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Document 62009CJ0433

Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 22. Dezember 2010.
Europäische Kommission gegen Republik Österreich.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Steuerrecht - Richtlinie 2006/112/EG - Mehrwertsteuer - Besteuerungsgrundlage - Abgabe auf die Lieferung von im betreffenden Mitgliedstaat noch nicht zugelassenen Fahrzeugen nach ihrem Wert und ihrem durchschnittlichen Verbrauch - Normverbrauchsabgabe.
Rechtssache C-433/09.

European Court Reports 2010 I-00181*

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2010:817

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

22. Dezember 2010(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Steuerrecht – Richtlinie 2006/112/EG – Mehrwertsteuer – Besteuerungsgrundlage – Abgabe auf die Lieferung von im betreffenden Mitgliedstaat noch nicht zugelassenen Fahrzeugen nach ihrem Wert und ihrem durchschnittlichen Verbrauch – Normverbrauchsabgabe“

In der Rechtssache C‑433/09

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 4. November 2009,

Europäische Kommission, vertreten durch D. Triantafyllou als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Republik Österreich, vertreten durch E. Riedl und C. Pesendorfer als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts sowie der Richter D. Šváby (Berichterstatter), G. Arestis, J. Malenovský und T. von Danwitz,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Republik Österreich gegen ihre Pflichten aus den Art. 78 und 79 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1) verstoßen hat, indem sie die Normverbrauchsabgabe (im Folgenden: NoVA) in die Bemessungsgrundlage der in Österreich bei der Lieferung eines Kraftfahrzeugs erhobenen Mehrwertsteuer einbezogen hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

2        Art. 73 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:

„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.“

3        Art. 78 Abs. 1 der Richtlinie sieht vor:

„In die Steuerbemessungsgrundlage sind folgende Elemente einzubeziehen:

a)      Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst;

…“

4        In Art. 79 der Richtlinie heißt es:

„In die Steuerbemessungsgrundlage sind folgende Elemente nicht einzubeziehen:

c)      Beträge, die ein Steuerpflichtiger vom Erwerber oder vom Dienstleistungsempfänger als Erstattung der in ihrem Namen und für ihre Rechnung verauslagten Beträge erhält und die in seiner Buchführung als durchlaufende Posten behandelt sind.

Der Steuerpflichtige muss den tatsächlichen Betrag der in Absatz 1 Buchstabe c genannten Auslagen nachweisen und darf die Mehrwertsteuer, die auf diese Auslagen gegebenenfalls erhoben worden ist, nicht als Vorsteuer abziehen.“

 Nationales Recht

5        Gemäß § 4 Abs. 1 und 10 des Umsatzsteuergesetzes 1994 (BGBl 1994/663) in der durch das Bundesgesetz vom 30. Dezember 2003 (BGBl I 2003/134) geänderten Fassung (im Folgenden: UStG) ist Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer das Entgelt, ausgenommen die Umsatzsteuer. Dazu wird in Rz. 643 der Umsatzsteuerrichtlinien 2000 konkretisiert, dass diese Bemessungsgrundlage andere Abgaben, u. a. die NoVA, umfasst.

6        § 1 des Normverbrauchsabgabegesetz (BGBl 1991/659) in der Fassung des Gesetzes vom 23. Mai 2007 (BGBl I 2007/24) (im Folgenden: NoVAG) bestimmt:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

1.      Die Lieferung von bisher im Inland nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen, die ein Unternehmer … im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt …

3.      Die erstmalige Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr im Inland, sofern die Steuerpflicht nicht bereits nach Z 1 … eingetreten ist oder nach Eintreten der Steuerpflicht eine Vergütung nach § 12 oder § 12a erfolgt ist. Als erstmalige Zulassung gilt auch die Zulassung eines Fahrzeuges, das bereits im Inland zugelassen war, aber nicht der Normverbrauchsabgabe unterlag oder befreit war sowie die Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre, ausgenommen es wird ein Nachweis über die Entrichtung der Normverbrauchsabgabe erbracht.

4.      Die Lieferung, der Eigenverbrauch durch Entnahme (§ 3 Abs. 2 UStG …) und die Änderung der begünstigten Nutzung von nach § 3 Z 3 befreiten Kraftfahrzeugen, weiters der Wegfall der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 3 Z 4.

…“

7        Als Kraftfahrzeuge gelten nach § 2 Z 1 und 2 NoVAG Krafträder und Personenkraftwagen nach Maßgabe der dort näher angeführten Positionen der zolltariflichen Einreihung nach der Kombinierten Nomenklatur.

8        § 3 NoVAG bestimmt:

„Von der [NoVA] befreit sind:

1.      Ausfuhrlieferungen. § 6 Abs. 1 Z 1 und § 7 [UStG] sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass als Ausfuhrlieferungen auch Lieferungen in das übrige Gemeinschaftsgebiet (§ 1 Abs. 1 [UStG]) gelten. Voraussetzung für die Befreiung ist die Bekanntgabe der Fahrgestellnummer (der Fahrzeugidentifizierungsnummer) und die Sperre des Fahrzeuges in der Genehmigungsdatenbank nach § 30a KFG 1967.

3.      Vorgänge in Bezug auf

–        Vorführkraftfahrzeuge,

–        Fahrschulkraftfahrzeuge,

–        Miet-, Taxi- und Gästewagen,

–        Kraftfahrzeuge, die zur kurzfristigen Vermietung verwendet werden,

–        Kraftfahrzeuge, die für Zwecke der Krankenbeförderung und im Rettungswesen verwendet werden,

–        Leichenwagen,

–        Einsatzfahrzeuge der Feuerwehren und

–        Begleitfahrzeuge für Sondertransporte.

Die Befreiung erfolgt im Wege der Vergütung (§ 12 Abs. 1 Z 3). Voraussetzung ist, dass der begünstigte Verwendungszweck nachgewiesen wird.

…“

9        § 4 des NoVAG bestimmt:

„Abgabenschuldner ist

1.      in den Fällen der Lieferung (§ 1 Z 1 und 4), des Eigenverbrauchs und der Nutzungsänderung (§ 1 Z 4) der Unternehmer, der die Lieferung ausführt oder einen der sonstigen Tatbestände des § 1 Z 4 setzt.

…“

10      § 12 NoVAG lautet:

„(1)      Eine von einem Unternehmer zu entrichtende Abgabe ist dem Empfänger der Leistung auf Antrag zu vergüten, wenn

1.      feststeht, dass eine Zulassung zum Verkehr im Inland aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht oder nicht mehr in Betracht kommt oder

2.      innerhalb von fünf Jahren ab der Lieferung tatsächlich keine Zulassung erfolgt ist oder

3.      eine Steuerbefreiung gemäß § 3 Z 3 vorliegt.

…“

11      § 12a NoVAG bestimmt:

„Wird ein Fahrzeug

–        durch den Zulassungsbesitzer selbst nachweisbar ins Ausland verbracht

–        nach Beendigung der gewerblichen Vermietung im Inland durch den Vermieter nachweisbar ins Ausland verbracht oder geliefert

–        durch einen befugten Fahrzeughändler nachweisbar ins Ausland verbracht oder geliefert

–        durch einen Unternehmer, der das Fahrzeug überwiegend betrieblich genutzt hat, nachweisbar ins Ausland verbracht oder geliefert,

dann wird die Abgabe vom gemeinen Wert zum Zeitpunkt der Beendigung der Zulassung zum Verkehr im Inland vergütet.

…“

 Vorverfahren

12      Am 29. Juni 2007 richtete die Kommission ein Aufforderungsschreiben an die Republik Österreich, in dem sie zum einen die Ansicht vertrat, dass die Einbeziehung der NoVA in die Bemessungsgrundlage der in Österreich bei der Lieferung eines Kraftfahrzeugs erhobenen Umsatzsteuer gegen die Art. 78 und 79 der Richtlinie 2006/112 verstoße und diesen Mitgliedstaat zum anderen aufforderte, sich dazu zu äußern.

13      Am 30. August 2007 teilte die Republik Österreich der Kommission mit, dass die NoVA keine Zulassungsabgabe sei.

14      Angesichts dieser Antwort gab die Kommission am 31. Januar 2008 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, die die Republik Österreich mit Schreiben vom 3. April 2008 und ergänzender Stellungnahme vom 4. Juli 2008 beantwortete.

15      Da die Kommission diese Antwort nicht für zufrieden stellend hielt, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

 Zur Klage

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

16      Die Kommission wirft der Republik Österreich vor, die NoVA auf Lieferungen von Fahrzeugen in Österreich – mit Ausnahme der NoVA auf den innergemeinschaftlichen Erwerb und die Einfuhr von Fahrzeugen – in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer einzubeziehen, weil die NoVA mit der Zulassung dieser Fahrzeuge und nicht mit deren Lieferung im Zusammenhang stehe.

17      Ihrer Ansicht nach entspricht die NoVA im Wesentlichen der Registeringsafgift af motorkøretøjer, einer dänischen Abgabe, die Gegenstand der mit Urteil vom 1. Juni 2006, De Danske Bilimportører (C‑98/05, Slg. 2006, I‑4945), entschiedenen Rechtssache war. Daher seien die in dieser Rechtssache entwickelten Kriterien und das Ergebnis auf die NoVA anzuwenden.

18      In diesem Zusammenhang trägt die Kommission erstens vor, dass diese beiden Steuern an die Zulassung von Fahrzeugen anknüpften, um deren Nutzung auf öffentlichen Straßen zu ermöglichen, und dass die Unterschiede zwischen diesen Steuern geringfügig oder unerheblich seien und keinen Einfluss auf ihre Einstufung und ihre Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer hätten. In diesem Sinne verweist sie auf das Urteil vom 4. Februar 1988, Kommission/Belgien (391/85, Slg. 1988, 579), und folgert, dass ein „lediglich steuertechnischer Faktor“ wie der von der Republik Österreich vorgetragene Umstand, dass die Zulassung nicht förmlich als Entstehungstatbestand in den Vorschriften über die NoVA festgelegt worden sei, die Einstufung als an die Zulassung anknüpfende Steuer nicht ausschließen könne, ohne zu einer ungleichen Behandlung der Endverbraucher in der Europäischen Union zu führen, was mit dem Ziel der Richtlinie 2006/112 unvereinbar sei.

19      Dieses Ergebnis werde bestätigt durch das Urteil vom 29. April 2004, Weigel (C‑387/01, Slg. 2004, I‑4981), in dem festgestellt worden sei, dass die NoVA aufgrund der Erstzulassung erhoben werde, und durch das Antwortschreiben der Republik Österreich vom 3. April 2008 an die Kommission. In diesem Zusammenhang könne der Umstand, dass bei der Einfuhr, der Lieferung oder der erstmaligen Zulassung eines Sammlerkraftfahrzeuges keine NoVA-Schuld begründet werde, an der grundsätzlichen Natur der NoVA nichts ändern. Die Verknüpfung mit der Zulassung lasse sich aus § 1 Z 3 NoVAG ableiten, der die Zulassung als Entstehungstatbestand der NoVA bei der Einfuhr, aber auch bei der Überführung eines Gebrauchtwagens als Übersiedlungsgut nach Österreich nenne. Diese Feststellung werde auch durch die §§ 12 und 12a NoVAG bestätigt, die die Vergütung dieser Steuer u. a. in dem Fall vorsähen, dass keine Zulassung erfolge oder das Kraftfahrzeug ins Ausland verbracht werde, auch wenn andere begünstigte Nutzungen in Ausnahmefällen zu einer Vergütung der NoVA führten. Im Übrigen sei seit dem 1. August 2008 die Zulassung eines Fahrzeugs ohne vorherige Zahlung der NoVA nicht mehr möglich.

20      Außerdem macht sie geltend, dass die NoVA keine Liefersteuer sei, da sie einmalig vor der Zulassung als Voraussetzung für diese und ungeachtet der Zahl der Verkäufe, deren Gegenstand das Fahrzeug gegebenenfalls gewesen sein könnte, erhoben werde.

21      Zweitens trägt die Kommission vor, dass die NoVA dadurch, dass nicht der Käufer, sondern der Händler als Abgabenschuldner bezeichnet werde, in keiner Weise ihren Charakter als Zulassungssteuer verliere. Dazu trägt sie zunächst unter Verweisung auf das Urteil Kommission/Belgien vor, dass dieser Gesichtspunkt „lediglich ein steuertechnischer Faktor“ sei, der die Natur dieser Steuer nicht verändern könne. Wie die Registeringsafgift af motorkøretøjer werde die NoVA letztlich vom Endverbraucher getragen. Dies werde dadurch bestätigt, dass in Bezug auf die Zahlung der NoVA auf Fahrzeuge, die Gegenstand eines innergemeinschaftlichen Erwerbs oder einer Einfuhr gewesen seien, Steuerschuldner der Zulassungswerber sei. Zudem sei im Fall der Vergütung der NoVA Antragsteller und Vergütungsberechtigter der Zulassungsbesitzer und nicht der Lieferer.

22      Drittens ist die Kommission der Ansicht, dass das Urteil vom 13. Juli 1989, Wisselink u. a. (93/88 und 94/88, Slg. 1989, 2671), über eine niederländische Verbrauchsteuer auf Personenkraftwagen (Bijzondere Verbruiksbelasting van personenauto’s, im Folgenden: BVB) im vorliegenden Fall nicht einschlägig sei. Zum einen betreffe dieses Urteil ausschließlich die Beurteilung dieser Steuer im Hinblick auf die Mehrwertsteuer, ohne ihre Einbeziehung oder Nichteinbeziehung in die Mehrwertsteuer-Bemessungsgrundlage zu beurteilen. Zum anderen seien die Verweisungen des Gerichtshofs auf die Einbeziehung dieser Steuer in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer reine obiter dicta und nicht Gegenstand des Urteils, da der Gerichtshof keine vollständige Bewertung der BVB als Zulassungssteuer vorgenommen habe.

23      Viertens sieht die Kommission ihre Beurteilung durch die Aufnahme der NoVA in das Verzeichnis der Zulassungssteuern in Anhang II des Vorschlags der Kommission für eine Richtlinie des Rates über die Besteuerung von Personenkraftwagen (KOM[2005] 261 endg.) durch das Verhalten der Vertreter der Republik Österreich während des Verfahrens zur Annahme dieses Vorschlags und durch die Internetseite der österreichischen Regierung, auf der eine umfassende Darstellung der NoVA vorgenommen und die NoVA mit der erstmaligen Zulassung eines Fahrzeugs in Österreich verknüpft werde, bestätigt.

24      In Beantwortung der vom Gerichtshof nach der Verkündung des Urteils vom 20. Mai 2010, Kommission/Polen (C‑228/09), gestellten Fragen hat die Kommission vorgetragen, dass die NoVA nicht mit der Steuer verglichen werden könne, zu der dieses Urteil ergangen sei.

25      Die Republik Österreich macht geltend, dass die NoVA als Abgabe im Sinne des Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 zu qualifizieren und demnach in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer einzubeziehen sei.

26      Dazu trägt sie vor, dass die Erwägungen, die dem Urteil De Danske Bilimportører zugrunde lägen, nicht auf die vorliegende Rechtssache übertragen werden könnten, da sich die NoVA und die Registeringsafgift af motorkøretøjer in Bezug auf ihren Steuertatbestand und die Steuerschuldner eindeutig voneinander unterschieden. Im Gegensatz zur Registeringsafgift af motorkøretøjer, die nicht erhoben werde, wenn ein Kraftfahrzeug zu einem anderen Zweck als dem der Verwendung in den der dänischen Straßenverkehrsordnung unterstehenden Gebieten gekauft worden sei, verpflichte das NoVAG den Händler zur Abfuhr der NoVA, unabhängig davon, ob das Kraftfahrzeug im Anschluss an die Lieferung zum Verkehr zugelassen werde oder nicht.

27      Erstens sei Entstehungstatbestand der NoVA nicht die Zulassung des Fahrzeugs, sondern seine Lieferung, wie der Wortlaut des § 1 Z 1 und 4 des NoVAG belege. Diese Schlussfolgerung werde durch § 1 Z 3 dieses Gesetzes nicht in Frage gestellt, der auf die erstmalige Zulassung verweise, da § 1 Z 3 zum einen nur im Fall des Eigenimports, des Übersiedlungsguts und in ähnlichen Sonderfällen gelte und er zum anderen weniger als 10 % der Fälle betreffe, in denen NoVA gezahlt werde. In Bezug auf § 1 Z 3 habe sich der österreichische Gesetzgeber außerdem aus praktischen Erwägungen dafür entschieden, die NoVA nicht bei der Einfuhr, sondern bei der Zulassung zu erheben, weil verschiedene Behörden mit der Erhebung der Mehrwertsteuer und der NoVA betraut seien. Im Übrigen trägt die Republik Österreich unter Verweisung auf §§ 2 Z 2 und 3 Z 3 NoVAG vor, dass es zahlreiche Fälle der Zulassung gebe, bei denen keine NoVA gezahlt werde (Sammlerfahrzeuge, Lastkraftwagen, Klein-LKWs, Omnibusse, Anhänger, Krafträder bis zu 125 cm3) oder die NoVA vollständig oder teilweise rückvergütet werde (u. a. Vorführkraftfahrzeuge, Fahrschulkraftfahrzeuge, Mietwagen, Taxis).

28      Was zweitens den Abgabenschuldner der NoVA angeht, trägt die Republik Österreich vor, dass dies der Unternehmer sei, der die Lieferung ausführe, und nicht der Kunde, der das Kraftfahrzeug erwerbe, und dass der Händler die NoVA immer im eigenen Namen und für eigene Rechnung an die Behörde abführen müsse. Unter Verweisung auf die Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in der Rechtssache De Danske Bilimportører macht dieser Mitgliedstaat geltend, dass dieser Gesichtspunkt für die Qualifikation eines Betrags als Abgabe im Sinne von Art. 78 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 entscheidend sei. In diesem Zusammenhang schließt die Republik Österreich aus, dass die Wahl des Abgabenschuldners der NoVA als „lediglich steuertechnischer Faktor“ im Sinne des Urteils Kommission/Belgien aufgefasst werden könne und demnach vernachlässigbar sei.

29      In diesem Sinne sei die NoVA der BVB ähnlich, die Gegenstand der mit dem Urteil Wisselink u. a. entschiedenen Rechtssache gewesen sei, in dem der Gerichtshof die Abgabe als Verbrauchsteuer qualifiziert habe und keine Bedenken hinsichtlich ihrer Einbeziehung in die Mehrwertsteuer-Bemessungsgrundlage geäußert habe.

30      Im Übrigen werde durch diese Einbeziehung Gleichbehandlung bei der Weiterveräußerung eines gebrauchten Fahrzeugs gesichert, bei der die NoVA, die in die Mehrwertsteuer-Bemessungsgrundlage eingehe, unweigerlich einen Preisbestandteil bilde, ebenso wie bei Leasingfällen.

31      Die Kommission könne nicht mit dem Verhalten der Vertreter der Republik Österreich im Rahmen des Verfahrens über die Annahme des in Randnr. 23 des vorliegenden Urteils angeführten Vorschlags für eine Richtlinie des Rates argumentieren. Sie könne auch aus einer allgemeinen Darstellung dieser Abgabe, die auf einer Internetseite der österreichischen Regierung veröffentlicht worden sei, keine Rückschlüsse auf die Vereinbarkeit der Einbeziehung der NoVA in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer mit der Richtlinie 2006/112 ziehen.

32      In Beantwortung der Fragen, die der Gerichtshof ihr im Anschluss an das Urteil Kommission/Polen gestellt hat, bemerkt die Republik Österreich, dass die österreichische Rechtslage mit der polnischen ident sei, zu der der Gerichtshof entschieden habe, der von der Kommission erhobenen Vertragsverletzungsklage wegen der Einbeziehung der in diesem Verfahren fraglichen Steuer in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer nicht stattzugeben.

 Würdigung durch den Gerichtshof

33      Zunächst ist festzustellen, dass Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 vorsieht, dass bei der Lieferung von Gegenständen „Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst“ in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen sind.

34      Dazu hat der Gerichtshof ausgeführt, dass Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben, damit sie in die Bemessungsgrundlage eingehen können, obwohl sie keinen Mehrwert darstellen und nicht die wirtschaftliche Gegenleistung für die Lieferung des Gegenstands darstellen, in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Lieferung stehen müssen (Urteil Kommission/Polen, Randnr. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Folglich würde, wenn – wie die Kommission vorträgt – der Hauptentstehungstatbestand der streitigen Abgabe die erste Zulassung des Fahrzeugs im Inland ist, der unmittelbare Zusammenhang zwischen der Lieferung und dieser Abgabe fehlen, so dass die Einbeziehung der Abgabe in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer mit den Bestimmungen der Richtlinie 2006/112, die in Randnr. 33 des vorliegenden Urteils angeführt worden sind, nicht vereinbar wären.

36      Der Entstehungstatbestand der NoVA ist daher in der Weise festzustellen, dass die objektiven Merkmale dieser Abgabe bestimmt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Wisselink u. a., Randnr. 10), ohne dass Gesichtspunkte herangezogen werden, die keinen Bezug zu dieser Analyse haben, wie etwa der Umstand, dass der betreffende Mitgliedstaat der Aufnahme der NoVA in das Verzeichnis der Zulassungssteuern in Anhang II des Vorschlags für eine Richtlinie des Rates, der in den Randnrn. 23 und 31 des vorliegenden Urteils angeführt worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Polen, Randnr. 50), nicht widersprochen haben soll, oder auch, dass eine umfassende Darstellung der streitigen Abgabe auf der Internetseite der Regierung veröffentlicht worden ist.

37      In diesem Zusammenhang ist entgegen dem Vorbringen der Republik Österreich festzustellen, dass aus dem Wortlaut von § 1 NoVAG nicht abgeleitet werden kann, dass Entstehungstatbestand der NoVA die Lieferung eines in § 2 dieses Gesetzes definierten Kraftfahrzeugs ist.

38      § 1 Z 1 NoVAG nennt zwar als Entstehungstatbestand der NoVA die Lieferung eines solchen Fahrzeugs, es ist jedoch festzustellen, dass dieselbe Bestimmung voraussetzt, dass dieses Fahrzeug noch nicht in Österreich zugelassen ist. Im gleichen Sinne ist der in § 1 Z 3 NoVAG angeführte Entstehungstatbestand der NoVA nicht die Lieferung dieses Fahrzeugs, sondern seine erstmalige Zulassung, was der Gerichtshof in Bezug auf die Einfuhr bereits in Randnr. 47 des Urteils Weigel festgestellt hat.

39      Im Übrigen geht aus § 12 Abs. 1 NoVAG, wonach die NoVA vergütet wird, wenn keine Zulassung erfolgt, hervor, dass die erstmalige Zulassung von in § 2 NoVAG genannten Fahrzeugen in Österreich der Entstehungstatbestand dieser Abgabe ist und nicht die Lieferung.

40      Zum einen setzt nämlich die Lieferung eines Fahrzeugs in Österreich nicht zwingend die Zahlung der NoVA voraus (vgl. entsprechend Urteil De Danske Bilimportører, Randnr. 19). In diesem Sinne wird beim Kauf eines nicht zugelassenen Fahrzeugs zu einem anderen Zweck als der Nutzung im Verkehr in Österreich keine NoVA erhoben, wie die Republik Österreich in ihrer Klagebeantwortung einräumt. Davon sind z. B. die Lieferung von Fahrzeugen, die zur Verbringung außerhalb Österreichs bestimmt sind (§ 3 Abs. 1 NoVAG) oder die Straßeninfrastruktur nicht in Anspruch nehmen, betroffen. Zum anderen kann die NoVA zu entrichten sein, wenn keine Lieferung erfolgt (vgl. entsprechend Urteil De Danske Bilimportører, Randnr. 20). Das ist in einigen der in § 1 Z 4 NoVAG angeführten Fällen und, wie die Republik Österreich in ihrer Antwort auf die vom Gerichtshof gestellten Fragen bestätigt, bei der Überführung eines Gebrauchtfahrzeugs anlässlich des Umzugs aus einem anderen Mitgliedstaat nach Österreich der Fall.

41      Was die Person des Abgabenschuldners der NoVA angeht, ist zwar laut § 4 NoVAG der Händler für die Zahlung der Abgabe den zuständigen Finanzbehörden gegenüber verantwortlich. Der Händler wälzt den Abgabenbetrag jedoch auf den Käufer des Fahrzeugs über. Demnach ist bei der NoVA, ebenso wie bei der Steuer, die Gegenstand der mit dem Urteil De Danske Bilimportører entschiedenen Rechtssache war, der wirtschaftliche Abgabenschuldner der Käufer (vgl. in diesem Sinne Urteil De Danske Bilimportører, Randnr. 27).

42      In diesem Zusammenhang ist auch der Umstand bedeutsam, dass nach § 12 Abs. 1 NoVAG der Antragsteller und Vergütungsberechtigte einer eventuellen Vergütung der NoVA der „Empfänger der Leistung“ und nicht der Händler ist.

43      Folglich ist festzustellen, dass – wie die Kommission geltend macht – das NoVAG einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der NoVA und der Zulassung herstellt und dass diese Abgabe nicht mit der BVB gleichgesetzt werden kann, die Gegenstand der mit dem Urteil Wisselink u. a entschiedenen Rechtssache war und die mit der Lieferung eines Fahrzeugs verbunden war.

44      Dieses Ergebnis kann auch nicht durch den von der Republik Österreich vorgetragenen Umstand in Frage gestellt werden, dass zahlreiche Fahrzeuge zugelassen seien, ohne dass NoVA erhoben worden sei. Dazu ist festzustellen, dass der Umstand, dass bestimmte Arten von Fahrzeugen nicht in den in § 2 NoVAG definierten Anwendungsbereich der NoVA fallen, nicht dem Befund entgegensteht, dass der Entstehungstatbestand der NoVA für Fahrzeuge, die erstmalige Zulassung im Inland ist. Außerdem entsprechen die Befreiungstatbestände in § 3 Z 3 NoVAG Situationen, die nicht typisch genug sind, um für die Beurteilung des Wesens der NoVA herangezogen zu werden.

45      Darüber hinaus kann die Behauptung der Republik Österreich, dass der Händler die NoVA im Anschluss an die Lieferung unabhängig davon zu entrichten habe, ob das Fahrzeug zugelassen sei oder nicht, nicht die Tatsache in Frage stellen, dass sich die NoVA deutlich von der Steuer unterscheidet, die Gegenstand der mit dem Urteil Kommission/Polen entschiedenen Rechtssache war. Denn auch wenn die Lieferung eines Kraftfahrzeugs zur Entrichtung der NoVA führt, wird diese Abgabe unter den Voraussetzungen von § 12 NoVAG dem Erwerber vergütet, wenn der Lieferung keine Zulassung in Österreich folgt. Die im Urteil Kommission/Polen in Rede stehende Steuer wurde hingegen weiterhin geschuldet, auch wenn dem Erwerb des Kraftfahrzeugs keine Zulassung dieses Fahrzeugs in Polen folgte (Urteil Kommission/Polen, Randnr. 43).

46      Daraus folgt, dass die Einbeziehung der NoVA in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer gegen Art. 78 der Richtlinie 2006/112 verstößt.

47      Der Klage der Kommission ist daher stattzugeben, soweit sie auf Art. 78 der Richtlinie 2006/112 gestützt ist.

48      Dagegen hat die Kommission nicht nachgewiesen, dass die Republik Österreich gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 79 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 verstoßen hat. Denn nach dieser Bestimmung sind Beträge, die ein Steuerpflichtiger vom Erwerber oder vom Dienstleistungsempfänger als Erstattung der in ihrem Namen und für ihre Rechnung verauslagten Beträge erhält, von der Steuerbemessungsgrundlage auszuschließen. Die vom Abgabenpflichtigen der NoVA verauslagten Beträge können jedoch nicht als im Namen des Erwerbers entrichtet betrachtet werden, auch wenn sie für seine Rechnung entrichtet werden, da § 4 Z 1 NoVAG den Unternehmer als Steuerschuldner identifiziert. Unter diesen Umständen verpflichtet Art. 79 der Richtlinie 2006/112 die österreichischen Behörden nicht, die NoVA von der Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer auszuschließen.

49      In Anbetracht des Vorstehenden ist festzustellen, dass die Republik Österreich gegen ihre Pflichten aus Art. 78 der Richtlinie 2006/112 verstoßen hat, indem sie die NoVA in die Bemessungsgrundlage der in Österreich bei der Lieferung eines Kraftfahrzeugs erhobenen Mehrwertsteuer einbezogen hat.

 Kosten

50      Nach Art. 69 § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da im vorliegenden Fall die Parteien teils obsiegt haben und teils unterlegen sind, sind jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Republik Österreich hat gegen ihre Pflichten aus Art. 78 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verstoßen, indem sie die Normverbrauchsabgabe in die Bemessungsgrundlage der in Österreich bei der Lieferung eines Kraftfahrzeugs erhobenen Mehrwertsteuer einbezogen hat.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Europäische Kommission und die Republik Österreich tragen ihre eigenen Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.

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