

Rechtssätze
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache XY vertreten durch AB, gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom 26. Juni 2012 betreffend Festsetzung von Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2012 und Folgejahre zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin bezieht aus ihrer Tätigkeit als Sonderschullehrerin am Heilpädagogischen Zentrum in Liechtenstein Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Nach entsprechendem Vorhalt hat das Finanzamt mit Bescheid vom 26. Juni 2012 ausgehend von einem inländischen Besteuerungsrecht bezüglich der liechtensteinischen Einkünfte Vorauszahlungen an Einkommensteuer für das Jahr 2012 und Folgejahre in Höhe von ... € festgesetzt.
In der dagegen erhobenen Berufung hat der steuerliche Vertreter beantragt, die Einkommensteuervorauszahlungen
für 2012 mit 0,00 € festzusetzen. Begründend hat er zusammengefasst vorgebracht, dass
die Einkünfte aus der Lehrtätigkeit der Berufungsführerin unter Art. 19 DBA-Liechtenstein
zu subsumieren seien und ihre aus einer öffentlichen Funktion resultierenden Bezüge
daher nur im Kassenstaat (Liechtenstein) zu besteuern seien. Zwischen dem Heilpädagogischen
Zentrum und dem Fürstentum Liechtenstein sei eine Leistungsvereinbarung abgeschlossen
worden, derzufolge das Heilpädagogische Zentrum im Rahmen seiner schulischen Tätigkeit einen
hoheitlichen und gesetzlichen Bildungsauftrag zu erfüllen habe und bilde dieses damit
einen wesentlichen Bestandteil des öffentlichen Schulsystems im Fürstentum Liechtenstein.
In der Leistungsvereinbarung (Artikel 3) werde ausdrücklich auf das Schulgesetz im
Fürstentum Liechtenstein und auf das dem Heilpädagogischen Zentrum verliehene Öffentlichkeitsrecht
hingewiesen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Vorauszuschicken ist: Mit 1. Jänner 2014 wurde der unabhängige Finanzsenat gemäß Art.
151 Abs. 1 Z 8 B-VG aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf
des 31. Dezember 2013 bei dieser Behörde anhängigen Verfahren ging auf das Bundesfinanzgericht
über. Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am 31. Dezember 2013 beim unabhängigen Finanzsenat
als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht
als Beschwerden iSd Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin ist an der sonderpädagogischen Tagesschule des Heilpädagogischen Zentrums in Liechtenstein als Sonderschullehrerin nichtselbständig tätig, wobei sie in der Regel arbeitstäglich zwischen ihrem inländischen Wohnsitz und dem Arbeitsort in Liechtenstein pendelt.
Das Heilpädagogische Zentrum in Liechtenstein betreut Menschen mit einer Behinderung und/oder Entwicklungsstörung entsprechend ihren Bedürfnissen vom Kindesalter bis ins hohe Alter. Mit den Bereichen Schule, Therapie, Werkstätten und Wohnen steht dazu ein ganzheitliches Angebot zur Verfügung. In der sonderpädagogischen Tagesschule werden Kinder und Jugendliche mit besonderen Lernbedürfnissen gefördert; sie ist in eine Basis-, Mittel- und Oberstufe, sowie in einen Sprachheilkindergarten und zwei Einführungsklassen gegliedert.
Träger des Heilpädagogischen Zentrums, dem vom Fürstentum Liechtenstein das Öffentlichkeitsrecht zuerkannt wurde, war im Streitjahr der Verein für Heilpädagogische Hilfe in Liechtenstein (seit 1. Jänner 2013 die Stiftung für Heilpädagogische Hilfe in Liechtenstein, eine privatrechtlich organisierte gemeinnützige Stiftung).
Strittig ist, ob das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Einkünfte der Beschwerdeführerin
aus der nichtselbständigen Tätigkeit am Heilpädagogischen Zentrum in Liechtenstein
nach der Grenzgängerregelung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein Österreich oder
nach der Bestimmung des Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein dem Fürstentum Liechtenstein zukommt.
2. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung
Art. 15 und Art. 19 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und
vom Vermögen, BGBl. Nr. 24/1971, lauten:
“Artikel 15
UNSELBSTÄNDIGE ARBEIT
(1) Vorbehaltlich der Artikel 16, 18, 19 und 20 Absatz 2 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.
...
(4) Einkünfte aus unselbständiger Arbeit solcher Personen, die in einem Vertragstaat in der Nähe der Grenze ansässig sind und im anderen Staat in der Nähe der Grenze
ihren Arbeitsort haben und sich in der Regel an jedem Arbeitstag von ihrem Wohnort
dorthin begeben (Grenzgänger), werden in dem Vertragstaat besteuert, in dem sie ansässig sind. Der Staat des Arbeitsortes ist jedoch berechtigt,
von den erwähnten Einkünften eine Steuer von höchstens vier vom Hundert im Abzugsweg
an der Quelle zu erheben.
Artikel 19
ÖFFENTLICHE FUNKTIONEN
(1) Vergütungen, einschließlich der Ruhegehälter, die von einem Vertragstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem von diesem Staat oder der Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen an eine natürliche Person für die diesem Staat oder der Gebietskörperschaft in Ausübung öffentlicher Funktion erbrachten Dienste gezahlt werden, dürfen nur in diesem Staat besteuert werden.
(2) Auf Vergütungen oder Ruhegehälter für Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit
einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit eines der Vertragstaaten oder einer seiner Gebietskörperschaften erbracht werden, finden die Artikel 15,
16 und 18 Anwendung."
Nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Liechtenstein kommt das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit grundsätzlich dem Tätigkeitsstaat zu. Davon abweichend werden gemäß Art. 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein nichtselbständige Einkünfte von Grenzgängern im Sinne dieser Bestimmung im Ansässigkeitsstaat besteuert. Eine gesonderte Regelung sieht Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein wiederum für Bezüge aus öffentlichen Funktionen vor; diese sind regelmäßig in jenem Staat zu besteuern, der die Bezüge auszahlt (Kassenstaatsprinzip). Sind die dort angeführten Voraussetzungen erfüllt, kommt Art. 15 DBA-Liechtenstein nicht zur Anwendung. Tatbestandsmäßig setzt § 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein voraus (vgl. VwGH 27.1.2011, 2009/15/0151, mwN):
1. die Zahlung der Vergütung von einem Vertragsstaat oder einer seiner
Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem vom Vertragsstaat oder der
Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen;
2. die Erbringung von Diensten für diesen Staat oder die Gebietskörperschaft, und zwar
3. in Ausübung öffentlicher Funktionen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 27.1.2011, 2009/15/0151, betreffend einen beim Verein für Bewährungshilfe in Liechtenstein angestellten Bewährungshelfer ausgesprochen, dass dieser Mitarbeiter eines Vereins sei und als solcher seine Dienste gegenüber dem eine selbständige juristische Person darstellenden Verein und nicht gegenüber dem Staat Liechtenstein oder einer liechtensteinischen Gebietskörperschaft erbringe. Lediglich der Verein erbringe (entsprechend dem zwischen dem Amt für Soziale Dienste des Fürstentums Liechtenstein und dem Verein geschlossenen Leistungsvertrag) – im Wege seiner Mitarbeiter – Leistungen gegenüber dem Staat. Es liege daher schon deswegen kein dem Art. 19 DBA-Liechtenstein subsumierbarer Sachverhalt vor.
Nichts anderes kann somit auch im Beschwerdefall gelten, wurde doch auch das Heilpädagogische Zentrum im hier interessierenden Zeitraum unter der Trägerschaft des Vereins für Heilpädagogische Hilfe in Liechtenstein, einem im Öffentlichkeitsregister eingetragenen privatrechtlichen Verein, geführt. Das in Rede stehende Arbeitsverhältnis besteht sohin nicht mit dem Staat Liechtenstein oder einer seiner Gebietskörperschaften, sondern mit einer selbständigen juristischen Person des privaten Rechts, durch die auch die Entlohnung erfolgt. Ein dem Art. 19 DBA-Liechtenstein subsumierbarer Sachverhalt liegt damit auch im Beschwerdefall nicht vor. Dass vom Heilpädagogischen Zentrum durch das Anbieten eines sonderpädagogischen Unterrichts ein öffentlich-rechtlicher Bildungsauftrag erfüllt wird, vermag daran ebenso wenig zu ändern, wie der Umstand, dass dem Heilpädagogischen Zentrum bzw. ihrem Rechtsträger das Öffentlichkeitsrecht zuerkannt wurde, hat dies doch keine Auswirkung auf die Rechtsnatur als selbständige juristische Person des privaten Rechts (vgl. OGH 24.2.2000, 6 Ob 321/99w, zur Rechtspersönlichkeit einer Krankenanstalt, sowie UFS 8.5.2013, RV/0418-F/12, betreffend eine Privatschule). Auf die Frage der Ausübung einer öffentlichen Funktion im Sinne des Art. 19 DBA-Liechtenstein kommt es infolgedessen schon aus diesem Grund nicht an (vgl. VwGH 27.1.2011, 2009/15/0151).
Auch die von der Liechtensteinischen Steuerverwaltung in dem an das Heilpädagogische Zentrum gerichteten Schreiben vom 29. Juni 2013 demgegenüber vertretene Auffassung, dass die am Heilpädagogischen Zentrum in den Bereichen "Sonderpädagogische Tagesschule" und "Therapie" angestellten Mitarbeiter weiterhin als öffentlich Bedienstete im Sinne von Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein qualifiziert würden und das Besteuerungsrecht für die in Österreich ansässigen Mitarbeiter ausschließlich Liechtenstein zustehe (hingewiesen wurde im Schreiben der liechtensteinischen Steuerverwaltung allerdings auch darauf, dass eine eigenständige Auslegung der Bestimmung jedem Vertragsstaat frei stehe und es aufgrund der Anrechnung der liechtensteinischen Steuer nach der Verordnung AÖFV Nr. 168/1997, zu keiner Doppelbesteuerung komme), vermag der Beschwerde im Hinblick auf die nach der österreichischen Rechtsprechung maßgebliche Auslegung der in Rede stehenden Abkommensbestimmung nicht zum Erfolg zu verhelfen, zumal der Rechtsansicht einer ausländischen Steuerbehörde auch keine bindende Wirkung zukommt (vgl. VwGH 26.07.2000, 97/14/0070).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch der Grundsatz von Treu und Glauben der gegenständlichen Abgabenfestsetzung nicht entgegensteht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 3.11.2005, 2003/15/0136 und VwGH 22.3.2010, 2007/15/0256) schützt der Grundsatz von Treu und Glauben nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer allenfalls auch unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit; die Behörde ist vielmehr verpflichtet, von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen. Nicht nur, dass besondere Umstände vorliegen müssen, die ein Abgehen von der bisherigen Rechtsauffassung durch die Abgabenbehörde unbillig erscheinen lassen, wie dies etwa der Fall sein kann, wenn ein Abgabepflichtiger von der Abgabenbehörde ausdrücklich zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert wird und sich nachträglich die Unrichtigkeit derselben herausstellt, kann der Grundsatz von Treu und Glauben zudem nur insoweit Auswirkungen zeitigen, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt (vgl. VwGH 15.9.2011, 2011/15/0126 und VwGH 23.9.2010, 2010/15/0135, mwN). Im Hinblick auf den Legalitätsgrundsatz des Art. 18 B-VG kann dem Grundsatz von Treu und Glauben nämlich nur insoweit Bedeutung zukommen, als die Vorgangsweise der Behörde nicht durch zwingendes Recht gebunden ist (vgl. VwGH 5.4.2001, 98/15/0158). Ein Vollzugsspielraum in diesem Sinne bestand bei der Beurteilung der zur Anwendung kommenden Zuteilungsnorm des DBA-Liechtenstein und der darauf basierenden Festsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen aber nicht.
Nachdem außer Streit steht, dass die Anwendungsvoraussetzungen der Grenzgängerregelung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein erfüllt sind, erweist sich die Festsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 2012 und Folgejahre somit als rechtmäßig und war die Beschwerde daher als unbegründet abzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 27.1.2011, 2009/15/0151, ausgesprochen, dass ein bei einem eine selbständige juristische Person darstellenden Verein angestellter Dienstnehmer seine Dienste nicht gegenüber dem Staat Liechtenstein oder einer liechtensteinischen Gebietskörperschaft erbringt und daher schon aus diesem Grund ein dem Art. 19 DBA-Liechtenstein subsumierbarer Sachverhalt nicht vorliegt. Die im Beschwerdefall maßgebliche Rechtsfrage ist damit höchstgerichtlich geklärt, eine (ordentliche) Revison ist daher nicht zulässig.
Feldkirch, am 1. Juli 2015
Zusatzinformationen
in Findok veröffentlicht am: | 07.07.2015 |
Materie: |
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Systemdaten: | Findok-Nr: 105420.1 aufgenommen am: 07.07.2015 12:26:14 Dokument-ID: 42621377-6f26-4ab0-a07e-90c4111ddb15 Segment-ID: 340d812c-17c5-4331-bc0e-3d552f7cc4bf |
