten berufen können, um zu verlangen, dass die Mitgliedstaaten während des Übergangszeitraums vom 27. November 2002 bis 31. Dezember 2010 im Rahmen nationaler Programme angemessene und schlüssige Politiken und Maßnahmen einführen oder planen, die in ihrer Gesamtheit geeignet sind, die Emissionen der genannten Schadstoffe derart zu vermindern, dass die in Anhang I dieser Richtlinie vorgesehenen nationalen Höchstmengen spätestens Ende 2010 eingehalten werden, und die für diese Zwecke erstellten Programme der Öffentlichkeit und den betroffenen Organisationen mittels klarer, verständlicher und leicht zugänglicher Informationen zur Verfügung stellen.

 Kosten

105    Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 9 Abs. 1, 3 und 4 der Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung in ihrer ursprünglichen und in der durch die Richtlinie 2008/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung kodifizierten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten bei der Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung für den Bau und den Betrieb einer Industrieanlage wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht verpflichtet sind, bei den Voraussetzungen für die Erteilung dieser Genehmigung die mit der Richtlinie 2001/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2001 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe festgelegten nationalen Emissionshöchstmengen für SO2 und NOx zu berücksichtigen, dass sie jedoch die sich aus dieser Richtlinie 2001/81 ergebende Verpflichtung zu beachten haben, im Rahmen nationaler Programme geeignete und schlüssige Politiken und Maßnahmen einzuführen oder zu planen, die in ihrer Gesamtheit geeignet sind, die Emissionen insbesondere dieser Schadstoffe bis spätestens Ende 2010 auf die in Anhang I dieser Richtlinie angegebenen Höchstmengen zu vermindern.

2.      Während des in Art. 4 der Richtlinie 2001/81 vorgesehenen Übergangszeitraums vom 27. November 2002 bis 31. Dezember 2010

–        verpflichten die Art. 4 Abs. 3 EUV und 288 Abs. 3 AEUV sowie die Richtlinie 2001/81 die Mitgliedstaaten, davon abzusehen, Maßnahmen zu erlassen, die geeignet sind, die Erreichung des in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Ziels ernstlich zu gefährden;

–        erscheint der Erlass einer spezifischen, eine einzige SO2- und NOx-Quelle betreffenden Maßnahme als solcher nicht geeignet, die Verwirklichung des in der Richtlinie 2001/81 vorgeschriebenen Ziels ernstlich in Frage zu stellen. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob dies bei jeder der Entscheidungen über die Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung für den Bau und den Betrieb einer Industrieanlage wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden der Fall ist;

–        müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 288 Abs. 3 AEUV und den Art. 6, 7 Abs. 1 und 2 sowie 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/81 zum einen Programme für die fortschreitende Verminderung der nationalen SO2- und NOx-Emissionen erstellen und gegebenenfalls aktualisieren und überarbeiten, die sie der Öffentlichkeit und den betroffenen Organisationen mittels klarer, verständlicher und leicht zugänglicher Informationen zur Verfügung zu stellen und über die sie die Kommission fristgerecht zu unterrichten haben, und sie müssen zum anderen jährlich nationale Inventare dieser Emissionen erstellen und aktualisieren und nationale Prognosen für das Jahr 2010 erstellen, die sie der Europäischen Kommission und der Europäischen Umweltagentur fristgerecht zu übermitteln haben;

–        verpflichten Art. 288 Abs. 3 AEUV und die Richtlinie 2001/81 selbst die Mitgliedstaaten weder dazu, die Erteilung einer umweltrechtlichen Genehmigung für den Bau und den Betrieb einer Industrieanlage wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden zu versagen oder zu beschränken, noch – selbst bei Überschreitung oder bei drohender Überschreitung der nationalen Emissionshöchstmengen für SO2 und NOx – dazu, spezifische Ausgleichsmaßnahmen für jede erteilte derartige Genehmigung zu erlassen.

3.      Art. 4 der Richtlinie 2001/81 ist nicht so unbedingt und hinreichend genau, dass sich ein Einzelner vor dem 31. Dezember 2010 vor nationalen Gerichten auf ihn berufen kann.

Art. 6 der Richtlinie 2001/81 verleiht unmittelbar betroffenen Einzelnen Rechte, auf die diese sich vor nationalen Gerichten berufen können, um zu verlangen, dass die Mitgliedstaaten während des Übergangszeitraums vom 27. November 2002 bis 31. Dezember 2010 im Rahmen nationaler Programme angemessene und schlüssige Politiken und Maßnahmen einführen oder planen, die in ihrer Gesamtheit geeignet sind, die Emissionen der genannten Schadstoffe derart zu vermindern, dass die in Anhang I dieser Richtlinie vorgesehenen nationalen Höchstmengen spätestens Ende 2010 eingehalten werden, und die für diese Zwecke erstellten Programme der Öffentlichkeit und den betroffenen Organisationen mittels klarer, verständlicher und leicht zugänglicher Informationen zur Verfügung stellen.

Unterschriften


*Verfahrenssprache: Niederländisch.

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