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Document 62009CJ0347

Urteil des Gerichtshofes (Vierte Kammer) vom 15. September 2011.
Strafverfahren gegen Jochen Dickinger und Franz Ömer.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Bezirksgericht Linz - Österreich.
Freier Dienstleistungsverkehr - Niederlassungsfreiheit - Nationale Regelung, die ein Betriebsmonopol für Internet-Kasinospiele vorsieht - Zulässigkeitsvoraussetzungen - Expansionistische Geschäftspolitik - In anderen Mitgliedstaaten durchgeführte Kontrollen der Glücksspielanbieter - Vergabe des Monopols an eine privatrechtliche Gesellschaft - Möglichkeit der Erlangung des Monopols nur für Kapitalgesellschaften mit Sitz im Inland - An den Inhaber des Monopols gerichtetes Verbot, außerhalb des Sitzmitgliedstaats einen Filialbetrieb zu errichten.
Rechtssache C-347/09.

European Court Reports 2011 I-08185

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2011:582

Rechtssache C‑347/09

Strafverfahren

gegen

Jochen Dickinger

und

Franz Ömer

(Vorabentscheidungsersuchen des Bezirksgerichts Linz)

„Freier Dienstleistungsverkehr – Niederlassungsfreiheit – Nationale Regelung, die ein Betriebsmonopol für Internet-Kasinospiele vorsieht – Zulässigkeitsvoraussetzungen – Expansionistische Geschäftspolitik – In anderen Mitgliedstaaten durchgeführte Kontrollen der Glücksspielanbieter – Vergabe des Monopols an eine privatrechtliche Gesellschaft – Möglichkeit der Erlangung des Monopols nur für Kapitalgesellschaften mit Sitz im Inland – An den Inhaber des Monopols gerichtetes Verbot, außerhalb des Sitzmitgliedstaats einen Filialbetrieb zu errichten“

Leitsätze des Urteils

1.        Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Glücksspiele – Nationale Regelung, die ein Betriebsmonopol für Internet-Glücksspiele vorsieht – Strafrechtliche Sanktionen für Zuwiderhandlungen gegen dieses Monopol – Zulässigkeit – Voraussetzungen

(Art. 49 EG)

2.        Freier Dienstleistungsverkehr – Bestimmungen des Vertrags – Geltungsbereich –Glücksspieldienstleistungen, die über das Internet angeboten werden – Inanspruchnahme von Vermittlern, die in demselben Mitgliedstaat ansässig sind wie die Empfänger der Dienstleistungen des ausländischen Anbieters – Unbeachtlich

(Art. 49 EG)

3.        Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Glücksspiele – Nationale Regelung, die ein Betriebsmonopol für Internet-Glücksspiele vorsieht – Rechtfertigung

(Art. 49 EG und 55 EG)

4.        Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Glücksspiele – Nationale Regelung, die ein Betriebsmonopol für Internet-Glücksspiele vorsieht – Möglichkeit für den Inhaber dieses Monopols, eine Expansionspolitik zu verfolgen – Rechtfertigung

(Art. 49 EG)

5.        Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Glücksspiele – Anbieter, dem die Veranstaltung von Glücksspielen von seinem Sitzmitgliedstaat erlaubt wurde – Wegen eines bestehenden Monopols keine Möglichkeit für diesen Anbieter, solche Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat über das Internet anzubieten

(Art. 49 EG)

1.        Das Unionsrecht und insbesondere Art. 49 EG stehen einer Regelung, die den Verstoß gegen ein Betriebsmonopol für Glücksspiele wie das in der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung vorgesehene Betriebsmonopol für Internet-Kasinospiele unter Strafe stellt, entgegen, wenn eine solche Regelung nicht mit den Bestimmungen dieses Rechts vereinbar ist.

Das Unionsrecht setzt nämlich der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Strafrechts Schranken, da Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet u. a. nicht die durch das Unionsrecht garantierten Grundfreiheiten beschränken dürfen. Somit kann der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine Monopolregelung nicht zu strafrechtlichen Sanktionen führen, wenn diese Regelung nicht mit Art. 49 EG vereinbar ist.

(vgl. Randnrn. 31-32, 43, Tenor 1)

2.        Art. 49 EG ist dahin auszulegen, dass er auf Glücksspieldienstleistungen anwendbar ist, die im Hoheitsgebiet eines Aufnahmemitgliedstaats von einem Wirtschaftsteilnehmer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat über das Internet angeboten werden, obwohl dieser Wirtschaftsteilnehmer

a) sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten EDV‑Infrastruktur wie etwa einem Server ausgestattet hat und

b) EDV‑Supportleistungen eines im Aufnahmemitgliedstaat ansässigen Dienstleisters in Anspruch nimmt, um seine Dienstleistungen Verbrauchern zu erbringen, die ebenfalls in diesem Mitgliedstaat ansässig sind.

Art. 49 EG ist nämlich auf einen Glücksspielanbieter, der in einem Mitgliedstaat ansässig ist und seine Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat anbietet, auch dann anwendbar, wenn er dafür Dienste von Vermittlern in Anspruch nimmt, die in demselben Mitgliedstaat ansässig sind wie die Empfänger dieser Dienstleistungen. Diese Bestimmung findet erst recht Anwendung, wenn der Glücksspielanbieter keine Dienste von Vermittlern in Anspruch nimmt, sondern sich bloß eines Erbringers von EDV-Supportleistungen im Aufnahmemitgliedstaat bedient.

(vgl. Randnrn. 37-38, Tenor 2)

3.        Art. 49 EG ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat, der bestrebt ist, ein besonders hohes Schutzniveau für Verbraucher im Glücksspielsektor zu gewährleisten, Grund zu der Annahme haben kann, dass nur die Errichtung eines Monopols zugunsten einer einzigen Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, ihm erlaubt, die Kriminalität in diesem Sektor zu beherrschen und das Ziel, Anreize für übermäßige Spielausgaben zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, hinreichend wirksam zu verfolgen.

(vgl. Randnr. 48, 100, Tenor 3)

4.        Art. 49 EG ist dahin auszulegen, dass, um mit den Zielen der Kriminalitätsbekämpfung und der Verringerung der Spielgelegenheiten im Einklang zu stehen, eine nationale Regelung, mit der ein Glücksspielmonopol errichtet wird, das dem Inhaber des Monopols ermöglicht, eine Expansionspolitik zu verfolgen,

– auf der Feststellung beruhen muss, dass kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats ein Problem darstellen, dem eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten abhelfen könnte, und

– nur den Einsatz maßvoller Werbung zulassen darf, die eng auf das begrenzt bleibt, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielenetzwerken zu lenken.

Um das Ziel, die Spieltätigkeiten in kontrollierbare Bahnen zu lenken, zu erreichen, müssen die zugelassenen Anbieter eine verlässliche und zugleich attraktive Alternative zu den nicht geregelten Tätigkeiten bereitstellen, was an und für sich das Anbieten einer breiten Palette von Spielen, Werbung in einem gewissen Umfang und den Einsatz neuer Vertriebstechniken beinhalten kann.

Die vom Inhaber eines staatlichen Monopols eventuell durchgeführte Werbung muss maßvoll und eng auf das begrenzt bleiben, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielenetzwerken zu lenken. Hingegen darf eine solche Werbung nicht darauf abzielen, den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch zu fördern, dass sie zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt werden, etwa indem das Spiel verharmlost, ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein positives Image verliehen wird oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen.

(vgl. Randnrn. 64, 68, 100, Tenor 3)

5.        Art. 49 EG ist dahin auszulegen, dass der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen haben kann, die allein im Hinblick auf die von den zuständigen Stellen des betroffenen Mitgliedstaats verfolgten Ziele und das von ihnen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen sind.

In Anbetracht der fehlenden Harmonisierung der Regelung des Glücksspielsektors auf Unionsebene und angesichts der wesentlichen Unterschiede zwischen den mit den Regelungen der verschiedenen Mitgliedstaaten verfolgten Zielen und den mit ihnen angestrebten Schutzniveaus kann der Umstand allein, dass ein Wirtschaftsteilnehmer Dienstleistungen in dem Mitgliedstaat, in dem er niedergelassen ist und in dem er grundsätzlich bereits rechtlichen Anforderungen und Kontrollen durch die zuständigen Behörden dieses Mitgliedstaats unterliegt, rechtmäßig anbietet, nicht als hinreichende Garantie für den Schutz der nationalen Verbraucher vor den Gefahren des Betrugs und anderer Straftaten im Aufnahmemitgliedstaat angesehen werden.

(vgl. Randnrn. 96-97, 100, Tenor 3)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

15. September 2011(*)

„Freier Dienstleistungsverkehr – Niederlassungsfreiheit – Nationale Regelung, die ein Betriebsmonopol für Internet-Kasinospiele vorsieht – Zulässigkeitsvoraussetzungen – Expansionistische Geschäftspolitik – In anderen Mitgliedstaaten durchgeführte Kontrollen der Glücksspielanbieter – Vergabe des Monopols an eine privatrechtliche Gesellschaft – Möglichkeit der Erlangung des Monopols nur für Kapitalgesellschaften mit Sitz im Inland – An den Inhaber des Monopols gerichtetes Verbot, außerhalb des Sitzmitgliedstaats einen Filialbetrieb zu errichten“

In der Rechtssache C‑347/09

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bezirksgericht Linz (Österreich) mit Entscheidung vom 10. April 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 31. August 2009, in dem Strafverfahren gegen

Jochen Dickinger,

Franz Ömer

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot sowie der Richter K. Schiemann (Berichterstatter), L. Bay Larsen, der Richterin A. Prechal und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2011,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Dickinger und Herrn Ömer, vertreten durch Rechtsanwälte W. Denkmair und O. Plöckinger,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und J. Bauer als Bevollmächtigte,

–        der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck und M. Jacobs als Bevollmächtigte im Beistand von A. Hubert und P. Vlaemminck, avocats,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch E.‑M. Mamouna, M. Tassopoulou und G. Papadaki als Bevollmächtigte,

–        der maltesischen Regierung, vertreten durch A. Buhagiar und J. Borg als Bevollmächtigte,

–        der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und A. Barros als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Traversa und B.‑R. Killmann als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 31. März 2011

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 43 EG und 49 EG.

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von Strafverfahren gegen Herrn Dickinger und Herrn Ömer wegen des Vorwurfs, dass die von ihnen geführte Gesellschaft österreichischen Rechts bet-at-home.com Entertainment GmbH (im Folgenden: bet-at-home.com Entertainment) nicht die österreichischen Rechtsvorschriften über den Betrieb von Glücksspielen, insbesondere in Bezug auf das Anbieten von Kasinospielen im Internet, eingehalten hat.

 Rechtlicher Rahmen

3        Das Bundesgesetz zur Regelung des Glücksspielwesens in der auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (Glücksspielgesetz, im Folgenden: GSpG) bestimmt in § 3 („Glücksspielmonopol“), dass das Recht zur Durchführung von Glücksspielen dem Bund vorbehalten ist. Die §§ 14 und 21 GSpG sehen parallel vor, dass der Bundesminister für Finanzen Konzessionen für die Durchführung der Ausspielungen und für den Betrieb von Spielbanken erteilen kann. Sportwetten, die nicht als Glücksspiel im engeren Sinne angesehen werden, unterliegen – abgesehen von einer „Toto“ genannten Form der Totalisatorwette – nicht der Regelung des GSpG.

4        Die im Internet angebotenen Kasinospiele werden nach § 12a GSpG Ausspielungen gleichgestellt und unterliegen folglich der Konzessionsregelung für Ausspielungen anstatt der für Spielbanken. Dieser § 12a, der 1997 in das GSpG eingefügt wurde (BGBl I 69/1997), enthält hierzu die folgende Definition des Begriffs „Elektronische Lotterien“:

„Elektronische Lotterien sind Ausspielungen, bei denen der Spielvertrag über elektronische Medien abgeschlossen, die Entscheidung über Gewinn oder Verlust zentralseitig herbeigeführt oder zur Verfügung gestellt wird und der Spielteilnehmer unmittelbar nach Spielteilnahme vom Ergebnis dieser Entscheidung Kenntnis erlangen kann“.

5        Eine Konzession für die Durchführung der Ausspielungen darf nach § 14 Abs. 2 GSpG nur einem Konzessionswerber erteilt werden, der

„1.      eine Kapitalgesellschaft mit dem Sitz im Inland ist,

2.      keine Eigentümer (Gesellschafter) hat, die über einen beherrschenden Einfluss verfügen und durch deren Einfluss eine Zuverlässigkeit in ordnungspolitischer Hinsicht nicht gewährleistet ist,

3.      einen Aufsichtsrat und ein eingezahltes Stamm- bzw. Grundkapital von zumindest 109 Millionen Euro hat, wobei die rechtmäßige Mittelherkunft in geeigneter Art und Weise nachzuweisen ist,

4.      Geschäftsleiter bestellt, die auf Grund entsprechender Vorbildung fachlich geeignet sind, über die für den ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb erforderlichen Eigenschaften und Erfahrungen verfügen und gegen die kein Ausschließungsgrund nach § 13 der Gewerbeordnung 1973 … vorliegt, und

5.      auf Grund der Umstände (insbesondere Erfahrungen, Kenntnisse und Eigenmittel) erwarten lässt, dass er für den Bund den besten Abgabenertrag (Konzessionsabgabe und Wettgebühren) erzielt sowie

6.      bei dem die Struktur des allfälligen Konzerns, dem der oder die Eigentümer, die eine qualifizierte Beteiligung an dem Unternehmen halten, angehören, eine wirksame Aufsicht über den Konzessionär nicht behindert.“

6        Die Konzession kann nach § 14 Abs. 3 Z 1 GSpG für eine Dauer von höchstens 15 Jahren erteilt werden.

7        Solange eine Konzession für Ausspielungen aufrecht ist, dürfen gemäß § 14 Abs. 5 Satz 1 GSpG weitere Konzessionen nicht erteilt werden.

8        Treten mehrere Konzessionswerber, die die in § 14 Abs. 2 GSpG genannten Voraussetzungen erfüllen, gleichzeitig auf, so hat der Bundesminister für Finanzen nach § 14 Abs. 5 Satz 2 GSpG auf der Grundlage des in § 14 Abs. 2 Z 5 GSpG aufgestellten Kriteriums zu entscheiden, so dass er die Konzession demjenigen Konzessionswerber erteilen muss, der erwarten lässt, dass er für den Bund den besten Abgabenertrag erzielt.

9        Nach § 15 Abs. 1 GSpG darf der Konzessionär keine Filialbetriebe außerhalb Österreichs errichten. Außerdem bedarf der Erwerb von qualifizierten Beteiligungen an anderen Gesellschaften durch den Konzessionär einer Bewilligung des Bundesministers für Finanzen. Nach § 15a GSpG ist eine solche Bewilligung auch für die Erweiterung des Geschäftsgegenstands eines Konzessionärs erforderlich und nur dann zu erteilen, wenn keine Beeinträchtigung des Aufkommens des Bundes aus der Konzessionsabgabe oder aus Wettgebühren zu erwarten ist.

10      § 16 GSpG verpflichtet den Konzessionär für die ihm übertragenen Glücksspiele Spielbedingungen aufzustellen. Diese Bedingungen, die der vorherigen Bewilligung des Bundesministers für Finanzen bedürfen, werden im Amtsblatt zur Wiener Zeitung verlautbart und in den Geschäftslokalen des Konzessionärs und bei seinen Vertriebsstellen zur Einsicht aufgelegt.

11      Der Konzessionär hat nach § 18 Abs. 1 GSpG dem Bundesminister für Finanzen jährlich die Identität der Personen mitzuteilen, die am Grund- oder Stammkapital des Unternehmens beteiligt sind. Ferner unterliegt er nach § 19 Abs. 1 GSpG einer Überwachung durch den Bundesminister für Finanzen. Dieser ist zu diesem Zweck u. a. befugt, in die Bücher und Schriften des Konzessionärs Einsicht zu nehmen, Überprüfungen an Ort und Stelle vorzunehmen oder durch Abschlussprüfer oder sonstige sachverständige Personen vornehmen zu lassen. Die Kosten der Überwachung trägt der Konzessionär. Sie werden ihm jährlich vom Bundesminister für Finanzen zur Zahlung vorgeschrieben.

12      § 19 Abs. 2 GSpG sieht außerdem vor, dass der Bundesminister für Finanzen einen Staatskommissär bestellt, der nach § 26 des Kreditwesengesetzes (BGBl 63/1979) befugt ist, an den Hauptversammlungen und Aufsichtsratssitzungen des Konzessionärs teilzunehmen. Der Staatskommissionär muss Beschäftigter einer Gebietskörperschaft, Rechtsanwalt oder Wirtschaftstreuhänder sein. Er ist den Weisungen des Bundesministers für Finanzen unterworfen und kann von ihm jederzeit abberufen werden. Seine Aufgabe liegt insbesondere darin, gegen Beschlüsse der Gesellschaftsorgane, die er für rechtswidrig erachtet, Einspruch zu erheben. Durch einen solchen Einspruch wird die Wirksamkeit des jeweiligen Beschlusses bis zur Entscheidung der zuständigen Behörden aufgeschoben.

13      Nach § 19 Abs. 3 GSpG haben der Bundesminister für Finanzen und die Bundes-Sportorganisation das Recht, je ein Mitglied des Aufsichtsrats des Konzessionärs vorzuschlagen.

14      § 19 Abs. 4 GSpG verpflichtet den Konzessionär, dem Bundesminister für Finanzen den Jahresabschluss, den Lagebericht und den Konzernabschluss sowie die Prüfungsberichte der Buchprüfer über diese Dokumente innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des jeweiligen Geschäftsjahrs vorzulegen.

15      In den §§ 17 und 20 GSpG geht es um die Verwendung der Einkünfte aus den Glücksspielen. § 17 Abs. 3 Z 6 setzt die Konzessionsabgabe für elektronische Lotterien auf 24 % der Jahresbruttoeinnahmen abzüglich der Gewinnausschüttungen fest. Nach § 20 GSpG werden 3 % der Einkünfte aus Ausspielungen für die Sportförderung eingesetzt, wobei dieser Betrag 40 Millionen Euro nicht unterschreiten darf.

16      Die §§ 21 bis 31 GSpG enthalten ähnliche Bestimmungen, in denen die Erteilung von zwölf Konzessionen für den Betrieb von Spielbanken, die Überwachung der Konzessionäre und der Ablauf der Kasinospiele geregelt sind.

17      Die Veranstaltung von Glücksspielen zu Erwerbszwecken durch eine Person, die keine Konzession hierfür besitzt, wird in Österreich strafrechtlich verfolgt. Nach § 168 Abs. 1 des österreichischen Strafgesetzbuchs (im Folgenden: StGB) ist zu bestrafen, „[w]er ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden“. Die Strafen sind Freiheitsstrafen von bis zu sechs Monaten oder Geldstrafen von bis zu 360 Tagessätzen.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

18      Die Österreichische Lotterien GmbH (im Folgenden: Österreichische Lotterien) ist eine privatrechtliche Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Mit Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 16. März 1995 erhielt sie die Alleinkonzession für die Durchführung der Ausspielungen in Österreich für einen Zeitraum vom 1. Dezember 1994 bis 31. Dezember 2004. Nach der Einführung von „elektronischen Lotterien“ durch Einfügung des § 12a in das GSpG im Jahr 1997 wurde die Konzession dieser Gesellschaft mit Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 2. Oktober 1997 auf diese Art von Ausspielungen erstreckt und bis zum Jahr 2012 verlängert. Die Dauer der Konzession wurde mit der gesetzlich höchstzulässigen Zeitspanne von 15 Jahren für den Zeitraum 1. Oktober 1997 bis 30. September 2012 festgesetzt.

19      Mehrheitsaktionär von Österreichische Lotterien ist die Casinos Austria AG (im Folgenden: Casinos Austria), eine privatrechtliche Aktiengesellschaft, die Inhaberin der zwölf vom GSpG vorgesehenen Konzessionen für den Betrieb von Spielbanken ist (vgl. hierzu Urteil vom 9. September 2010, Engelmann, C‑64/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 13 bis 15). Im entscheidungserheblichen Zeitraum befand sich ein Drittel der das Gesellschaftskapital von Casinos Austria bildenden Aktien mittelbar im Besitz des Staates, die übrigen Aktien wurden von privaten Anlegern gehalten.

20      Herr Dickinger und Herr Ömer sind österreichische Staatsbürger und Gründer der multinationalen Gruppe für Online‑Spiele bet‑at‑home.com. Die Muttergesellschaft dieser Gruppe ist die Gesellschaft deutschen Rechts bet‑at‑home.com AG mit Sitz in Düsseldorf (Deutschland).

21      Eine der Tochtergesellschaften der bet-at-home.com AG ist die Gesellschaft österreichischen Rechts bet-at-home.com Entertainment mit Sitz in Linz (Österreich), die auf dem Gebiet der „Dienstleistungen mit automatischer Datenverarbeitung und Informationstechnik“ tätig ist. Herr Dickinger und Herr Ömer sind die Geschäftsführer der bet-at-home.com Entertainment. Diese Gesellschaft verfügt über eine österreichische Lizenz, die es ihr erlaubt, Sportwetten anzubieten.

22      Zur bet-at-home.com Entertainment gehört die Tochtergesellschaft maltesischen Rechts bet-at-home.com Holding Ltd, die ihrerseits drei Tochtergesellschaften hat, nämlich die Gesellschaften maltesischen Rechts bet-at-home.com Internet Ltd, bet-at-home.com Entertainment Ltd und bet-at-home.com Internationale Ltd (im Folgenden zusammen: maltesische Tochtergesellschaften).

23      Zwei der maltesischen Tochtergesellschaften bieten über das Internet auf der Seite www.bet-at-home.com Glücksspiele und Sportwetten an. Sie verfügen dabei über eine aufrechte maltesische „Class One Remote Gaming License“ für Online‑Glücksspiele und über eine aufrechte maltesische „Class Two Remote Gaming License“ für Online‑Sportwetten. Die Internetseite wird in den Sprachen Spanisch, Deutsch, Griechisch, Englisch, Italienisch, Ungarisch, Niederländisch, Polnisch, Slowenisch, Russisch und Türkisch, nicht aber auf Maltesisch angeboten. Auf dieser Internetseite werden insbesondere Kasinospiele wie Poker, Black Jack, Baccarat und Roulette sowie Glücksspiele an virtuellen Spielautomaten angeboten. All diese Spiele können mit unbegrenzt hohen Einsätzen gespielt werden.

24      Die Internetseite www.bet‑at‑home.com wird ausschließlich von den maltesischen Tochtergesellschaften betrieben. Sie führen die fraglichen Spiele durch und sind Inhaber der Lizenzen für die Software, die für den Betrieb der Spieleplattform erforderlich ist.

25      Die maltesischen Tochtergesellschaften bedienten sich zumindest bis Dezember 2007 eines Servers mit Standort in Linz, der ihnen von der bet‑at‑home.com Entertainment zur Verfügung gestellt wurde, die auch die Internetseite und die für die Spiele erforderliche Software wartete und den Kundensupport übernahm.

26      Gegen Herrn Dickinger und Herrn Ömer in ihrer Funktion als Geschäftsführer der bet‑at‑home.com Entertainment wurden Strafverfahren wegen Handlungen eröffnet, die gegen § 168 Abs. 1 StGB verstoßen sollen. Der Strafantrag lautet:

„[Herr] Dickinger und [Herr] Ömer haben als Entscheidungsträger der bet‑at‑home.com Entertainment … ab 1.1.2006 bis dato das Vergehen des Glücksspiels nach § 168 Abs. 1 StGB zu Gunsten [der bet‑at‑home.com Entertainment] dadurch begangen, dass sie Spiele, bei denen Gewinn und Verlust ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängen oder die ausdrücklich verboten sind, nämlich diverse Pokerarten (Texas Hold’Em, Seven Card Stud etc.), Black Jack, Baccarat, Tischspiele wie Roulette sowie virtuelle ‚einarmige Banditen‘ mit unbegrenzt hohen Spieleinsätzen über das Internet anboten, um sich oder einem anderen, nämlich insbesondere [der bet‑at‑home.com Entertainment], einen Vermögensvorteil zuzuwenden.“

27      Herr Dickinger und Herr Ömer machten einen Verstoß der anwendbaren nationalen Glücksspielregelung gegen die Art. 43 EG und 49 EG geltend.

28      Das vorlegende Gericht hegt Zweifel, ob die Bestimmungen des StGB in Verbindung mit den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden österreichischen Glücksspielvorschriften, insbesondere in Anbetracht der vom vorlegenden Gericht als „offensiv“ angesehenen Werbung von Casinos Austria für ihr Glücksspielangebot, mit dem Unionsrecht vereinbar sind.

29      Unter diesen Umständen hat das Bezirksgericht Linz das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      a)     Sind die Art. 43 EG und 49 EG dahin gehend auszulegen, dass sie einer mitgliedstaatlichen Regelung wie jener von § 3 in Verbindung mit §§ 14 f und 21 GSpG grundsätzlich entgegenstehen, wonach

–        eine Konzession für Ausspielungen (z. B. Lotterien, elektronische Lotterien usw.) nur einem einzigen Konzessionswerber für eine Dauer bis zu 15 Jahren erteilt werden darf, der u. a. eine Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland zu sein hat, keine Filialbetriebe außerhalb Österreichs errichten darf, über ein eingezahltes Stamm- bzw. Grundkapital von mindestens 109 000 000 Euro verfügen muss und aufgrund der Umstände erwarten lässt, für den Bund den besten Abgabenertrag zu erzielen;

–        eine Konzession für Spielbanken nur an höchstens zwölf Konzessionswerber für eine Dauer bis zu 15 Jahren erteilt werden darf, die u. a. eine Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland zu sein haben, keine Filialbetriebe außerhalb Österreichs errichten dürfen, über ein eingezahltes Grundkapital von 22 000 000 Euro verfügen müssen und aufgrund der Umstände erwarten lassen, für die Gebietskörperschaften den besten Abgabenertrag zu erzielen?

Diese Fragen stellen sich insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Casinos Austria Inhaber aller zwölf Spielbankenkonzessionen ist, welche am 18. Dezember 1991 für die Höchstdauer von 15 Jahren erteilt und in der Zwischenzeit ohne öffentliche Ausschreibung oder Bekanntgabe verlängert wurden.

b)      Wenn ja, kann eine solche Regelung auch dann aus Gründen des Allgemeininteresses an einer Begrenzung der Wetttätigkeit gerechtfertigt werden, wenn die Konzessionsinhaber in einer quasimonopolistischen Struktur ihrerseits durch intensiven Werbeaufwand eine expansionistische Politik im Bereich des Glücksspiels betreiben?

c)      Wenn ja, ist bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer solchen Regelung, die das Ziel verfolgt, dadurch Straftaten vorzubeugen, indem die auf diesem Gebiet tätigen Wirtschaftsteilnehmer einer Kontrolle unterworfen und Glücksspieltätigkeiten so in Bahnen gelenkt werden, die diesen Kontrollen unterliegen, vom vorliegenden Gericht zu beachten, dass dadurch auch grenzüberschreitende Dienstleistungsanbieter erfasst werden, die ohnehin im Mitgliedstaat der Niederlassung mit ihrer Konzession verbundenen strengen Auflagen und Kontrollen unterliegen?

2.      Sind die Grundfreiheiten des EG‑Vertrags, insbesondere der freie Dienstleistungsverkehr nach Art. 49 EG, dahin gehend auszulegen, dass ungeachtet der fortbestehenden grundsätzlich mitgliedstaatlichen Zuständigkeit zur Regelung der Strafrechtsordnung auch eine mitgliedstaatliche Strafbestimmung dann am Gemeinschaftsrecht zu messen ist, wenn sie die Ausübung einer der Grundfreiheiten zu unterbinden oder zu behindern geeignet ist?

3.      a)     Ist Art. 49 EG in Verbindung mit Art. 10 EG dahin gehend auszulegen, dass die im Niederlassungsstaat eines Dienstleistungserbringers durchgeführten Kontrollen und dort geleisteten Sicherheiten im Sinne des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens im Staat der Dienstleistungserbringung zu berücksichtigen sind?

b)      Wenn ja, ist Art. 49 EG weiters dahin gehend auszulegen, dass im Fall einer aus Gründen des Allgemeininteresses vorgenommenen Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darauf zu achten ist, ob diesem Allgemeininteresse nicht bereits durch die Rechtsvorschriften, Kontrollen und Überprüfungen ausreichend Rechnung getragen wird, denen der Dienstleistende in dem Staat unterliegt, in dem er ansässig ist?

c)      Wenn ja, ist bei der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer mitgliedstaatlichen Bestimmung, die das grenzüberschreitende Anbieten von Glücksspieldienstleistungen ohne inländische Lizenz mit Strafe bedroht, zu berücksichtigen, dass den vom Staat der Dienstleistungserbringung zur Rechtfertigung der Beschränkung der Grundfreiheit herangezogenen ordnungspolitischen Interessen schon im Staat der Niederlassung durch ein strenges Zulassungs- und Aufsichtsverfahren ausreichend Rechnung getragen wird?

d)      Wenn ja, hat das vorliegende Gericht dabei im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer solchen Beschränkung zu berücksichtigen, dass die betreffenden Vorschriften in dem Staat, in dem der Dienstleistende ansässig ist, an Kontrolldichte über jene des Staates der Dienstleistungserbringung sogar hinausgehen?

e)      Erfordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Falle eines aus ordnungspolitischen Gründen wie dem Spielerschutz und der Kriminalitätsbekämpfung vorgenommenen strafbewehrten Verbots des Glücksspiels weiters, dass vom vorlegenden Gericht eine Unterscheidung vorgenommen wird zwischen jenen Anbietern einerseits, die ohne jegliche Genehmigung Glücksspiele anbieten, und jenen andererseits, die in anderen Mitgliedstaaten der Union niedergelassen und konzessioniert sind und unter Inanspruchnahme ihrer Dienstleistungsfreiheit tätig werden?

f)      Ist schließlich bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer mitgliedstaatlichen Bestimmung, die das grenzüberschreitende Anbieten von Glücksspieldienstleistungen ohne inländische Konzession oder Genehmigung unter Strafdrohung verbietet, zu berücksichtigen, dass es einem ordnungsgemäß in einem anderen Mitgliedstaat lizenzierten Anbieter von Glücksspielen aufgrund objektiver mittelbar diskriminierender Zugangsschranken nicht möglich war, eine inländische Lizenz zu erlangen, und das Lizenzierungs- und Aufsichtsverfahren im Staat der Niederlassung ein dem innerstaatlichen zumindest vergleichbares Schutzniveau aufweist?

4.      a)     Ist Art. 49 EG dahin gehend auszulegen, dass der vorübergehende Charakter der Dienstleistungserbringung für den Dienstleistenden die Möglichkeit ausschließen würde, sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten Infrastruktur (wie etwa einem Server) auszustatten, ohne ihn als in diesem Mitgliedstaat niedergelassen anzusehen?

b)      Ist Art. 49 EG weiters dahin gehend auszulegen, dass ein an inländische Supportleister gerichtetes Verbot, einem Dienstleister, der seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, die Erbringung seiner Dienstleistung zu erleichtern, auch dann eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dieses Dienstleistungserbringers darstellt, wenn die Supportleister in demselben Mitgliedstaat wie ein Teil der Empfänger der Dienstleistung ansässig sind?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur zweiten Frage

30      Mit seiner zweiten Frage, die als Erstes zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob eine Regelung eines Mitgliedstaats, die Zuwiderhandlungen gegen ein Betriebsmonopol für Glücksspiele wie dasjenige, das in der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung vorgesehen ist, unter Strafe stellt, mit den durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten und insbesondere mit Art. 49 EG vereinbar sein muss.

31      Wie der Generalanwalt in den Nrn. 45 bis 50 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, setzt das Unionsrecht nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Strafrechts Schranken, denn Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet dürfen u. a. nicht die durch das Unionsrecht garantierten Grundfreiheiten beschränken (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. Februar 1989, Cowan, 186/87, Slg. 1989, 195, Randnr. 19, und vom 19. Januar 1999, Calfa, C‑348/96, Slg. 1999, I‑11, Randnr. 17).

32      Daher ist auf die zweite Frage zu antworten, dass das Unionsrecht und insbesondere Art. 49 EG einer Regelung, die den Verstoß gegen ein Betriebsmonopol für Glücksspiele wie das in der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung vorgesehene Betriebsmonopol für Internet-Kasinospiele unter Strafe stellt, entgegenstehen, wenn eine solche Regelung nicht mit den Bestimmungen dieses Rechts vereinbar ist.

 Zur vierten Frage

33      Mit seiner vierten Frage, die als Zweites zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht klären lassen, welche Grundfreiheiten bei den Beschränkungen zu beachten sind, die den maltesischen Tochtergesellschaften von den im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Rechtsvorschriften auferlegt werden. Es möchte im Wesentlichen wissen, ob Art. 49 EG dahin auszulegen ist, dass er auf Glücksspieldienstleistungen anwendbar ist, die im Hoheitsgebiet eines Aufnahmemitgliedstaats von einem Wirtschaftsteilnehmer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat über das Internet angeboten werden, obwohl dieser Wirtschaftsteilnehmer

–        sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten EDV‑Infrastruktur wie etwa einem Server ausgestattet hat, was zu einer Anwendung der Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit führen könnte, und

–        Supportleistungen eines im Aufnahmemitgliedstaat ansässigen Dienstleisters in Anspruch nimmt, um seine Dienstleistungen den Verbrauchern in diesem Mitgliedstaat zu erbringen, was dazu führen könnte, dass Art. 49 EG nicht anwendbar wäre.

34      Wie der Generalanwalt in den Nrn. 57 bis 62 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist die Tatsache, dass ein Anbieter von Internet-Glücksspielen auf Sachmittel für die Kommunikation zurückgreift, die von einem im Aufnahmemitgliedstaat niedergelassenen Drittunternehmen zur Verfügung gestellt werden, für sich allein nicht zum Nachweis geeignet, dass dieser Anbieter in diesem Staat über eine feste Niederlassung vergleichbar einer Agentur verfügt, was zu einer Anwendung der Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit führen würde.

35      Um von einer Niederlassung im Sinne des Vertrags sprechen zu können, muss nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Geschäftsbeziehung zwischen einem Wirtschaftsteilnehmer, der in einem Mitgliedstaat ansässig ist, und Wirtschaftsteilnehmern oder Vermittlern, die im Aufnahmemitgliedstaat ansässig sind, die Möglichkeit für diesen Wirtschaftsteilnehmer in sich bergen, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben in diesem Aufnahmemitgliedstaat teilzunehmen, und daher so ausgestaltet sein, dass sie den Kunden gestattet, die angebotenen Dienste mittels einer ständigen Präsenz in diesem Aufnahmemitgliedstaat in Anspruch zu nehmen, die durch ein einfaches Büro wahrgenommen werden kann, das gegebenenfalls von einer Person geführt wird, die zwar unabhängig, aber beauftragt ist, auf Dauer wie eine Agentur für diesen Wirtschaftsteilnehmer zu handeln (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. September 2010, Stoß u. a., C‑316/07, C‑358/07 bis C‑360/07, C‑409/07 und C‑410/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 59 und 60).

36      Jedoch steht fest, dass die bet-at-home.com Entertainment, die mitnichten beauftragt ist, auf Dauer für die maltesischen Tochtergesellschaften auf dem Glücksspielmarkt in Österreich zu handeln, nicht in die Beziehung zwischen diesen Tochtergesellschaften und deren Kunden eingreift. Die Internet-Plattform www.bet-at-home.com wird ausschließlich von den maltesischen Tochterfirmen betrieben, die für die Durchführung der Spiele zuständig sind und mit denen die Kunden entsprechende Verträge abschließen. Unter diesen Bedingungen könnten die von der bet‑at‑home.com Entertainment erbrachten EDV-Supportleistungen einem anderen Wirtschaftsteilnehmer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat anvertraut werden, ohne dass die österreichischen Kunden dies überhaupt bemerkten.

37      Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich außerdem, dass Art. 49 EG auf einen Glücksspielanbieter, der in einem Mitgliedstaat ansässig ist und seine Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat anbietet, auch dann anwendbar ist, wenn er dafür Dienste von Vermittlern in Anspruch nimmt, die in demselben Mitgliedstaat ansässig sind wie die Empfänger dieser Dienstleistungen (Urteil vom 6. November 2003, Gambelli u. a., C‑243/01, Slg. 2003, I‑13031, Randnr. 58). Diese Bestimmung findet erst recht Anwendung, wenn der Glücksspielanbieter keine Dienste von Vermittlern in Anspruch nimmt, sondern sich bloß eines Erbringers von EDV-Supportleistungen im Aufnahmemitgliedstaat bedient.

38      Daher ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 49 EG dahin auszulegen ist, dass er auf Glücksspieldienstleistungen anwendbar ist, die im Hoheitsgebiet eines Aufnahmemitgliedstaats von einem Wirtschaftsteilnehmer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat über das Internet angeboten werden, obwohl dieser Wirtschaftsteilnehmer

–        sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten EDV‑Infrastruktur wie etwa einem Server ausgestattet hat und

–        EDV‑Supportleistungen eines im Aufnahmemitgliedstaat ansässigen Dienstleisters in Anspruch nimmt, um seine Dienstleistungen Verbrauchern zu erbringen, die ebenfalls in diesem Mitgliedstaat ansässig sind.

 Zur ersten und zur dritten Frage

39      Die erste und die dritte Frage, die zusammen zu prüfen sind, betreffen die Voraussetzungen, unter denen Art. 49 EG die Errichtung eines Monopols für die Durchführung von Internet-Kasinospielen zugunsten eines einzigen Anbieters wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erlaubt.

40      Für eine sachgerechte Beantwortung dieser Fragen ist als Erstes auf die Voraussetzungen hinzuweisen, unter denen Art. 49 EG die Errichtung eines Glücksspielmonopols wie des im Ausgangsverfahren fraglichen erlaubt. Als Zweites ist zu prüfen, ob die Verfolgung einer expansionistischen Geschäftspolitik durch die mit einem Glücksspielmonopol betraute Einrichtung mit den von der Monopolregelung verfolgten Zielen im Einklang stehen kann. Als Drittes sind dem vorlegenden Gericht Hinweise zu der Frage zu geben, ob eine Reihe von speziellen Beschränkungen, die dem Inhaber des Monopols von der nationalen Regelung auferlegt werden und seine Rechtsform, die Höhe seines Gesellschaftskapitals, den Ort seines Sitzes und die Möglichkeit betreffen, Filialbetriebe in anderen Mitgliedstaaten zu errichten, mit Art. 49 EG vereinbar ist. Als Letztes ist zu prüfen, welche Bedeutung die in anderen Mitgliedstaaten durchgeführten Kontrollen der Glücksspielanbieter und die dort geleisteten Sicherheiten für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der restriktiven Maßnahmen haben, die von einem Mitgliedstaat verhängt werden, der Glücksspiele in Verfolgung eines oder mehrerer der von der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannten Ziele reglementieren möchte.

41      Eine Regelung eines Mitgliedstaats wie die des Ausgangsverfahrens, die die Veranstaltung und die Förderung von Glücksspielen einer Ausschließlichkeitsregelung zugunsten eines einzigen Anbieters unterwirft und es allen anderen – auch den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen – Anbietern untersagt, im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats von dieser Regelung erfasste Dienstleistungen über das Internet anzubieten, stellt eine Beschränkung des in Art. 49 EG verbürgten freien Dienstleistungsverkehrs dar (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Juni 2010, Sporting Exchange, C‑203/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 22 und 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Eine solche Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs kann jedoch im Rahmen der Ausnahmeregelungen, die in den nach Art. 55 EG auf diesem Gebiet anwendbaren Art. 45 EG und 46 EG ausdrücklich vorgesehen sind, zulässig oder gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein (Urteile vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C‑42/07, Slg. 2009, I‑7633, Randnrn. 55 und 56, und vom 30. Juni 2011, Zeturf, C‑212/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 37).

43      Im Kontext des Ausgangsverfahrens ist zunächst festzustellen, dass der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine in einem Mitgliedstaat erlassene Monopolregelung im Glücksspielbereich nicht zu strafrechtlichen Sanktionen führen kann, wenn diese Regelung mit Art. 49 EG nicht vereinbar ist (Urteil vom 6. März 2007, Placanica u. a., C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, Slg. 2007, I‑1891, Randnrn. 63 und 69).

 Zu den Voraussetzungen für die Errichtung eines Glücksspielmonopols

44      Zu den gegebenenfalls zulässigen Rechtfertigungen hat der Gerichtshof festgestellt, dass sich die Ziele, die mit den im Glücksspiel- und Wettbereich erlassenen nationalen Rechtsvorschriften verfolgt werden, bei einer Gesamtbetrachtung meist auf den Schutz der Empfänger der jeweiligen Dienstleistungen und, allgemeiner, der Verbraucher sowie auf den Schutz der Sozialordnung beziehen. Der Gerichtshof hat ferner hervorgehoben, dass solche Ziele zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gehören, die Eingriffe in den freien Dienstleistungsverkehr rechtfertigen können (Urteil Stoß u. a., Randnr. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Zudem hat der Gerichtshof wiederholt darauf hingewiesen, dass die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die mit Glücksspielen und Wetten einhergehenden sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft es rechtfertigen können, den staatlichen Stellen ein ausreichendes Ermessen zuzuerkennen, um im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben (Urteil Stoß u. a., Randnr. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Allein der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, kann keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen haben. Diese sind allein im Hinblick auf die von den zuständigen Stellen des betroffenen Mitgliedstaats verfolgten Ziele und auf das von ihnen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen (Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 58).

47      Somit steht es den Mitgliedstaaten grundsätzlich frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 59).

48      Ein Mitgliedstaat, der bestrebt ist, ein besonders hohes Schutzniveau zu gewährleisten, kann, wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung anerkannt hat, Grund zu der Annahme haben, dass nur die Gewährung exklusiver Rechte an eine einzige Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, diesen erlaubt, die mit dem Glücksspielsektor verbundenen Gefahren zu beherrschen und das Ziel, Anreize für übermäßige Spielausgaben zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, hinreichend wirksam zu verfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteile Stoß u. a., Randnrn. 81 und 83, und Zeturf, Randnr. 41).

49      Den Behörden eines Mitgliedstaats steht es nämlich frei, den Standpunkt zu vertreten, dass die Tatsache, dass sie als Kontrollinstanz der mit dem Monopol betrauten Einrichtung über zusätzliche Mittel verfügen, mit denen sie deren Verhalten außerhalb der gesetzlichen Regulierungsmechanismen und Kontrollen beeinflussen können, ihnen eine bessere Beherrschung des Glücksspielangebots und bessere Effizienzgarantien bei der Durchführung ihrer Politik zu gewährleisten vermag, als es bei der Ausübung der entsprechenden Tätigkeiten durch private Anbieter, die im Wettbewerb stehen, der Fall wäre, selbst wenn diese eine Erlaubnis benötigten und einer Kontroll- und Sanktionsregelung unterlägen (Urteil Stoß u. a., Randnr. 82).

50      Gleichwohl müssen die Beschränkungen durch die Mitgliedstaaten den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit genügen, was die nationalen Gerichte zu prüfen haben (Urteile Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnrn. 59 und 60, und Stoß u. a., Randnrn. 77 und 78).

51      Es ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen einer Rechtssache, mit der der Gerichtshof nach Art. 267 AEUV befasst worden ist, für die Klärung der Frage, welche Ziele mit den nationalen Rechtsvorschriften tatsächlich verfolgt werden, das vorlegende Gericht zuständig ist.

52      Nach Ansicht der österreichischen Regierung dient die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung zum einen der Kriminalitätsbekämpfung, insbesondere durch den Schutz der Glücksspieler vor Betrug und anderen Straftaten, und zum anderen dem Schutz vor übermäßigen Spielausgaben durch die Einführung adäquater Spielerschutzmaßnahmen wie z. B. der verpflichtenden Eingabe persönlicher Einsatzlimits und trägt damit allgemein zum Schutz der Sozialordnung bei.

53      Herr Dickinger, Herr Ömer und die maltesische Regierung machen hingegen geltend, dass sich aus dem ausdrücklichen Wortlaut des GSpG ergebe, dass dessen Hauptziel die Erhöhung der durch Glücksspiele erzielten Staatseinnahmen sei. Insbesondere werde die Konzession nach § 14 Abs. 5 GSpG regelmäßig demjenigen Konzessionswerber erteilt, der erwarten lasse, dass er für den Bund den besten Abgabenertrag erziele. Außerdem bedürfe jede räumliche oder materielle Erweiterung des Geschäftsbetriebs des Konzessionärs einer Bewilligung des Bundesministers für Finanzen, die nur erteilt werden dürfe, wenn keine Beeinträchtigung des Aufkommens des Bundes zu erwarten sei.

54      Die Prüfung, ob die nationalen Behörden im entscheidungserheblichen Zeitraum tatsächlich bestrebt waren, im Hinblick auf die geltend gemachten Ziele ein besonders hohes Schutzniveau zu gewährleisten, und ob die Errichtung eines Monopols im Licht dieses angestrebten Schutzniveaus tatsächlich als erforderlich angesehen werden konnte, ist Sache des vorlegenden Gerichts (Urteil Zeturf, Randnr. 47). In diesem Zusammenhang obliegt es dem Mitgliedstaat, der sich auf ein Ziel berufen möchte, mit dem sich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen lässt, dem Gericht, das über diese Frage zu entscheiden hat, alle Umstände darzulegen, anhand deren dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt (Urteil Stoß u. a., Randnr. 71).

55      Das Ziel, die Einnahmen der Staatskasse zu maximieren, kann hierbei für sich allein eine solche Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nicht rechtfertigen.

56      In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu beachten, dass eine nationale Regelung nur dann geeignet ist, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen. Daher ist es Sache des vorlegenden Gerichts, sich im Licht insbesondere der konkreten Anwendungsmodalitäten der betreffenden restriktiven Regelung zu vergewissern, dass sie tatsächlich dem Anliegen entspricht, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen (vgl. in diesem Sinne Urteil Stoß u. a., Randnrn. 88, 97 und 98).

57      Das vorlegende Gericht wird folglich u. a. unter Berücksichtigung der Entwicklung des Glücksspielmarkts in Österreich prüfen müssen, ob die staatlichen Kontrollen über die Tätigkeit des Inhabers des Monopols gewährleisten können, dass dieser tatsächlich in der Lage sein wird, die geltend gemachten Ziele mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieser Ziele quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Juni 2010, Ladbrokes Betting & Gaming und Ladbrokes International, C‑258/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 37, und Stoß u. a., Randnr. 83).

58      Ferner ist für die Beurteilung der Art und Weise, in der diese Ziele verfolgt werden, die vom Inhaber des Monopols verfolgte Geschäftspolitik von gewisser Bedeutung.

 Zur Verfolgung einer expansionistischen Geschäftspolitik durch die mit einem Glücksspielmonopol betraute Einrichtung

59      Das vorlegende Gericht äußert Zweifel daran, dass das mit der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung errichtete Monopol angesichts der expansionistischen Politik, die der Inhaber des Monopols durch intensiven Werbeaufwand betreibe, als geeignet angesehen werden könne, die Verwirklichung des Ziels der Vermeidung von Anreizen für übermäßige Spielausgaben und der Bekämpfung der Spielsucht zu gewährleisten.

60      Herr Dickinger, Herr Ömer und die maltesische Regierung vertreten hierzu die Auffassung, dass das österreichische System, vor allem über die Internet-Spieleplattform www.win2day.at, die von Österreichische Lotterien ins Leben gerufen worden sei und deren Einnahmen die aller herkömmlichen Spielbanken bei Weitem überstiegen hätten, eine stete Ausweitung des Glücksspielangebots und eine stete Steigerung der Ausgaben für eine an immer neue Zielgruppen, vor allem auch junge Menschen gerichtete Werbung, ermöglicht habe.

61      Hierzu ist festzustellen, dass eine Ausweitung der Geschäftstätigkeit eines mit ausschließlichen Rechten im Glücksspielbereich ausgestatteten Anbieters sowie eine wesentliche Steigerung der Einnahmen, die er damit erzielt, besondere Aufmerksamkeit bei der Prüfung des kohärenten und systematischen Charakters der fraglichen Regelung und somit ihrer Geeignetheit für die Verfolgung der von der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannten Ziele erfordert. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich nämlich, dass die Finanzierung gemeinnütziger Tätigkeiten mit den Einnahmen aus Glücksspielen nicht das eigentliche Ziel einer in diesem Sektor betriebenen restriktiven Politik sein darf, sondern nur als eine nützliche Nebenfolge angesehen werden kann (vgl. u. a. Urteile vom 24. März 1994, Schindler, C‑275/92, Slg. 1994, I‑1039, Randnrn. 57 und 60, vom 21. September 1999, Läärä u. a., C‑124/97, Slg. 1999, I‑6067, Randnrn. 32 und 37, vom 21. Oktober 1999, Zenatti, C‑67/98, Slg. 1999, I‑7289, Randnrn. 35 und 36, und Gambelli u. a., Randnrn. 61 und 62).

62      Ein Mitgliedstaat kann sich daher nicht auf Gründe der öffentlichen Ordnung berufen, die sich auf die Notwendigkeit einer Verminderung der Gelegenheiten zum Spiel beziehen, wenn die Behörden dieses Mitgliedstaats die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Glücksspielen teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen (vgl. in diesem Sinne Urteil Gambelli u. a., Randnr. 69).

63      Der Gerichtshof hat jedoch auch entschieden, dass eine Politik der kontrollierten Expansion von Glücksspieltätigkeiten mit dem Ziel im Einklang stehen kann, sie in kontrollierbare Bahnen zu lenken, indem Spielern, die verbotenen geheimen Spiel- oder Wetttätigkeiten nachgehen, ein Anreiz gegeben wird, zu erlaubten und geregelten Tätigkeiten überzugehen. Eine solche Politik kann nämlich sowohl mit dem Ziel, die Ausnutzung von Glücksspieltätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken zu verhindern, als auch mit dem Ziel der Vermeidung von Anreizen für übermäßige Spielausgaben und der Bekämpfung der Spielsucht im Einklang stehen, indem die Verbraucher zu dem Angebot des Inhabers des staatlichen Monopols gelenkt werden, bei dem davon ausgegangen werden kann, dass es frei von kriminellen Elementen und darauf ausgelegt ist, die Verbraucher besser vor übermäßigen Ausgaben und vor Spielsucht zu schützen (Urteil Stoß u. a., Randnrn. 101 und 102).

64      Um das Ziel, die Spieltätigkeiten in kontrollierbare Bahnen zu lenken, zu erreichen, müssen die zugelassenen Anbieter eine verlässliche und zugleich attraktive Alternative zu den nicht geregelten Tätigkeiten bereitstellen, was an und für sich das Anbieten einer breiten Palette von Spielen, Werbung in einem gewissen Umfang und den Einsatz neuer Vertriebstechniken beinhalten kann (vgl. Urteile Placanica u. a., Randnr. 55, und Stoß u. a., Randnr. 101).

65      Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, in Anbetracht der Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu prüfen, ob die Geschäftspolitik des Inhabers des Monopols sowohl hinsichtlich des Umfangs der Werbung als auch hinsichtlich der Schaffung neuer Spiele als Teil einer Politik der kontrollierten Expansion im Glücksspielsektor zur wirksamen Lenkung der Spiellust in rechtmäßige Bahnen angesehen werden kann (vgl. Urteile Ladbrokes Betting & Gaming und Ladbrokes International, Randnr. 37, und Zeturf, Randnr. 69).

66      Im Rahmen dieser Prüfung hat das vorlegende Gericht insbesondere zu untersuchen, ob im entscheidungserheblichen Zeitraum die kriminellen und betrügerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht in Österreich ein Problem waren und eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten diesem Problem hätte abhelfen können (vgl. in diesem Sinne Urteil Ladbrokes Betting & Gaming und Ladbrokes International, Randnr. 29).

67      Da das Ziel, die Verbraucher vor der Spielsucht zu schützen, grundsätzlich schwer mit einer Politik der Expansion von Glücksspielen, die insbesondere durch die Schaffung neuer Spiele und die Werbung für sie gekennzeichnet ist, vereinbar ist, kann eine solche Politik nur dann als kohärent angesehen werden, wenn die rechtswidrigen Tätigkeiten einen erheblichen Umfang haben und die erlassenen Maßnahmen darauf abzielen, die Spiellust der Verbraucher in rechtmäßige Bahnen zu lenken (Urteil Ladbrokes Betting & Gaming und Ladbrokes International, Randnr. 30).

68      Jedenfalls muss die vom Inhaber eines staatlichen Monopols eventuell durchgeführte Werbung maßvoll und eng auf das begrenzt bleiben, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielenetzwerken zu lenken. Hingegen darf eine solche Werbung nicht darauf abzielen, den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch zu fördern, dass sie zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt werden, etwa indem das Spiel verharmlost, ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein positives Image verliehen wird oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen (Urteil Stoß u. a., Randnr. 103).

69      Insbesondere ist zu unterscheiden zwischen Strategien des Monopolinhabers, die nur die potenziellen Kunden über die Existenz der Produkte informieren und durch Lenkung der Spieler in kontrollierte Bahnen einen geordneten Zugang zu Glücksspielen sicherstellen sollen, und Strategien, die zu aktiver Teilnahme an Glücksspielen auffordern und anregen. Zu unterscheiden ist also zwischen einer restriktiven Geschäftspolitik, die nur den vorhandenen Markt für den Monopolinhaber gewinnen oder die Kunden an ihn binden soll, und einer expansionistischen Geschäftspolitik, die auf das Wachstum des gesamten Marktes für Spieltätigkeiten abzielt.

 Zur Vereinbarkeit der dem Inhaber des Monopols auferlegten spezifischen Beschränkungen mit Art. 49 EG

70      Das vorlegende Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob eine Reihe von spezifischen Beschränkungen, die dem Inhaber des Monopols von der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung auferlegt werden und seine Rechtsform, die Höhe seines Gesellschaftskapitals, den Ort seines Gesellschaftssitzes und die Möglichkeit betreffen, Filialbetriebe in anderen Mitgliedstaaten als dem seines Sitzes zu errichten, mit Art. 49 EG vereinbar sind.

71      Wie der Generalanwalt in Nr. 97 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist zunächst zu beachten, dass ein Monopol, da es eine äußerst restriktive Maßnahme darstellt, auf die Gewährleistung eines besonders hohen Verbraucherschutzniveaus abzielen und daher mit der Schaffung eines normativen Rahmens einhergehen muss, der gewährleistet, dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage sein wird, die so festgelegten Ziele mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieser Ziele quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegt, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen (Urteile Stoß u. a., Randnr. 83, und Zeturf, Randnr. 58).

72      Daher ist es grundsätzlich nicht nur mit dem Unionsrecht vereinbar, dem Inhaber eines Monopols gewisse Beschränkungen aufzuerlegen, sondern nach diesem Recht auch erforderlich. Die Beschränkungen müssen außerdem mit den unionsrechtlichen Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit vereinbar sein, insbesondere müssen sie gewährleisten können, dass die mit der Schaffung einer Monopolregelung verfolgten Ziele erreicht werden, und dürfen nicht über das dafür Erforderliche hinausgehen. Dies zu prüfen ist zwar Sache des vorlegenden Gerichts, doch können ihm die folgenden Hinweise dafür von Nutzen sein.

–       Zur Rechtsform und zur Höhe des Gesellschaftskapitals des Inhabers des Monopols

73      Aus § 14 Abs. 2 Z 1 und 3 GSpG ergibt sich, dass der Inhaber des Monopols für den Betrieb elektronischer Lotterien eine Kapitalgesellschaft sein und über ein eingezahltes Stamm- oder Grundkapital von mindestens 109 000 000 Euro verfügen muss.

74      Die österreichische Regierung macht geltend, dass das Rechtsformerfordernis dazu diene, den Inhaber des Monopols zu einer transparenten Unternehmensstruktur zu zwingen, um Geldwäsche und Betrug vorzubeugen. Das Unionsrecht sehe für den Bereich der Versicherungswirtschaft dasselbe Rechtsformerfordernis vor. Die Höhe des Gesellschaftskapitals sei im Hinblick auf die Höhe der Gewinne, die der Inhaber des Monopols im Rahmen der verschiedenen Spiele, die er über das Internet anbieten dürfe, möglicherweise auszahlen müsse und die einen Jackpot von mehreren Millionen umfassen könnten, verhältnismäßig.

75      Herr Dickinger und Herr Ömer tragen hingegen vor, die verlangte Höhe des Gesellschaftskapitals von 109 000 000 Euro sei vor dem Hintergrund, dass in Österreich von einem Kreditinstitut nur eine Kapitaldecke von 5 000 000 Euro gefordert werde, unverhältnismäßig.

76      Wie der Gerichtshof in Randnr. 30 des Urteils Engelmann entschieden hat, kann das Erfordernis einer bestimmten Rechtsform der Glücksspielanbieter wegen der Verpflichtungen, denen bestimmte Arten von Gesellschaften u. a. in Bezug auf ihre innere Organisation, ihre Buchführung, die Kontrollen, denen sie unterzogen werden können, und ihre Beziehungen zu Dritten unterliegen, durch das Ziel der Geldwäsche- und Betrugsvorbeugung, auf das sich die österreichische Regierung im vorliegenden Fall beruft, gerechtfertigt sein.

77      Auch kann sich das Erfordernis, über ein Gesellschaftskapital in einer bestimmten Höhe zu verfügen, als nützlich erweisen, um eine gewisse Finanzkraft des Anbieters zu gewährleisten und sicherzustellen, dass er in der Lage ist, die Verpflichtungen zu erfüllen, die er gegenüber Gewinnern haben könnte. Doch ist zu bedenken, dass die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes u. a. erfordert, dass die auferlegte Beschränkung nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Es wird Sache des vorlegenden Gerichts sein, die Verhältnismäßigkeit des fraglichen Erfordernisses in Anbetracht anderer Möglichkeiten, sicherzustellen, dass der Anbieter die Forderungen der Gewinner erfüllt, zu prüfen.

–       Zum Ort des Sitzes des Inhabers des Monopols

78      Nach § 14 Abs. 2 Z 1 GSpG muss der Inhaber des Monopols für Ausspielungen seinen Gesellschaftssitz im Inland haben.

79      Wie der Generalanwalt in Nr. 120 seiner Schlussanträge dargelegt hat, stellt dieses Erfordernis eine diskriminierende Beschränkung dar, die daher nur aus einem der in Art. 46 EG genannten Gründe, also dem Schutz der öffentlichen Ordnung, der Sicherheit oder der Gesundheit, gerechtfertigt werden kann.

80      Die österreichische Regierung ist der Auffassung, dass für eine wirksame Kontrolle des Online-Glücksspiels ein Gesellschaftssitz im Inland erforderlich sei. Die österreichischen Behörden verfügten bei in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Anbietern nicht über die gleichen Kontrollmöglichkeiten. Die Anwesenheit eines Staatskommissärs in den Aufsichtsgremien des Inhabers des Monopols nach § 19 Abs. 2 GSpG ermögliche den zuständigen nationalen Behörden, die Organbeschlüsse und die Geschäftsgebarung des Inhabers des Monopols effektiv zu überwachen. Diese Behörden seien so in der Lage, sich von diesen Beschlüssen vor ihrer Umsetzung Kenntnis zu verschaffen und sie zu beeinspruchen, wenn sie gegen die Ziele der nationalen Glücksspielpolitik verstießen. Gegenüber einem Anbieter, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sei, verfügten die Behörden nicht über die gleichen Möglichkeiten.

81      Wie in Randnr. 53 des vorliegenden Urteils festgestellt, machen Herr Dickinger, Herr Ömer und die maltesische Regierung indessen insbesondere unter Berufung auf § 14 Abs. 5 GSpG geltend, dass das Hauptziel der fraglichen Rechtsvorschriften die Erhöhung der durch die Glücksspiele erzielten Staatseinnahmen sei. Zwar ist für die Auslegung dieser Bestimmung der nationalen Rechtsvorschriften das vorlegende Gericht zuständig, doch ist festzustellen, dass ein Konzessionsvergabesystem, das sich auf das Kriterium der Einnahmenmaximierung für die Staatskasse gründet und die in anderen Mitgliedstaaten als der Republik Österreich ansässigen Anbieter allein deshalb systematisch benachteiligt, weil ein Anbieter, der seinen Gesellschaftssitz in Österreich hat, möglicherweise in Österreich mehr Steuern zahlt als ein Anbieter mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, nicht als mit dem Unionsrecht vereinbar angesehen werden kann.

82      Was insbesondere das Ziel der Kontrolle und Überwachung des Inhabers des Monopols und das von der österreichischen Regierung angeführte Argument angeht, es sei notwendig, u. a. durch die Anwesenheit von Staatskommissären, eine effiziente Kontrolle der Anbieter zu gewährleisten, ist zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung der Begriff der öffentlichen Ordnung zum einen eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung voraussetzt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und zum anderen eine enge Auslegung geboten ist, wenn eine Ausnahme von einem Grundprinzip des Vertrags gerechtfertigt werden soll (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Mai 1982, Adoui und Cornuaille, 115/81 und 116/81, Slg. 1982, 1665, Randnr. 8, Calfa, Randnrn. 21 und 23, vom 20. November 2001, Jany u. a., C‑268/99, Slg. 2001, I‑8615, Randnr. 59, und vom 22. Dezember 2008, Kommission/Österreich, C‑161/07, Slg. 2008, I‑10671, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

83      Daher ist es Sache des vorlegenden Gerichts, erstens zu entscheiden, ob die von der österreichischen Regierung geltend gemachten Ziele unter diesen Begriff fallen können, und gegebenenfalls zweitens, ob die im Ausgangsverfahren fragliche Verpflichtung in Bezug auf den Gesellschaftssitz den von der Rechtsprechung des Gerichtshofs vorgesehenen Kriterien der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit entspricht.

84      Das vorlegende Gericht wird u. a. zu prüfen haben, ob es andere, weniger restriktive Mittel gibt, um zu gewährleisten, dass die Tätigkeiten von in anderen Mitgliedstaaten als der Republik Österreich ansässigen Anbietern genauso kontrolliert werden können wie die Tätigkeiten der im Inland ansässigen Anbieter.

–       Zum Verbot, in anderen Mitgliedstaaten Filialbetriebe zu errichten

85      Nach § 15 Abs. 1 GSpG darf der Konzessionär keine Filialbetriebe außerhalb Österreichs errichten.

86      Die österreichische Regierung ist der Auffassung, dieses Verbot setze nur den Grundgedanken um, dass es dem einzelnen Mitgliedstaat zukomme, den Betrieb von Glücksspielen in seinem Hoheitsgebiet zu regeln.

87      Die Freiheit der einzelnen Mitgliedstaaten, den Betrieb von Glücksspielen in ihrem Hoheitsgebiet zu regeln, stellt jedoch für sich genommen kein legitimes Ziel des Allgemeininteresses dar, das eine Beschränkung der durch den Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten rechtfertigen könnte.

88      Demnach ist vor dem Gerichtshof kein stichhaltiger Rechtfertigungsgrund für das dem Inhaber des im Ausgangsverfahren fraglichen Monopols auferlegte Verbot, Filialbetriebe außerhalb Österreichs zu errichten, vorgetragen worden.

 Zur Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten durchgeführten Kontrollen der Glücksspielanbieter

89      Das vorlegende Gericht stellt im Kontext des Ausgangsverfahrens die Frage, ob die in anderen Mitgliedstaaten durchgeführten Kontrollen der Glücksspielanbieter für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, ein Monopol für Internet-Kasinospiele zu errichten, erheblich sind.

90      Dem Wortlaut der dritten Frage nach scheint das vorlegende Gericht zum einen davon auszugehen, dass den ordnungspolitischen Interessen, die vom Aufnahmemitgliedstaat, also der Republik Österreich, zur Rechtfertigung der im Ausgangsverfahren fraglichen Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs geltend gemacht werden, schon im Mitgliedstaat der Niederlassung, hier also der Republik Malta, ausreichend Rechnung getragen wird, und dass zum anderen die in diesem Staat geltenden Vorschriften jene des Aufnahmemitgliedstaats an Kontrolldichte sogar noch übertreffen.

91      Die maltesische Regierung macht in diesem Zusammenhang geltend, dass der maltesische Staat als erster eine spezielle Regelung zur Kontrolle und Überwachung der Veranstaltung von Internet-Glücksspielen erarbeitet habe, die einerseits zwar auf den gleichen Grundsätzen und Zielen wie die Vorschriften beruhe, mit denen die herkömmlichen Vertriebswege dieser Dienstleistungen geregelt würden, gleichzeitig aber mit dem Ziel konzipiert worden sei, den mit diesen modernen Betriebsformen verbundenen Gefahren zu begegnen. Die in Malta eingeführten Kontrollen gingen insbesondere über die oberflächliche Prüfung hinaus, die nach dem Sachverhalt in der Rechtssache, in der das Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International ergangen sei, in Gibraltar durchgeführt worden seien.

92      Ferner sind Herr Dickinger, Herr Ömer und die maltesische Regierung der Auffassung, dass die im Internet angebotenen Glücksspiele wegen der Nachvollziehbarkeit aller computergestützten Transaktionen auf eine effizientere Weise kontrolliert werden könnten als die über die herkömmlichen Vertriebswege angebotenen Spiele, wodurch insbesondere problematische oder verdächtige Vorgänge leicht entdeckt werden könnten. Da die Verbraucher außerdem für die Gewinnauszahlung über ein Bankkonto verfügen müssten, sei es möglich, mehr Transparenz zu gewährleisten als bei den herkömmlichen Zugangswegen für Spiele.

93      Die maltesischen Anbieter der bet‑at‑home.com-Gruppe seien strengen Zugangskontrollen unterzogen worden, die eine Prüfung ihrer beruflichen Fähigkeiten und ihrer Unbescholtenheit umfasst hätten. Diese Anbieter blieben der fortgesetzten Kontrolle und Überwachung durch die hierfür zuständige maltesische Regulierungsbehörde wie insbesondere die Lotteries and Gaming Authority unterworfen. Diese habe stets moderne und wirksame Regulierungssysteme angewandt, die die Kontrolle der beteiligten Personen und der vom Anbieter eingesetzten Systeme und Verfahren umfasst habe.

94      Herr Dickinger, Herr Ömer und die maltesische Regierung berufen sich auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach es nicht mit dem freien Dienstleistungsverkehr vereinbar ist, wenn einem Dienstleistenden zum Schutz allgemeiner Interessen Beschränkungen auferlegt werden, soweit diese Interessen bereits durch die Vorschriften geschützt werden, denen der Dienstleistende in dem Mitgliedstaat unterliegt, in dem er ansässig ist (vgl. u. a. Urteile vom 17. Dezember 1981, Webb, 279/80, Slg. 1981, 3305, Randnr. 17, vom 23. November 1999, Arblade u. a., C‑369/96 und C‑376/96, Slg. 1999, I‑8453, Randnrn. 34 und 35, und vom 22. Januar 2002, Canal Satélite Digital, C‑390/99, Slg. 2002, I‑607, Randnr. 38).

95      Sie machen deshalb geltend, dass die Eignung der maltesischen Tochtergesellschaften für ihr Gewerbe und ihre Redlichkeit bei dessen Ausübung bereits durch die Kontrollen gewährleistet würden, denen sie in Malta unterlägen, und es deshalb gegen Art. 49 EG verstoße, dass die österreichischen Behörden sie unter Berufung auf das angeblich verfolgte Ziel des Schutzes der Spieler vor Betrug der Glücksspielanbieter vom österreichischen Markt ausschlössen.

96      Zunächst ist zu beachten, dass es beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts keine Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der von den verschiedenen Mitgliedstaaten erteilten Erlaubnisse geben kann (Urteil Stoß u. a., Randnr. 112). In Anbetracht der fehlenden Harmonisierung der Regelung des Glücksspielsektors auf Unionsebene und angesichts der wesentlichen Unterschiede zwischen den mit den Regelungen der verschiedenen Mitgliedstaaten verfolgten Zielen und den mit ihnen angestrebten Schutzniveaus kann der Umstand allein, dass ein Wirtschaftsteilnehmer Dienstleistungen in dem Mitgliedstaat, in dem er niedergelassen ist und in dem er grundsätzlich bereits rechtlichen Anforderungen und Kontrollen durch die zuständigen Behörden dieses Mitgliedstaats unterliegt, rechtmäßig anbietet, nicht als hinreichende Garantie für den Schutz der nationalen Verbraucher vor den Gefahren des Betrugs und anderer Straftaten angesehen werden, wenn man die Schwierigkeiten berücksichtigt, denen sich die Behörden des Sitzmitgliedstaats in einem solchen Fall bei der Beurteilung der Eignung der Anbieter für ihr Gewerbe und ihrer Redlichkeit bei dessen Ausübung gegenübersehen können (Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnr. 69).

97      Wie in Randnr. 46 des vorliegenden Urteils ausgeführt, kann zudem allein der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen haben, die allein im Hinblick auf die von den zuständigen Stellen des betroffenen Mitgliedstaats verfolgten Ziele und das von ihnen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen sind.

98      Die verschiedenen Mitgliedstaaten verfügen nämlich nicht zwangsläufig alle über die gleichen technischen Mittel für die Kontrolle von Online-Glücksspielen und treffen insoweit nicht unbedingt die gleichen Entscheidungen. Zwar hat die maltesische Regierung vorgetragen, dass die Republik Malta als erster Mitgliedstaat ein spezielles Regulierungssystem zur Kontrolle und Überwachung von Internet-Glücksspielen erarbeitet habe, doch lässt der Umstand, dass die Verbraucher durch die Verwendung von technisch hochentwickelten Kontroll- und Überwachungssystemen in einem gegebenen Mitgliedstaat vor Betrug des Anbieters besonders geschützt werden können, nicht den Schluss zu, dass dies in anderen Mitgliedstaaten, die nicht über diese technischen Mittel verfügen oder nicht dieselben Entscheidungen getroffen haben, auf dem gleichen Niveau möglich ist. Zudem kann ein Mitgliedstaat eine wirtschaftliche Tätigkeit in seinem Hoheitsgebiet aus guten Gründen überwachen wollen, was ihm nicht möglich wäre, wenn er sich auf die Kontrollen verlassen müsste, die von den Behörden eines anderen Mitgliedstaats anhand von Regulierungssystemen durchgeführt werden, die er selbst nicht beherrscht.

99      Folglich findet die von Herrn Dickinger, Herrn Ömer und der maltesischen Regierung angeführte Rechtsprechung, wonach es nicht mit Art. 49 EG vereinbar ist, wenn einem Dienstleistenden zum Schutz allgemeiner Interessen Beschränkungen auferlegt werden, soweit diese Interessen bereits durch die Vorschriften des Sitzmitgliedstaats geschützt werden, beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung des Unionsrechts in einem Bereich wie dem des Glücksspiels, der auf Unionsebene nicht harmonisiert ist und in dem die Mitgliedstaaten in Bezug auf die von ihnen verfolgten Ziele und das von ihnen angestrebte Schutzniveau über einen weiten Wertungsspielraum verfügen, keine Anwendung.

100    Daher ist auf die erste und die dritte Frage zu antworten, dass Art. 49 EG dahin auszulegen ist,

a)      dass ein Mitgliedstaat, der bestrebt ist, ein besonders hohes Schutzniveau für Verbraucher im Glücksspielsektor zu gewährleisten, Grund zu der Annahme haben kann, dass nur die Errichtung eines Monopols zugunsten einer einzigen Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, ihm erlaubt, die Kriminalität in diesem Sektor zu beherrschen und das Ziel, Anreize für übermäßige Spielausgaben zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, hinreichend wirksam zu verfolgen;

b)      dass, um mit den Zielen der Kriminalitätsbekämpfung und der Verringerung der Spielgelegenheiten im Einklang zu stehen, eine nationale Regelung, mit der ein Glücksspielmonopol errichtet wird, das dem Inhaber des Monopols ermöglicht, eine Expansionspolitik zu verfolgen,

–        auf der Feststellung beruhen muss, dass kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats ein Problem darstellen, dem eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten abhelfen könnte, und

–        nur den Einsatz maßvoller Werbung zulassen darf, die eng auf das begrenzt bleibt, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielenetzwerken zu lenken;

c)      dass der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen haben kann, die allein im Hinblick auf die von den zuständigen Stellen des betroffenen Mitgliedstaats verfolgten Ziele und das von ihnen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen sind.

 Kosten

101    Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Das Unionsrecht und insbesondere Art. 49 EG stehen einer Regelung, die den Verstoß gegen ein Betriebsmonopol für Glücksspiele wie das in der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung vorgesehene Betriebsmonopol für Internet-Kasinospiele unter Strafe stellt, entgegen, wenn eine solche Regelung nicht mit den Bestimmungen dieses Rechts vereinbar ist.

2.      Art. 49 EG ist dahin auszulegen, dass er auf Glücksspieldienstleistungen anwendbar ist, die im Hoheitsgebiet eines Aufnahmemitgliedstaats von einem Wirtschaftsteilnehmer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat über das Internet angeboten werden, obwohl dieser Wirtschaftsteilnehmer

–        sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten EDV-Infrastruktur wie etwa einem Server ausgestattet hat und

–        EDV-Supportleistungen eines im Aufnahmemitgliedstaat ansässigen Dienstleisters in Anspruch nimmt, um seine Dienstleistungen Verbrauchern zu erbringen, die ebenfalls in diesem Mitgliedstaat ansässig sind.

3.      Art. 49 EG ist dahin auszulegen,

a)      dass ein Mitgliedstaat, der bestrebt ist, ein besonders hohes Schutzniveau für Verbraucher im Glücksspielsektor zu gewährleisten, Grund zu der Annahme haben kann, dass nur die Errichtung eines Monopols zugunsten einer einzigen Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, ihm erlaubt, die Kriminalität in diesem Sektor zu beherrschen und das Ziel, Anreize für übermäßige Spielausgaben zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, hinreichend wirksam zu verfolgen;

b)      dass, um mit den Zielen der Kriminalitätsbekämpfung und der Verringerung der Spielgelegenheiten im Einklang zu stehen, eine nationale Regelung, mit der ein Glücksspielmonopol errichtet wird, das dem Inhaber des Monopols ermöglicht, eine Expansionspolitik zu verfolgen,

–        auf der Feststellung beruhen muss, dass kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats ein Problem darstellen, dem eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten abhelfen könnte, und

–        nur den Einsatz maßvoller Werbung zulassen darf, die eng auf das begrenzt bleibt, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielenetzwerken zu lenken;

c)      dass der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen haben kann, die allein im Hinblick auf die von den zuständigen Stellen des betroffenen Mitgliedstaats verfolgten Ziele und das von ihnen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen sind.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.

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