EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62003CJ0452

Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 12. Mai 2005.
RAL (Channel Islands) Ltd und andere gegen Commissioners of Customs & Excise.
Ersuchen um Vorabentscheidung: High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division - Vereinigtes Königreich.
Mehrwertsteuer - Sechste Richtlinie - Artikel 9 Absätze 1 und 2 - Geldspielautomaten - Tätigkeiten auf dem Gebiet der Unterhaltung oder ähnliche Tätigkeiten - Dienstleister mit Sitz außerhalb der Gemeinschaft - Bestimmung des Ortes der Leistungserbringung.
Rechtssache C-452/03.

European Court Reports 2005 I-03947

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2005:289

Rechtssache C-452/03

RAL (Channel Islands) Ltd u. a.

gegen

Commissioners of Customs & Excise

(Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice [England & Wales], Chancery Division)

„Mehrwertsteuer – Sechste Richtlinie – Artikel 9 Absätze 1 und 2 – Geldspielautomaten – Tätigkeiten auf dem Gebiet der Unterhaltung oder ähnliche Tätigkeiten – Dienstleister mit Sitz außerhalb der Gemeinschaft – Bestimmung des Ortes der Leistungserbringung“

Schlussanträge des Generalanwalts M. Poiares Maduro vom 27. Januar 2005 

Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 12. Mai 2005 

Leitsätze des Urteils

Steuerrecht – Harmonisierung – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Vorsteuerabzug – Dienstleistungen – Bestimmung des steuerlichen Anknüpfungspunkts – Tätigkeiten auf dem Gebiet der Unterhaltung oder ähnliche Tätigkeiten – Begriff – Entgeltliche Bereitstellung von in Spielhallen aufgestellten Geldspielautomaten für die Allgemeinheit – Einbeziehung

(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe c)

Die Dienstleistung, die darin besteht, der Allgemeinheit gegen Entgelt die Benutzung von Geldspielautomaten zu ermöglichen, die in Spielhallen im Gebiet eines Mitgliedstaats aufgestellt sind, ist als eine Tätigkeit auf dem Gebiet der Unterhaltung oder ähnliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe c erster Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern anzusehen, so dass der Ort dieser Leistungserbringung der Ort ist, an dem sie tatsächlich bewirkt wird.

Das Hauptziel dieser Tätigkeit besteht nämlich in der Unterhaltung der Benutzer der Geldspielautomaten und nicht darin, ihnen einen Geldgewinn zu verschaffen, da die Ungewissheit in Bezug auf den Geldgewinn gerade ein wesentlicher Bestandteil der von den Benutzern von Geldspielautomaten angestrebten Unterhaltung ist. Die Anwendung der Anknüpfungsregel des Artikels 9 Absatz 2 Buchstabe c erster Gedankenstrich kann im Übrigen nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil die Adressaten der betreffenden Dienstleistungen Endverbraucher sind; der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist nämlich nicht auf Dienstleistungen unter Steuerpflichtigen beschränkt.

(vgl. Randnrn. 31, 33-34 und Tenor)




URTEIL DES GERICHTSHOFES (Erste Kammer)

12. Mai 2005(*)

„Mehrwertsteuer – Sechste Richtlinie – Artikel 9 Absätze 1 und 2 – Geldspielautomaten – Tätigkeiten auf dem Gebiet der Unterhaltung oder ähnliche Tätigkeiten – Dienstleister mit Sitz außerhalb der Gemeinschaft – Bestimmung des Ortes der Leistungserbringung“

In der Rechtssache C‑452/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 17. Oktober 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Oktober 2003 in dem Verfahren

RAL (Channel Islands) Ltd,

RAL Ltd,

RAL Services Ltd,

RAL Machines Ltd

gegen

Commissioners of Customs & Excise

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, des Richters K. Lenaerts (Berichterstatter), der Richterin N. Colneric sowie der Richter K. Schiemann und E. Juhász,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: K. Sztranc, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–       der RAL (Channel Islands) Ltd, der RAL Ltd, der RAL Services Ltd und der RAL Machines Ltd, vertreten durch K. Lasok, QC, und V. Sloane, Barrister,

–       der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch K. Manji als Bevollmächtigten, im Beistand von C. Vajda, QC, und M. Angiolini, Barrister,

–       der irischen Regierung, vertreten durch D. O’Hagan als Bevollmächtigten, im Beistand von G. Clohessy, BL, und D. McDonald, SC,

–       der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und Â. Seiça Neves als Bevollmächtigte,

–       der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Januar 2005

folgendes

Urteil

1       Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 2, 4 und 9 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) sowie der Artikel 1 und 2 der Dreizehnten Richtlinie 86/560/EWG des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige (ABl. L 326, S. 40, im Folgenden: Dreizehnte Richtlinie).

2       Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der RAL (Channel Islands) Ltd (im Folgenden: CI), der RAL Ltd (im Folgenden: RAL), der RAL Services Ltd (im Folgenden: Services) sowie der RAL Machines Ltd (im Folgenden: Machines) und den Commissioners of Customs & Excise (im Folgenden: Commissioners), der im Vereinigten Königreich für die Mehrwertsteuer zuständigen Stelle, über die Bestimmung des Ortes, der für den Betrieb von Geldspielautomaten als Ort der Dienstleistung gilt.

 Rechtlicher Rahmen

3       Gemäß Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“, der Mehrwertsteuer.

4       Artikel 3 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie lautet:

„Für die Anwendung dieser Richtlinie ist unter ‚Inland‘ der Anwendungsbereich des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu verstehen, wie er in Artikel [299] für jeden Mitgliedstaat definiert ist.“

5       Gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie „[gilt a]ls Steuerpflichtiger …, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis“.

6       Zur Bestimmung des Ortes der Dienstleistung heißt es in Artikel 9 der Sechsten Richtlinie:

„(1)      Als Ort einer Dienstleistung gilt der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort.

(2)      Es gilt jedoch

c)      als Ort der folgenden Dienstleistungen der Ort, an dem diese Dienstleistungen tatsächlich bewirkt werden:

–       Tätigkeiten auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, des Sports, der Wissenschaften, des Unterrichts, der Unterhaltung oder ähnliche Tätigkeiten, einschließlich derjenigen der Veranstalter solcher Tätigkeiten sowie gegebenenfalls der damit zusammenhängenden Tätigkeiten,

…“

7       Artikel 1 der Dreizehnten Richtlinie bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie gilt

(1)      als nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässiger Steuerpflichtiger derjenige Steuerpflichtige nach Artikel 4 Absatz 1 der [Sechsten] Richtlinie …, der in dem Zeitraum nach Artikel 3 Absatz 1 der vorliegenden Richtlinie in diesem Gebiet weder den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung, von wo aus die Umsätze bewirkt worden sind, noch – in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer festen Niederlassung – seinen Wohnsitz oder üblichen Aufenthaltsort gehabt hat und der in dem gleichen Zeitraum in dem in Artikel 2 genannten Mitgliedstaat keine Gegenstände geliefert oder Dienstleistungen erbracht hat …“

8       In Artikel 2 Absatz 1 der Dreizehnten Richtlinie heißt es:

„… jeder Mitgliedstaat [erstattet] einem Steuerpflichtigen, der nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässig ist, unter den nachstehend festgelegten Bedingungen die Mehrwertsteuer, mit der die ihm von anderen Steuerpflichtigen im Inland erbrachten Dienstleistungen oder gelieferten beweglichen Gegenstände belastet wurden oder mit der die Einfuhr von Gegenständen ins Inland belastet wurde, soweit diese Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke der in Artikel 17 Absatz 3 Buchstaben a und b der [Sechsten] Richtlinie … bezeichneten Umsätze oder der in Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b der vorliegenden Richtlinie bezeichneten Dienstleistungen verwendet werden.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

9       CI ist eine Gesellschaft mit Sitz in Guernsey (Kanalinseln). RAL, Services und Machines sind Gesellschaften mit Sitz im Vereinigten Königreich. Diese vier Gesellschaften sind Töchter der RAL Holdings Ltd (im Folgenden: Holdings), bei der es sich ebenfalls um eine Gesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich handelt. CI, RAL, Services, Machines und Holdings bilden zusammen die RAL‑Gruppe.

10     Bis Ende des Jahres 2000 betrieb RAL Geldspielautomaten in ihr gehörenden oder von ihr gemieteten Räumlichkeiten im Vereinigten Königreich. Ihr gehörten die von ihr in diesen Räumlichkeiten verwendeten Automaten, und sie setzte ihr eigenes Personal ein. Sie besaß die für den Betrieb der Automaten und der Räumlichkeiten erforderlichen Lizenzen.

11     Holdings hatte als repräsentatives Mitglied der Gruppe der Mehrwertsteuerpflichtigen die Mehrwertsteuer auf die mit dem Betrieb der Geldspielautomaten erzielten Umsätze zu entrichten.

12     In der Folgezeit wurde ein Plan zur Umstrukturierung der RAL‑Gruppe erarbeitet. Den Ausführungen des vorlegenden Gerichts zufolge zielte dieser durch die Schaffung einer Offshore-Tochtergesellschaft für den Betrieb der Geldspielautomaten und durch die Trennung dieser Aufgabe vom Eigentum der Maschinen und dem Betrieb der Räumlichkeiten darauf ab, dass die RAL‑Gruppe auf die Geldspielautomatendienstleistungen keine Mehrwertsteuer mehr zu entrichten brauchte und ihr die von ihr entrichtete Vorsteuer erstattet wurde.

13     Dazu wurde CI in Guernsey gegründet, das zu den außerhalb der Gemeinschaft liegenden Kanalinseln gehört. Im Rahmen desselben Planes wurden im Vereinigten Königreich Machines und Services gegründet.

14     RAL mietet die Räumlichkeiten, in denen die Geldspielautomaten aufgestellt sind, und besitzt die Lizenzen für den Betrieb der Spielhallen. RAL gewährt CI eine Lizenz, um in diesen Räumlichkeiten Automaten aufzustellen und zu betreiben.

15     Machines gehören alle von der RAL‑Gruppe eingesetzten Geldspielautomaten, und sie besitzt die für den Betrieb der Spielhallen erforderlichen Lizenzen. Gemäß einem Mietvertrag mit CI ist Machines für die Bereitstellung und Wartung der Geldspielautomaten verantwortlich.

16     Die Tätigkeit von CI besteht darin, der Allgemeinheit die Benutzung der Geldspielautomaten zu ermöglichen, die CI von Machines in den Räumlichkeiten von RAL zur Verfügung gestellt werden. CI übt diese Tätigkeit jedoch dadurch aus, dass sie das mit den Automaten verbundene Tagesgeschäft von Services als Subunternehmerin ausführen lässt. Services beschäftigt fast alle der ungefähr 600 Mitarbeiter der RAL‑Gruppe. CI hat keine eigenen Mitarbeiter im Vereinigten Königreich.

17     Nach der Umstrukturierung der RAL‑Gruppe vertrat CI die Auffassung, dass der Ort der Geldspielautomatendienstleistungen Guernsey sei, und stützte sich dabei auf Artikel 2, 4 und 9 der Sechsten Richtlinie. Da diese Dienstleistungen somit außerhalb des Gebietes der Gemeinschaft erbracht würden, brauche sie für die Dienstleistungen, die sie für ihre Kunden im Vereinigten Königreich erbracht habe, keine Mehrwertsteuer zu entrichten. Gemäß den Artikeln 1 und 2 der Dreizehnten Richtlinie verlangte sie außerdem, ihr die von ihr entrichtete Vorsteuer zu erstatten.

18     Mit Entscheidung vom 28. August 2001 lehnten die Commissioners die Anträge von CI ab. Sie waren der Ansicht, dass CI Mehrwertsteuerpflichtige im Vereinigten Königreich sei. Hilfsweise stellten sie fest, dass die Umstrukturierung der RAL‑Gruppe nicht zu berücksichtigen sei, so dass die fraglichen Dienstleistungen weiterhin im Vereinigten Königreich durch Holdings erbracht würden. Jedenfalls seien die Anträge von CI als rechtsmissbräuchlich abzulehnen.

19     CI, RAL, Machines und Services erhoben gegen diese Entscheidung Klage beim VAT and Duties Tribunal, London. Das Tribunal entschied in seinem Urteil vom 3. Dezember 2002, dass CI die fraglichen Dienstleistungen von im Vereinigten Königreich liegenden festen Niederlassungen im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie aus erbracht habe. CI erbringe Geldspielautomatendienstleistungen im Vereinigten Königreich, und diese Tätigkeiten seien dort mehrwertsteuerpflichtig. Das Tribunal ließ jedoch die Berufung, soweit sie die Hilfserwägungen der Commissioners betraf, mit der Begründung zu, dass die Dienstleistungen tatsächlich von CI und nicht von Holdings erbracht worden seien und das Verbot des Rechtsmissbrauchs hier nicht anwendbar sei.

20     CI legte gegen dieses Urteil beim vorlegenden Gericht Berufung ein. Die Commissioners legten insoweit Anschlussberufung gegen das Urteil ein, als damit ihre Hilfserwägungen zurückgewiesen worden waren.

21     Unter diesen Umständen hat der High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division, das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Bezogen auf den vorliegenden Fall und im Hinblick auf die Sechste Richtlinie, insbesondere die Artikel 2, 4 und 9, und die Dreizehnte Richtlinie, insbesondere die Artikel 1 und 2, und die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts:

1.      Wie ist der Ausdruck „feste Niederlassung“ in Artikel 9 der Sechsten Richtlinie auszulegen?

2.      Welche Faktoren sind bei der Entscheidung zu berücksichtigen, ob die Geldspielautomatendienstleistungen vom Geschäftssitz einer Gesellschaft wie CI aus oder von jeder festen Niederlassung, über die eine Gesellschaft wie CI möglicherweise verfügt, aus erbracht werden?

3.      Insbesondere:

a)      Wenn der Geschäftsbetrieb einer Gesellschaft (A) unter Umständen wie denen des vorliegenden Falles so strukturiert ist, dass ein verbundenes Unternehmen (B), dessen Niederlassung außerhalb des Gebietes der Gemeinschaft liegt, Geldspielautomatendienstleistungen erbringt und der einzige Zweck dieser Struktur die Vermeidung der Verpflichtung von A zur Zahlung der Mehrwertsteuer im Niederlassungsstaat ist:

i)      Können Geldspielautomatendienstleistungen als von einer festen Niederlassung in diesem Mitgliedstaat aus erbracht angesehen werden? Wenn ja,

ii)      sind diese Geldspielautomatendienstleistungen als von der festen Niederlassung aus oder als vom Geschäftssitz von B aus erbracht anzusehen?

b)      Wenn der Geschäftsbetrieb einer Gesellschaft (A) so strukturiert ist, dass unter den Umständen des vorliegenden Falles ein verbundenes Unternehmen (B) für die Zwecke der Regeln über den Ort der Leistungserbringung beabsichtigt, Geldspielautomatendienstleistungen von einer Niederlassung außerhalb des Gebietes der Gemeinschaft aus zu erbringen, das im Mitgliedstaat des Sitzes von A keine festen Niederlassungen hat, von denen aus die Leistungen erbracht werden, und diese Struktur nur dazu dient, die Verpflichtung von A zur Zahlung von Mehrwertsteuer in diesem Staat zu beseitigen:

i)      Sind die Rechtsgeschäfte zwischen B und verbundenen Unternehmen innerhalb des Mitgliedstaats (A, C und D) für Mehrwertsteuerzwecke als im Rahmen des Geschäftsbetriebs dieser Gesellschaften von diesen oder an diese erbrachte Leistungen anzusehen? Wenn nicht,

ii)      welche Faktoren sind bei der Bestimmung des Erbringers der Geldspielautomatendienstleistungen zu berücksichtigen?

4.      a)     Gibt es ein Verbot des Rechtsmissbrauchs, das (unabhängig von der Auslegung der Mehrwertsteuerrichtlinien) den in einem Fall wie dem vorliegenden angestrebten Vorteil ausschließen kann?

b)      Wenn ja, wie wirkt sich dieses Verbot unter Umständen wie denen des vorliegenden Falles aus?

5.      a)     Welche Bedeutung ist gegebenenfalls der Tatsache beizumessen, dass A, C und D keine Tochterunternehmen von B sind und dass B die Unternehmen A, C und D weder rechtlich noch wirtschaftlich kontrolliert?

b)      Wäre es für irgendeine der Antworten auf die vorstehenden Fragen erheblich, wenn die Art der Geschäftsführung von B an ihrem Geschäftssitz außerhalb des Gebietes der Gemeinschaft für die Erbringung von Geldspielautomatendienstleistungen an Kunden notwendig wäre und weder A noch C, noch D solche Tätigkeiten durchführten?

 Zu den Vorlagefragen

 Vorbemerkungen

22     Die Tätigkeit, auf die sich das Vorabentscheidungsersuchen bezieht und die darin besteht, der Allgemeinheit gegen Entgelt in Spielhallen aufgestellte Geldspielautomaten zur Verfügung zu stellen, ist eine Dienstleistung im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie. Das vorlegende Gericht möchte mit seinen Fragen im Wesentlichen wissen, wie der Ort der Dienstleistung zu bestimmen ist.

23     Hierfür enthält Artikel 9 der Sechsten Richtlinie Regeln zur Bestimmung des steuerlichen Anknüpfungspunkts. Während in Absatz 1 eine allgemeine Regel niedergelegt ist, enthält Absatz 2 eine Reihe besonderer Anknüpfungspunkte. Durch diese Bestimmungen sollen Kompetenzkonflikte, die zu einer Doppelbesteuerung führen könnten, sowie die Nichtbesteuerung von Einnahmen verhindert werden (Urteile vom 4. Juli 1985 in der Rechtssache 168/84, Berkholz, Slg. 1985, 2251, Randnr. 14, vom 26. September 1996 in der Rechtssache C‑327/94, Dudda, Slg. 1996, I‑4595, Randnr. 20, und vom 6. März 1997 in der Rechtssache C‑167/95, Linthorst, Pouwels en Scheres, Slg. 1997, I‑1195, Randnr. 10).

24     Zum Verhältnis zwischen den ersten beiden Absätzen von Artikel 9 der Sechsten Richtlinie hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass Absatz 1 keinen Vorrang gegenüber Absatz 2 hat. In jedem Einzelfall stellt sich vielmehr die Frage, ob eine der Bestimmungen des Artikels 9 Absatz 2 einschlägig ist; andernfalls gilt Absatz 1 (Urteile Dudda, Randnr. 21, und Linthorst, Pouwels en Scheres, Randnr. 11).

25     Zunächst ist also zu prüfen, ob, wie die irische und die portugiesische Regierung geltend machen, eine Tätigkeit wie die im Vorabentscheidungsersuchen genannte unter Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie fällt, der den steuerlichen Anknüpfungspunkt für „Tätigkeiten auf dem Gebiet der … Unterhaltung oder ähnliche Tätigkeiten“ festlegt. Es obliegt nämlich dem Gerichtshof, dem vorlegenden Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben, die diesem bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können, unabhängig davon, ob dieses Gericht seine Fragen hierauf erstreckt hat (vgl. Urteile vom 12. Dezember 1990 in der Rechtssache C‑241/89, SARPP, Slg. 1990, I‑4695, Randnr. 8, vom 2. Februar 1994 in der Rechtssache C‑315/92, Verband Sozialer Wettbewerb, „Clinique“, Slg. 1994, I‑317, Randnr. 7, vom 4. März 1999 in der Rechtssache C‑87/97, Consorzio per la tutela del formaggio Gorgonzola, Slg. 1999, I‑1301, Randnr. 16, und vom 7. September 2004 in der Rechtssache C‑456/02, Trojani, Slg. 2004, I‑0000, Randnr. 38).

 Zur Auslegung des Artikels 9 Absatz 2 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie

26     Die irische und die portugiesische Regierung machen geltend, dass die Tätigkeit von CI unter Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie falle, weil sie im Angebot von Dienstleistungen bestehe, die unmittelbar mit Unterhaltung zu tun hätten. Als Ort dieser Dienstleistung gelte daher der Ort, an dem sie tatsächlich bewirkt werde, im Ausgangsverfahren das Vereinigte Königreich.

27     Die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Gesellschaften der RAL‑Gruppe bringen dagegen vor, dass die Dienstleistungen, um die es im Vorabentscheidungsersuchen gehe, nicht unter Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie fielen. Den Adressaten der betreffenden Dienstleistung gehe es vor allem darum, Geld zu gewinnen, und nicht um Unterhaltung als solche. Die Gesellschaften der RAL‑Gruppe führen ergänzend aus, dass die Anwendung dieser Vorschrift jedenfalls eine künstlerische Tätigkeit des Dienstleisters voraussetze. Die betreffende Dienstleistung werde nicht allein deshalb, weil die Benutzung eines Geldspielautomaten ebenso wie die eines Mobiltelefons auch unterhaltend sein könne, zu einer Tätigkeit auf dem Gebiet der Unterhaltung im Sinne von Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie.

28     Nach Ansicht der Kommission zielt Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie darauf ab, eine Sonderregelung für bestimmte Dienstleistungen einzuführen, die zwischen Mehrwertsteuerpflichtigen erbracht werden und deren Kosten in den Preis der Waren eingehen (vgl. Urteil Dudda, Randnrn. 23 und 24). Das Ausgangsverfahren betreffe jedoch Geldspielautomatendienstleistungen, die dem Endverbraucher erbracht würden, so dass allein Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie anwendbar sei.

29     In dieser Hinsicht ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie bei Tätigkeiten auf dem Gebiet der Unterhaltung oder ähnlichen Tätigkeiten Ort der Dienstleistung der Ort ist, an dem die Dienstleistung tatsächlich bewirkt wird.

30     In Bezug auf die Frage, ob es sich bei Dienstleistungen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen um Tätigkeiten auf dem Gebiet der Unterhaltung oder ähnliche Tätigkeiten handelt, ist darauf hinzuweisen, dass CI der Allgemeinheit gegen Entgelt Geldspielautomaten in besonders dafür eingerichteten Spielhallen zur Verfügung stellt.

31     Hier besteht das Hauptziel der Tätigkeit, auf die sich das Vorabentscheidungsersuchen bezieht, in der Unterhaltung der Benutzer der Geldspielautomaten und nicht darin, ihnen einen Geldgewinn zu verschaffen. Wie der Generalanwalt in Nummer 29 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist die Ungewissheit in Bezug auf den Geldgewinn gerade ein wesentlicher Bestandteil der von den Benutzern von Geldspielautomaten angestrebten Unterhaltung.

32     Die Tätigkeiten auf dem Gebiet der Unterhaltung im Sinne von Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe c erster Spiegelstrich der Sechsten Richtlinie setzen nicht voraus, dass der Dienstleister eine künstlerische Leistung erbringt. Eine Tätigkeit – einschließlich des Bereitstellens von Automaten –, mit der der Dienstleister hauptsächlich das Ziel verfolgt, seine Kunden zu unterhalten, stellt eine Tätigkeit auf dem Gebiet der Unterhaltung oder eine ähnliche Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift dar.

33     Wie auch der Generalanwalt in Nummer 33 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann die Anwendung der Anknüpfungsregel der vorgenannten Vorschrift auf einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil Adressaten der betreffenden Dienstleistungen Endverbraucher sind. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist nicht auf Dienstleistungen unter Steuerpflichtigen beschränkt. Außerdem ist festzustellen, dass die Anwendung dieser Anknüpfungsregel auf einen solchen Sachverhalt keine praktischen Schwierigkeiten aufwirft, denn der Ort, an dem die fraglichen Tätigkeiten bewirkt werden, lässt sich ohne weiteres bestimmen. Schließlich führt die Anwendung dieser Regel zu einer steuerlich sinnvollen Lösung, weil die betreffenden Dienstleistungen unter das Mehrwertsteuersystem des Mitgliedstaats fallen, in dem deren Adressaten ihren Wohnsitz haben.

34     Daher ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, dass die Dienstleistung, die darin besteht, der Allgemeinheit gegen Entgelt die Benutzung von Geldspielautomaten zu ermöglichen, die in Spielhallen im Gebiet eines Mitgliedstaats aufgestellt sind, als eine Tätigkeit auf dem Gebiet der Unterhaltung oder ähnliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe c erster Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie anzusehen ist, so dass der Ort dieser Leistungserbringung der Ort ist, an dem sie tatsächlich bewirkt wird.

 Kosten

35     Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Die Dienstleistung, die darin besteht, der Allgemeinheit gegen Entgelt die Benutzung von Geldspielautomaten zu ermöglichen, die in Spielhallen im Gebiet eines Mitgliedstaats aufgestellt sind, ist als Tätigkeit auf dem Gebiet der Unterhaltung oder ähnliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe c erster Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage anzusehen, so dass der Ort dieser Leistungserbringung der Ort ist, an dem sie tatsächlich bewirkt wird.

Unterschriften.


* Verfahrenssprache: Englisch.

Top