EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62005CJ0076

Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom 11. September 2007.
Herbert Schwarz undt Marga Gootjes-Schwarz gegen Finanzamt Bergisch Gladbach.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Finanzgericht Köln - Deutschland.
Art. 8a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 18 EG) - Unionsbürgerschaft - Art. 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 49 EG) - Freier Dienstleistungsverkehr - Einkommensteuerrecht - Schulgeld - Abzugsrecht nur für Schulgeldzahlungen an private inländische Einrichtungen.
Rechtssache C-76/05.

European Court Reports 2007 I-06849

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2007:492

Rechtssache C‑76/05

Herbert Schwarz

und

Marga Gootjes-Schwarz

gegen

Finanzamt Bergisch Gladbach

(Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Köln)

„Art. 8a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 18 EG) – Unionsbürgerschaft – Art. 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 49 EG) – Freier Dienstleistungsverkehr – Einkommensteuerrecht – Schulgeld – Abzugsrecht nur für Schulgeldzahlungen an private inländische Einrichtungen“

Leitsätze des Urteils

1.        Freier Dienstleistungsverkehr – Dienstleistungen – Begriff

(Art. 50 EG)

2.        Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Steuerrecht

(Art. 49 EG)

3.        Unionsbürgerschaft – Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten – Steuerrecht

(Art. 18 EG)

1.        Unterricht in Einrichtungen, die zu einem staatlichen Bildungssystem gehören und ganz oder hauptsächlich aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, ist vom Begriff der Dienstleistung im Sinne von Art. 50 EG ausgeschlossen. Durch die Errichtung und Erhaltung eines solchen staatlichen Bildungssystems, das in der Regel aus dem Staatshaushalt und nicht von den Schülern oder ihren Eltern finanziert wird, will der Staat nämlich keine gewinnbringende Tätigkeit aufnehmen, sondern erfüllt vielmehr auf sozialem, kulturellem und bildungspolitischem Gebiet seine Aufgaben gegenüber seinen Bürgern.

Unterricht an Bildungseinrichtungen, die im Wesentlichen aus privaten Mitteln, insbesondere durch die Studenten oder deren Eltern, finanziert werden, ist dagegen eine Dienstleistung im Sinne von Art. 50 EG, da das von diesen Einrichtungen verfolgte Ziel darin besteht, eine Leistung gegen Entgelt anzubieten. Diese private Finanzierung braucht nicht hauptsächlich durch die Schüler oder ihre Eltern zu erfolgen. Art. 50 EG verlangt nämlich nicht, dass die Dienstleistung von demjenigen bezahlt wird, dem sie zugutekommt.

(vgl. Randnrn. 39-41)

2.        Wenn Steuerpflichtige eines Mitgliedstaats ihre Kinder zur Schulausbildung in eine Schule schicken, die sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet und im Wesentlichen aus privaten Mitteln finanziert wird, ist Art. 49 EG dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die vorsieht, dass Schulgeldzahlungen an bestimmte Privatschulen im Inland als Sonderausgaben einkommensteuermindernd berücksichtigt werden können, diese Möglichkeit aber in Bezug auf Schulgeldzahlungen an Privatschulen in anderen Mitgliedstaaten generell ausschließt.

Eine solche Regelung beeinträchtigt die in Art. 49 EG gewährleistete Dienstleistungsfreiheit, da sie im betreffenden Mitgliedstaat wohnende Steuerpflichtige davon abhält, ihre Kinder in Schulen in einem anderen Mitgliedstaat zu schicken. Darüber hinaus beeinträchtigt sie auch das Bildungsangebot privater Bildungseinrichtungen in anderen Mitgliedstaaten, das an die Kinder von im erstgenannten Mitgliedstaat wohnenden Steuerpflichtigen gerichtet ist.

Die Versagung der fraglichen steuerlichen Vergünstigung für Schulgeldzahlungen an Schulen in anderen Mitgliedstaaten kann nicht durch das Ziel gerechtfertigt werden, die Deckung der Kosten für den Betrieb von Privatschulen zu gewährleisten, ohne dass dadurch der Staat unangemessen belastet wird, da dieses Ziel durch mildere Mittel erreicht werden könnte. Zur Vermeidung einer übermäßigen finanziellen Belastung ist es einem Mitgliedstaat nämlich möglich, die Abzugsfähigkeit des Schulgelds auf einen bestimmten Betrag zu beschränken, der der steuerlichen Vergünstigung entspricht, die dieser Staat gemäß bestimmten eigenen Wertvorstellungen für den Besuch von Schulen im Inland gewährt, was ein milderes Mittel als die Versagung der fraglichen Steuervergünstigung wäre. Es ist jedenfalls offenkundig unverhältnismäßig, Schulgeldzahlungen an Schulen in anderen Mitgliedstaaten von der steuerlichen Vergünstigung unabhängig davon vollständig auszuschließen, ob die betreffenden Schulen objektive Kriterien erfüllen, die nach innerstaatlichen Grundsätzen aufgestellt worden sind und anhand deren sich bestimmen lässt, welche Arten von Schulgeld einen Anspruch auf die Steuervergünstigung geben.

(vgl. Randnrn. 66-67, 79-82, Tenor 1)

3.        Wenn Steuerpflichtige eines Mitgliedstaats ihre Kinder zur Schulausbildung in eine Schule in einem anderen Mitgliedstaat schicken, deren Leistungen nicht unter Art. 49 EG fallen, steht Art. 18 EG einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die vorsieht, dass Schulgeldzahlungen an bestimmte Schulen im Inland als Sonderausgaben einkommensteuermindernd berücksichtigt werden können, diese Möglichkeit aber in Bezug auf Schulgeldzahlungen an Schulen in anderen Mitgliedstaaten generell ausschließt.

Durch eine solche Regelung werden diese Kinder gegenüber Kindern, die nicht durch den Besuch einer Schule in einem anderen Mitgliedstaat von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, ungerechtfertigt benachteiligt und in ihren Rechten aus Art. 18 Abs. 1 EG verletzt.

(vgl. Randnrn. 98-99, Tenor 2)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

11. September 2007(*)

„Art. 8a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 18 EG) – Unionsbürgerschaft – Art. 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 49 EG) – Freier Dienstleistungsverkehr – Einkommensteuerrecht – Schulgeld – Abzugsrecht nur für Schulgeldzahlungen an private inländische Einrichtungen“

In der Rechtssache C‑76/05

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Finanzgericht Köln (Deutschland) mit Entscheidung vom 27. Januar 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Februar 2005, in dem Verfahren

Herbert Schwarz,

Marga Gootjes-Schwarz

gegen

Finanzamt Bergisch Gladbach

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas (Berichterstatter) und K. Lenaerts, des Richters J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter K. Schiemann, J. Makarczyk, G. Arestis, A. Borg Barthet, M. Ilešič und J. Malenovský,

Generalanwältin: C. Stix-Hackl,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Mai 2006,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Schwarz und Frau Gootjes-Schwarz, vertreten durch Rechtsanwalt W. Meilicke,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und U. Forsthoff als Bevollmächtigte,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Gross und R. Lyal als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 21. September 2006

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 8a Abs. 1, 48, 52 und 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 18 Abs. 1 EG, 39 EG, 43 EG und 49 EG).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen einer Klage der Eheleute Herr Schwarz und Frau Gootjes-Schwarz (im Folgenden: Kläger des Ausgangsverfahrens), in Deutschland wohnende deutsche Staatsangehörige, gegen das Finanzamt Bergisch Gladbach (im Folgenden: Finanzamt) wegen dessen Weigerung, ihnen für das Schulgeld, dass sie für den Schulbesuch ihrer Kinder in anderen Mitgliedstaaten zahlen, eine steuerliche Vergünstigung zu gewähren. Das deutsche Einkommensteuerrecht sieht die Gewährung dieser Vergünstigung nur für Steuerpflichtige vor, die Schulgeld an bestimmte deutsche Privatschulen gezahlt haben.

 Nationales Recht

3        Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (im Folgenden: Grundgesetz) bestimmt:

„(4)       Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.“

4        § 10 Abs. 1 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes in der im entscheidungserheblichen Zeitraum geltenden Fassung (BGBl. 1997 I S. 821) (im Folgenden: EStG) lautet:

„Sonderausgaben [die zum Abzug im Rahmen der Einkommensteuer berechtigen] sind die folgenden Aufwendungen, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind:

1.      …

9.      30 vom Hundert des Entgelts, das der Steuerpflichtige für ein Kind, für das er einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld erhält, für den Besuch einer gemäß Artikel 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigten oder nach Landesrecht erlaubten Ersatzschule sowie einer nach Landesrecht anerkannten allgemeinbildenden Ergänzungsschule entrichtet mit Ausnahme des Entgelts für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung.“

5        Nach § 33 Abs. 1 EStG wird auf Antrag eines Steuerpflichtigen, dem zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastung), die Einkommensteuer ermäßigt.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

6        Die Kläger des Ausgangsverfahrens wohnten im entscheidungserheblichen Zeitraum in Deutschland und wurden dort zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Nach ihren Angaben benötigen ihre drei Kinder eine besondere Schulausbildung. Deshalb hätten sie zwei von ihnen, geboren 1981 und 1986, in einer auf die Förderung hochbegabter Kinder spezialisierten Schule in Schottland, der Cademuir International School (im Folgenden: Cademuir School), angemeldet, der sie in den Jahren 1998 und 1999 Schulgeld gezahlt hätten.

7        Da die Kläger des Ausgangsverfahrens ihre Einkommensteuererklärungen für diese Jahre zunächst nicht abgaben, wurden die Besteuerungsgrundlagen von den zuständigen Behörden geschätzt. Gegen die an sie gerichteten Schätzungsbescheide legten die Kläger beim Finanzamt Einspruch ein.

8        In den im Laufe des Einspruchsverfahrens eingereichten Steuererklärungen machten die Kläger des Ausgangsverfahrens außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 Abs. 1 EStG in Höhe der 1998 und 1999 getätigten Aufwendungen für den Privatschulbesuch ihrer Kinder sowie einen Krankenhausaufenthalt eines ihrer Kinder geltend.

9        Nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts wurde das in diesen Beträgen enthaltene Schulgeld, das nicht auf Beherbergung, Betreuung oder Verpflegung entfiel, von den Klägern des Ausgangsverfahrens nicht genau nachgewiesen, es belaufe sich aber pro Jahr auf mindestens 10 000 DM.

10      Das Finanzamt erließ am 13. September 2001 im Rahmen des Einspruchsverfahrens geänderte Einkommensteuerbescheide, denen es die von den Klägern des Ausgangsverfahrens erklärten Besteuerungsgrundlagen mit Ausnahme der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen zugrunde gelegt hatte. Die Kläger verfolgten ihre Einsprüche weiter, doch wies das Finanzamt diese mit Entscheidung vom 6. Dezember 2001 als unbegründet zurück. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Klage beim Finanzgericht Köln.

11      Die Kläger des Ausgangsverfahrens beantragen mit ihrer Klage, die Einkommensteuer für die Jahre 1998 und 1999 mit der Maßgabe herabzusetzen, dass ihre außergewöhnlichen Belastungen gemäß § 33 Abs. 1 EStG steuermindernd berücksichtigt werden. Hilfsweise beantragen sie, den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG zu gewähren.

12      Das vorlegende Gericht weist zunächst den Antrag auf Berücksichtigung der Beträge zurück, die die Kläger des Ausgangsverfahrens als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 Abs. 1 EStG geltend gemacht haben.

13      Im Anschluss daran führt es aus, dass § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG nur den Besuch bestimmter inländischer Schulen erfasse. Schulgeldzahlungen an Schulen in einem anderen Mitgliedstaat könnten danach nicht als Sonderausgaben einkommensteuermindernd berücksichtigt werden. Das Gericht hat Zweifel, ob die Beschränkung der Vergünstigung nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG auf Schulgeldzahlungen an bestimmte inländische Schulen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.

14      Das Finanzgericht Köln hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Widerspricht es Art. 8a/18 (allgemeine Freizügigkeit), 48/39 (Freizügigkeit der Arbeitnehmer), 52/43 (Niederlassungsfreiheit) bzw. 59/49 (Dienstleistungsfreiheit) EG‑Vertrag, dass Schulgeldzahlungen an bestimmte deutsche Schulen, nicht aber Schulgeldzahlungen an Schulen im übrigen Gemeinschaftsgebiet gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes in der für 1998 und 1999 geltenden Fassung als Sonderausgaben einkommensteuermindernd berücksichtigt werden können?

 Zur Vorlagefrage

15      Das vorlegende Gericht möchte mit seiner Frage wissen, ob die Art. 8a Abs. 1, 48, 52 und 59 EG-Vertrag einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die vorsieht, dass Schulgeldzahlungen an bestimmte Privatschulen im Inland als Sonderausgaben einkommensteuermindernd berücksichtigt werden können, diese Möglichkeit aber in Bezug auf Schulgeldzahlungen an Privatschulen in anderen Mitgliedstaaten generell ausschließt.

16      Da der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens die Jahre 1998 und 1999 betrifft, ergeben sich die Bestimmungen über die Freizügigkeit der Unionsbürger, die Niederlassungsfreiheit, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und die Dienstleistungsfreiheit aus verschiedenen Fassungen des EG-Vertrags, je nachdem, ob es im Ausgangsverfahren um die Rechtslage vor oder nach dem 1. Mai 1999, dem Datum des Inkrafttretens des Vertrags von Amsterdam, geht (Art. 8a Abs. 1, 48, 52 und 59 EG-Vertrag für die Rechtslage vor dem 1. Mai 1999; Art. 18 Abs. 1 EG, 39 EG, 43 EG und 49 EG für die Rechtslage danach).

17      Da sich jedoch, wie die Generalanwältin in Nr. 16 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, die betreffenden Artikel durch den Vertrag von Amsterdam inhaltlich im Wesentlichen nicht geändert haben, werden die einschlägigen Bestimmungen im Folgenden in ihrer seit dem 1. Mai 1999 geltenden Fassung angeführt.

 Zu den anwendbaren Bestimmungen des EG-Vertrags

 Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

18      Die Kläger des Ausgangsverfahrens haben in der Sitzung vorgetragen, sie schlössen sich der von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache Kommission/Deutschland (C‑318/05, Urteil vom heutigen Tag, Slg. 2007, I‑0000) vertretenen Auffassung an, dass die Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG auf eine Regelung wie die des Ausgangsverfahrens Anwendung fänden.

19      Auch der Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit sei auf den Fall des Ausgangsverfahrens anwendbar, weil zum einen das Bildungsangebot von Privatschulen in anderen Mitgliedstaaten, die ihre Dienstleistungen Kindern deutscher Steuerpflichtiger anbieten wollten, durch eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche beeinträchtigt werde und zum anderen deutsche Steuerpflichtige, die ihre Kinder in solchen Privatschulen anmelden wollten, durch diese Regelung davon abgehalten würden.

20      Privatschulen in anderen Mitgliedstaaten wie die Cademuir School übten eine entgeltliche Tätigkeit als Erbringer von Dienstleistungen aus, und es lasse sich nicht ausschließen, dass auch die nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG subventionierten deutschen Schulen Dienstleistungserbringer seien. Die tatsächlichen Zahlungen an diese deutschen Schulen durch die zum steuerlichen Abzug von 30 % des Schulgelds im engeren Sinne berechtigten Eltern könnten nämlich höher seien als die Zahlungen an Schulen in anderen Mitgliedstaaten wie die Cademuir School.

21      Nach Ansicht der deutschen Regierung sind die Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG auf einen Fall wie den des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar.

22      Die von der Cademuir School ausgeübte Bildungstätigkeit falle auch nicht in den Anwendungsbereich von Art. 49 EG. Die Dienstleistungsfreiheit setze eine wirtschaftliche Tätigkeit voraus, wie sich aus den Worten „Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden“ in Art. 50 EG ergebe.

23      Eine Schule übe aber keine wirtschaftliche Tätigkeit aus. Die Tätigkeiten von Bildungseinrichtungen würden nicht in der Regel gegen Entgelt erbracht und seien keine Dienstleistungen im Sinne von Art. 50 EG (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 1988, Humbel und Edel, 263/86, Slg. 1988, 5365, Randnr. 18).

24      Zwar werde der Unterricht an Hochschulen, die im Wesentlichen aus privaten Mitteln finanziert würden, zur Dienstleistung im Sinne von Art. 50 EG (Urteil vom 7. Dezember 1993, Wirth, C‑109/92, Slg. 1993, I‑6447, Randnr. 17), doch könne allein daraus, dass die Cademuir School eine Privatschule sei, nicht geschlossen werden, dass sie eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübe. Ein solcher Schluss könne auch nicht daraus gezogen werden, dass die Eltern Schulgeld zahlten. Die Zahlung von Gebühren oder Schulgeld, um in gewissem Umfang zu den Kosten für die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des nationalen Bildungssystems beizutragen, sei nämlich für die Qualifizierung der ausgeübten Tätigkeit als Dienstleistung unbeachtlich (vgl. in diesem Sinne Urteile Humbel und Edel, Randnr. 19, sowie Wirth, Randnr. 15). In der Vorlageentscheidung sei überdies nicht dargelegt, ob die Cademuir School sich ausschließlich oder doch ganz überwiegend aus privaten Mitteln finanziere (etwa durch Beiträge der Eltern) oder ob sie eine Gewinnerzielung anstrebe.

25      Die Kommission stimmt mit der deutschen Regierung darin überein, dass eine Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 39 EG oder der Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EG im Ausgangsfall ausscheide.

26      Art. 49 EG sei hingegen anwendbar und stehe einer Regelung wie der des Ausgangsverfahrens entgegen.

27      Einschlägig sei im Ausgangsfall der Grundsatz der sogenannten passiven Dienstleistungsfreiheit, in deren Rahmen sich die Leistungsempfänger, hier die Kinder der Kläger des Ausgangsverfahrens, zum Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat, hier die dort gelegene Privatschule, begäben.

28      Die Erziehung und Ausbildung von Jugendlichen könnten Dienstleistungen darstellen. Aus den Urteilen Humbel und Edel sowie Wirth ergebe sich, dass das entscheidende Merkmal für die Annahme einer entgeltlichen Unterrichtsdienstleistung sei, dass der Schüler oder jemand anderes Gebühren bezahle, die in etwa den wirtschaftlichen Kosten des Unterrichts entsprächen. Sei dies der Fall, so stelle das Angebot der Unterrichtsleistung eine geschäftliche Tätigkeit dar.

29      Handele es sich dagegen um staatlichen Unterricht, der der Erfüllung der Aufgabe des Staates auf sozialem, kulturellem und bildungspolitischem Gebiet diene, und trage der Staat den überwiegenden Teil der Unterrichtskosten, so liege keine entgeltliche Dienstleistung vor (vgl. in diesem Sinne Urteil Wirth, Randnrn. 15 und 16). Der Umstand, dass sich der Schüler gegebenenfalls durch die Bezahlung einer Gebühr an den Kosten beteilige, mache aus dem staatlichen Unterricht noch keine entgeltliche Dienstleistung (vgl. in diesem Sinne Urteil Humbel und Edel, Randnr. 19).

30      Die Anwendbarkeit des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit auf einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens könne nicht verneint werden, da bei der Beurteilung der Frage der Entgeltlichkeit nicht ausschließlich auf die Lage der von der deutschen Regelung begünstigten Privatschulen geschaut werden könne. Abzustellen sei vielmehr auf die Lage der von der steuerlichen Vergünstigung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG ausgeschlossenen Privatschulen in anderen Mitgliedstaaten.

31      Da es in bestimmten Mitgliedstaaten Privatschulen gebe, die ohne staatliche Unterstützung auskämen bzw. als gewinnorientierte Unternehmen geführt würden, beeinträchtige eine Regelung eines Mitgliedstaats wie § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG, die die Zahlungen an Schulen in anderen Mitgliedstaaten generell von der durch sie vorgesehenen steuerlichen Vergünstigung ausschließe, das grenzüberschreitende Angebot von Dienstleistungen seitens dieser in anderen Mitgliedstaaten ansässigen, kommerziell ausgerichteten Privatschulen.

32      Für den Fall, dass der Gerichtshof den Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit im Ausgangsfall für nicht anwendbar halten sollte, macht die Kommission hilfsweise geltend, dass Art. 12 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 EG anwendbar sei und einer solchen Regelung entgegenstehe.

 Antwort des Gerichtshofs

33      Zunächst ist zu klären, welche Bestimmungen des EG-Vertrags auf einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens anwendbar sind. Wie die Generalanwältin in Nr. 25 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist dieser Sachverhalt nicht anhand der Art. 39 EG und 43 EG zu prüfen. Eltern, die wie die Kläger des Ausgangsverfahrens in einem Mitgliedstaat einkommensteuerpflichtig sind und ihre Kinder zur Schulausbildung in eine Privatschule in einem anderen Mitgliedstaat schicken, dort aber keiner abhängigen Beschäftigung oder wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, machen dadurch weder von ihrem Recht Gebrauch, eine abhängige Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben, noch von ihrem Recht, sich dort als Selbständige niederzulassen, so dass die Art. 39 EG und 43 EG auf ihren Fall nicht anwendbar sind.

34      Art. 18 EG wiederum, in dem das Recht eines jeden Unionsbürgers, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, in allgemeiner Form niedergelegt ist, findet in den Bestimmungen, die die Dienstleistungsfreiheit gewährleisten, eine besondere Ausprägung (Urteile vom 6. Februar 2003, Stylianakis, C‑92/01, Slg. 2003, I‑1291, Randnr. 18, und vom 11. Januar 2007, ITC, C‑208/05, Slg. 2007, I‑0000, Randnr. 64). Fällt das Ausgangsverfahren unter Art. 49 EG, braucht der Gerichtshof über die Auslegung von Art. 18 EG somit nicht zu entscheiden (vgl. Urteile Stylianakis, Randnr. 20, und ITC, Randnr. 65).

35      Art. 18 Abs. 1 EG ist folglich nur insoweit zu erörtern, als das Ausgangsverfahren nicht in den Anwendungsbereich von Art. 49 EG fällt.

36      In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass zwar Art. 50 Abs. 3 EG nur die aktive Dienstleistungsfreiheit erwähnt, in deren Rahmen sich der Leistende zum Empfänger der Dienstleistungen begibt, dass aber nach ständiger Rechtsprechung der freie Dienstleistungsverkehr die Freiheit der Leistungsempfänger einschließt, sich zur Inanspruchnahme der Dienstleistungen in einen anderen Mitgliedstaat, in dem sich der Leistende aufhält, zu begeben (vgl. Urteil vom 31. Januar 1984, Luisi und Carbone, 286/82 und 26/83, Slg. 1984, 377, Randnrn. 10 und 16). Im Ausgangsverfahren geht es darum, dass eine steuerliche Vergünstigung versagt wird, weil die besuchte Privatschule in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, und damit um die Möglichkeit, Bildungsangebote einer solchen Schule in Anspruch zu nehmen.

37      Fraglich ist jedoch, ob derartige Bildungsangebote die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben. In diesem Rahmen ist zu prüfen, ob Unterricht an einer Schule wie der Cademuir School eine „Leistung, die in der Regel gegen Entgelt erbracht wird“, im Sinne von Art. 50 Abs. 1 EG ist.

38      Nach der Rechtsprechung besteht das Wesensmerkmal des Entgelts im Sinne dieser Bestimmung darin, dass es die wirtschaftliche Gegenleistung für die betreffende Leistung darstellt (vgl. Urteile Humbel und Edel, Randnr. 17, vom 12. Juli 2001, Smits und Peerbooms, C‑157/99, Slg. 2001, I‑5473, Randnr. 58, vom 3. Oktober 2002, Danner, C‑136/00, Slg. 2002, I‑8147, Randnr. 26, vom 22. Mai 2003, Freskot, C‑355/00, Slg. 2003, I‑5263, Randnr. 55, sowie vom 26. Juni 2003, Skandia und Ramstedt, C‑422/01, Slg. 2003, I‑6817, Randnr. 23).

39      Dementsprechend hat der Gerichtshof Unterricht in bestimmten Einrichtungen, die zu einem staatlichen Bildungssystem gehörten und ganz oder hauptsächlich aus öffentlichen Mitteln finanziert wurden, vom Begriff der Dienstleistung im Sinne von Art. 50 EG ausgeschlossen (vgl. in diesem Sinne Urteile Humbel und Edel, Randnrn. 17 und 18, sowie Wirth, Randnrn. 15 und 16). Der Gerichtshof hat festgestellt, dass der Staat durch die Errichtung und Erhaltung eines solchen staatlichen Bildungssystems, das in der Regel aus dem Staatshaushalt und nicht von den Schülern oder ihren Eltern finanziert wird, keine gewinnbringende Tätigkeit aufnehmen wollte, sondern vielmehr auf sozialem, kulturellem und bildungspolitischem Gebiet seine Aufgaben gegenüber seinen Bürgern erfüllte.

40      Unterricht an Bildungseinrichtungen, die im Wesentlichen aus privaten Mitteln, insbesondere durch die Studenten oder deren Eltern, finanziert werden, hat der Gerichtshof dagegen als Dienstleistung im Sinne von Art. 50 EG eingestuft, da das von diesen Einrichtungen verfolgte Ziel darin besteht, eine Leistung gegen Entgelt anzubieten (Urteil Wirth, Randnr. 17).

41      Diese private Finanzierung braucht nicht hauptsächlich durch die Schüler oder ihre Eltern zu erfolgen. Nach ständiger Rechtsprechung verlangt Art. 50 EG nämlich nicht, dass die Dienstleistung von demjenigen bezahlt wird, dem sie zugutekommt (vgl. u. a. Urteile vom 26. April 1988, Bond van Adverteerders u. a., 352/85, Slg. 1988, 2085, Randnr. 16, vom 11. April 2000, Deliège, C‑51/96 und C‑191/97, Slg. 2000, I‑2549, Randnr. 56, Smits und Peerbooms, Randnr. 57, sowie Skandia und Ramstedt, Randnr. 24).

42      Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts wurde allein das Schulgeld, das die Kläger des Ausgangsverfahrens für ihre beiden betroffenen Kinder an die Cademuir School zahlten, auf mindestens 10 000 DM pro Jahr geschätzt. Die deutsche Regierung macht geltend, dieser Betrag sei deutlich höher als der Betrag, den Privatschulen verlangten, die in Deutschland ansässig seien und unter § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG fielen.

43      Da die Vorlageentscheidung keine genauen Angaben zur Finanzierungs- und Betriebsweise der Cademuir School enthält, hat das nationale Gericht auf jeden Fall zu prüfen, ob diese Schule im Wesentlichen aus privaten Mitteln finanziert wird.

44      Hinzuzufügen ist, dass es für die Frage der Anwendbarkeit von Art. 49 EG auf einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens keine Rolle spielt, ob die Schulen im Mitgliedstaat des Leistungsempfängers, hier in der Bundesrepublik Deutschland, die in diesem Staat im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG genehmigt, erlaubt oder anerkannt sind, Dienstleistungen gemäß Art. 50 Abs. 1 EG erbringen. Es kommt allein darauf an, dass die in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Privatschule als Erbringer entgeltlicher Dienstleistungen angesehen werden kann.

45      Im Urteil vom 16. Mai 2006, Watts (C‑372/04, Slg. 2006, I‑4325, Randnr. 90), das medizinische Leistungen – und damit Dienstleistungen – betrifft, hat der Gerichtshof nämlich festgestellt, dass Art. 49 EG auf den Fall einer im Vereinigten Königreich wohnenden Patientin anwendbar ist, deren Gesundheitszustand eine Krankenhausbehandlung erforderlich machte und die, nachdem sie sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben hatte, um dort gegen Entgelt die betreffende Behandlung zu erhalten, Kostenerstattung beim nationalen Gesundheitsdienst beantragte, obwohl im Rahmen des nationalen Gesundheitssystems des Vereinigten Königreichs gleiche Sachleistungen kostenfrei erbracht wurden.

46      In Randnr. 91 des Urteils Watts hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Situation wie die dem Ausgangsverfahren in jener Rechtssache zugrunde liegende, in der eine Person, deren Gesundheitszustand eine Krankenhausbehandlung erforderlich macht, sich in einen anderen Mitgliedstaat begibt und dort gegen Entgelt die fragliche Behandlung erhält, in den Anwendungsbereich der Bestimmungen des EG-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr fällt, ohne dass im betreffenden Fall geprüft werden müsste, ob die Leistungen der Krankenhausversorgung, die im Rahmen eines nationalen Gesundheitsdienstes wie des im Ausgangsverfahren in der Rechtssache Watts in Rede stehenden erbracht werden, selbst Dienstleistungen im Sinne dieser Bestimmungen darstellen.

47      Art. 49 EG ist demnach auf einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens anwendbar, wenn Steuerpflichtige eines bestimmten Mitgliedstaats ihre Kinder in eine Privatschule in einem anderen Mitgliedstaat schicken, die als Erbringer entgeltlicher Dienstleistungen angesehen werden kann, d. h., im Wesentlichen aus privaten Mitteln finanziert wird. Ob dies der Fall ist, hat das nationale Gericht zu prüfen.

 Zum Vorliegen einer Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit

–       Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

48      Nach Ansicht der Kläger des Ausgangsverfahrens verstößt eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche gegen Art. 49 EG und ist nicht gerechtfertigt.

49      Die deutsche Regierung hält eine etwaige Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit im vorliegenden Fall für gerechtfertigt.

50      Erstens sei Art. 49 EG nicht zu entnehmen, dass ein Mitgliedstaat verpflichtet sei, Schulen, die dem Schulsystem eines anderen Mitgliedstaats zugehörten, durch eine steuerliche Begünstigung der Schulgeldzahlungen zu fördern. Müsste die Bundesrepublik Deutschland die Abzugsfähigkeit von Schulgeldzahlungen an Einrichtungen außerhalb ihres Hoheitsgebiets zulassen, würde sie diesen damit mittelbar die gleiche Förderung gewähren wie deutschen Privatschulen, was gegen die im EG-Vertrag vorgesehene Aufteilung der Zuständigkeiten verstieße. Nach Art. 149 EG habe nämlich die Tätigkeit der Gemeinschaft im Bildungsbereich unter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems sowie der Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen zu erfolgen.

51      Da die Bildungspolitik zu den Kernaufgaben jedes Staates gehöre und sich deren Ausgestaltung aufgrund spezifischer historischer und kultureller Traditionen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat beträchtlich unterscheide, sei die Möglichkeit staatlicher Kontrolle und Finanzierung in diesem Bereich zentral. Das Grundgesetz gebe in Art. 7 einzelne Grundentscheidungen zum Schulwesen vor, das im Übrigen in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder falle. Diese Norm, die für Privatschulen einen verbindlichen Rahmen schaffe, garantiere das Recht, private Schulen zu errichten, und lasse damit ein dualistisches Schulwesen mit freier Schulwahl zu.

52      Sowenig die Bundesrepublik Deutschland Einfluss auf die organisatorische Gestaltung der Cademuir School und insbesondere auf die Gestaltung der Lehrpläne habe, sowenig könne sie verpflichtet werden, durch den Verzicht auf ihr zustehende Steuergelder den Betrieb dieser Schule zu subventionieren.

53      Zweitens sei die Nichterstreckung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden steuerlichen Privilegierung auf Schulgeldzahlungen an Privatschulen in anderen Mitgliedstaaten dadurch gerechtfertigt, dass sich die von § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfassten deutschen Schulen und die in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Privatschulen wie die Cademuir School nicht in einer objektiv vergleichbaren Situation befänden.

54      § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG sehe zugunsten bestimmter Privatschulen, denen besondere Lasten auferlegt würden, eine mittelbare staatliche Förderung vor. Es handele sich um die staatlich genehmigten Ersatzschulen, die nach Landesrecht erlaubten Ersatzschulen und die nach Landesrecht anerkannten, allgemeinbildenden Ergänzungsschulen.

55      Nach deutschem Verfassungsrecht bestehe als Kehrseite zu den sehr hohen qualitativen wie finanziellen Anforderungen, die an die nach Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes genehmigten Ersatzschulen gestellt würden, eine damit korrelierende staatliche Förderpflicht. Der Staat verfüge bei der Wahrnehmung seiner nach dieser Bestimmung bestehenden Pflicht zur Förderung privater Ersatzschulen über ein Gestaltungsermessen. Die Förderung erfolge in weitem Umfang durch direkte Zuwendungen. Die Privatschulen erhielten hierdurch ungefähr 80 % der Mittel, die einer vergleichbaren öffentlichen Schule zuteil würden. § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG konkretisiere diese verfassungsrechtliche Förderpflicht und fördere die genehmigten Schulen mittelbar durch eine steuerliche Privilegierung der Schulgeldzahlungen.

56      Gleiches gelte für die nach Landesrecht erlaubten Ersatzschulen und die nach Landesrecht anerkannten, allgemeinbildenden Ergänzungsschulen. Zwar gälten für diese Schulen die besonderen grundgesetzlichen Anforderungen nicht, und es bestehe auch keine grundgesetzliche Förderpflicht. Durch die landesrechtliche Erlaubnis oder Anerkennung komme jedoch im Ergebnis für diese Schulen das gleiche Regelungsregime zur Anwendung, das für die genehmigten Ersatzschulen gelte. Wegen der mit dieser Erlaubnis oder Anerkennung einhergehenden Lasten gelte auch für diese Schulen eine staatliche, wenn auch nur einfach-gesetzliche Förderpflicht.

57      Ein derartiger Zusammenhang zwischen den staatlichen Anforderungen einerseits und der entsprechenden staatlichen Förderung andererseits bestehe bei der Cademuir School nicht. Insbesondere unterliege eine solche Schule nicht dem Gebot, eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern zu vermeiden, was notwendigerweise nicht kostendeckende Schulgelder bedeute. Damit entfalle aber ein besonders entscheidender Bestandteil der Lasten der von § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfassten Schulen, die für diese Schulen die staatliche Förderpflicht begründeten.

58      Schließlich würde eine Erstreckung der steuerlichen Privilegierung auf Schulgeldzahlungen an die Cademuir School nicht nur dem in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 des Grundgesetzes verankerten Anliegen zuwiderlaufen, eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern zu vermeiden, sondern könnte auch dazu führen, dass der Betrag der Steuerermäßigung, der insgesamt über die Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG gewährt werde, deutlich ansteige.

59      Die Schulgelder für die von § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfassten Schulen seien nämlich niedrig festgesetzt, um eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen ihrer Eltern zu vermeiden, so dass auch der Umfang der mittelbaren staatlichen Förderung dieser Schulen durch die Abzugsfähigkeit von Sonderausgaben für die Eltern gering sei. Anderes gelte für eine Schule wie die Cademuir School, deren Schulgeld ganz erheblich höher sei als das der erstgenannten Schulen.

60      Der Gerichtshof habe in seinem Urteil vom 15. März 2005, Bidar (C‑209/03, Slg. 2005, I‑2119, Randnr. 56), entschieden, dass es jedem Mitgliedstaat freistehe, darauf zu achten, dass die Gewährung von Beihilfen zur Deckung des Unterhalts von Studenten aus anderen Mitgliedstaaten nicht zu einer übermäßigen Belastung werde, die Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben könnte, die dieser Staat gewähren könne. Ebenso müsse es legitim sein, dass ein Mitgliedstaat für die Gewährung einer steuerlichen Vergünstigung Kriterien festlege, mit denen sich verhindern lasse, dass diese Vergünstigung unter ein Niveau abgesenkt werden müsse, das der Mitgliedstaat für erforderlich erachte.

61      Nach Ansicht der Kommission verstößt die Regelung des Ausgangsverfahrens gegen die Dienstleistungsfreiheit. § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG stelle keine objektiven Kriterien auf, die es ermöglichten, zu bestimmen, welche Arten von Schulgebühren deutscher und ausländischer Schulen abzugsfähig seien. Die Vorschrift knüpfe die Abzugsfähigkeit der Schulgebühren vielmehr allein an die Genehmigung bzw. Anerkennung der jeweiligen Privatschule in Deutschland. Entscheidende Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit sei demnach, dass die Privatschule in diesem Mitgliedstaat ansässig sei. Die Schulgebühren für Privatschulen in anderen Mitgliedstaaten seien unabhängig von ihrer Höhe automatisch vom Steuerabzug ausgeschlossen. Da keine dieser Privatschulen den Anforderungen von § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG entsprechen könne, könne bei diesen Schulen nicht danach differenziert werden, ob sie theoretisch mit den deutschen Privatschulen vergleichbar seien oder nicht.

62      Unter den von der Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG benachteiligten Schulen fänden sich somit zumindest auch solche, die sich ausschließlich durch ihre Schulgebühren und ihre sonstigen wirtschaftlichen Aktivitäten finanzierten, die also zweifelsfrei entgeltliche Dienstleistungen anböten. Zumindest ihre Schlechterstellung stelle eine Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49 EG dar.

63      Gründe für eine Rechtfertigung dieses Verstoßes gegen Art. 49 EG gebe es nicht. Dies gelte umso mehr, als es der Bundesrepublik Deutschland nach dem Gemeinschaftsrecht unbenommen bleibe, die steuerliche Abzugsfähigkeit von Schulgebühren auf bestimmte Schultypen oder auf Gebühren in bestimmter Höhe zu begrenzen, unter der einzigen Voraussetzung, dass die Abzugsfähigkeit nach objektiven Kriterien bestimmt werde und unabhängig vom Sitz der Schule erfolge. Der Verstoß wiege umso schwerer, als die Verbreitung der Sprachen der Mitgliedstaaten und die Förderung der Mobilität von Lernenden nach Art. 149 Abs. 2 erster und zweiter Gedankenstrich EG zu den ausdrücklichen Zielen der Gemeinschaft gehörten.

–       Antwort des Gerichtshofs

64      Eine Steuerregelung eines Mitgliedstaats wie die des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG macht die Gewährung einer steuerlichen Vergünstigung davon abhängig, dass das Schulgeld an Privatschulen gezahlt wird, die in diesem Mitgliedstaat staatlich genehmigt oder nach dem Recht eines seiner Länder erlaubt oder anerkannt sind, was bereits voraussetzt, dass die Schulen in dem betreffenden Mitgliedstaat ansässig sind.

65      Diese Regelung schließt generell die Möglichkeit aus, dass in Deutschland steuerpflichtige Personen einen Teil des Schulgelds für den Privatschulbesuch ihrer Kinder in anderen Mitgliedstaaten von ihren der Steuer unterliegenden Einkünften abziehen, während diese Möglichkeit in Bezug auf Schulgeldzahlungen an bestimmte deutsche Privatschulen besteht. Die Regelung führt also für die Steuerpflichtigen zu einer höheren steuerlichen Belastung, wenn sie wie die Kläger des Ausgangsverfahrens ihre Kinder in eine Privatschule in einem anderen Mitgliedstaat und nicht in eine Privatschule im Inland schicken.

66      Eine Regelung wie die des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG hält in Deutschland wohnende Steuerpflichtige davon ab, ihre Kinder in Schulen in einem anderen Mitgliedstaat zu schicken. Darüber hinaus beeinträchtigt sie auch das Bildungsangebot privater Bildungseinrichtungen in anderen Mitgliedstaaten, das an die Kinder von in Deutschland wohnenden Steuerpflichtigen gerichtet ist.

67      Eine solche Regelung beeinträchtigt die in Art. 49 EG gewährleistete Dienstleistungsfreiheit. Art. 49 EG schließt die Anwendung einer nationalen Regelung aus, die die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten gegenüber der Erbringung von Dienstleistungen innerhalb nur eines Mitgliedstaats erschwert (vgl. u. a. Urteile vom 28. April 1998, Safir, C‑118/96, Slg. 1998, I‑1897, Randnr. 23, Smits und Peerbooms, Randnr. 61, Danner, Randnr. 29, vom 4. März 2004, Kommission/Frankreich, C‑334/02, Slg. 2004, I‑2229, Randnr. 23, Watts, Randnr. 94, und vom 19. April 2007, Stamatelaki, C‑444/05, Slg. 2007, I‑0000, Randnr. 25).

68      Nach Auffassung der deutschen Regierung ist eine etwaige Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit zunächst dadurch gerechtfertigt, dass dem Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit keine Verpflichtung entnommen werden könne, die steuerliche Vorzugsbehandlung bestimmter dem Schulsystem eines Mitgliedstaats zugehörender Schulen auf einem anderen Mitgliedstaat zugehörende Schulen zu erstrecken.

69      Hierzu ist festzustellen, dass § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG die steuerliche Behandlung von Schulgeld betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung fallen die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, doch müssen diese ihre Befugnisse unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben (vgl. u. a. Urteile Danner, Randnr. 28, vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, C‑374/04, Slg. 2006, I‑11673, Randnr. 36, und vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, C‑524/04, Slg. 2007, I‑0000, Randnr. 25).

70      Ebenso steht zwar fest, dass das Gemeinschaftsrecht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zum einen für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems sowie die Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen (Art. 149 Abs. 1 EG) und zum anderen für Inhalt und Gestaltung der beruflichen Bildung (Art. 150 Abs. 1 EG) unberührt lässt; gleichwohl müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Befugnis das Gemeinschaftsrecht beachten, insbesondere die Bestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr (vgl. entsprechend Urteil Watts, Randnrn. 92 und 147).

71      Zum Vorbringen der deutschen Regierung, ein Mitgliedstaat könne nicht verpflichtet werden, Schulen, die dem Schulsystem eines anderen Mitgliedstaats zugehörten, zu subventionieren, genügt die Feststellung, dass § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG keine Direktsubventionierung der betreffenden Schulen durch den deutschen Staat vorsieht, sondern vielmehr eine steuerliche Vergünstigung für Eltern wegen der Schulgeldzahlungen für ihre Kinder.

72      Zum Vorbringen der deutschen Regierung, die Nichterstreckung der steuerlichen Privilegierung nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG auf Schulgeldzahlungen an Privatschulen in anderen Mitgliedstaaten sei dadurch gerechtfertigt, dass sich die von dieser Bestimmung erfassten deutschen Schulen und die in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Privatschulen wie die Cademuir School nicht in einer objektiv vergleichbaren Situation befänden, ist zu bemerken, dass § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG die Teilabzugsfähigkeit des Schulgelds davon abhängig macht, dass die betreffende Privatschule in Deutschland genehmigt, erlaubt oder anerkannt ist, ohne objektive Kriterien aufzustellen, die es ermöglichen würden, zu bestimmen, welche Arten des von deutschen Schulen verlangten Schulgelds abzugsfähig sind.

73      Jede in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland ansässige Privatschule ist somit aufgrund der bloßen Tatsache, dass sie nicht in Deutschland ansässig ist, automatisch von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden steuerlichen Vergünstigung ausgeschlossen, ohne dass es darauf ankäme, ob sie Kriterien erfüllt wie die Erhebung von Schulgeld in einer Höhe, die keine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen ihrer Eltern zulässt.

74      Zur Rechtfertigung der Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit durch die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung macht die deutsche Regierung unter Berufung auf das Urteil Bidar außerdem geltend, es sei legitim, dass ein Mitgliedstaat für die Gewährung einer Beihilfe oder einer steuerlichen Vergünstigung Kriterien festlege, mit denen sich verhindern lasse, dass diese Beihilfen oder Vergünstigungen unter ein Niveau abgesenkt werden müssten, das der Mitgliedstaat für erforderlich erachte.

75      Nach Ansicht der deutschen Regierung sind die Ausführungen im Urteil Bidar zur Gewährung von Beihilfen zur Deckung der Unterhaltskosten von Studenten und zur Freizügigkeit der Unionsbürger vor dem allgemeinen Hintergrund zu sehen, dass bei beschränkten staatlichen Finanzmitteln die Ausweitung einer Steuerermäßigung notwendigerweise bedeute, dass die Höhe der individuell für den Einzelnen gewährten Steuerbegünstigung gesenkt werden müsste, um eine Aufkommensneutralität zu erreichen. Durch eine Erstreckung von § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG auf Schulgeldzahlungen an bestimmte Schulen in anderen Mitgliedstaaten würde der Staatshaushalt zusätzlich belastet.

76      Diesem Vorbringen kann jedoch aus den nachstehenden Gründen nicht gefolgt werden.

77      Erstens zählt nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Vermeidung einer Verringerung des Steueraufkommens nicht zu den in Art. 46 EG in Verbindung mit Art. 55 EG genannten Gründen und kann auch nicht als zwingender Grund des Allgemeininteresses angesehen werden.

78      Soweit zweitens die deutsche Regierung vorträgt, es stehe jedem Mitgliedstaat frei, darauf zu achten, dass die Förderung im Zusammenhang mit Schulgeld nicht zu einer übermäßigen Belastung werde, die Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Förderung haben könnte, das dieser Staat gewähren könne, ergibt sich aus ihren Angaben, dass die übermäßige finanzielle Belastung, zu der es ihrer Ansicht nach bei Erstreckung der steuerlichen Vergünstigung auf Schulgeldzahlungen an bestimmte Schulen in anderen Mitgliedstaaten käme, daraus resultieren würde, dass die diesen Schulen mittelbar gewährten Förderbeträge sehr viel höher wären als die Förderbeträge für in Deutschland genehmigte, erlaubte oder anerkannte Bildungseinrichtungen, da sich diese in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Schulen durch hohe Schulgelder selbst finanzieren müssten.

79      Selbst wenn in einem Fall wie dem des Ausgangsrechtsstreits, also in Bezug auf eine steuerliche Begünstigung von Schulgeld, die gleichen Überlegungen zuträfen, wie sie das Urteil Bidar enthält, wäre doch mit der Kommission festzustellen, dass das Ziel, das mit der Versagung der im Ausgangsverfahren fraglichen steuerlichen Vergünstigung für Schulgeldzahlungen an Schulen in anderen Mitgliedstaaten verfolgt wird, nämlich – entsprechend dem Gedankengang im Urteil Bidar – die Gewährleistung der Deckung der Kosten für den Betrieb von Privatschulen, ohne dass dadurch der Staat unangemessen belastet wird, durch mildere Mittel erreicht werden könnte.

80      Wie die Generalanwältin in Nr. 62 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist es einem Mitgliedstaat zur Vermeidung einer übermäßigen finanziellen Belastung nämlich möglich, die Abzugsfähigkeit des Schulgelds auf einen bestimmten Betrag zu beschränken, der der steuerlichen Vergünstigung entspricht, die dieser Staat gemäß bestimmten eigenen Wertvorstellungen für den Besuch von Schulen im Inland gewährt, was ein milderes Mittel als die Versagung der betreffenden Steuervergünstigung wäre.

81      Es ist jedenfalls offenkundig unverhältnismäßig, Schulgeldzahlungen von in Deutschland einkommensteuerpflichtigen Personen an Schulen, die in anderen Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland ansässig sind, von der steuerlichen Vergünstigung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG vollständig auszuschließen. Dadurch werden nämlich die Schulgeldzahlungen dieser Steuerpflichtigen an Schulen in anderen Mitgliedstaaten von der steuerlichen Vergünstigung unabhängig davon ausgeschlossen, ob die betreffenden Schulen objektive Kriterien erfüllen, die nach innerstaatlichen Grundsätzen aufgestellt worden sind und anhand deren sich bestimmen lässt, welche Arten von Schulgeld einen Anspruch auf die Steuervergünstigung geben.

82      Nach alledem ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, dass, wenn Steuerpflichtige eines Mitgliedstaats ihre Kinder zur Schulausbildung in eine Schule schicken, die sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet und im Wesentlichen aus privaten Mitteln finanziert wird, Art. 49 EG dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die vorsieht, dass Schulgeldzahlungen an bestimmte Privatschulen im Inland als Sonderausgaben einkommensteuermindernd berücksichtigt werden können, diese Möglichkeit aber in Bezug auf Schulgeldzahlungen an Privatschulen in anderen Mitgliedstaaten generell ausschließt.

 Zum Vorliegen einer Beeinträchtigung der Freizügigkeit der Unionsbürger

83      Wie sich aus den Randnrn. 35 und 47 des vorliegenden Urteils ergibt, ist, da das vorlegende Gericht zu dem Schluss gelangen könnte, dass Art. 49 EG auf den Ausgangssachverhalt nicht anwendbar ist, eine Regelung wie die des Ausgangsverfahrens anhand von Art. 18 EG zu prüfen.

–       Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

84      Nach Ansicht der deutschen Regierung steht Art. 18 EG einer Regelung wie § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG nicht entgegen.

85      Die Kommission macht für den Fall, dass der Gerichtshof Art. 49 EG für nicht anwendbar erklären sollte, geltend, dass diese Regelung die Rechte der Kläger des Ausgangsverfahrens aus Art. 12 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 EG verletze.

–       Antwort des Gerichtshofs

86      Wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, ist der Unionsbürgerstatus dazu bestimmt, der grundlegende Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zu sein, der es denjenigen unter ihnen, die sich in der gleichen Situation befinden, erlaubt, im sachlichen Geltungsbereich des EG-Vertrags unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und unbeschadet der insoweit ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen die gleiche rechtliche Behandlung zu genießen (vgl. u. a. Urteile vom 20. September 2001, Grzelczyk, C‑184/99, Slg. 2001, I‑6193, Randnr. 31, vom 11. Juli 2002, D’Hoop, C‑224/98, Slg. 2002, I‑6191, Randnr. 28, vom 2. Oktober 2003, Garcia Avello, C‑148/02, Slg. 2003, I‑11613, Randnrn. 22 und 23, sowie vom 29. April 2004, Pusa, C‑224/02, Slg. 2004, I‑5763, Randnr. 16).

87      Zu den Situationen, die in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, gehören diejenigen, die sich auf die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten beziehen, und insbesondere auch die, in denen es um das durch Art. 18 EG verliehene Recht geht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (vgl. u. a. Urteile Grzelczyk, Randnr. 33, D’Hoop, Randnr. 29, Garcia Avello, Randnr. 24, und Pusa, Randnr. 17).

88      Da ein Unionsbürger in allen Mitgliedstaaten Anspruch auf die gleiche rechtliche Behandlung wie die eigenen Staatsangehörigen dieser Mitgliedstaaten hat, die sich in der gleichen Situation befinden, wäre es mit dem Recht auf Freizügigkeit unvereinbar, wenn der Mitgliedstaat, dem er angehört, ihn weniger günstig behandeln könnte, als wenn er nicht von den Erleichterungen Gebrauch gemacht hätte, die ihm der EG-Vertrag in Bezug auf die Freizügigkeit gewährt (Urteile D’Hoop, Randnr. 30, und Pusa, Randnr. 18).

89      Diese Erleichterungen könnten nämlich ihre volle Wirkung nicht entfalten, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats von ihrer Wahrnehmung durch Hindernisse abgehalten werden könnte, die seinem Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat infolge einer Regelung seines Herkunftsstaats entgegenstehen, die Nachteile daran knüpft, dass er von ihnen Gebrauch gemacht hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Juli 1992, Singh, C‑370/90, Slg. 1992, I‑4265, Randnr. 23, D’Hoop, Randnr. 31, Pusa, Randnr. 19, und vom 18. Juli 2006, De Cuyper, C‑406/04, Slg. 2006, I‑6947, Randnr. 39).

90      Die Kinder der Kläger des Ausgangsverfahrens haben mit dem Besuch einer Schule in einem anderen Mitgliedstaat von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht. Nach dem Urteil vom 19. Oktober 2004, Zhu und Chen (C‑200/02, Slg. 2004, I‑9925, Randnr. 20), kann sich ein Kind selbst im Kleinkindalter auf die gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Rechte auf Freizügigkeit und auf Aufenthalt berufen.

91      Eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche begründet eine Ungleichbehandlung von in Deutschland einkommensteuerpflichtigen Personen je nachdem, ob sie ihre Kinder in eine Schule in Deutschland gegeben oder zum Schulbesuch in einen anderen Mitgliedstaat geschickt haben.

92      Da diese Regelung die steuerliche Begünstigung des Schulgelds davon abhängig macht, dass es an Privatschulen gezahlt worden ist, die bestimmte Voraussetzungen in Deutschland erfüllen, und dazu führt, dass die Vergünstigung den in diesem Mitgliedstaat einkommensteuerpflichtigen Personen versagt wird, die ihre Kinder zur Schulausbildung in einen anderen Mitgliedstaat geschickt haben, benachteiligt sie die Kinder eigener Staatsangehöriger allein deswegen, weil sie von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, indem sie sich zur Schulausbildung in einen anderen Mitgliedstaat begeben haben.

93      Eine nationale Regelung, die bestimmte eigene Staatsangehörige allein deswegen benachteiligt, weil sie von ihrer Freiheit, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben und sich dort aufzuhalten, Gebrauch gemacht haben, stellt eine Beschränkung der Freiheiten dar, die Art. 18 Abs. 1 EG jedem Unionsbürger verleiht (Urteile De Cuyper, Randnr. 39, sowie vom 26. Oktober 2006, Tas-Hagen und Tas, C‑192/05, Slg. 2006, I‑10451, Randnr. 31).

94      Eine solche Beschränkung wäre nach Gemeinschaftsrecht allenfalls dann gerechtfertigt, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruhte und in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit dem nationalen Recht legitimerweise verfolgten Zweck stünde (Urteile D’Hoop, Randnr. 36, De Cuyper, Randnr. 40, sowie Tas-Hagen und Tas, Randnr. 33).

95      Zur Rechtfertigung einer etwaigen Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit hat die deutsche Regierung die Argumente vorgetragen, die in den Randnrn. 58 bis 60 des vorliegenden Urteils dargestellt sind und sich auf die Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Bidar zur Auslegung von Art. 18 EG beziehen.

96      In Randnr. 56 des Urteils Bidar hat der Gerichtshof entschieden, dass es jedem Mitgliedstaat freisteht, darauf zu achten, dass die Gewährung von Beihilfen zur Deckung des Unterhalts von Studenten aus anderen Mitgliedstaaten nicht zu einer übermäßigen Belastung wird, die Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben könnte, die dieser Staat gewähren kann.

97      Selbst wenn jedoch in einem Fall wie dem des Ausgangsrechtsstreits, also in Bezug auf eine steuerliche Begünstigung von Schulgeld, die gleichen Überlegungen zuträfen, stünde eine Regelung wie § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG aus den in Randnr. 81 des vorliegenden Urteils im Rahmen der Prüfung der Regelung anhand des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit genannten Gründen jedenfalls offenkundig außer Verhältnis zu den mit ihr verfolgten Zielen.

98      Werden somit Kinder von Steuerpflichtigen eines Mitgliedstaats in eine Schule in einem anderen Mitgliedstaat geschickt, deren Leistungen nicht unter Art. 49 EG fallen, werden sie durch eine Regelung wie § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG gegenüber Kindern, die nicht durch den Besuch einer Schule in einem anderen Mitgliedstaat von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, ungerechtfertigt benachteiligt und in ihren Rechten aus Art. 18 Abs. 1 EG verletzt.

99      Dem vorlegenden Gericht ist folglich zu antworten, dass, wenn Steuerpflichtige eines Mitgliedstaats ihre Kinder zur Schulausbildung in eine Schule in einem anderen Mitgliedstaat schicken, deren Leistungen nicht unter Art. 49 EG fallen, Art. 18 EG einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die vorsieht, dass Schulgeldzahlungen an bestimmte Schulen im Inland als Sonderausgaben einkommensteuermindernd berücksichtigt werden können, diese Möglichkeit aber in Bezug auf Schulgeldzahlungen an Schulen in anderen Mitgliedstaaten generell ausschließt.

 Kosten

100    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1.      Wenn Steuerpflichtige eines Mitgliedstaats ihre Kinder zur Schulausbildung in eine Schule schicken, die sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet und im Wesentlichen aus privaten Mitteln finanziert wird, ist Art. 49 EG dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die vorsieht, dass Schulgeldzahlungen an bestimmte Privatschulen im Inland als Sonderausgaben einkommensteuermindernd berücksichtigt werden können, diese Möglichkeit aber in Bezug auf Schulgeldzahlungen an Privatschulen in anderen Mitgliedstaaten generell ausschließt.

2.      Wenn Steuerpflichtige eines Mitgliedstaats ihre Kinder zur Schulausbildung in eine Schule in einem anderen Mitgliedstaat schicken, deren Leistungen nicht unter Art. 49 EG fallen, steht Art. 18 EG einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die vorsieht, dass Schulgeldzahlungen an bestimmte Schulen im Inland als Sonderausgaben einkommensteuermindernd berücksichtigt werden können, diese Möglichkeit aber in Bezug auf Schulgeldzahlungen an Schulen in anderen Mitgliedstaaten generell ausschließt.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.

Top