EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 42006X0728(01)

Entschliessung des Rates und der im Rat vereinigten vertreter der Regierungen der mitgliedstaaten vom 27. Juni 2006 zu einem Verhaltenskodex zur Verrechnungspreisdokumentation für verbundene Unternehmen in der Europäischen Union (EU TPD)

OJ C 176, 28.7.2006, p. 1–7 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

Legal status of the document In force

28.7.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 176/1


Entschliessung des Rates und der im Rat vereinigten vertreter der Regierungen der mitgliedstaaten vom 27. Juni 2006 zu einem Verhaltenskodex zur Verrechnungspreisdokumentation für verbundene Unternehmen in der Europäischen Union (EU TPD)

(2006/C 176/01)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION UND DIE IM RAT VEREINIGTEN VERTRETER DER REGIERUNGEN DER MITGLIEDSTAATEN —

gestützt auf die Studie der Europäischen Kommission über die „Unternehmensbesteuerung im Binnenmarkt“ (1),

gestützt auf den Vorschlag der Kommission in ihrer Mitteilung vom 23. Oktober 2001 mit dem Titel „Ein Binnenmarkt ohne steuerliche Hindernisse — Strategie zur Schaffung einer konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage für die grenzüberschreitende Unternehmenstätigkeit in der EU“ (2) von 2001 betreffend die Einsetzung eines „Gemeinsamen EU-Verrechnungspreisforums“

gestützt auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 11. März 2002, worin der Rat diesen Vorschlag und die Einsetzung des Gemeinsamen EU-Verrechnungspreisforums im Juni 2002 begrüßte,

In der Erwägung, dass der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen umfasst, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist.

In der Erwägung, dass in einem Binnenmarkt, der die Merkmale eines Inlandsmarktes besitzt, Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen, die in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ansässig sind, nicht ungünstiger behandelt werden sollten als dieselben Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen innerhalb ein und desselben Mitgliedstaates.

In der Erwägung, dass es im Interesse des ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarktes es von größter Bedeutung ist, die Befolgungskosten im Zusammenhang mit der Verrechnungspreisdokumentation für verbundene Unternehmen zu senken.

In der Erwägung, dass der in dieser Entschließung enthaltene Verhaltenskodex den Mitgliedstaaten und den Steuerpflichtigen ein wertvolles Instrument zur Anwendung einer standardisierten und teilweise zentralisierten Verrechnungspreisdokumentation in der Europäischen Union an die Hand gibt, um die Erfordernisse im Zusammenhang mit den Verrechnungspreisen bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten zu vereinfachen.

In der Erwägung, dass, würden die Mitgliedstaaten eine standardisierte und teilweise zentralisierte Verrechnungspreisdokumentation als Nachweis für die Fremdüblichkeit der Verrechnungspreise in der Europäischen Union anerkennen, die Unternehmen größeren Nutzen aus dem Binnenmarkt ziehen könnten.

In der Erwägung, dass die Verrechnungspreisdokumentation in der Europäischen Union vor dem Hintergrund der OECD-Verrechnungspreisleitlinien zu betrachten ist.

In der Erwägung, dass die Anwendung der standardisierten und teilweise zentralisierten Dokumentation flexibel gestaltet werden und den Besonderheiten des betroffenen Unternehmens Rechnung tragen sollte.

In der Erwägung, dass ein Mitgliedstaat beschließen kann, auf Vorschriften zur Regelung der Verrechnungspreisdokumentation gänzlich zu verzichten oder geringere Anforderungen an die Verrechnungspreisdokumentation zu stellen als in dem dieser Entschließung enthaltenen Verhaltenskodex empfohlen.

In Anerkennung der Tatsache, dass ein gemeinsamer Ansatz in Bezug auf die Dokumentationspflichten in der Europäischen Union für die Unternehmen und die Steuerverwaltungen von Vorteil wäre, da die Unternehmen geringere Befolgungskosten hätten und Strafzuschläge wegen Nichterfüllung der Dokumentationspflichten besser vermeiden könnten und den Steuerverwaltungen die Arbeit durch größere Transparenz und Kohärenz erleichtert würde,

In Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 7. November 2005 (3) über die Tätigkeit des Gemeinsamen EU-Verrechnungspreisforums im Bereich der Unternehmensbesteuerung und einen Verhaltenskodex zur Verrechnungspreisdokumentation für verbundene Unternehmen in der Europäischen Union,

Unter Hinweis darauf, dass der Verhaltenskodex eine politische Verpflichtung darstellt und somit die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten sowie die jeweiligen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft, wie sie sich aus dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ergeben, unberührt lässt,

IN ANERKENNUNG der Tatsache, dass die Anwendung des in dieser Entschließung enthaltenen Verhaltenskodex Lösungen auf globalerer Ebene nicht behindern sollte —

NEHMEN FOLGENDEN VERHALTENSKODEX AN:

Verhaltenskodex zur Verrechnungspreisdokumentation für verbundene Unternehmen in der Europäischen Union (EU TPD)

Unbeschadet der jeweiligen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft betrifft dieser Verhaltenskodex die Anwendung einer standardisierten und teilweise zentralisierten Verrechnungspreisdokumentation für verbundene Unternehmen in der Europäischen Union. Er ist an die Mitgliedstaaten gerichtet, soll jedoch auch multinationale Unternehmen dazu ermutigen, den Ansatz des EU TPD zu verwenden.

1.

Die Mitgliedstaaten akzeptieren für verbundene Unternehmen in der Europäischen Union die im Anhang enthaltene standardisierte und teilweise zentralisierte Verrechnungspreisdokumentation –und legen sie bei der Beurteilung der Verrechnungspreise eines multinationalen Konzerns als Kerndokumentation zu Grunde.

2.

Die Verwendung der EU-Verrechnungspreisdokumentation ist multinationalen Konzernen freigestellt.

3.

Die Mitgliedstaaten wenden hinsichtlich der Dokumentationsanforderungen bei der Betriebsstättengewinnermittlung vergleichbare Grundsätze an wie bei der Verrechnungspreisdokumentation.

4.

Die Mitgliedstaaten tragen den im Anhang dargelegten allgemeinen Grundsätzen und Anforderungen angemessen Rechnung und lassen sich durch diese leiten, wo dies erforderlich ist.

5.

Die Mitgliedstaaten sagen zu, dass sie von kleineren, weniger komplexen Unternehmen (einschließlich kleinen und mittleren Unternehmen) keine genauso umfangreiche und komplexe Dokumentation verlangen wie sie von größeren, komplexeren Unternehmen erwartet werden kann.

6.

Die Mitgliedstaaten sollten

a)

den Unternehmen durch das Verlangen der Erstellung oder Vorlage einer Dokumentation keine unangemessenen Befolgungskosten oder Verwaltungsbelastungen auferlegen;

b)

keine Dokumentation verlangen, die für die überprüften Transaktionen nicht von Belang ist, und

c)

sicherstellen, dass in der Dokumentation enthaltene vertrauliche Informationen nicht an die Öffentlichkeit gelangen.

7.

Die Mitgliedstaaten sollten keine Strafzuschläge wegen Nichterfüllung der Dokumentationspflichten verhängen, wenn Steuerpflichtige in gutem Glauben, auf vernünftige Weise und in angemessener Zeit die Erfordernisse der im Anhang beschriebenen standardisierten und kohärenten Dokumentation oder die innerstaatlichen Dokumentationsanforderungen erfüllen und die fremdüblichen Preise ordnungsgemäß anhand ihrer Dokumentation ermitteln.

8.

Um die einheitliche und wirksame Anwendung dieses Verhaltenskodex zu gewährleisten, sollten die Mitgliedstaaten der Kommission jährlich über sämtliche Maßnahmen berichten, die sie zusätzlich zu diesem Verhaltenskodex ergriffen haben, und wie sich dieser in der Praxis bewährt.


(1)  SEK(2001) 1681, 23. Oktober 2001.

(2)  KOM (2001) 582 endg., 23. Oktober 2001.

(3)  KOM(2005) 543 endg., vom 7. November 2005.


ANHANG

ZUM VERHALTENSKODEX EU-VERRECHNUNGSPREISDOKUMENTATION FÜR VERBUNDENE UNTERNEHMEN IN DER EUROPÄISCHEN UNION (EU TPD)

ABSCHNITT 1

INHALT DER EU-VERRECHNUNGSPREISDOKUMENTATION

1.

Die standardisierte und kohärente EU-Verrechnungspreisdokumentation eines multinationalen Konzerns umfasst zwei Teile:

i)

eine Dokumentationseinheit mit einheitlichen, standardisierten Informationen, die für alle in der Europäischen Union ansässigen Konzerngesellschaften relevant sind (das so genannte „Masterfile“), und

ii)

mehrere standardisierte Dokumentationseinheiten, die jeweils landesspezifische Informationen enthalten („landesspezifische Dokumentation“).

Die EU-Verrechnungspreisdokumentation sollte hinreichend detailliert sein, damit die Steuerverwaltung in der Lage ist, eine Risikoanalyse zum Zwecke der Fallauswahl oder zu Beginn einer Steuerprüfung durchzuführen, sachdienliche und präzise Fragen zur Verrechnungspreisgestaltung der multinationalen Unternehmen zu stellen und die Verrechnungspreise für konzerninterne Transaktionen zu beurteilen. Vorbehaltlich der Bestimmungen unter Nummer 31 erstellt das Unternehmen für jeden betroffenen Mitgliedstaat eine einzige Gesamtdokumentation, die aus dem für alle Mitgliedstaaten anwendbaren einheitlichen Masterfile und der landesspezifischen Dokumentation für den jeweiligen Mitgliedstaat besteht.

2.

Die EU-Verrechnungspreisdokumentation sollte sämtliche nachstehend aufgeführten Elemente enthalten, wobei der Komplexität des Unternehmens und der Transaktionen Rechnung zu tragen ist. Soweit möglich, sollten konzernintern (z. B. für Managementzwecke) bereits verfügbare Daten verwendet werden. Ein multinationales Unternehmen kann jedoch aufgefordert werden, zum Zweck der EUTPD eine Dokumentation vorzulegen, die andernfalls nicht erstellt worden wäre.

3.

Die EU-Verrechnungspreisdokumentation deckt alle in der EU ansässigen Konzerngesellschaften sowie die konzerninternen Geschäftsvorfälle zwischen Unternehmen außerhalb der EU und Konzerngesellschaften, die in der EU ansässig sind, ab.

4.   Das Masterfile

4.1.

Das Masterfile sollte die wirtschaftliche Realität des Unternehmens abbilden und eine „Blaupause“ des multinationalen Konzerns und seines Verrechnungspreissystems liefern, die für alle beteiligten EU-Mitgliedstaaten relevant und verfügbar ist.

4.2.

Das Masterfile sollte folgende Elemente enthalten:

a)

eine allgemeine Beschreibung des Unternehmens und der Unternehmensstrategie sowie der Änderungen der Unternehmensstrategie im Vergleich zum vorangegangenen Steuerjahr;

b)

eine allgemeine Beschreibung der organisatorischen, rechtlichen und operativen Struktur des multinationalen Konzerns (einschließlich Organigramm, Verzeichnis der Konzerngesellschaften und Beschreibung der Beteiligungen der Muttergesellschaft an den Tochtergesellschaften);

c)

die allgemeine Benennung aller verbundenen Unternehmen, die an konzerninternen Transaktionen mit Unternehmen in der EU beteiligt sind;

d)

eine allgemeine Beschreibung der konzerninternen Transaktionen mit verbundenen Unternehmen in der EU, d. h. eine allgemeine Darstellung

i)

der Transaktionsströme (materielle und immaterielle Vermögenswerte, Dienstleistungen, Finanzgeschäfte);

ii)

der Rechnungsströme und

iii)

des Werts der Transaktionsströme;

e)

eine allgemeine Beschreibung der wahrgenommenen Funktionen und der übernommenen Risiken sowie der diesbezüglichen Änderungen im Vergleich zum vorangegangenen Steuerjahr (z. B. Wandel von einer Vertriebsgesellschaft zum Kommissionär);

f)

Übersicht über das Eigentum an immateriellen Vermögenswerten (z. B. Patente, Warenzeichen und Marken, Know-how) sowie über gezahlte oder vereinnahmte Lizenzgebühren;

g)

Beschreibung der internen Verrechnungspreispolitik des multinationalen Konzerns oder des konzerninternen Verrechnungspreissystems zur Erläuterung der Fremdüblichkeit der Verrechnungspreise des Unternehmens;

h)

eine Aufstellung der Kostenumlageverträge, Advance Pricing Agreements und Rulings (verbindlichen Auskünfte) zu Verrechnungspreisaspekten, soweit Konzerngesellschaften in der EU betroffen sind;

i)

eine Selbstverpflichtung jedes inländischen Steuerpflichtigen, auf Anforderung innerhalb angemessener Zeit im Einklang mit den innerstaatlichen Vorschriften weitere Angaben zu machen.

5.   Landesspezifische Dokumentation

5.1.

Die landesspezifische Dokumentation ergänzt das Masterfile. Beide zusammen bilden die Gesamtdokumentation für den jeweiligen EU-Mitgliedstaat. Die landesspezifische Dokumentation ist denjenigen Steuerverwaltungen zugänglich, die ein berechtigtes Interesse daran haben, dass die von der Dokumentation erfassten Transaktionen angemessen besteuert werden.

5.2.

Die landesspezifische Dokumentation sollte zusätzlich zum Masterfile folgende Elemente enthalten:

a)

eine ausführliche Beschreibung des Unternehmens und der Unternehmensstrategie sowie der Änderungen der Unternehmensstrategie im Vergleich zum vorangegangenen Steuerjahr

b)

Informationen (d. h. Beschreibung und Erläuterung) zu landesspezifischen konzerninternen Transaktionen einschließlich:

i)

Transaktionsströme (materielle und immaterielle Vermögenswerte, Dienstleistungen, Finanzgeschäfte);

ii)

Rechnungsströme und

iii)

Wert der Transaktionsströme;

c)

eine Vergleichbarkeitsanalyse, d. h.:

i)

spezifische Merkmale von Gütern und Dienstleistungen;

ii)

Funktionsanalyse (ausgeübte Funktionen, eingesetzte Vermögenswerte, übernommene Risiken);

iii)

Vertragsbedingungen;

iv)

wirtschaftliches Umfeld;

v)

spezifische Unternehmensstrategien;

d)

Erläuterungen zur Auswahl und Anwendung der Verrechnungspreismethode(n), d. h. warum eine bestimmte Verrechnungspreismethode gewählt und wie sie angewendet wurde;

e)

sachdienliche Angaben zu den internen und/oder externen Vergleichsdaten (sofern vorhanden); und

f)

Beschreibung der Umsetzung und Durchführung der konzerninternen Verrechnungspreispolitik.

6.

Ein multinationales Unternehmen sollte die Möglichkeit haben, einzelne Elemente in das Masterfile aufzunehmen anstatt in die landesspezifische Dokumentation, wobei jedoch derselbe Grad an Detailliertheit gegeben sein muss wie in der landesspezifischen Dokumentation. Die landesspezifische Dokumentation sollte in der Sprache erstellt werden, die von dem betroffenen Mitgliedstaat vorgeschrieben ist, auch wenn das multinationale Unternehmen dafür optiert hat, die landesspezifische Dokumentation in das Masterfile zu integrieren.

7.

Sämtliche landesspezifischen Informationen und Dokumente zu einer konzerninternen Transaktion, die einen oder mehr Mitgliedstaaten betrifft, müssen entweder in der landesspezifischen Dokumentation jedes betroffenen Mitgliedstaates erfasst sein oder im gemeinsamen Masterfile.

8.

Multinationale Unternehmen sollten die Möglichkeit haben, die landespezifische Dokumentation wahlweise in einer einzigen Dokumentationseinheit zusammenzufassen (die Informationen über sämtliche Unternehmen in diesem Land enthält) oder separate Einheiten für jedes Unternehmen oder jeden Tätigkeitsbereich in dem betreffenden Land zu erstellen.

9.

Die landesspezifische Dokumentation sollte in einer von dem betroffenen Mitgliedstaat vorgeschriebenen Sprache erstellt werden.

ABSCHNITT 2

ALLGEMEINE ANWENDUNGSVORSCHRIFTEN UND ANFORDERUNGEN AN MULTINATIONALE UNTERNEHMEN

10.

Die Verwendung der EU-Verrechnungspreisdokumentation ist multinationalen Konzernen freigestellt. Ein multinationaler Konzern sollte jedoch nicht willkürlich zwischen dem Konzept der EU-Verrechnungspreisdokumentation und anderen Dokumentationsansätzen wechseln, sondern dieses Konzept in einer Weise anwenden, die EU-weit und von einem Jahr zum nächsten kohärent ist.

11.

Ein multinationaler Konzern, der für die EU-Verrechnungspreisdokumentation optiert, sollte dieses Konzept generell für alle verbundenen Unternehmen anwenden, die an konzerninternen Transaktionen mit Unternehmen in der EU beteiligt sind, für die Verrechnungspreisvorschriften gelten. Vorbehaltlich der Bestimmungen in Nummer 31 erstellt also ein multinationaler Konzern, der für die EU-Verrechnungspreisdokumentation optiert, die in Abschnitt 1 beschriebene Dokumentation für alle Konzerngesellschaften einschließlich Betriebsstätten in den betroffenen EU-Mitgliedstaaten.

12.

Hat ein multinationaler Konzern dafür optiert, in einem bestimmten Steuerjahr das Konzept der EU-Verrechnungspreisdokumentation anzuwenden, sollte jede Konzerngesellschaft ihre Steuerverwaltung hiervon unterrichten.

13.

Die multinationalen Unternehmen sollten sich verpflichten, das Masterfile rechtzeitig zu erstellen, um jeglicher berechtigten Anforderung einer der beteiligten Steuerverwaltungen nachzukommen.

14.

Der Steuerpflichtige in einem gegebenen Mitgliedstaat sollte seine EU-Verrechnungspreisdokumentation auf Anforderung einer Steuerverwaltung innerhalb einer im Verhältnis zur Komplexität der Transaktionen angemessenen Zeit vorlegen.

15.

Für die Vorlage der Dokumentation bei der Steuerverwaltung ist der Steuerpflichtige verantwortlich, der zur Einreichung der Steuererklärung verpflichtet wäre und dem bei Nichtvorlage einer angemessenen Dokumentation Strafzuschlägen auferlegt würden. Dies gilt auch dann, wenn die Dokumentation innerhalb des Konzerns von einer Konzerngesellschaft für eine andere erstellt und aufbewahrt wird. Mit seiner Entscheidung für die EU-Verrechnungspreisdokumentation ist ein multinationaler Konzern gegenüber allen verbundenen Unternehmen in der EU dazu verpflichtet, seiner nationalen Steuerverwaltung das Masterfile und die jeweilige landesspezifische Dokumentation vorzulegen.

16.

Berichtigt ein Steuerpflichtiger in seiner Steuererklärung seinen Bilanzgewinn, der sich aus der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes ergibt, sollte er Unterlagen vorhalten, aus der zu entnehmen ist, wie die Berichtigung berechnet wurde.

17.

Die Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen muss kohärent erfolgen, für die Steuerverwaltung nachvollziehbar und mit Punkt 1.42 der OECD-Verrechnungspreisleitlinien vereinbar sein (wonach eine Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen dann zulässig ist, wenn die Geschäftsvorfälle so eng miteinander verbunden sind oder so eng aufeinander folgen, dass eine sachgerechte Beurteilung jeder einzelnen Transaktion nicht möglich ist). Diese Regeln sind unter Berücksichtigung insbesondere der Anzahl und Komplexität der Geschäftsvorfälle in vernünftiger Weise anzuwenden.

ABSCHNITT 3

ALLGEMEINE ANWENDUNGSVORSCHRIFTEN UND ANFORDERUNGEN AN DIE MITGLIEDSTAATEN

18.

Da es sich bei der EU-Verrechnungspreisdokumentation um eine Basisdokumentation für die Beurteilung der Verrechnungspreise eines multinationalen Konzerns handelt, kann ein Mitgliedstaat in seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften festlegen, dass auf ausdrückliche Anforderung oder während einer Steuerprüfung zusätzlich zu der EU-Verrechnungspreisdokumentation weitere Informationen und Unterlagen vorzulegen sind.

19.

Die Frist, innerhalb deren auf ausdrückliche Anforderung die in Nummer 18 genannten zusätzliche Informationen und Dokumente vorzulegen sind, sollte unter Berücksichtigung der Anzahl und der Detailliertheit der angeforderten Informationen und Unterlagen in jedem Einzelfall festgelegt werden. Nach Maßgabe spezifischer nationaler Vorschriften sollte die Frist so bemessen sein, dass dem Steuerpflichtigen ein angemessener Zeitraum (der je nach Komplexität der Transaktion unterschiedlich ausfallen kann) bleibt, um die zusätzlichen Informationen zusammenzustellen.

20.

Die Steuerpflichtigen vermeiden Strafzuschläge wegen mangelnder Mitwirkung, wenn sie für die EU-Verrechnungspreisdokumentation optiert haben und auf ausdrückliche Anforderung oder während einer Steuerprüfung in angemessener Weise und Zeit zusätzlich zur EU-Verrechnungspreisdokumentation die in Nummer 18 genannten weiteren Informationen und Unterlagen vorlegen.

21.

Die Steuerpflichtigen sollten der Steuerverwaltung ihre EU-Verrechnungspreisdokumentation, d. h. Masterfile und landesspezifische Dokumentation, erst bei Beginn einer Steuerprüfung oder auf ausdrückliche Anforderung vorlegen müssen.

22.

Verlangt ein Mitgliedstaat von einem Steuerpflichtigen, zusammen mit der Steuererklärung auch Informationen über die Verrechnungspreisgestaltung vorzulegen, sollte sich dies auf einen kurzen Fragebogen oder einen angemessenen Vordruck zur Risikoanalyse beschränken.

23.

Die Unterlagen müssen nicht grundsätzlich in eine Landessprache übersetzt werden. Um durch die Übersetzung bedingte Kosten und Verzögerungen zu vermeiden, sollten die Mitgliedstaaten soweit möglich fremdsprachige Unterlagen akzeptieren. Das Masterfile der EU-Verrechnungspreisdokumentation sollten die Steuerverwaltungen in einer Sprache akzeptieren, die in allen betroffenen Mitgliedstaaten verstanden wird. Übersetzungen des Masterfiles sollten nur dann vorgelegt werden, wenn dies unbedingt notwendig ist und ausdrücklich verlangt wird.

24.

Die Mitgliedstaaten sollten die Steuerpflichtigen nicht verpflichten, ihre Dokumentation unangemessen lange und in keinem Fall länger aufzubewahren, als dies in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgeschrieben ist, wo der Steuerpflichtige der Besteuerung unterliegt, unabhängig davon, wo die Dokumentation oder Teile davon aufbewahrt werden.

25.

Die Mitgliedstaaten sollten interne und externe Vergleichsdaten vor dem Hintergrund der konkreten Fakten und Umstände des jeweiligen Einzelfalles bewerten. So sollten beispielsweise Vergleichsdaten, die gesamteuropäischen Datenbanken entnommen sind, nicht automatisch abgelehnt werden. Die Verwendung externer Vergleichsdaten allein sollte nicht dazu führen, dass der Steuerpflichtige wegen Nichterfüllung seiner Pflichten mit Strafzuschlägen belegt wird.

ABSCHNITT 4

ALLGEMEINE ANWENDUNGSVORSCHRIFTEN UND ANFORDERUNGEN AN MULTINATIONALE UNTERNEHMEN UND DIE MITGLIEDSTAATEN

26.

Ist die für einen bestimmten Zeitraum vorgelegte Dokumentation auch für spätere Zeiträume gültig und belegt sie auch für diese Zeiträume die Fremdüblichkeit der Verrechnungspreise, kann es angemessen sein, in der Dokumentation für die späteren Zeiträume auf die frühere Dokumentation Bezug zu nehmen, anstatt die gesamte Dokumentation zu reproduzieren.

27.

Unterlagen, die aus Verhandlungen (z. B. über einen Darlehensvertrag oder einen Großauftrag) zwischen fremdüblich handelnden Unternehmen stammen, müssen der Dokumentation nicht nochmals beigefügt werden, solange die in der Dokumentation enthaltenen Informationen angemessen sind, um die Einhaltung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu überprüfen.

28.

Die Dokumentation, die von einer Tochtergesellschaft eines Konzerns vorzulegen ist, kann sich von der Art der Dokumentation, die die Muttergesellschaft vorlegen muss, unterscheiden; so muss z. B. eine Tochtergesellschaft nicht sämtliche grenzüberschreitenden Beziehungen und Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen innerhalb des multinationalen Konzerns dokumentieren, sondern nur die sie selbst betreffenden Beziehungen und Transaktionen.

29.

Die Steuerverwaltungen sollten es dem Steuerpflichtigen überlassen, wo er seine Dokumentation erstellt und aufbewahrt, solange die Dokumentation ausreichend ist und den betroffenen Steuerverwaltungen auf Anfrage rechtzeitig vorgelegt wird. Es sollte den Steuerpflichtigen daher freistehen, ob sie ihre Dokumentation einschließlich der EU-Verrechnungspreisdokumentation zentral oder dezentral aufbewahren.

30.

Die Art der Aufbewahrung der Dokumentation — ob in Papierform, elektronischer Form oder anderer Form — sollte dem Steuerpflichtigen überlassen bleiben, solange die Dokumentation der Steuerverwaltung in angemessener Weise vorgelegt werden kann.

31.

In gut begründeten Fällen, z. B., wenn ein multinationaler Konzern eine dezentralisierte organisatorische, rechtliche oder operative Struktur aufweist oder aus mehreren großen Abteilungen mit völlig unterschiedlichen Produktlinien und Verrechnungspreisstrategien besteht oder wenn gar keine konzerninternen Transaktionen stattfinden oder wenn ein Unternehmen neu erworben wurde, sollte es dem multinationalen Konzern gestattet werden, mehr als ein Masterfile zu erstellen oder bestimmte Konzerngesellschaften von der EU-Verrechnungspreisdokumentation auszunehmen.

ABSCHNITT 5

GLOSSAR

MULTINATIONALES UNTERNEHMEN UND MULTINATIONALER KONZERN

Gemäß den OECD-Verrechnungspreisleitlinien ist

ein multinationales Unternehmen eine Gesellschaft, die zu einem multinationalen Konzern gehört, und

ein multinationaler Konzern eine Gruppe verbundener Gesellschaften mit Geschäftsorten in zwei oder mehr Staaten.

STANDARDISIERTE DOKUMENTATION

EU-weit einheitliche Dokumentationsvorschriften auf deren Grundlage alle Unternehmen in den Mitgliedstaaten ihre eigene spezifische Dokumentation erstellen. Ziel dieses eher normierenden Ansatzes ist eine dezentralisierte, aber standardisierte Gesamtdokumentation; dabei erstellt zwar jede Gesellschaft eines multinationalen Konzerns ihre eigene Dokumentation, dies geschieht jedoch auf der Grundlage einheitlicher Regeln.

ZENTRALISIERTE (INTEGRIERTE GLOBALE) DOKUMENTATION

Die Muttergesellschaft oder die Hauptverwaltung eines Konzerns erstellt auf globaler oder regionaler Ebene eine einzige Dokumentation (Kerndokumentation) in einer EU-weit standardisierten, kohärenten Form. Diese Dokumentation kann als Grundlage für die Erstellung landesspezifischer Dokumentationen anhand lokaler und zentraler Quellen dienen.

EU-VERRECHNUNGSPREISDOKUMENTATION (EU TPD)

Die EU-Verrechnungspreisdokumentation (EU TPD) kombiniert Aspekte des standardisierten und des zentralisierten (integrierten globalen) Dokumentationskonzepts. Danach erstellt ein multinationaler Konzern eine standardisierte, kohärente Verrechnungspreisdokumentation, die aus zwei Hauptteilen besteht:

i)

einer Kerndokumentation mit vereinheitlichten standardisierten Informationen, die für alle Unternehmen der Gruppe relevant ist (das „Masterfile“) und

ii)

mehrere standardisierte Dokumentationen mit landesspezifischen Informationen (die „landesspezifische Dokumentation“).

Die Gesamtdokumentation für ein Land besteht aus dem gemeinsamen Masterfile, das durch eine standardisierte landesspezifische Dokumentation für das jeweilige Land ergänzt wird.

STRAFZUSCHLAG WEGEN NICHTERFÜLLUNG DER DOKUMENTATIONSPFLICHTEN

Verwaltungs- oder zivilrechtliche Sanktion wegen Nichterfüllung der Erfordernisse der EU-Verrechnungspreisdokumentation oder der innerstaatlichen Dokumentationsvorschriften eines Mitgliedstaates (je nachdem, für welches Dokumentationssystem sich das multinationale Unternehmen entschieden hat) zu dem Zeitpunkt, zu dem die EU-Verrechnungspreisdokumentation oder die Dokumentation nach innerstaatlichem Recht der Steuerverwaltung vorliegen muss.

STRAFZUSCHLAG WEGEN MANGELNDER MITWIRKUNG

Verwaltungs- oder zivilrechtliche Sanktion, die verhängt wird, wenn der Steuerpflichtige der ausdrücklichen Aufforderung einer Steuerverwaltung nicht nachkommt, zusätzlich zur EU-Verrechnungspreisdokumentation oder zur nach innerstaatlichem Recht in einem Mitgliedstaat vorgeschriebenen Dokumentation (je nachdem, für welches Dokumentationssystem sich das multinationale Unternehmen entschieden hat) weitere Informationen oder Unterlagen vorzulegen.

STRAFZUSCHLAG IM ZUSAMMENHANG MIT EINER GEWINNBERICHTIGUNG

Sanktion, die bei Verletzung des Fremdvergleichsgrundsatzes verhängt wird, in der Regel in Form eines Zuschlags in fester Höhe oder in Form eines Prozentsatzes der Verrechnungspreiskorrektur oder der Steuerdifferenz.


Top