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Document 62014CJ0169

Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 17. Juli 2014.
Juan Carlos Sánchez Morcillo und María del Carmen Abril García gegen Banco Bilbao Vizcaya Argentaria SA.
Vorabentscheidungsersuchen der Audiencia Provincial de Castellón.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 93/13/EWG – Art. 7 – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 47 – Verbraucherverträge – Hypothekendarlehensvertrag – Missbräuchliche Klauseln – Hypothekenvollstreckungsverfahren – Recht zur Einlegung eines Rechtsbehelfs.
Rechtssache C‑169/14.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2014:2099

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

17. Juli 2014 ( *1 )

„Vorabentscheidungsersuchen — Richtlinie 93/13/EWG — Art. 7 — Charta der Grundrechte der Europäischen Union — Art. 47 — Verbraucherverträge — Hypothekendarlehensvertrag — Missbräuchliche Klauseln — Hypothekenvollstreckungsverfahren — Recht zur Einlegung eines Rechtsbehelfs“

In der Rechtssache C‑169/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Audiencia Provincial de Castellón (Spanien) mit Entscheidung vom 2. April 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 7. April 2014, in dem Verfahren

Juan Carlos Sánchez Morcillo,

María del Carmen Abril García

gegen

Banco Bilbao Vizcaya Argentaria SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, des Richters E. Levits (Berichterstatter), der Richterin M. Berger sowie der Richter S. Rodin und F. Biltgen,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von Herrn Sánchez Morcillo und Frau Abril García, vertreten durch P. Medina Aina, procurador de los tribunales, und P.‑J. Bastida Vidal, abogado,

der Banco Bilbao Vizcaya Argentaria SA, vertreten durch B. García Gómez und J. Rodríguez Cárcamo, abogados,

der spanischen Regierung, vertreten durch S. Centeno Huerta und A. Rubio González als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Owsiany-Hornung, É. Gippini Fournier und M. van Beek als Bevollmächtigte,

nach Anhörung des Generalanwalts

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29) und von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Sánchez Morcillo und Frau Abril García auf der einen Seite und der Banco Bilbao Vizcaya Argentaria SA (im Folgenden: Banco Bilbao) auf der anderen Seite wegen ihres Einspruchs gegen die Zwangsvollstreckung in die auf ihrer Wohnung lastende Hypothek.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Im neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 heißt es:

„… Käufer von Waren oder Dienstleistungen [sind] vor Machtmissbrauch des Verkäufers oder des Dienstleistungserbringers … zu schützen.“

4

Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie lautet:

„Zweck dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über missbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern.“

5

Art. 3 der Richtlinie bestimmt:

„(1)   Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.

(2)   Eine Vertragsklausel ist immer dann als nicht im Einzelnen ausgehandelt zu betrachten, wenn sie im Voraus abgefasst wurde und der Verbraucher deshalb, insbesondere im Rahmen eines vorformulierten Standardvertrags, keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte.

(3)   Der Anhang enthält eine als Hinweis dienende und nicht erschöpfende Liste der Klauseln, die für missbräuchlich erklärt werden können.“

6

Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.“

7

Die Klauseln gemäß Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie sind in deren Anhang aufgeführt. Zu ihnen gehören u. a. folgende Klauseln:

„1.   Klauseln, die darauf abzielen oder zur Folge haben, dass

q)

dem Verbraucher die Möglichkeit, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen oder sonstige Beschwerdemittel zu ergreifen, genommen oder erschwert wird, und zwar insbesondere dadurch, dass er ausschließlich auf ein nicht unter die rechtlichen Bestimmungen fallendes Schiedsgerichtsverfahren verwiesen wird, die ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel ungebührlich eingeschränkt werden oder ihm die Beweislast auferlegt wird, die nach dem geltenden Recht einer anderen Vertragspartei obläge.“

Spanisches Recht

8

Durch Kapitel III des Gesetzes 1/2013 über Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes der Hypothekenschuldner, Umstrukturierung von Schulden und Sozialmieten (Ley 1/2013 de medidas para reforzar la protección a los deudores hipotecarios, reestructuración de deuda y alquiler social) vom 14. Mai 2013 (BOE Nr. 116 vom 15. Mai 2013, S. 36373, im Folgenden: Gesetz 1/2013) wurde das Zivilprozessgesetz (Ley de enjuiciamiento civil) vom 7. Januar 2000 (BOE Nr. 7 vom 8. Januar 2000, S. 575) geändert, das wiederum durch das Real Decreto-ley 7/2013 über dringende Maßnahmen abgabenrechtlicher Art, haushaltsrechtlicher Art und zur Förderung der Forschung, der Entwicklung und der Innovation (Real Decreto-ley 7/2013 de medidas urgentes de naturaleza tributaria, presupuestarias y de fomento de la investigación, el desarrollo y la innovación) vom 28. Juni 2013 (BOE Nr. 155 vom 29. Juni 2013, S. 48767) geändert wurde (im Folgenden: LEC).

9

Art. 695 LEC über die Hypothekenvollstreckung ist wie folgt gefasst:

„Einspruch gegen die Vollstreckung

(1)   In den im vorliegenden Kapitel genannten Verfahren kann der Vollstreckungsschuldner nur Einspruch erheben, wenn dieser sich auf folgende Gründe stützt:

1.

Erlöschen der Sicherheit oder der gesicherten Forderung …

2.

Fehler bei der Bestimmung des fälligen Betrags …

3.

bei der Vollstreckung in hypothekarisch belastete bewegliche Sachen oder Sachen, an denen ein besitzloses Pfandrecht bestellt wurde, die Belastung dieser Sachen mit einem weiteren Pfandrecht, einer Mobiliar- oder Immobiliarhypothek oder einer Pfändung, die vor der Belastung, wegen der das Verfahren stattfindet, eingetragen wurden, was mit der entsprechenden Registerbescheinigung zu belegen ist;

4.

den missbräuchlichen Charakter einer Vertragsklausel, auf die die Vollstreckung gestützt wird oder anhand deren der fällige Betrag bestimmt worden ist.

(2)   Im Fall des Einspruchs gemäß Abs. 1 setzt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Zwangsvollstreckung aus und lädt die Parteien zu einem Termin vor dem Gericht, das den Vollstreckungsbefehl erlassen hat, wobei zwischen der Vorladung und dem fraglichen Termin mindestens fünfzehn Tage liegen müssen; bei diesem Termin hört das Gericht die Parteien an, lässt die vorgelegten Schriftstücke zu und erlässt binnen zwei Tagen in Form eines Beschlusses die von ihm als angemessen erachtete Entscheidung.

(3)   In dem Beschluss, mit dem einem Einspruch, der sich auf den ersten und den dritten in Abs. 1 dieses Artikels genannten Grund stützt, stattgegeben wird, wird die Aussetzung der Vollstreckung angeordnet; in dem Beschluss, mit dem einem auf den zweiten Grund gestützten Einspruch stattgegeben wird, wird festgelegt, für welchen Betrag die Vollstreckung fortzusetzen ist.

Wird dem vierten Grund stattgegeben, wird die Aussetzung der Vollstreckung angeordnet, sofern der Vollstreckung die Vertragsklausel zugrunde liegt. Andernfalls wird die Vollstreckung ohne Anwendung der missbräuchlichen Klausel fortgesetzt.

(4)   Gegen den Beschluss, mit dem die Aussetzung der Vollstreckung oder die Nichtanwendung einer missbräuchlichen Klausel angeordnet wird, kann ein Rechtsmittel eingelegt werden.

Abgesehen von diesen Fällen ist gegen die in diesem Artikel genannten Beschlüsse, mit denen über den Einspruch entschieden wird, kein Rechtsmittel zulässig, und ihre Wirkungen beschränken sich ausschließlich auf das Vollstreckungsverfahren, in dem der Beschluss ergeht.“

10

Art. 552 LEC, der die bei einer Versagung der Anordnung der Vollstreckung zu Gebote stehenden Rechtsmittel betrifft, sieht vor:

„(1)   Stellt das Gericht fest, dass die gesetzlichen Modalitäten und Voraussetzungen für die Anordnung der Zwangsvollstreckung nicht vorliegen, lehnt es die Anordnung der Zwangsvollstreckung durch Beschluss ab.

Stellt das Gericht fest, dass eine der Klauseln in einem der in Art. 557 Abs. 1 genannten Vollstreckungstitel als missbräuchlich einzustufen sein könnte, gibt es den Parteien auf, binnen fünfzehn Tagen Stellung zu nehmen. Nach ihrer Anhörung trifft es binnen fünf Werktagen die erforderlichen Anordnungen gemäß Art. 561 Abs. 1 Nr. 3.

(2)   Der Beschluss, mit dem die Vollstreckung abgelehnt wird, kann unmittelbar mit einem Rechtsmittel angefochten werden, wobei nur der Gläubiger die Anfechtung betreiben kann. Nach seiner Wahl kann der Gläubiger auch vor Einlegung eines Rechtsmittels eine Überprüfung seines Antrags beantragen.

(3)   Ist der Beschluss, mit dem die Vollstreckung abgelehnt wird, unanfechtbar geworden, kann der Gläubiger seine Rechte nur in dem entsprechenden ordentlichen Verfahren geltend machen, sofern nicht die Rechtskraft des Urteils oder der unanfechtbaren Entscheidung, auf die der Vollstreckungsantrag gestützt wurde, dem entgegensteht.“

11

Art. 557 LEC, der das Verfahren des Einspruchs gegen weder gerichtliche noch schiedsgerichtliche Titel betrifft, bestimmt:

„(1)   Wird die Vollstreckung aufgrund von Titeln im Sinne von Art. 517 Abs. 2 Nrn. 4, 5, 6 und 7 sowie aufgrund von anderen vollstreckbaren Urkunden im Sinne von Art. 517 Abs. 2 Nr. 9 betrieben, kann der Vollstreckungsschuldner gegen sie in der im vorhergehenden Artikel vorgesehenen Form und Frist nur Einspruch erheben, sofern er sich auf einen der folgenden Gründe stützt:

7.

Der Titel enthält missbräuchliche Klauseln.

(2)   Wird der im vorstehenden Absatz vorgesehene Einspruch eingelegt, setzt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vollstreckung durch verfahrensleitende Maßnahme aus.“

12

Art. 561 LEC betrifft den Beschluss, mit dem über die Begründetheit des Einspruchs entschieden wird; er lautet:

„(1)   Nach Anhörung der Parteien zu dem nicht auf Verfahrensfehler gestützten Einspruch gegen die Vollstreckung und gegebenenfalls einer mündlichen Verhandlung trifft das Gericht durch Beschluss allein für die Zwecke der Vollstreckung eine der folgenden Entscheidungen:

1.

die Anordnung, dass die Vollstreckung für den festgelegten Betrag fortzusetzen ist, sofern der Einspruch insgesamt zurückgewiesen wird. War der Einspruch gegen eine Zuvielforderung gerichtet und wird ihm teilweise stattgegeben, wird die Vollstreckung für den entsprechenden Betrag angeordnet.

Durch den Beschluss, mit dem der Einspruch in Gänze zurückgewiesen wird, wird der Vollstreckungsgegner zur Tragung der Kosten gemäß den Bestimmungen von Art. 394 über die Verurteilung zur Tragung der Kosten des ersten Rechtszugs verurteilt.

2.

die Erklärung, dass die Vollstreckung auszusetzen ist, sofern einer der in den Art. 556 und 557 aufgezählten Einspruchsgründe vorliegt oder die nach Art. 558 erhobene Rüge der Zuvielforderung für vollständig begründet erachtet wird.

3.

Wird die Missbräuchlichkeit einer oder mehrerer Klauseln festgestellt, regelt der zu erlassende Beschluss die Folgen, entweder durch Anordnung, dass die Vollstreckung auszusetzen ist, oder durch Anordnung der Vollstreckung ohne Anwendung der als missbräuchlich angesehenen Klauseln.

(2)   Wird dem Einspruch gegen die Vollstreckung stattgegeben, entfaltet sie keine Wirkung, und die Beschlagnahmen sowie etwaige Maßnahmen, die zur Sicherung der Belastung getroffen wurden, werden aufgehoben, so dass der Vollstreckungsschuldner im Einklang mit den Bestimmungen der Art. 533 und 534 in die Lage vor dem Erlass der Vollstreckungsanordnung versetzt wird. Ferner wird der Vollstreckungsgläubiger zur Zahlung der Kosten des Einspruchs verurteilt.

(3)   Der Beschluss, mit dem über den Einspruch entschieden wird, kann mit einem Rechtsmittel angefochten werden, das den Fortgang der Vollstreckung nicht aufschiebt, wenn in der angefochtenen Entscheidung dem Einspruch nicht stattgegeben wurde.

Wird in der angefochtenen Entscheidung dem Einspruch stattgegeben, kann der Vollstreckungsgläubiger die Aufrechterhaltung der Beschlagnahmen und der Sicherungsmaßnahmen sowie den Erlass sachdienlicher Maßnahmen nach Art. 697 dieses Gesetzes beantragen. Das Gericht trifft durch Beschluss eine dahin gehende Entscheidung, sofern der Vollstreckungsgläubiger eine in der Entscheidung selbst festzusetzende ausreichende Sicherheit leistet, um die Entschädigung zu gewährleisten, auf die der Vollstreckungsschuldner Anspruch hätte, falls die dem Einspruch stattgebende Entscheidung bestätigt wird.“

Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefragen

13

Der Vorlageentscheidung ist zu entnehmen, dass von den Klägern des Ausgangsverfahrens und Banco Bilbao am 9. Juni 2003 eine notarielle Urkunde über ein Darlehen in Höhe von 300500 Euro unterzeichnet wurde, zu dessen Sicherung die Wohnung der Kläger mit einer Hypothek belastet wurde.

14

Die Rückzahlung des genannten Betrags sollte in 360 Monatsraten bis zum 30. Juni 2028 erfolgen. Für den Fall, dass die Schuldner ihrer Zahlungsverpflichtung nicht nachkommen, war Banco Bilbao ermächtigt, die vorzeitige Rückzahlung des den Klägern des Ausgangsverfahrens gewährten Darlehens zu verlangen. Nach der Klausel 6bis des Darlehensvertrags sollte der Satz der Verzugszinsen 19 % pro Jahr betragen, während sich der gesetzliche Zinssatz in Spanien in dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum auf 4 % pro Jahr belief.

15

Da die Kläger des Ausgangsverfahrens ihrer Pflicht zur Zahlung der monatlichen Rückzahlungsraten des Darlehens nicht nachkamen, stellte Banco Bilbao am 15. April 2011 einen Antrag auf Zahlung des gesamten Darlehens zuzüglich Zinsen und Verzugszinsen sowie auf Zwangsversteigerung der zu ihren Gunsten mit einer Hypothek belasteten Immobilie.

16

Nach Einleitung des Hypothekenvollstreckungsverfahrens legten die Kläger des Ausgangsverfahrens Einspruch gegen die Vollstreckung ein, den das Juzgado de Primera Instancia no 3 de Castellón (erstinstanzliches Gericht Nr. 3 von Castellón) mit Entscheidung vom 19. Juni 2013 zurückwies. Die Kläger des Ausgangsverfahrens legten ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ein, das, nachdem es für zulässig erklärt worden war, an die Audiencia Provincial de Castellón (Provinzgericht von Castellón) verwiesen wurde.

17

Das vorlegende Gericht führt aus, dass im spanischen Zivilverfahren zwar gegen die Entscheidung, mit der dem Einspruch eines Schuldners stattgegeben und das Hypothekenvollstreckungsverfahren ausgesetzt werde, ein Rechtsmittel eingelegt werden könne, doch könne der Schuldner, dessen Einspruch zurückgewiesen worden sei, kein Rechtsmittel gegen das erstinstanzliche Urteil einlegen, mit dem die Fortsetzung des Zwangsvollstreckungsverfahrens angeordnet werde.

18

Das vorlegende Gericht hat Zweifel an der Vereinbarkeit dieser nationalen Regelung mit dem Ziel des Verbraucherschutzes, das die Richtlinie 93/13 verfolgt, und dem in Art. 47 der Charta verankerten Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz. Es führt aus, dass die Eröffnung eines Instanzenzugs für die Schuldner um so entscheidender sein könnte, als bestimmte Klauseln des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Darlehensvertrags für „missbräuchlich“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 erachtet werden könnten.

19

Unter diesen Umständen hat die Audiencia Provincial de Castellón beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Steht Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13, wonach die Mitgliedstaaten dafür sorgen müssen, dass im Interesse der Verbraucher angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird, einer Verfahrensvorschrift wie Art. 695 Abs. 4 LEC entgegen, die im Rahmen der Regelung des Rechtsmittels gegen die Entscheidung über den Einspruch gegen die Zwangsvollstreckung in hypothekarisch belastete oder verpfändete Sachen vorsieht, dass nur gegen den Beschluss, mit dem die Aussetzung der Vollstreckung oder die Nichtanwendung einer missbräuchlichen Klausel angeordnet wird, ein Rechtsmittel eingelegt werden kann, während dies in den übrigen Fällen ausgeschlossen ist, was zur unmittelbaren Folge hat, dass die die Zwangsvollstreckung betreibende Person ein Rechtsmittel einlegen kann, wenn dem Einspruch des Vollstreckungsschuldners stattgegeben und die Einstellung der Vollstreckung oder die Nichtanwendung einer missbräuchlichen Klausel angeordnet wird, während der Verbraucher als Vollstreckungsschuldner gegen die Zurückweisung seines Einspruchs kein Rechtsmittel einlegen kann?

2.

Ist im Anwendungsbereich der in der Richtlinie 93/13 enthaltenen Vorschriften der Union über den Verbraucherschutz eine nationale Rechtsvorschrift wie Art. 695 Abs. 4 LEC, die im Rahmen der Regelung des Rechtsmittels gegen die Entscheidung über den Einspruch gegen die Zwangsvollstreckung in hypothekarisch belastete oder verpfändete Sachen vorsieht, dass nur gegen den Beschluss, mit dem die Aussetzung der Vollstreckung oder die Nichtanwendung einer missbräuchlichen Klausel angeordnet wird, ein Rechtsmittel eingelegt werden kann, während dies in den übrigen Fällen ausgeschlossen ist, was zur unmittelbaren Folge hat, dass die die Zwangsvollstreckung betreibende Person ein Rechtsmittel einlegen kann, wenn dem Einspruch des Vollstreckungsschuldners stattgegeben und die Einstellung der Vollstreckung oder die Nichtanwendung einer missbräuchlichen Klausel angeordnet wird, während der Verbraucher als Vollstreckungsschuldner gegen die Zurückweisung seines Einspruchs kein Rechtsmittel einlegen kann, mit dem Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes und dem Recht auf ein faires Verfahren unter Waffengleichheit, die in Art. 47 der Charta verankert sind, vereinbar?

20

Der Präsident des Gerichtshofs hat dem Antrag des vorlegenden Gerichts stattgegeben, die vorliegende Rechtssache dem in Art. 23a der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und in Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs vorgesehenen beschleunigten Verfahren zu unterwerfen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs Sánchez Morcillo und Abril García, C‑169/14, EU:C:2014:1388).

Zu den Vorlagefragen

21

Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung des Zwangsvollstreckungsverfahrens wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die vorsieht, dass das Erkenntnisgericht ein Hypothekenvollstreckungsverfahren nicht auszusetzen, sondern in seiner Endentscheidung allenfalls eine Entschädigung zum Ausgleich des dem Verbraucher entstandenen Schadens zu gewähren vermag, wobei dieser als Vollstreckungsschuldner kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen kann, mit der sein Einspruch gegen die Vollstreckung zurückgewiesen wird, wohingegen der Gewerbetreibende als Vollstreckungsgläubiger ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen kann, mit der die Einstellung des Verfahrens angeordnet oder eine missbräuchliche Klausel für nicht anwendbar erklärt wird.

22

Hierzu ist zunächst daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs das mit der Richtlinie 93/13 geschaffene Schutzsystem auf dem Gedanken beruht, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt (Urteile Barclays Bank, C‑280/13, EU:C:2014:279, Rn. 32, und Aziz, C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 44).

23

In Anbetracht dieser schwächeren Position sieht Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie vor, dass missbräuchliche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind. Es handelt sich um eine zwingende Bestimmung, die darauf abzielt, die formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so ihre Gleichheit wiederherzustellen (Urteil Banco Español de Crédito, C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24

In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof mehrfach entschieden, dass das nationale Gericht von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, prüfen und damit der Unausgewogenheit zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden abhelfen muss, sobald es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt (Urteile Aziz, EU:C:2013:164, Rn. 46, und Barclays Bank, EU:C:2014:279, Rn. 34).

25

Nationale Vollstreckungsverfahren wie die Hypothekenvollstreckungsverfahren unterliegen den Anforderungen, die sich aus dieser, einem wirksamen Verbraucherschutz dienenden Rechtsprechung des Gerichtshofs ergeben.

26

So hat der Gerichtshof im Rahmen solcher Verfahren bereits entschieden, dass die Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass sie einer mitgliedstaatlichen Regelung entgegensteht, nach der ein mit einem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids befasstes nationales Gericht, sofern der Verbraucher keinen Widerspruch erhebt, weder a limine noch in irgendeiner anderen Phase des Verfahrens von Amts wegen prüfen darf, ob eine Verzugszinsklausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher missbräuchlich ist, obwohl es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt (vgl. Urteil Banco Español de Crédito, EU:C:2012:349, Rn. 57).

27

Wie der Gerichtshof ebenfalls entschieden hat, ist diese Richtlinie dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die im Rahmen eines Hypothekenvollstreckungsverfahrens keine Einwendungen in Bezug auf die Missbräuchlichkeit einer dem vollstreckbaren Titel zugrunde liegenden Vertragsklausel zulässt, dem für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer solchen Klausel zuständigen Gericht des Erkenntnisverfahrens aber auch nicht erlaubt, vorläufige Maßnahmen – wie insbesondere die Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens – zu treffen, wenn der Erlass dieser Maßnahmen erforderlich ist, um die volle Wirksamkeit seiner Endentscheidung zu gewährleisten (vgl. Urteil Aziz, EU:C:2013:164, Rn. 64).

28

Die Rechtsprechung des Gerichtshofs ist auch in dem Sinne gefestigt, dass die Richtlinie 93/13 einer nationalen Regelung entgegensteht, die dem Vollstreckungsgericht im Rahmen eines Hypothekenvollstreckungsverfahrens nicht erlaubt, von Amts wegen oder auf Antrag des Verbrauchers die Missbräuchlichkeit einer Klausel des der Forderung und dem Vollstreckungstitel zugrunde liegenden Vertrags zu prüfen oder vorläufige Maßnahmen, insbesondere zur Aussetzung der Vollstreckung, zu treffen, wenn der Erlass dieser Maßnahmen erforderlich ist, um die volle Wirksamkeit der Endentscheidung des Gerichts des entsprechenden Erkenntnisverfahrens, das für die Prüfung der Missbräuchlichkeit dieser Klausel zuständig ist, zu gewährleisten (Beschluss Banco Popular Español und Banco de Valencia, C‑537/12 und C‑116/13, EU:C:2013:759, Rn. 60).

29

Im Einklang mit dieser Rechtsprechung und insbesondere im Anschluss an das Urteil Aziz (EU:C:2013:164) wurden durch das Gesetz 1/2013 u. a. die Artikel der LEC über das Vollstreckungsverfahren bei hypothekarisch belasteten oder verpfändeten Sachen geändert, indem in Art. 695 Abs. 1 dieses Gesetzes die Möglichkeit für den Vollstreckungsgegner eingefügt wurde, in Verfahren der Hypothekenvollstreckung die Missbräuchlichkeit einer die Grundlage der Vollstreckung bildenden Vertragsklausel zu rügen.

30

Diese Gesetzesänderung hat zu einer Problematik geführt, die im Vergleich zu der, die dem Urteil Aziz (EU:C:2013:164) und dem Beschluss Banco Popular Español und Banco de Valencia (EU:C:2013:759) zugrunde liegt, neu ist. Diese Problematik besteht darin, dass nach der nationalen Regelung die Möglichkeit, ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung einzulegen, allein auf den Fall beschränkt ist, dass das erstinstanzliche Gericht einem auf die Missbräuchlichkeit der Vertragsklausel, die die Grundlage der Vollstreckung bildet, gestützten Einspruch stattgegeben hat, so dass diese Regelung zu einer unterschiedlichen Behandlung des Gewerbetreibenden und des Verbrauchers als Verfahrensbeteiligten führt. Da nämlich ein Rechtsmittel nur dann möglich ist, wenn dem Einspruch stattgegeben wurde, verfügt der Gewerbetreibende über einen Rechtsbehelf gegen eine seinen Interessen zuwiderlaufende Entscheidung, während der Verbraucher diese Möglichkeit im Fall der Zurückweisung des Einspruchs nicht hat.

31

Insoweit ist daran zu erinnern, dass mangels einer Vereinheitlichung der nationalen Zwangsvollstreckungsverfahren die Modalitäten für die Einlegung der im Rahmen eines Hypothekenvollstreckungsverfahrens zulässigen Rechtsmittel gegen die Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit einer Vertragsklausel befunden wird, nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten ihrer jeweiligen innerstaatlichen Rechtsordnung unterfallen. Der Gerichtshof hat allerdings hervorgehoben, dass diese Modalitäten die zweifache Bedingung erfüllen müssen, dass sie nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige, dem innerstaatlichen Recht unterliegende Sachverhalte regeln (Äquivalenzprinzip), und dass sie die Ausübung der den Verbrauchern durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Effektivitätsprinzip) (vgl. in diesem Sinne Urteile Mostaza Claro, C‑168/05, EU:C:2006:675, Rn. 24, Asturcom Telecomunicaciones, C‑40/08, EU:C:2009:615, Rn. 38, Aziz, EU:C:2013:164, Rn. 50, und Barclays Bank, EU:C:2014:279, Rn. 37).

32

Zum einen ist hinsichtlich des Äquivalenzprinzips festzustellen, dass der Gerichtshof über keinerlei Anhaltspunkte verfügt, die Zweifel an der Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung mit diesem Prinzip hervorrufen könnten.

33

Aus Art. 695 Abs. 1 und 4 LEC geht nämlich u. a. hervor, dass das spanische Verfahrensrecht nicht vorsieht, dass der Verbraucher ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung, mit der sein Einspruch gegen die Vollstreckung zurückgewiesen wird, nicht nur dann einlegen kann, wenn sich dieser Einspruch darauf stützt, dass eine Klausel, die in einem von einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrag enthalten ist, missbräuchlich im Sinne von Art. 6 der Richtlinie 93/13 ist, sondern auch dann, wenn er sich auf den Verstoß gegen zwingendes nationales Recht stützt, was zu prüfen jedoch Sache des vorlegenden Gerichts ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Aziz, EU:C:2013:164, Rn. 52).

34

Zum anderen hat der Gerichtshof in Bezug auf den Effektivitätsgrundsatz bereits entschieden, dass jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen ist. Dabei sind gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z. B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens (vgl. Urteile Asociación de Consumidores Independientes de Castilla y León, C‑413/12, EU:C:2013:800, Rn. 34, und Pohotovosť, C‑470/12, EU:C:2014:101, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35

Daher impliziert die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Wirksamkeit der den Einzelnen aus der Richtlinie 93/13 erwachsenden Rechte gegen die Verwendung missbräuchlicher Klauseln zu gewährleisten, das vom nationalen Gericht zu wahrende, auch in Art. 47 der Charta verankerte Erfordernis eines gerichtlichen Schutzes (vgl. in diesem Sinne Urteil Banif Plus Bank, C‑472/11, EU:C:2013:88, Rn. 29). Dieser Schutz muss sowohl für die Bestimmung der Gerichte gelten, die für die Entscheidung über Klagen, die sich auf das Unionsrecht stützen, zuständig sind, als auch für die Festlegung der Verfahrensmodalitäten (vgl. in diesem Sinne Urteil Alassini u. a., C‑317/08 bis C‑320/08, EU:C:2010:146, Rn. 49).

36

In diesem Zusammenhang ist jedoch daran zu erinnern, dass der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Schutzes nach dem Unionsrecht nicht das Recht auf Zugang zu zwei Gerichtsinstanzen umfasst, sondern nur zu einem Gericht (vgl. in diesem Sinne Urteil Samba Diouf, C‑69/10, EU:C:2011:524, Rn. 69). Der Umstand, dass der Verbraucher als Vollstreckungsschuldner im Rahmen eines Hypothekenvollstreckungsverfahrens nur über einen Rechtsbehelf vor einer einzigen gerichtlichen Instanz verfügt, um seine ihm aus der Richtlinie 93/13 erwachsenden Rechte geltend zu machen, kann folglich als solcher nicht gegen das Unionsrecht verstoßen.

37

Berücksichtigt man jedoch die Stellung, die Art. 695 Abs. 1 und 4 LEC im gesamten Verfahren hat, drängen sich folgende Feststellungen auf.

38

Erstens ist darauf hinzuweisen, dass sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten ergibt, dass eine Hypothekenvollstreckung, deren Gegenstand eine Immobilie ist, die ein grundlegendes Bedürfnis des Verbrauchers – nämlich das, über eine Unterkunft zu verfügen – erfüllt, nach den spanischen Verfahrensvorschriften von einem Gewerbetreibenden auf der Grundlage einer vollstreckbaren notariellen Urkunde betrieben werden kann, ohne dass der Inhalt dieser Urkunde Gegenstand einer gerichtlichen Kontrolle zur Feststellung der etwaigen Missbräuchlichkeit einer oder mehrerer Klauseln dieser Urkunde war. Ein solches einem Gewerbetreibenden gewährtes Privileg macht es umso notwendiger, dass der Verbraucher in seiner Eigenschaft als Vollstreckungsschuldner in den Genuss eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes gelangen kann.

39

Hinsichtlich der insoweit vom Vollstreckungsgericht ausgeübten Kontrolle ist zum einen darauf hinzuweisen, dass, wie die spanische Regierung in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, ungeachtet der Änderungen der LEC im Anschluss an das Urteil Aziz (EU:C:2013:164) Art. 552 Abs. 1 LEC dieses Gericht nicht verpflichtet, von Amts wegen die etwaige Missbräuchlichkeit der die Grundlage des Antrags bildenden Vertragsklauseln zu prüfen, da diese Kontrolle fakultativ ist.

40

Zum anderen kann nach Art. 695 Abs. 1 LEC in der durch das Gesetz 1/2013 geänderten Fassung der Schuldner einer Hypothekenvollstreckung u. a. dann Einspruch gegen sie erheben, wenn der missbräuchliche Charakter einer Vertragsklausel gerügt wird, auf die sich die Vollstreckung stützt oder anhand deren der fällige Betrag bestimmt worden ist.

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In diesem Zusammenhang ist jedoch hervorzuheben, dass nach Art. 552 Abs. 1 LEC die Prüfung eines auf die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel gestützten Einspruchs zeitlichen Zwängen, wie der Anhörung der Beteiligten innerhalb von 15 Tagen und der Entscheidung innerhalb von fünf Tagen, unterliegt.

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Darüber hinaus geht aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten hervor, dass das spanische Verfahrensrecht im Bereich der Hypothekenvollstreckung dadurch gekennzeichnet ist, dass nach der Einleitung des Vollstreckungsverfahrens jedes andere gerichtliche Vorgehen des Verbrauchers, auch wenn es dazu dient, die Gültigkeit des Vollstreckungstitels, die Fälligkeit, die Bestimmtheit, das Erlöschen oder die Höhe der Forderung anzufechten, Gegenstand eines unabhängigen Verfahrens und einer unabhängigen Entscheidung ist, die beide nicht zur Aussetzung oder Hemmung des laufenden Vollstreckungsverfahrens führen können; etwas anderes gilt nur für den Ausnahmefall, dass der Verbraucher eine Vormerkung für einen Antrag auf Nichtigerklärung der Hypothek hat eintragen lassen, bevor der Randvermerk über die Ausstellung der Belastungsbescheinigung angebracht wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil Aziz, EU:C:2013:164, Rn. 55 bis 59).

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Unter Berücksichtigung dieser Merkmale setzt das spanische Verfahrensrecht insgesamt gesehen in seiner für das Ausgangsverfahren geltenden Fassung im Fall einer Zurückweisung des Einspruchs, den der Verbraucher gegen die Hypothekenvollstreckung in seine Immobilie eingelegt hat, den Verbraucher oder gar, wie im Ausgangsverfahren, seine Familie der Gefahr aus, die selbst genutzte Wohnung durch Zwangsversteigerung zu verlieren, während das Vollstreckungsgericht jedenfalls nicht mehr als eine summarische Prüfung der Gültigkeit der Vertragsklauseln vorgenommen haben wird, auf die der Gewerbetreibende seinen Antrag stützt. Der Schutz, in dessen Genuss der Verbraucher in seiner Eigenschaft als Vollstreckungsschuldner gegebenenfalls durch eine gesonderte gerichtliche Kontrolle im Rahmen eines parallel zum Vollstreckungsverfahren eingeleiteten Erkenntnisverfahrens kommen könnte, kann diese Gefahr nicht beseitigen, denn selbst wenn man unterstellt, dass bei dieser Kontrolle das Vorliegen einer missbräuchlichen Klausel festgestellt wird, wird der Verbraucher keine Naturalrestitution erhalten, die ihn in die Lage versetzt, in der er sich vor der Immobiliarzwangsvollstreckung in die mit der Hypothek belastete Sache befand, sondern bestenfalls einen Ausgleich. Da der Ausgleich, den der Verbraucher möglicherweise erhält, bloßen Entschädigungscharakter hat, verschafft er ihm indes nur einen unvollständigen und unzureichenden Schutz. Er stellt weder ein angemessenes noch ein wirksames Mittel im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dar, um der Verwendung der für missbräuchlich befundenen Klausel in der öffentlichen Urkunde, auf deren Grundlage in die mit einer Hypothek belastete Immobilie vollstreckt wird, ein Ende zu setzen (vgl. in diesem Sinne Urteil Aziz, EU:C:2013:164, Rn. 60).

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Zweitens ist, wiederum unter Berücksichtigung der systematischen Stellung von Art. 695 Abs. 4 LEC im gesamten Verfahren der Hypothekenvollstreckung nach spanischem Recht, darauf hinzuweisen, dass diese Vorschrift dem Gewerbetreibenden als Vollstreckungsgläubiger das Recht zuerkennt, ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung einzulegen, mit der die Aussetzung der Vollstreckung angeordnet oder eine missbräuchliche Klausel für nicht anwendbar erklärt wird, während sie dem Verbraucher nicht gestattet, gegen Entscheidungen, mit denen der Einspruch gegen die Vollstreckung zurückgewiesen wird, einen Rechtsbehelf einzulegen.

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Daher erscheint klar, dass der Ablauf des in Art. 695 LEC vorgesehenen Einspruchsverfahrens gegen die Vollstreckung vor dem nationalen Gericht den Verbraucher in seiner Eigenschaft als Vollstreckungsschuldner in Bezug auf den gerichtlichen Schutz der Rechte, die ihm aufgrund der Richtlinie 93/13 zustehen, um sich gegen die Verwendung missbräuchlicher Klauseln zu wehren, in eine im Vergleich zum Gewerbetreibenden als Vollstreckungsgläubiger schwächere Position bringt.

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Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verfahrensregelung die Verwirklichung des mit der Richtlinie 93/13 verfolgten Ziels gefährdet. Denn dieses Ungleichgewicht zwischen den verfahrensrechtlichen Möglichkeiten des Verbrauchers auf der einen und des Gewerbetreibenden auf der anderen Seite verschärft nur das bereits in Rn. 22 des vorliegenden Urteils angesprochene Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien, das sich im Übrigen im Rahmen einer Individualklage zwischen einem Verbraucher und seinem Vertragspartner, einem Gewerbetreibenden, widerspiegelt (vgl. entsprechend Urteil Asociación de Consumidores Independientes de Castilla y León, EU:C:2013:800, Rn. 50).

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Außerdem erweist sich eine solche Verfahrensregelung als mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs unvereinbar, wonach die spezifischen Merkmale der nach nationalem Recht zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern geführten gerichtlichen Verfahren kein Faktor sein dürfen, der den Rechtsschutz zu beeinträchtigen vermag, in dessen Genuss die Verbraucher nach den Bestimmungen der Richtlinie 93/13 kommen müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil Aziz, EU:C:2013:164, Rn. 62).

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Daraus ergibt sich ferner, dass im spanischen Recht der Ablauf des in Art. 695 LEC vorgesehenen Einspruchsverfahrens vor dem nationalen Gericht gegen eine Hypothekenvollstreckung, bei der sich ein Verbraucher und ein Gewerbetreibender gegenüberstehen, gegen den Grundsatz der Waffengleichheit oder der verfahrensrechtlichen Gleichbehandlung verstößt. Dieser Grundsatz ist jedoch integraler Bestandteil des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Schutzes der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte, wie er in Art. 47 der Charta verbürgt ist (vgl. in diesem Sinne Urteile Otis u. a., C‑199/11, EU:C:2012:684, Rn. 48, und Banif Plus Bank, EU:C:2013:88, Rn. 29).

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Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist nämlich der Grundsatz der Waffengleichheit ebenso wie etwa der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens nur ein Ausfluss des Begriffs des fairen Verfahrens als solchem, das die Verpflichtung umfasst, jeder Partei eine angemessene Möglichkeit zu bieten, ihre Sache unter Bedingungen zu vertreten, die sie gegenüber ihrem Gegner nicht klar benachteiligen (Urteil Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 88)

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Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass ein nationales Hypothekenvollstreckungsverfahren wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende geeignet ist, die Wirksamkeit des mit der Richtlinie 93/13, in Verbindung mit Art. 47 der Charta, angestrebten Verbraucherschutzes dadurch zu beeinträchtigen, dass diese Verfahrensregelung die fehlende Waffengleichheit zwischen den Gewerbetreibenden als Vollstreckungsgläubigern auf der einen und den Verbrauchern in ihrer Eigenschaft als Vollstreckungsschuldner auf der anderen Seite bei der Inanspruchnahme der Möglichkeit verstärkt, aufgrund der Rechte, die den Verbrauchern nach der Richtlinie 93/13 zustehen, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen; dies gilt umso mehr, als die Verfahrensmodalitäten zur Durchführung dieser Rechtsbehelfe als unvollständig und unzureichend anzusehen sind, um der Anwendung einer in einer öffentlichen Urkunde über eine hypothekarische Belastung enthaltenen missbräuchlichen Klausel, auf deren Grundlage der Gewerbetreibende die Vollstreckung in die als Sicherheit dienende Immobilie betreibt, ein Ende zu setzen.

51

Nach alledem ist auf die Fragen zu antworten, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung des Zwangsvollstreckungsverfahrens wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die vorsieht, dass das Erkenntnisgericht ein Hypothekenvollstreckungsverfahren nicht auszusetzen, sondern in seiner Endentscheidung allenfalls eine Entschädigung zum Ausgleich des dem Verbraucher entstandenen Schadens zu gewähren vermag, wobei dieser als Vollstreckungsschuldner kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen kann, mit der sein Einspruch gegen die Vollstreckung zurückgewiesen wird, wohingegen der Gewerbetreibende als Vollstreckungsgläubiger ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen kann, mit der die Einstellung des Verfahrens angeordnet oder eine missbräuchliche Klausel für nicht anwendbar erklärt wird.

Kosten

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Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass er einer Regelung des Zwangsvollstreckungsverfahrens wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die vorsieht, dass das Erkenntnisgericht ein Hypothekenvollstreckungsverfahren nicht auszusetzen, sondern in seiner Endentscheidung allenfalls eine Entschädigung zum Ausgleich des dem Verbraucher entstandenen Schadens zu gewähren vermag, wobei dieser als Vollstreckungsschuldner kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen kann, mit der sein Einspruch gegen die Vollstreckung zurückgewiesen wird, wohingegen der Gewerbetreibende als Vollstreckungsgläubiger ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen kann, mit der die Einstellung des Verfahrens angeordnet oder eine missbräuchliche Klausel für nicht anwendbar erklärt wird.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Spanisch.

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