Richtlinie des BMF vom 21.12.2010, BMF-010203/0696-VI/6/2010 gültig von 21.12.2010 bis 04.06.2013

EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000

  • 18 Veräußerungsgewinne (§ 24 EStG 1988)
  • 18.1 Veräußerungsgeschäfte (§ 24 Abs. 1 EStG 1988)

18.1.4 Betriebsveräußerung

18.1.4.1 Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebes

18.1.4.1.1 Allgemeines
5564

Unter Veräußerung wird jede entgeltliche Übertragung (zB Verkauf, Tausch, Zwangsversteigerung, Enteignung oder Übernahme der Betriebsschulden ohne andere Gegenleistung) des Eigentums am Betriebsvermögen (Maßgeblichkeit des wirtschaftlichen Eigentums) auf eine andere Person (natürliche, juristische Person, Gesamthandvermögen) verstanden (VwGH 24.9.1996, 95/13/0290).

5565

Wird der (Teil-)Betrieb durch einen Gesellschafter an seine Kapitalgesellschaft zu einem fremdunüblich niedrigen Preis verkauft, liegt ein Tausch und damit eine Betriebsveräußerung vor (§ 6 Z 14 lit. b EStG 1988; verdeckte Einlage bei Körperschaft, siehe Rz 2588 ff).

5566

Keine Veräußerungen sind Übertragungen im Wege der Erbschaft (dies auch dann, wenn die Erbschaft mit Legaten, Pflichtteilsansprüchen oder Auflagen belastet ist oder Verbindlichkeiten mitübernommen werden) oder Übertragungen eines (Teil-)Betriebes durch den Erben in Erfüllung eines Legates oder eines Pflichtteilsanspruches. Diese Übertragungen sind weder Betriebsveräußerung noch Betriebsaufgabe, sondern unentgeltlicher Erwerb, der zur Buchwertfortführung gemäß § 6 Z 9 lit. a EStG 1988 führt (vgl. VwGH 12.11.1985, 85/14/0074; VwGH 20.11.1990, 89/14/0156; VwGH 29.6.1995, 93/15/0134; siehe auch Rz 2529 ff und 5643).

5567

Der Erbe tritt einkommensteuerrechtlich bereits mit dem Tod in die Rechtsstellung des Erblassers ein.

Voraussetzung für die Zurechnung der Einkünfte beim Erben ist ein Betriebsübergang auf den Erben; dabei ist entscheidend, ob dem Erben vom Erblasser betrieblich verwendete Wirtschaftsgüter von solchem Umfang und Gewicht zufallen, dass von einem Übergang des Betriebes gesprochen werden kann (vgl. VwGH 4.6.1985, 85/14/0015; VwGH 28.5.1997, 94/13/0032, wonach bei Tod eines 72-jährigen Arztes und Wertlosigkeit seiner Praxiseinrichtung eine Aufgabe noch beim Erblasser anzunehmen ist).

Im Fall eines Betriebüberganges auf den (die) Erben hat dieser (haben diese) die Buchwerte des Erblassers zu übernehmen und fortzuführen. Dies auch dann, wenn der Erbe den Betrieb nicht weiterführt, sondern ihn - ohne irgendeine betriebliche Tätigkeit zu entfalten - lediglich veräußert (VwGH 4.6.2003, 98/13/0238).

5568

Veräußert ein Erbe einen (Teil-)Betrieb, so ist ihm der Veräußerungsvorgang zuzurechnen, und zwar auch dann, wenn der Erbe außer der Veräußerung keine sonstige betriebliche Tätigkeit entfaltet hat. Gleiches gilt auch im Falle der Aufgabe eines ererbten (Teil-)Betriebes (vgl. VwGH 22.12.1976, 1688/74; VwGH 20.11.1990, 89/14/0156; VwGH 14.4.1993, 91/13/0239; siehe auch Rz 5643). Zur Erbauseinandersetzung siehe Rz 9 ff und 5980 ff.

5569

Keine entgeltliche Übertragung und damit keine Veräußerung ist auch die Schenkung. Diese setzt eine tatsächliche Bereicherung des Rechtsnachfolgers voraus (VwGH 25.2.1998, 97/14/0141). Wie im Bereich der Erbschaft sind dabei zwingend die Buchwerte gemäß § 6 Z 9 lit. a EStG 1988 fortzuführen. Die Schenkung der wesentlichen Betriebsgrundlagen an verschiedene Geschenknehmer stellt eine Betriebsaufgabe dar. Werden anlässlich einer unentgeltlichen Betriebsübertragung Wirtschaftsgüter zurückbehalten, liegt dennoch ein Anwendungsfall von § 6 Z 9 lit. a EStG 1988 vor; die zurückbehaltenen Wirtschaftsgüter sind als Entnahme zum Teilwert zu bewerten (VwGH 29.6.1995, 93/15/0134; VwGH 25.2.1998, 97/14/0141).

5570

Trotz Zurückbehaltung des zivilrechtlichen Eigentums kann das Betriebsgebäude, nicht auch der Grund und Boden (siehe Rz 124), zu Buchwerten ins wirtschaftliche Eigentum des Übernehmers übergehen. Dies setzt voraus:

1.

Zugunsten des Übernehmers ist ein Veräußerungs- und Belastungsverbot festgelegt und

2.

die Nutzenziehung und Lastentragung erfolgt durch den Übernehmer im Rahmen des übernommenen Betriebes und

3.

es wird vereinbart, dass das zivilrechtliche Eigentum spätestens mit dem Tod des Übergebers auf den Betriebsübernehmer übertragen wird oder der Eigentümer muss sich verpflichten, einer grundbücherlichen Belastung mit Verbindlichkeiten des Betriebsübernehmers jederzeit zuzustimmen.

Hingegen schließt eine entgeltliche Nutzungsüberlassung durch den Übergeber wirtschaftliches Eigentum des Übernehmers aus.

5571

Als unentgeltlich ist auch die gemischte Schenkung anzusehen, wenn der Kaufpreis aus privaten Gründen unter oder über dem tatsächlichen Wert liegt. Es ist zu untersuchen, ob der Schenkungscharakter (Vorliegen einer einheitlichen Schenkung) oder der Entgeltlichkeitscharakter (Vorliegen eines Leistungsaustausches) überwiegt. Der Schenkungscharakter überwiegt dann, wenn

  • zwischen Leistung und Gegenleistung ein offenbares Missverhältnis besteht (vgl. VwGH 14.10.1991, 90/15/0084) und
  • sich beide Vertragspartner des doppelten Charakters der Leistung als teilweise unentgeltlich und als teilweise entgeltlich bewusst gewesen sind, beide die teilweise Entgeltlichkeit des Rechtsgeschäftes gewollt und ausdrücklich oder schlüssig zum Ausdruck gebracht haben (Prinzip der subjektiven Äquivalenz). Ein bloßer Freundschaftspreis bzw. preisliches Entgegenkommen gegenüber nahen Verwandten genügt nicht (vgl. VwGH 23.10.1990, 90/14/0102; VwGH 25.2.1998, 97/14/0141; VwGH 18.2.1999, 97/15/0021).
5572

Für die Frage, ob ein Missverhältnis vorliegt, ist der Unternehmenswert dem gemeinen Wert der Gegenleistung gegenüberzustellen. Ein Missverhältnis liegt dann vor, wenn die Gegenleistung nicht mehr als 50% des Unternehmenswertes beträgt. Es kommt nicht auf die formale Vertragsbezeichnung, sondern darauf an, ob Unentgeltlichkeit das Handeln des Übergebers bestimmt hat (VwGH 19.10.1987, 86/15/0097; VwGH 23.10.1990, 90/14/0102; VwGH 14.10.1991, 90/15/0084; VwGH 29.6.1995, 93/15/0134).

Zum überschuldeten Betrieb siehe Rz 5679 ff, zur Betriebsübergabe gegen Rente siehe Rz 7031 ff.

18.1.4.1.2 Voraussetzungen
5573

Eine Veräußerung des ganzen Betriebes liegt vor, wenn alle für eine im Wesentlichen unveränderte Fortführung des Betriebs notwendigen Wirtschaftsgüter in einem einzigen einheitlichen Vorgang an einen einzigen Erwerber (Gemeinschaft) entgeltlich übertragen werden (VwGH 16.01.1991, 89/13/0169; VwGH 17.08.1994, 94/15/0022; VwGH 24.04.1996, 94/15/0025). Dabei ist nicht entscheidend, ob der Erwerber den Betrieb tatsächlich fortführt, sondern vielmehr, ob ihm die erworbenen Wirtschaftsgüter objektiv (bloß abstrakt) die Fortführung des Betriebes ermöglichen (vgl. VwGH 27.08.1991, 91/14/0083; VwGH 15.02.1994, 91/14/0248; VwGH 19.09.1995, 95/14/0038; VwGH 19.02.1997, 94/13/0206; VwGH 29.01.1998, 95/15/0037; VwGH 23.04.1998, 96/15/0211).

Ein Betriebserwerb - und somit auf der anderen Seite auch eine Betriebsveräußerung - liegt aber auch dann vor, wenn einzelne Wirtschaftsgüter des Betriebes durch zwei verschiedene gesellschaftsrechtlich verbundene Gesellschaften erworben werden und eine Trennung in eine Besitz- und eine Betriebsgesellschaft erfolgt. Entscheidend ist, dass auf Grund der gesellschaftsrechtlichen Verbindung der am Erwerb des Betriebs beteiligten Gesellschaften sichergestellt ist, dass der Betrieb in der selben Weise fortgeführt werden kann, wie er vom früheren Betriebsinhaber geführt worden war (VwGH 24.06.2010, 2006/15/0270).

5574

Werden vom Veräußerer - wenn auch nur geringe - Teile der wesentlichen Betriebsgrundlagen zurückbehalten und wird mit diesen der Betrieb weitergeführt, so liegt nur eine Einschränkung des Betriebsumfanges und keine Betriebsveräußerung vor (VwGH 4.4.1989, 88/14/0083; VwGH 9.9.2004, 2001/15/0215).

5575

Werden vom Veräußerer Teile der wesentlichen Betriebsgrundlagen zurückbehalten und dem Erwerber zur Nutzung überlassen, liegt eine Betriebsveräußerung vor (vgl. VwGH 12.1.1979, 2600/78, betr. ein an den Erwerber auf längere Zeit mitvermietetes Betriebsgebäude). Eine Betriebsveräußerung liegt auch dann vor, wenn der Betrieb vom Veräußerer rückgepachtet oder an eine GmbH verkauft wird, deren Gesellschafter-Geschäftsführer der bisherige Betriebsinhaber ist. Das Zurückbehalten einzelner unwesentlicher Wirtschaftsgüter stellt eine Entnahme dar, hindert aber nicht die Annahme einer Betriebsveräußerung (VwGH 29.6.1995, 93/15/0134).

5576

Die Veräußerung der Betriebsgrundlagen an verschiedene Erwerber ist mangels Übertragung eines lebenden Betriebs keine Betriebsveräußerung, sondern eine Betriebsaufgabe. Gewinne aus der Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter vor der Betriebsveräußerung sind kein Teil des Veräußerungsgewinnes, selbst wenn die Betriebsveräußerung den Einzelveräußerungen in kurzer Zeit folgt (vgl. VwGH 15.12.1971, 0545/69).

5577

Bei einem Standortwechsel liegt eine Betriebsveräußerung mit nachfolgender Eröffnung eines Betriebes dann vor, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußert worden sind und insbesondere der Firmenwert nicht mitgenommen werden kann.