Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis des BFG vom 05.10.2021, RV/5300025/2019

Keine Wiederaufnahme eines Finanzstrafverfahrens aus dem Titel einer nachträglichen Änderung des dem strafbestimmenden Wertbetrages zugrunde gelegten Abgabenbetrages nach § 165 Abs.1 lit.d FinStrG, wenn lediglich von der Abgabenfestsetzung wegen Uneinbringlichkeit gemäß § 206 Abs.1 lit.b BAO Abstand genommen worden war

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Stammrechtssätze

RV/5300025/2019-RS1 Permalink
Der Wiederaufnahmsgrund des § 165 Abs. 1 lit. d FinStrG liegt vor, wenn der Abgabenbetrag, der der Ermittlung des strafbestimmenden Wertbetrages zugrunde gelegt wurde, nachträglich nach den Bestimmungen des Abgabenverfahrens geändert worden ist. Mit anderen Worten, der im Finanzstrafverfahren ermittelte Betrag an Abgabenverkürzungen als ermittelte Differenz zu dem jeweils als zutreffend erachteten Abgabenanspruch soll nachträglich unter bestimmten Voraussetzungen einer Überprüfung unterzogen werden, wenn dieser zuvor im Finanzstrafverfahren festgestellte Abgabenanspruch im korrespondieren Abgabenverfahren selbst eine betragliche Veränderung erfahren hat (indem etwa beispielsweise der im Finanzstrafverfahren als gegeben erachtete Anspruch des Fiskus auf Körperschaftsteuer im Rahmen des Veranlagungsverfahrens der Abgabenbehörde infolge der Berücksichtigung zusätzlicher Betriebsausgaben mit einem geringeren Betrag ermittelt wird; oder wenn die Bemessungsgrundlage für die Vorschreibung von Kapitalertragsteuer in einem Beschwerdeverfahren bezüglich derartiger Abgabenbescheide eine Verringerung auf Null erfahren hätte, weil tatsächlich aus der Sicht des BFG im Steuerverfahren die in Anspruch genommene Person nicht die Empfängerin der Kapitalerträge gewesen wäre).

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betroffene Normen:
Schlagworte:
Nachträgliche Änderung des Abgabenbetrages, Wiederaufnahme eines Finanzstrafverfahrens
RV/5300025/2019-RS2 Permalink
Der Wiederaufnahmsgrund des § 165 Abs. 1 lit. d FinStrG ist nicht durch den Umstand eingeschränkt, dass das Abgabenverfahren, in welchem der als Abgabenanspruch erkannte Abgabenbetrag nachträglich geändert wird, nicht einen Abgabenanspruch gegen den Finanzstraftäter selbst, sondern einen solchen gegen eine dritte Person (z.B. gegen die juristische Person, als deren Wahrnehmender der steuerlichen Interessen der Finanzstraftäter aufgetreten ist, oder gegen einen Gesellschafter) zum Gegenstand hat.

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betroffene Normen:
Schlagworte:
Nachträgliche Änderung des Abgabenbetrages, Wiederaufnahme eines Finanzstrafverfahrens
RV/5300025/2019-RS3 Permalink
Wie es im Abgabenverfahren zu einer nachträglichen Änderung der Bemessungsgrundlagen bezüglich des Abgabenanspruches kommt, ist für das Vorliegen eines Wiederaufnahmsgrundes nach § 165 Abs. 1 lit. d FinStrG unerheblich (Rzeszut in Tannert/Kotschnigg/Twardosz, FinStrG § 165 Rz 41). Damit aber tatsächlich von einer derartigen Änderung der Bemessungsgrundlage für den Abgabenanspruch gesprochen werden kann, muss es hierbei auch zu einer bescheidmäßigen Änderung des festgesetzten Abgabenbetrages deswegen kommen, weil der Abgabenanspruch mit diesem Bescheid in einer anderen Höhe ermittelt wird. Eine Änderung des Zahlungsanspruches aus anderen Gründen, etwa infolge einer Nachsicht, einer Aussetzung der Einbringung, einer Abschreibung der fälligen Abgabenschuld wegen Uneinbringlichkeit, aber auch wegen einer bloßen Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung nach § 206 Abs. 1 lit. b BAO ist irrelevant.

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betroffene Normen:
Schlagworte:
Nachträgliche Änderung des Abgabenbetrages, Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung, Wiederaufnahme eines Finanzstrafverfahrens

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Der Finanzstrafsenat Linz 1 des Bundesfinanzgerichtes hat durch den Richter Dr. Richard Tannert als Vorsitzenden und Mag.a Gertraud Brenneis als Berichterstatterin sowie der fachkundigen Laienrichter Mag. Stefan Raab und Mag. Peter Neumann als weitere Mitglieder des Senates in der Finanzstrafsache gegen A, geb. xxxxx, ehem. Geschäftsführer, whft. XXX, vertreten durch Martin Friedl, Steuerberater, Marktplatz 2, 4650 Lambach, wegen gewerbsmäßiger Abgabenhinterziehungen nach §§ 33 Abs. 1, 38 Finanzstrafgesetz (FinStrG), Strafnummer qqqq1, Finanzamt Braunau Ried Schärding als Finanzstrafbehörde (Rechtsnachfolger: Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde), Amtsbeauftragter RR, über die Beschwerde des Bestraften vom 14. März 2019 gegen den Bescheid des Vorsitzenden des Spruchsenates V beim (vormaligen) Finanzamt Linz als Organ des Finanzamtes Braunau Ried Schärding als Finanzstrafbehörde vom 18. Dezember 2017, mit welchem ein Antrag des Bestraften vom 18. September 2017 auf Wiederaufnahme des Finanzstrafverfahrens abgewiesen worden ist, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde des A gegen die Abweisung seines Antrages auf Wiederaufnahme des Finanzstrafverfahrens wird als unbegründet abgewiesen.

II. Die von A zu tragenden Kosten des Verfahrens bezüglich seines Antrages auf Wiederaufnahme werden gemäß § 185 Abs. 1 lit. a iVm. Abs. 8 FinStrG mit € 500,00 bestimmt.

III. Gegen diese Entscheidung ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe

A. Mit Erkenntnis des Spruchsenates VII (tatsächlich: V) beim Finanzamt Linz als Organ des Finanzamtes Braunau Ried Schärding als Finanzstrafbehörde "I. Instanz" vom 1. Dezember 2015, rechtskräftig am 8. Dezember 2015, zugestellt am 25. Mai 2016, wurde A wegen teils versuchter, teils vollendeter Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 1, 13, 38 FinStrG schuldig gesprochen, weil er im Amtsbereich des Finanzamtes Braunau Ried Schärding als Geschäftsführer der B-GmbH, FN bbbb, [sohin als Wahrnehmender deren steuerlichen Interessen] vorsätzlich und gewerbsmäßig [unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht] a) betreffend das Veranlagungsjahr 2006 eine Verkürzung an Umsatzsteuer in Höhe von € 12.979,00 bewirkt und b) betreffend das Veranlagungsjahr 2008 eine Verkürzung an Umsatzsteuer in Höhe von € 15.730,00 zu bewirken versucht hat, indem er die [Umsätze] aus dem Verkauf von drei Fahrzeugen im Ausmaß von € 64.895,00 (2006) und von fünf Fahrzeugen im Ausmaß von € 78.650,00 (2008) nicht in das steuerliche Rechenwerk [bzw. die Umsatzsteuererklärungen] aufgenommen hat, c) betreffend die Zeiträume Jänner 2006 bis August 2008 eine Verkürzung von Kapitalertragsteuern in Höhe von € 19.468,52 (2006), € 2.497,50 (2007) und € 23.595,00 (01-08/2008) dadurch bewirkt hat, dass er [diese unter] Nichteinreichung der Anmeldungen gemäß § 96 Abs. 3 Einkommensteuergesetz [EStG] 1988 [nicht einbehalten und abgeführt hat], sowie d) [unter Nichtabgabe der erforderlichen Anmeldungen] eine Verkürzung von Normverbrauchsabgabe aus dem Jahr 2006 in Höhe von € 6.815,00 und aus dem Jahr 2007 in Höhe von € 16.627,00 bewirkt hat, indem er diese nicht [bis zum Ablauf des jeweiligen Fälligkeitstages] [entrichtet] hat, und über ihn gemäß §§ 33 Abs. 5, 38 Abs. 1 FinStrG [iVm. § 21 Abs. 1 und 2 FinStrG] eine Geldstrafe in Höhe von € 75.000,00 und gemäß § 20 FinStrG für den Fall deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von drei Monaten verhängt.

Zusätzlich wurde dem Finanzstraftäter ein Ersatz von Verfahrenskosten nach § 185 [Abs. 1 lit. a] FinStrG von pauschal € 500,00 und von allfälligen Kosten eines Strafvollzuges auferlegt (Finanzstrafakt, Bl. 92 ff).

Der Entscheidung liegt zugrunde, dass A im steuerlichen Rechenwerk der B-GmbH, FN bbbb, als deren Geschäftsführer und faktisch alleiniger Entscheidungsträger er fungierte, in den Jahren 2006 bis 2008 die Umsätze und Erlöse aus den Verkäufen verschiedener Fahrzeuge nicht erfasst hatte und die durch die Schwarzverkäufe lukrierten Geldmittel unter Verwendung für außerbetriebliche Zwecke dem Betriebsvermögen entzogen hatte. Der Vorgang wurde als verdeckte Ausschüttung an die laut Firmenbuch alleinige Gesellschafterin der GmbH, C, Ehegattin des Bestraften, gewertet (Stellungnahme des Amtsbeauftragten, Finanzstrafakt, Bl. 73 ff).

Die Geldstrafe ist am 8. Jänner 2016 (verbucht mit 3. August 2016) fällig geworden, haftet jedoch noch immer im Ausmaß von € 74.685,00 unentrichtet aus (Kontoabfrage).

B. Die im Finanzstrafverfahren verfahrensgegenständlichen Kapitalertragsteuern wurden am 21. Oktober 2010 gemeinsam mit weiteren - nicht in das Spruchsenatserkenntnis aufgenommenen - Kapitalertragsteuern von der Abgabenbehörde der - wie erwähnt - als Gesellschafterin der GmbH ausgewiesenen C vorgeschrieben, wogegen diese berufen hatte.

Dieses Rechtsmittel war mit Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom 4. Oktober 2013, RV/0849-L/11, vorerst abgewiesen worden, wobei aber die Genannte noch vor Zustellung der diesbezüglichen schriftlichen Entscheidungsausfertigung am 14. November 2013, nämlich am 11. November 2013, mit Eingabe vorgebracht hatte, die Anteile an der B-GmbH seit 2002 lediglich treuhändig für ihren Ehegatten A gehalten zu haben.

Da die damalige Abgabenbehörde zweiter Instanz auf dieses Vorbringen nicht mehr Bedacht nehmen konnte, wurde die Berufungsentscheidung vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 29. Juni 2016, Ro 2014/15/0026, aufgehoben: Sollte sich im fortgesetzten Verfahren herausstellen, dass die Revisionswerberin (C) die GmbH-Anteile bloß treuhändig gehalten hat, wäre es ausgeschlossen, sie als Empfängerin der Kapitalerträge heranzuziehen.

C. Im fortgesetzten Rechtsmittelverfahren ist es zu einer inhaltlichen Prüfung der Frage einer bloßen Treuhandschaft der C aber nicht mehr gekommen:

Der ab xx.xx.2011 anhängige Konkurs über das Vermögen der B-GmbH ist am 9. März 2012 mangels Kostendeckung aufgehoben worden; die Firma war bereits am 13. Mai 2014 aus dem Firmenbuch gelöscht worden (Abfrage Firmenbuch).

Mangels Einbringlichkeit der C vorgeschriebenen Kapitalertragsteuern waren diese Abgabenzahlungsansprüche am 20. Jänner 2016 gemäß § 235 Bundesabgabenordnung (BAO) gelöscht worden.

Letztendlich wurde auch das nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes fortzusetzende Beschwerdeverfahren am 19. Juni 2017 infolge der offenkundigen Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen mit einer Abstandnahme von der Festsetzung der Kapitalertragsteuern nach § 206 Abs. 1 lit. b BAO beendet (Erkenntnis des BFG vom 19. Juni 2017, RV/5101204/2016 (nicht veröffentlicht), Kopie Finanzstrafakt, Bl. 102 ff).

D. Mit Eingabe vom 18. September 2017 hat A mit Schriftsatz seines nunmehr einschreitenden Verteidigers die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Spruchsenates abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens mit Hinweis auf die Bestimmung des § 165 Abs. 1 lit. c FinStrG [gemeint offensichtlich: § 165 Abs. 1 lit. d FinStrG] beantragt, weil die erwähnten, zur Steuernummer ststc ergangenen Kapitalertragsteuerbescheide 2006 bis 2008 vom 21. Oktober 2010 solcherart durch das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 19. Juni 2017 abgeändert worden seien, indem die Kapitalertragsteuern nicht festgesetzt worden wären.

In Einem wurde auch beantragt, dem Antrag auf Wiederaufnahme eine aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (Finanzstrafakt, Bl. 97 ff).

E. Mit Bescheid vom 18. Dezember 2017 des Spruchsenates V beim Finanzamt Linz als Organ des Finanzamtes Braunau Ried Schärding als Finanzstrafbehörde (Kopie Bescheid, Finanzstrafakt, Bl. 105 bis 109), zugestellt erst am 9. Juli 2018 (Finanzstrafakt, Bl. 111), wurde einerseits unter dem Spruchpunkt 1. der Wiederaufnahmsantrag (Pkt. D) abgewiesen, weil die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes weder über den Abgabenanspruch dem Grunde nach noch über die Höhe der von 2006 bis 2008 [zu leistenden] Kapitalertragsteuern abgesprochen habe. Auch sei nicht der Bestrafte, sondern seine Ehegattin betroffen. Es sei also im Abgabenverfahren betreffend A gerade nicht nachträglich der Abgabenbetrag, der bei der Ermittlung des strafbestimmenden Wertbetrages zu Grunde gelegt wurde, abgeändert worden. Eine Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 165 Abs. 1 lit. c [lit. d] FinStrG liege daher nicht vor.

Überdies wurde unter dem Spruchpunkt 2. dem Antrag auf Wiederaufnahme eine aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Der schriftliche Bescheid der Finanzstrafbehörde hatte folgendes Erscheinungsbild:

 

"{Logo Bundesadler BMF}
FINANZAMT
SPRUCHSENAT BEIM FINANZAMT Linz
Außenstelle Ried im Innkreis
als Organ des Finanzamtes Braunau Ried Schärding
als Finanzstrafbehörde
Senat V
{Anschrift Außenstelle}
{Telefonnummer eines Finanzbeamten}
{Fax-Nummer Außenstelle}

SN qqqq1

Ried, 18. Dezember 2017

B E S C H E I D

1. Der Antrag des Verurteilten A gem. § 165 (1) FinStrG das Strafverfahren wieder aufzunehmen, das mit Erkenntnis vom 1.12.2015, StrNr. qqqq1 abgeschlossen worden ist, wird abgewiesen.
2. Dem in Pkt. 1) angeführten Antrag wird gem. § 165 FinStrG aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Begründung

[…]
Zur Begründung wird ausgeführt:
[…]
Darüber hat der Senat erwogen:
Zur Zuständigkeit: Gem. § 166 (1) FinStrG steht die Entscheidung über die Wiederaufnahme jener Finanzstrafbehörde zu, die die Entscheidung im abgeschlossenen Verfahren gefällt hat. Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass für die Entscheidung über den vom Verurteilten gestellten Wiederaufnahmeantrag wiederum der Spruchsenat zuständig ist. Über den Wiederaufnahmeantrag ist gem. § 166 (2) FinStrG in Bescheidform abzusprechen.
Zur Sache:
[…]

Aus diesen Gründen ist der Wiederaufnahmsantrag abzuweisen.

Zum Antrag, dem Wiederaufnahmeantrag aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ist auszuführen:
Dem Antrag auf Wiederaufnahme ist aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weil bei Vollziehung der im abgeschlossenen Verfahren verhängten Ersatzfreiheitsstrafe - die ja ins Haus steht - ein nicht wieder gut zu machender Schaden eintreten würde und der sofortige Vollzug dieser Freiheitsstrafe auch aus öffentlichen Rücksichten derzeit nicht geboten ist.

Der Senatsvorsitzende: {Unterschrift}
{Name des Senatsvorsitzenden, Funktion}"

F. Ein Protokoll über die Willensbildung des Spruchsenates zu Pkt. E. konnte dem Bundesfinanzgericht nicht vorgelegt werden.

G. Mit Schreiben vom 28. November 2018, zugestellt am 29. November 2018, hat die Finanzstrafbehörde den Bestraften im Sinne des § 175 Abs. 2 FinStrG zum Antritt der (restlichen) Ersatzfreiheitsstrafe aufgefordert (Eingabe des Verteidigers vom 12. Dezember 2018, Finanzstrafakt, Bl. 112).

H. Mit Eingabe der Verteidigung vom 12. Dezember 2018 (Finanzstrafakt, Bl. 112 f) wurde darauf hingewiesen, dass der Bescheid vom 18. Dezember 2017 keine Rechtsmittelbelehrung enthalten habe, womit die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt worden sei, und der Aufforderung zum Strafantritt der Umstand entgegenstehe, dass ja in dem genannten Bescheid dem Wiederaufnahmsantrag eine aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Dies könne nur so verstanden werden, dass der Aufschub für das gesamte Verfahren gelte und der Zahlungsaufschub daher frühestens mit der rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens über den Antrag vom 18. September 2017 beendet sei.

Um jedes Risiko [zu Lasten des Bestraften] auszuschließen, werde beantragt, gemäß § 177 Abs. 1 FinStrG den Strafvollzug [also den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe] um sechs Monate nach [ab] Eintritt der formellen Rechtskraft des ersten Spruchpunktes des Bescheides vom 18. Dezember 2017 [also der Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme] aufzuschieben.

Im Übrigen wolle A anstelle der Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 179 Abs. 3 FinStrG gemeinnützige Leistungen erbringen, weshalb er fristgerecht um Vermittlung solcher Leistungen ersuche. Durch die Aufforderung zum Strafantritt, widrigenfalls er mit seiner zwangsweisen Vorführung zu rechnen habe, erachte er sich in seinem Recht auf persönliche Freiheit verletzt, weshalb er sich diesbezüglich mit einer Maßnahmenbeschwerde vor dem Bundesfinanzgericht zur Wehr setzen müsse (Finanzstrafakt, Bl. 113).

I. Über die Anträge auf Vermittlung gemeinnütziger Leistungen und den weiteren Aufschub des Strafvollzuges auch nach Eintritt der Rechtskraft des die Wiederaufnahme des Finanzstrafverfahrens abweisenden Bescheides wurde nicht entschieden; andererseits ist auch die angedrohte Maßnahmenbeschwerde der Verteidigung nicht erhoben worden, weil "die Aufforderung zum Strafantritt" [gemeint offensichtlich: die Frist zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe] bis zur Rechtskraft des Abweisungsbescheides aufgeschoben [erstreckt] worden ist (E-Mail der Verteidigung vom 12. Dezember 2018; Aktenvermerk des Strafreferenten über eine diesbezügliche [wohl fernmündliche] Mitteilung an den Verteidiger vom 14. Dezember 2018).

J. Bereits am 18. Dezember 2018 hat der vom Vorsitzenden einberufene Spruchsenat V beim Finanzamt Linz als Organ des Finanzamtes Braunau Ried Schärding als Finanzstrafbehörde in nichtöffentlicher Sitzung über die Eingabe der Verteidigung vom 12. Dezember 2018 (Pkt. G) beraten, wobei folgendes, von der Schriftführerin und dem Spruchsenatsvorsitzenden unterfertigtes Protokoll angefertigt worden ist (Finanzstrafakt, Bl. 114 f):

"[…]
Gegenstand ist der Antrag des Verteidigers vom 12.12.2018.
Der Vorsitzende stellt fest, dass tatsächlich der Bescheid vom 18. Dezember 2017 ohne Rechtsmittelbelehrung an den Verteidiger Martin Friedl zugestellt worden ist. Die Rechtsmittelbelehrung befand sich auf einem eigenen Blatt, welches offenbar bei der Zustellung nicht mitübersandt worden ist.
Erörtert werden die Rechtsausführungen des Verteidigers in seinem Antrag vom 12.12.2018.
Die Zuständigkeitsfrage wird erörtert und dabei einhellig entschieden, dass der Spruchsenat in seiner Gesamtheit für die Erlassung einer Entscheidung zuständig ist.
Es wird besprochen, wie das offensichtliche Versehen saniert werden soll und entschieden, dass der Bescheid mit der Rechtsmittelbelehrung nochmals an den Verteidiger zugestellt wird, womit die Rechtsmittelfrist neu zu laufen beginnen wird.
Erörtert werden die Anträge nach §§ 177 [auf Strafaufschub] und 179 FinStrG [Ersuchen auf Vermittlung gemeinnütziger Leistungen] und dabei festgestellt, dass die Entscheidung darüber nicht dem Spruchsenat zukommt.
Der Leiter der Strafsachenstelle wird über dieses Vorgehen verständigt werden und den Verteidiger seinerseits zu verständigen haben, dass die Strafvollzugsanordnung zurückgezogen wird."

K. Wie vom Spruchsenat verfügt (Pkt. J.), wurde eine Ausfertigung des Bescheides vom 18. Dezember 2017 über die Abweisung des Wiederaufnahmsantrages des Bestraften und über die Stattgabe des Antrages auf Strafaufschub, jeweils vom 18. September 2017, nunmehr mit Rechtsmittelbelehrung (Finanzstrafakt, Bl. 110) an den Beschuldigten zu Handen des zustellbevollmächtigten Verteidigers am 15. Februar 2019 zugestellt (Vorbringen des Verteidigers, Finanzstrafakt, Bl. 116).

L. Mit Eingabe vom 14. März 2019 hat der Bestrafte durch seinen Verteidiger gegen den Bescheidteil, mit welchem sein Antrag auf Wiederaufnahme abgewiesen worden ist, fristgerecht Beschwerde erhoben und bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine Stattgabe des Wiederaufnahmsantrages beantragt (Finanzstrafakt, Bl. 116 ff), wobei ausgeführt wurde wie folgt:

Eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides sei bereits am 9. Juli 2018 zugestellt worden. Diesem Bescheid habe die Rechtsmittelbelehrung gefehlt, sodass die Beschwerdefrist nicht zu laufen begonnen habe. Die nunmehr am 15. Februar 2019 zugestellte Bescheidausfertigung sei wortgleich mit dem Bescheid, der am 9. Juli 2018 zugestellt worden sei, allerdings um die Seite 6 ("Rechtsmittelbelehrung") ergänzt.

Aufgrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 19.12.2017, Ra 2017/16/0165) bewirke die materielle Rechtskraft eines Bescheides u.a. das Hindernis der entschiedenen Sache und verbiete eine neuerliche Entscheidung in derselben Sache. Es bleibe daher die Frage offen, ob die am 15. Februar 2019 zugestellte Ausfertigung gegen die materielle Rechtskraft des bereits am 9. Juli 2018 zugestellten Bescheides verstößt. Der Beschwerdeführer gehe jedenfalls davon aus.

Dazu komme, dass den beiden Bescheidausfertigungen nicht zu entnehmen sei, ob dem Bescheid eine Entscheidung eines Kollegialorganes (und mit welcher Zusammensetzung) zugrunde liege oder ob es sich um eine alleinige Entscheidung des Vorsitzenden des Senates V handle. Gemäß § 166 Abs. 1 FinStrG stehe die Entscheidung über die Wiederaufnahme der Finanzstrafbehörde zu, die die Entscheidung im abgeschlossenen Verfahren gefällt hat. Dem Gesetz lasse sich nicht entnehmen, dass für diese Entscheidung ein bloßes Organ der Finanzstrafbehörde zuständig wäre. Die Entscheidung des Spruchsenates oder des Vorsitzenden des Spruchsenates verletze den Beschwerdeführer im verfassungsrechtlich geschützten Recht auf den gesetzlichen Richter.

Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit bestehe, weil behauptet wird, dass kein Abgabenbetrag nachträglich geändert worden sei; das Erkenntnis des Bundefinanzgerichtes vom 19. Juni 2017 spreche über den Abgabenanspruch weder dem Grunde noch der Höhe nach ab.

Diese Behauptung sei aktenwidrig, weil das Bundesfinanzgericht die in Rede stehenden, ursprünglich vom Finanzamt mit € 45.561,02 (47 % des strafbestimmenden Wertbetrages) festgesetzten Abgaben eben nicht festgesetzt habe.

Im Spruchpunkt 3) des Spruchsenatserkenntnisses vom 1. Dezember 2015 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, dass er als Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorsätzlich und gewerbsmäßig eine Verkürzung an Kapitalertragsteuer [aus] 1-12/2006 in Höhe von € 19.468,52, 1-12/2007 in Höhe von € 2.497,50 und 1-8/2008 in Höhe von € 23.595,00 dadurch bewirkt (hat), indem er [unter Nichteinreichung der] Anmeldungen gemäß § 96 Abs. 3 EStG bei der Abgabenbehörde [diese nicht fristgerecht entrichtet] hat. Diese Abgaben wurden der Ehegattin des Beschwerdeführers ursprünglich vorgeschrieben, weil das Finanzamt von einer Beteiligung der Ehegattin [ergänze: an der Gesellschaft] ausgegangen war. Der Abgabenbetrag, der seinerseits der Ermittlung des strafbestimmenden Wertbetrages zugrunde gelegt wurde, wäre also nach den Bestimmungen des Abgabenverfahrens nachträglich geändert worden. […] Dem Beschwerdeführer stehe somit die Wiederaufnahme des Verfahrens grundsätzlich zu.

Die Entscheidung über die Wiederaufnahme liege im Ermessen. Zu einer Ermessensentscheidung sei der angefochtene Bescheid aber gar nicht gekommen, weil ein Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 165 Abs. 1 lit. c FinStrG [gemeint: § 165 Abs. 1 lit. d FinStrG] nicht vorliege. Auch der gar nicht behauptete Wiederaufnahmsgrund des § 165 Abs. 1 lit. b FinStrG liege nicht vor, weil es - so der Bescheid - der Beschwerdeführer selbst gewesen sei, der als steuerlich Verantwortlicher für die Jahre 2006 bis 2008 anzusehen war, weil die von ihm selbst formell vorgenommene Abtretung der Gesellschaftsanteile nur auf dem Papier verfügt worden sei. Diese Ausführungen seien völlig unverständlich und ließen sich mit den Grundlagen der abgabenrechtlichen Vorschriften nicht in Einklang bringen. Außerdem gingen diese Ausführungen an der Tatsache vorbei, dass dem Antragsteller - als dem abgabenrechtlich verantwortlichen Vertreter der Gesellschaft - die Nichteinreichung von Kapitalertragsteueranmeldungen (der an sich haftungspflichtigen Gesellschaft) wegen verdeckter Ausschüttungen an die Gattin als Alleingesellschafterin vorgeworfen wurden.

Beim Ermessen hätte insbesondere berücksichtigt werden müssen, dass das seinerzeitige Straferkenntnis von Unrichtigkeiten nur so strotze, indem dem Finanzstraftäter in seiner Eigenschaft als abgabenrechtlich Verantwortlicher eine gewerbsmäßige Tatbegehung vorgeworfen worden sei und die verhängten Geldstrafen unverhältnismäßig gewesen wären.

M. Mit Eingabe seines Verteidigers vom 28. September 2021 hat der Beschwerdeführer auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Mit Eingabe vom 30. September 2021 haben das Amt für Betrugsbekämpfung als Rechtsnachfolger der belangten Finanzstrafbehörde und der Amtsbeauftragte diesem Verzicht zugestimmt.

Das Bundesfinanzgericht hat daher in Anbetracht des Verfahrensgegenstandes, den diesbezüglichen Einlassungen der Verfahrensparteien und der aus der Aktenlage und bereits dem Vorbringen des Beschwerdeführers abgebildeten entscheidenden rechtlichen Fragestellung, ob eine Abstandnahme nach § 206 BAO als Wiederaufnahmsgrund des § 165 Abs. 1 lit. d FinStrG in Betracht kommt, keine Bedenken, seine Entscheidung gemäß § 160 Abs. 2 lit. d FinStrG auf Basis der gegebenen Aktenlage ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Zum bekämpften Bescheid in verfahrensrechtlicher Hinsicht:

1.1. Aus der Aktenlage ergibt sich fürs Erste zumal aus dem Sitzungsprotokoll des Spruchsenates V vom 18. Dezember 2018 (Finanzstrafakt, Bl. 115) zweifelsfrei, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ein Bescheid ist, dem eine Willensbildung eines Organes der belangten Finanzstrafbehörde vom 18. Dezember 2017 zugrunde gelegen hat und mit welchem ein Antrag des wegen gewerbsmäßiger Abgabenhinterziehung rechtskräftig bestraften A auf Wiederaufnahme des beim Finanzamt Braunau Ried Schärding als Finanzstrafbehörde zu StrNr. qqqq1 geführten Finanzstrafverfahrens vom 18. September 2017 abgewiesen (nach anderer Sichtweise: zurückgewiesen) worden ist, weil der behauptete Wiederaufnahmsgrund einer nachträglichen Änderung der Abgabenbeträge, die der Ermittlung der strafbestimmenden Wertbeträge zugrunde gelegt wurden, nach den Bestimmungen des Abgabenverfahrens (§ 165 Abs. 1 lit. d FinStrG) tatsächlich nicht vorgelegen sei.

1.2. Aus dem Kopfteil des Bescheides in Übereinstimmung mit dem Begründungstext (Finanzstrafakt, Bl. 107: "Darüber hat der Senat erwogen: Zur Zuständigkeit: … Das bedeutet im vorliegenden Fall, dass für die Entscheidung über den vom Verurteilten gestellten Wiederaufnahmsantrag wiederum der Spruchsenat zuständig ist.") ergibt sich weiters, dass dieser Bescheid dem Spruchsenat V beim Finanzamt Linz als Organ des Finanzamtes Braunau Ried Schärding als Finanzstrafbehörde zuzurechnen ist und nicht etwa irrtümlich am 18. Dezember 2017 lediglich der Spruchsenatsvorsitzende als Einzelorgan entscheiden hat, wofür vorerst als Anhaltspunkte das fehlende Sitzungsprotokoll und die Nichtbenennung der weiteren Senatsmitglieder in der Bescheidausfertigung gelten könnten. Die ausdrückliche, auf eine Willensbildung des Senates verweisende Textierung des Bescheides und dessen weitere Behandlung im Spruchsenat anlässlich seiner Ergänzung ließen als - tatsächlich lebensferne - Handlungsalternative aber lediglich eine willentliche Falschbeurkundung durch die einschreitenden Mitglieder des Spruchsenates zu, für deren Annahme es keinen Anlass gibt.

1.3. Anlässlich seiner Sitzung am 18. Dezember 2018 hat der laut damaligem Geschäftsverteilungsplan (Abfrage Homepage BMF) zuständige Spruchsenat V in korrekter Besetzung (Geschäftsverteilung vom 29. April 2015, 1. Jänner 2017, 1. Jänner 2018 und 1. Jänner 2019 jeweils Senatsvorsitzender: Dr.D, Berichterstatterin: Dr.E, Laienbeisitzer: F) beim Finanzamt Linz als Organ des Finanzamtes Braunau Ried Schärding als Finanzstrafbehörde - so das Protokoll - lediglich eine Ergänzung bzw. Berichtigung insoweit vorgenommen, als er diesen Bescheid, nunmehr auch von seinem neuerlichen Entscheidungswillen getragen, als von ihm beschlossen, neuerlich zustellen hat lassen, wobei nunmehr auch (wiederum) die zuvor aus unbekannten Gründen nicht beigeschlossene Rechtsmittelbelehrung beigefügt werden sollte, was auch geschehen ist. Es liegen also nicht zwei Bescheide vor, bei welchem der spätere dem früheren derogiert hat, sondern nach dem objektiven Erklärungswert der Dokumente lediglich ein Bescheid des Spruchsenates V zur Abweisung des Wiederaufnahmsantrages, welcher in Bezug auf die vorerst fehlende Rechtsmittelbelehrung mittels einer neuerlichen, ergänzten Ausfertigung berichtigt worden ist.

1.4. Völlig zu Recht hat der Beschwerdeführer gerügt, dass dem (korrigierten) Bescheid die Namen der weiteren Senatsmitglieder neben dem Vorsitzenden nicht zu entnehmen sind. Läge lediglich die in dem Bescheid vom 18. Dezember 2017 manifestierte Willensbildung des Spruchsenates von diesem Tage vor, ergäbe sich aus der Verletzung der sinngemäß anzuwendenden Bestimmung des § 137 lit. a FinStrG, wonach in einem sonstigen Bescheid des Spruchsenates auch die Namen sämtlicher Senatsmitglieder anzuführen sind, in Verbindung mit dem nicht mehr aufzufindenden Beratungsprotokoll die Notwendigkeit, den verfahrensgegenständlichen Bescheid vorsorglich aufzuheben, weil nicht festgestellt werden könnte, ob der Spruchsenat auch in gehöriger Zusammensetzung getagt und seine Entscheidung getroffen hätte. Eine Entscheidung eines nicht gehörig zusammengesetzten Spruchsenates wiederum verletzte das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Beschwerdeführers auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und wäre daher aufzuheben (vgl. BFG 3.6.2014, RV/5300020/2012; BFG 14.6.2016, RV/5300011/2014; Tannert/Huber in Tannert/Kotschnigg/Twardosz, FinStrG § 58 Rz 11 mit weiteren Judikatzitaten).

1.5. Tatsächlich aber ist der gegenständlich bekämpfte Bescheid auch vom Entscheidungswillen des Spruchsenates V am 12. Dezember 2018 getragen, welcher den Bescheid vom 18. Dezember 2017 einer inhaltlichen Kontrolle unterzogen und um die fehlende Rechtsmittelbelehrung ergänzt hatte, sowie insgesamt nochmals zustellen hat lassen. Die Zusammensetzung des am 12. Dezember 2018 getagt habenden Spruchsenates wiederum kann an Hand des hier vorliegenden Protokolls zweifelsfrei überprüft werden und hat sich tatsächlich als korrekt erwiesen. Eine Aufhebung des Bescheides mangels Konkretisierbarkeit der entscheidenden Organe ist sohin nicht erforderlich.

1.6. Ebenfalls zu Recht hatte der Beschwerdeführer an anderer Stelle zuvor gerügt, dass anlässlich der ersten Zustellung des bekämpften Bescheides, wie von ihm behauptet, die gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG iVm § 93 Abs. 3 lit. b BAO erforderliche Rechtsmittelbelehrung gefehlt hatte, womit als Rechtsfolge gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG iVm § 93 Abs. 4 BAO die Rechtsmittelfrist vorerst nicht in Lauf gesetzt worden ist. Bei lösungsorientierter Betrachtungsweise ist es zur Herstellung eines Rechtsfriedens unabdingbar, dass dieser Zustand von Seite der Finanzstrafbehörde auch wieder saniert werden kann; dies wohl dadurch, dass diese fehlende Rechtsmittelbelehrung auf geeignete und die Rechte des Betroffenen nicht belastende Weise nachgeholt wird, wie es im gegenständlichen Fall durch die Zustellung einer neuerlichen Bescheidausfertigung samt Rechtsmittelbelehrung auch geschehen ist.

2. Zur Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmsantrages:

2.1. Gemäß § 165 Abs. 1 FinStrG ist die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis (hier: durch Straferkenntnis des Spruchsenates V vom 8. Dezember 2015) abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens auf Antrag oder von Amts wegen zu verfügen, wenn ein ordentliches Rechtsmittel gegen die Entscheidung nicht oder nicht mehr zulässig ist (etwa weil kein Rechtsmittel angemeldet bzw. erhoben worden ist) und u.a. gemäß lit. d dieser Gesetzesstelle der Abgabenbetrag, der der Ermittlung des strafbestimmenden Wertbetrages zugrunde gelegt wurde, nachträglich nach den Bestimmungen des Abgabenverfahrens geändert wurde und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich eine im Spruch anders lautende Entscheidung herbeigeführt hätte. Diesbezüglich wäre gemäß § 165 Abs. 2 FinStrG eine Wiederaufnahme von Amts wegen nur dann zulässig, wenn das abgeschlossene Verfahren durch Einstellung beendet worden wäre - was nicht der Fall ist.

2.2. Der Antrag auf Wiederaufnahme ist gemäß § 165 Abs. 4 Satz 1 FinStrG innerhalb von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem (behaupteten) Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Finanzstrafbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren die Entscheidung erlassen hat.

Ein Wiederaufnahmswerber hat datumsmäßig oder sonst auf andere Weise genau anzugeben, wann er von dem Vorhandensein des von ihm geltend gemachten Wiederaufnahmsgrundes Kenntnis erlangt hat, und die Beweise hiefür anführen (VwGH 16.11.1984, 84/17/0148). Die Finanzstrafbehörde (hier das Finanzamt Braunau Ried Schärding) soll somit schon bei der Einbringung des Wiederaufnahmsantrages in die Lage versetzt werden, die Frage der Wahrung der gesetzlichen, nicht verlängerbaren Frist beurteilen zu können (UFS 5.1.2012, FSRV/0020-G/11). Das Fehlen derartiger Angaben über den genauen Zeitpunkt der Rechtzeitigkeit der Antragstellung stellt kein bloßes, mit einem Mängelbehebungsverfahren sanierbares Formgebrechen dar, weshalb diesfalls der Antrag jedenfalls zurückzuweisen ist (UFS 19.8.2013, FSRV/0052-L/12; Fellner, FinStrG, § 165 Rz 24; Rzeszut in Tannert/Kotschnigg/Twardosz, FinStrG § 165 Rz 66).

2.3. Im gegenständlichen Fall führte der Verteidiger des Wiederaufnahmswerbers in der Eingabe vom 18. September 2017 nicht ausdrücklich aus, wann sein Mandant A nun Kenntnis von einem Sachverhalt erlangt hat, welchen er als einen Vorgang qualifiziert haben will, mit welchem der Abgabenbetrag, der der Ermittlung des strafbestimmenden Wertbetrages in seinem Finanzstrafverfahren zugrunde gelegt wurde, nachträglich nach den Bestimmungen des Abgabenverfahrens geändert worden sei. Verwiesen wird von ihm auf die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom 19. Juni 2017, RV/5101204/2016, gerichtet an die Ehegattin des Wiederaufnahmswerbers, C, zu Handen des Verteidigers, hier in der Funktion eines Vertreters im Steuerverfahren der Ehegattin (Finanzstrafakt, Bl. 104 verso). Aus dem Umstand der Kenntnisnahme eines für einen Klienten potenziell relevanten Umstandes durch einen Parteienvertreter in einer fremden Rechtssache, welche ebenfalls von diesem Parteienvertreter geführt wird, ergibt sich nicht automatisch eine verwertbare Kenntnis im Sinne des § 165 FinStrG, weil abstrakt eine Geheimhaltungspflicht besteht.

Bei lebensnaher Betrachtung erweist sich dieser Umstand im gegenständlichen Fall jedoch als vernachlässigbar, weil infolge des Naheverhältnisses zwischen dem Wiederaufnahmswerber und der von dem weiteren Verfahren betroffenen Person, seiner Ehegattin, eine Behebung dieser Verschwiegenheitspflicht wohl mühelos durch Einholung einer entsprechenden Erlaubnis möglich gewesen ist.

Solcherart erschließt sich als Zeitpunkt der Kenntnisnahme des A von einem Sachverhalt, welcher als Änderung des zugrunde gelegten Abgabenbetrag verstanden haben will, ein knapp gefasster Zeitraum nach Zustellung des zitierten BFG-Erkenntnisses vom 19. Juni 2017. Dieser Zeitraum liegt nun offenkundig innerhalb der dreimonatigen Frist des § 165 Abs. 4 Satz 1 FinStrG, weshalb der Antrag auf Wiederaufnahme insoweit keinen Mangel aufweist.

3. Zum Inhalt des Wiederaufnahmsantrages:

3.1. In der Sache selbst erweisen sich die Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem Wiederaufnahmsantrag jedoch als verfehlt:

Der Wiederaufnahmsgrund des § 165 Abs. 1 lit. d FinStrG liegt vor, wenn - siehe oben - der Abgabenbetrag, der der Ermittlung des strafbestimmenden Wertbetrages zugrunde gelegt wurde, nachträglich nach den Bestimmungen des Abgabenverfahrens geändert worden ist.

Mit anderen Worten, der im Finanzstrafverfahren ermittelte Betrag an Abgabenverkürzungen als ermittelte Differenz zu dem jeweils als zutreffend erachteten Abgabenanspruch soll nachträglich unter bestimmten Voraussetzungen einer Überprüfung unterzogen werden, wenn dieser zuvor im Finanzstrafverfahren festgestellte Abgabenanspruch im korrespondieren Abgabenverfahren selbst eine betragliche Veränderung erfahren hat (indem etwa beispielsweise der im Finanzstrafverfahren als gegeben erachtete Anspruch des Fiskus auf Körperschaftsteuer im Rahmen des Veranlagungsverfahrens der Abgabenbehörde infolge der Berücksichtigung zusätzlicher Betriebsausgaben mit einem geringeren Betrag ermittelt wird; oder - bezogen auf die gegenständliche Finanzstrafsache - wenn die Bemessungsgrundlage für die Vorschreibung von Kapitalertragsteuer in einem Beschwerdeverfahren bezüglich derartiger Abgabenbescheide eine Verringerung auf Null erfahren hätte, weil tatsächlich aus der Sicht des Bundesfinanzgerichtes im Steuerverfahren die in Anspruch genommene Person nicht die Empfängerin der Kapitalerträge gewesen wäre).

3.2. Dabei ist dieser Wiederaufnahmsgrund nicht durch den Umstand eingeschränkt, dass das Abgabenverfahren, in welchem der als Abgabenanspruch erkannte Abgabenbetrag nachträglich geändert wird, nicht einen Abgabenanspruch gegen den Finanzstraftäter selbst, sondern einen solchen gegen eine dritte Person (z.B. gegen die juristische Person, als deren Wahrnehmender der steuerlichen Interessen der Finanzstraftäter aufgetreten ist, oder gegen eine Gesellschafterin des Verbandes) zum Gegenstand hat.

3.3. Wie es im Abgabenverfahren zu einer Änderung der Bemessungsgrundlagen bezüglich des Abgabenanspruches kommt, wäre in diesem Zusammenhang ebenfalls unerheblich (Rzeszut in Tannert/Kotschnigg/Twardosz, FinStrG § 165 Rz 41).

3.4. Damit aber von einer derartigen nachträglichen Änderung der zur Bestimmung des Abgabenanspruches relevanten Bemessungsgrundlage gesprochen werden kann, muss es hierbei auch zu einer bescheidmäßigen Änderung des festgesetzten Abgabenbetrages deswegen kommen, weil der Abgabenanspruch mit diesem Bescheid in einer anderen Höhe ermittelt wird. Eine Änderung des Zahlungsanspruches aus anderen Gründen ist irrelevant.

Eine Maßnahme lediglich im Einhebungsverfahren, etwa eine Nachsicht aus Billigkeitsgründen nach § 236 BAO, eine Aussetzung der Einbringung nach § 231 BAO oder eine Abschreibung der fälligen Abgabenschuld wegen Uneinbringlichkeit nach § 235 BAO, stellt keinen Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 165 Abs. 1 lit. d FinStrG dar (Rzeszut aaO).

Ebenso trifft ein wie im gegenständlichen Fall ergangener Bescheid über die gänzliche oder teilweise Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung nach § 206 Abs. 1 lit. b BAO aus dem Umstand, dass im Einzelfall auf Grund der der Abgabenbehörde bzw. dem Bundesfinanzgericht zur Verfügung stehenden Unterlagen und der durchgeführten Erhebungen mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass der Abgabenanspruch gegenüber dem Abgabenschuldner nicht durchsetzbar sein wird, keine Aussage darüber, ob die Bemessungsgrundlage für den Abgabenanspruch zutreffend gewesen ist. Tatsächlich erklärt auch § 206 Abs. 2 Satz 1 BAO ausdrücklich, dass durch eine Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung der diesbezügliche Abgabenanspruch (§ 4 BAO) nicht erlischt - also unverändert verbleibt.

3.5. Der behauptete Wiederaufnahmsgrund einer nachträglichen Änderung des Abgabenbetrages, der der Ermittlung des strafbestimmenden Wertbetrages zugrunde gelegt wurde, nach den Bestimmungen des Abgabenverfahrens im Sinne des § 165 Abs. 1 lit. d FinStrG liegt daher im gegenständlichen Fall tatsächlich nicht vor, weshalb im bekämpften Bescheid des Spruchsenates dem Antrag auf Wiederaufnahme des vor dem Finanzamt Braunau Ried Schärding als Finanzstrafbehörde zu StrNr. qqqq1 gegen A geführten Finanzstrafverfahrens zu Recht nicht zu entsprechen war.

3.6. Es war daher im Ergebnis auch die Beschwerde gegen diesen Bescheid spruchgemäß abzuweisen.

 

4. Zu den Kosten des Wiederaufnahmsverfahrens:

Das Ausmaß der vom Wiederaufnahmswerber für diesen Fall zu tragenden Verfahrenskosten gründet sich auf § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG iVm § 185 Abs. 8 FinStrG, wonach pauschal ein Kostenersatz im Ausmaß von 10% der im vorangegangenen Finanzstrafverfahren verhängten Geldstrafe, maximal aber ein Betrag von € 500,00, festzusetzen ist.

 

5. Mit Zustellung der nunmehrigen Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist auch die bescheidmäßig gewährte aufschiebende Wirkung des Antrages auf Verfahrenswiederaufnahme erloschen, weshalb dem unerledigt gebliebenen Ersuchen des A auf Vermittlung gemeinnütziger Leistungen im Sinne des § 179 Abs. 3 FinStrG (Finanzstrafakt, Bl. 113) nunmehr Bedeutung zukommen wird.

6. Auf den laut Aktenlage ebenfalls noch unerledigten Antrag auf Aufschub des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe vom 12. Dezember 2018 wird verwiesen.

 

Zahlungsaufforderung:

Die Kosten des Verfahrens über den Wiederaufnahmsantrag werden gemäß § 171 Abs. 1 und § 185 Abs. 4 FinStrG mit Ablauf eines Monates nach Rechtskraft dieser Entscheidung (also mit Ablauf eines Monates nach Zustellung dieses Erkenntnisses) fällig und sind auf das Straf-Konto der Finanzstrafbehörde zu entrichten, widrigenfalls Zwangsvollstreckung durchgeführt werden müsste. Ein Ansuchen um eine allfällige Zahlungserleichterung wäre bei der Finanzstrafbehörde (Amt für Betrugsbekämpfung Bereich Finanzstrafsachen) einzubringen.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abwiche, eine solche Rechtsprechung fehlte oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet worden wäre. Die gegenständliche Entscheidung war vielmehr auf Basis einer gesicherten Rechtslage zu treffen.

 

Linz, am 5. Oktober 2021