Richtlinie des BMF vom 22.03.2005, 06 0104/9-IV/6/00 gültig von 22.03.2005 bis 15.06.2008

EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000

  • 7 Absetzung für Abnutzung (§§ 7, 8 EStG 1988)
  • 7.9 Vorzeitige Abschreibung (§ 10a Abs. 3 EStG 1988, § 10c EStG 1988)

7.9.2 Konjunkturbedingte vorzeitige Gebäudeabschreibung (§ 10a Abs. 3 EStG 1988)

7.9.2.1 Allgemeines

3253

Zur Belebung der Baukonjunktur wurde zunächst befristet für das Jahr 2002 (sodann aber mit BGBl. I Nr. 155/2002 auf das Jahr 2003 verlängert) für die Herstellungskosten von Gebäuden eine vorzeitige Abschreibung von 7% eingeführt. Bemessungsgrundlage sind die im begünstigten Zeitraum anfallenden (Teil-)Herstellungskosten.

3254

Es sind nur Bauvorhaben begünstigt, bei denen der Baubeginn zwischen 1. Jänner 2002 und 31. Dezember 2003 liegt. Als "Baubeginn" gilt der tatsächliche Baubeginn im Sinne von "erster Spatenstich". Eine vorangegangene Planung ist unschädlich. Planungskosten können nur dann in die Bemessungsgrundlage für die vorzeitige Abschreibung einbezogen werden, wenn sie Planungsleistungen hinsichtlich Bauführungen ab 2002 betreffen.

Liegt der tatsächliche Baubeginn im Jahr 2002 oder 2003, ist der Zeitpunkt der Fertigstellung für die Vornahme einer vorzeitigen Abschreibung unmaßgeblich. Wird ein 2003 begonnenes Bauvorhaben vor dem 1. Jänner 2004 beendet, kann die vorzeitige Abschreibung von den gesamten Herstellungskosten (höchstens 3,8 Mio. Euro) gebildet werden. Wird ein Bauvorhaben hingegen erst später (im Jahr 2004 oder einem folgenden Jahr) fertig gestellt, kann die vorzeitige Abschreibung von den in den Jahren 2002 und 2003 anfallenden Teilherstellungskosten (höchstens 3,8 Mio. Euro pro Kalenderjahr und Bauvorhaben) geltend gemacht werden. Die Kostenabgrenzung kann dabei vom Kontenstand der "in Bau befindlichen Anlagen" abgeleitet werden.

3255

Durch die kumulative Anwendung von vorzeitiger und normaler Abschreibung können die Herstellungskosten im Investitionsjahr - falls auch die "Inbetriebnahme" bereits in diesem Jahr stattfindet - bei Anwendung des gesetzlichen AfA-Satzes mit insgesamt 10% (7% vorzeitige Abschreibung und 3% Normal-AfA bei Nutzung von mehr als sechs Monaten im Wirtschaftsjahr) oder 8,5% (7% vorzeitige Abschreibung und 1,5% Normal-AfA bei Nutzung von weniger als sechs Monaten im Wirtschaftsjahr) abgesetzt werden.

Beispiel:

Ein Gewerbebetrieb (Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr) lässt im Jahr 2002 eine Produktionshalle errichten. Baubeginn war im Jänner 2002, die Fertigstellung und Inbetriebnahme erfolgt im November 2002. Die Herstellungskosten betragen 800.000 Euro. Es kann im Wirtschaftsjahr 2002 eine vorzeitige Abschreibung von 56.000 Euro (800.000 Euro x 7%) zuzüglich zur Normal-AfA von 12.000 Euro (800.000 Euro x 1,5%, Halbjahres-AfA) geltend gemacht werden. Der steuerliche Buchwert zum 31. Dezember 2002 beträgt somit 732.000 Euro.

3256

Die vorzeitige Abschreibung kann nur insoweit geltend gemacht werden, als die (Teil-)Herstellungskosten der Kalenderjahre 2002 und 2003 für das betreffende Bauvorhaben den Betrag von 3,8 Mio. Euro nicht übersteigen. Im Ergebnis kann sich die vorzeitige Abschreibung daher pro Bauvorhaben auf höchstens 7% von 3,8 Mio. Euro = 266.000 Euro jährlich (= für 2002 und 2003 insgesamt höchstens 7% von 7,6 Mio. Euro = 532.000 Euro) belaufen. Die jährliche 3,8 Mio. Euro-Grenze bezieht sich auch dann nur auf die in den Jahren 2002 und 2003 angefallenen Teilherstellungskosten, wenn das Gebäude erst nach dem Jahr 2003 fertig gestellt wird (somit keine Aliquotierung der Gesamtkosten).

Beispiel:

Begünstigte
Bemessungsgrundlage

Vorzeitige Abschreibung nach § 10a Abs. 3 EStG 1988

Teilherstellungskosten 2002

3.000.000 €

3.000.000 €

210.000 €

Teilherstellungskosten 2003

4.000.000 €

3.800.000 €

266.000 €

Werden in den Jahren 2002 und 2003 Herstellungsmaßnahmen im Bezug auf zwei oder mehrere Gebäude begonnen, kann sich insgesamt eine höhere jährliche vorzeitige Abschreibung als 266.000 Euro ergeben.

Im Fall abweichender Wirtschaftsjahre 2001/2002 und 2002/2003 bezieht sich die 3,8 Mio. Euro-Grenze ebenfalls auf die in den Kalenderjahren 2002 und 2003 jeweils zu aktivierenden Teilherstellungskosten.

Beispiel:

Die A-GmbH mit abweichendem Wirtschaftsjahr (Bilanzstichtag 30.6.) lässt im Jahr 2002 eine Lagerhalle errichten. Baubeginn war im Februar 2002. An Teilherstellungskosten fielen an:

Bauabschnitt

Datum der Teilfertigstellung

Teilherstellungskosten (Millionen Euro)

A

30.06.2002

1,5

B

31.12.2002

2,8

C

30.06.2003

2,0

D

31.12.2003

1,2

E (Fertigstellung)

01.04.2004

0,5

Die Teilherstellungskosten des Kalenderjahres 2002(A und B, insgesamt 4,3 Millionen Euro) übersteigen den Höchstbetrag, sodass davon nur 3,8 Millionen Euro zu berücksichtigen sind. Die Teilherstellungskosten des Bauabschnittes A (1,5 Millionen Euro) gehen daher zur Gänze in die Bemessung der vorzeitigen Abschreibung ein. Von den Teilherstellungskosten des Bauabschnittes B (2,8 Millionen Euro) können (im Rahmen der Veranlagung 2003) nur mehr 2,3 Millionen Euro berücksichtigt werden.

Die Teilherstellungkosten des Kalenderjahres 2003 (C und D, insgesamt 3,2 Millionen Euro) liegen unter dem Höchstbetrag und können unbegrenzt (im Rahmen der Veranlagungen 2003 und 2004) der vorzeitigen Abschreibung zu Grunde gelegt werden. Die Teilherstellungskosten des Kalenderjahres 2004 (E) sind nicht mehr begünstigt.

An vorzeitiger Abschreibung sind daher jeweils zu berücksichtigen:

Bei der Veranlagung 2002 (Wirtschaftsjahr 2001/2002):

Bauabschnitt

Zu berücksichtigende Teilherstellungskosten

Vorzeitige Abschreibung (Euro)

A

1,5

105.000

Bei der Veranlagung 2003 (Wirtschaftsjahr 2002/2003):

Bauabschnitt

Zu berücksichtigende Teilherstellungskosten

Vorzeitige Abschreibung (Euro)

B

2,3

161.000

C

2,0

140.000

Gesamt

301.000

Bei der Veranlagung 2004 (Wirtschaftsjahr 2003/2004):

Bauabschnitt

Zu berücksichtigende Teilherstellungskosten

Vorzeitige Abschreibung (Euro)

D

1,2

84.000

An Stelle der Geltendmachung von den jeweils zu aktivierenden Teilherstellungskosten im Rahmen der Veranlagungen 2002, 2003 und 2004 kann die vorzeitige Abschreibung auch bei Fertigstellung im Rahmen der Veranlagung 2004 von den gesamten zu berücksichtigenden Teilherstellungskosten der Jahre 2002 und 2003 im Ausmaß von 490.000 (7% von 7 Millionen Euro) geltend gemacht werden.

7.9.2.2 Sachliche Voraussetzungen

7.9.2.2.1 Gebäudebegriff
3257

Zum Gebäudebegriff siehe Rz 3140. Die vorzeitige Abschreibung ist auch für Superädifikate (Rz 3141) und für selbstständig zu aktivierende Herstellungskosten auf ein gemietetes Gebäude (Mieterinvestitionen) möglich, sofern die weiteren Voraussetzungen des § 10a Abs. 3 EStG 1988 vorliegen.

7.9.2.2.2 Abschreibungssatz, Einkunftsarten
3258

Die vorzeitige Abschreibung ist nur für Gebäude möglich, für welche die Absetzung für Abnutzung bis zu 3% (§ 8 Abs. 1 erster Teilstrich zweiter Halbsatz EStG 1988). beträgt. Die vorzeitige Abschreibung ist daher nur bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft und aus Gewerbebetrieb zulässig und auch hier nur insoweit, als das Gebäude unmittelbar der Betriebsausübung (zB Produktion, Lagerung, Verkauf) dient. Das gilt unabhängig davon, ob das Gebäude vom Steuerpflichtigen selbst oder aber - als gewillkürtes Betriebsvermögen - auf Grund einer Nutzungsüberlassung von einem Dritten entsprechend genutzt wird. Für als gewillkürtes Betriebsvermögen an Dritte vermietete Gebäude(teile) steht daher eine vorzeitige Abschreibung dann zu, wenn der Mieter das Gebäude in einer Weise nutzt, dass der Vermieter für dieses Gebäude (diesen Gebäudeteil) den 3-prozentigen Abschreibungssatz in Anspruch nehmen kann.

Bei den außerbetrieblichen Einkünften - insbesondere bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung - kann die vorzeitige Abschreibung nicht geltend gemacht werden.

3259

Die Herstellungskosten müssen nur abstrakt dem Abschreibungssatz von 3% unterliegen. Die vorzeitige Abschreibung ist daher auch dann anwendbar, wenn der tatsächliche Abschreibungssatz geringer oder - wegen Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer - höher ist. Wird Herstellungsaufwand auf ein bestehendes Gebäude getätigt und ist dieser dem Restbuchwert des "Altbestandes" zuzuschlagen und nach dessen Restnutzungsdauer abzuschreiben (sodass sich für den Herstellungsaufwand ein höherer Abschreibungssatz ergibt), steht die vorzeitige Abschreibung gleichfalls zu, falls bei isolierter Abschreibung der 3-prozentige "Basissatz" anzuwenden wäre. Gleiches gilt bei Superädifikaten und bei Mieterinvestitionen.

3260

Entscheidend ist die beabsichtigte Verwendung am Ende jenes Veranlagungszeitraumes, in dem das Gebäude zur Gänze oder teilweise hergestellt wird. Eine nachträgliche Änderung des Verwendungszwecks, die bewirkt, dass die Anwendungsvoraussetzung für den 3-prozentigen AfA-Satz wegfällt (spätere mittelbar der Betriebsausübung statt unmittelbar der Betriebsausübung dienende Nutzung), ist nicht begünstigungsschädlich.

3261

Für nur mittelbar der Betriebsausübung dienende Gebäude(teile) sowie für Betriebsgebäude von Freiberuflern (hier ist § 8 Abs. 1 erster Teilstrich EStG 1988 nicht anwendbar) steht keine vorzeitige Abschreibung zu. Dies gilt auch dann, wenn (zB wegen Nachweis einer kürzeren Restnutzungsdauer) ein 3-prozentiger Abschreibungssatz anzuwenden ist. Herstellungskosten von Gebäuden des Bank- und Versicherungsgewerbes, die wegen des Erreichens der 80%-Grenze nach § 8 Abs. 1 zweiter Teilstrich EStG 1988 zur Gänze unter den Abschreibungssatz von 3% fallen, dürfen vorzeitig abgeschrieben werden, weil inhaltlich eine nahezu ausschließliche Nutzung zur unmittelbaren gewerblichen Betriebsausübung vorliegt. Ist hingegen der Abschreibungssatz von 2,5% anzuwenden (unmittelbare Betriebsausübung unter 80%), ist die vorzeitige Gebäudeabschreibung auch hinsichtlich jener Gebäudeteile ausgeschlossen, die unmittelbar der Betriebsausübung dienen.

7.9.2.2.3 Aufteilung und 80%-Regelungen bei Mischnutzung
3262

Dient das Gebäude zu mindestens 80% unmittelbar der Betriebsausübung, kann der 3-prozentige AfA-Satz und damit auch die vorzeitige Abschreibung (auch in Fällen einer höchstens 20-prozentigen Privatnutzung) von den Herstellungskosten des gesamten Gebäudes bemessen werden. Die vorzeitige Abschreibung eines höchstens 20% privat genutzten Gebäudes ist daher nicht um einen Anteil für Privatnutzung zu kürzen. Bei der Ermittlung des Privatanteils an der AfA ist aber so vorzugehen, als ob keine vorzeitige Abschreibung vorgenommen worden wäre (VwGH 12.7.1963, 0169/63; vgl. Abschnitt 55 Absatz 22 EStR 1984).

Dient das Gebäude zu weniger als 80% unmittelbar der Betriebsausübung, steht die vorzeitige Abschreibung für den entsprechenden Teil der Herstellungskosten zu. Die 3,8 Mio. Euro-Grenze bezieht sich in diesem Fall auf den dem Satz von 3% unterliegenden Teil der Herstellungskosten.

3263

Voraussetzung für die vorzeitige Abschreibung ist aber, dass der zur unmittelbaren Betriebsausübung genutzte Gebäudeteil dem Betriebsvermögen zugehört (siehe Rz 557 ff).

Beispiel:

1. Im Jahr 2002 (Baubeginn) fallen für ein zur Gänze gewerblich genutztes Betriebsgebäude Herstellungskosten von 4 Mio. Euro an. Der (in den Fällen 2, 3 und 4) nicht unmittelbar der Betriebsausübung dienende Teil wird für Verwaltungszwecke verwendet (mittelbar der Betriebsausübung dienende Nutzung).

Anteil der unmittelbar der Betriebsausübung dienenden Nutzung:

Fall 1: 100%

Fall 2: 80%

Fall 3: 50%

Fall 4: 10%

Dies entspricht in Euro

4.000.000 Euro

3.200.000 Euro

2.000.000 Euro

400.000 Euro

Bemessungsgrundlage für vorz. Abschreibung:

3,800.000 Euro

3,800.000 Euro

2.000.000 Euro

400.000 Euro

2. Im Jahr 2002 (Baubeginn) fallen für ein teilweise unmittelbar der Betriebsausübung dienendes Gebäude Herstellungskosten von insgesamt 4 Mio. Euro an. Der nicht unmittelbar der Betriebsausübung dienende Teil des Gebäudes wird nicht betrieblich verwendet.

Anteil der unmittelbar der Betriebsausübung dienenden Nutzung:

Fall 1: 80%

Fall 2: 70%

Fall 3: 50%

Fall 4: 10%

Dies entspricht in Euro

3.200.000 Euro

2.800.000 Euro

2.000.000 Euro

400.000 Euro

Bemessungsgrundlage für vorz. Abschreibung:

3,800.000 Euro

2,800.000 Euro

2.000.000 Euro

0 Euro

7.9.2.2.4 Begünstigte Aufwendungen
3264

Die vorzeitige Abschreibung ist nur für Herstellungskosten (nicht für Anschaffungskosten) möglich. Zur Herstellung siehe Rz 2195 ff. Sie steht nicht nur für die Neuerrichtung von Gebäuden zu, sondern auch bei in den Jahren 2002 oder 2003 begonnenen anderen Herstellungsmaßnahmen auf bestehende Gebäude. Die vorzeitige Abschreibung steht auch für Superädifikate und für Gebäudeinvestitionen des Mieters zu, wenn diesem der Herstellungsaufwand als wirtschaftlichem Eigentümer zugerechnet wird (siehe Rz 3257).

7.9.2.2.5 Teilherstellung
3265

Erstreckt sich die Herstellung des Gebäudes über ein Wirtschaftsjahr hinaus, kann die vorzeitige Abschreibung bereits von den jeweils zu aktivierenden Teilherstellungskosten beansprucht werden. Dabei besteht ein Wahlrecht, die vorzeitige Abschreibung - innerhalb des für 2002 und 2003 jeweils bestehenden Höchstbetrages - von den in diesen Jahren angefallenen Teilherstellungskosten erst im Wirtschaftsjahr der Fertigstellung zu beanspruchen (siehe Rz 3772 ff).

7.9.2.3 Verhältnis der konjunkturbedingten vorzeitigen Gebäudeabschreibung zu anderen Investitionsbegünstigungen

3266

Neben einer beschleunigten Abschreibung für Herstellungskosten im Interesse des Denkmalschutzes nach § 8 Abs. 2 EStG 1988 kann eine vorzeitige Abschreibung nicht beansprucht werden.

Zum Verhältnis zur katastrophenbedingten vorzeitigen Abschreibung nach § 10c EStG 1988 und zur Investitionssonderprämie (§ 108d EStG 1988) siehe Rz 3274.

7.9.2.4 Inanspruchnahme der konjunkturbedingten vorzeitigen Abschreibung

3267

Die Geltendmachung der vorzeitigen Abschreibung ist an keine besonderen Formvorschriften geknüpft. Bilanzierende Steuerpflichtige nach § 5 EStG 1988 müssen die vorzeitige Abschreibung bereits in der Handelsbilanz über die Bewertungsreserve nach § 205 HGB ansetzen (Maßgeblichkeitsgrundsatz). Die Bewertungsreserve ist aufzulösen, soweit die durch die vorzeitige Abschreibung fiktiv abgeschriebenen Herstellungskosten durch die Normalabschreibung aufgebraucht wurden oder wenn das Gebäude, für dessen Herstellungskosten sie gebildet wurde, aus dem Betriebsvermögen ausscheidet. Eine freiwillige Auflösung ist möglich (§ 6 Z 13 EStG 1988).

Bilanzierende Steuerpflichtige nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 können die vorzeitige Abschreibung auch außerbilanzmäßig beanspruchen.

Bei Einnahmen-Ausgaben-Rechnern genügt es, wenn aus der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung die Geltendmachung hervorgeht.