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Anregung zu einem Gesetzesprüfungsantrag wegen behaupteter Verfassungswidrigkeit des Rechnungszinsfußes von 6% in § 14 Abs. 6 Z 6 EStG.
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VfGH-Beschwerde zur Zahl E 4398/2019 anhängig. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 9.12.2020 abgelehnt.
Rechtssätze
Stammrechtssätze
Primäres Ziel der steuerlichen Gewinnermittlung ist die sachgerechte Erfassung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
Gemäß der Judikatur des VfGH würde es dem Sachlichkeitsgebot durchaus entsprechen, sämtlichen Rückstellungen die steuerliche Anerkennung zu versagen und den Aufwand dann zu berücksichtigen, wenn er eintritt (vgl. VfGH 9.12.1997, Zl. G 403/97).
Wenn es dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich aber freisteht, Rückstellungen steuerlich gänzlich zu versagen, kann er für alle Rückstellungen auch Einschränkungen vornehmen.
Schon die grundsätzliche Einschränkung von Pensionsrückstellungen mit dem 2. AbgabenÄG 1977 sah der VfGH nicht als verfassungswidrig an. Der Gesetzgeber begründete die damalige neu eingeführte Einschränkung damit, dass diese zeitlich vorgezogenen Aufwendungen das laufende Steueraufkommen nicht unerheblich beeinträchtigen (vgl. VfGH 14.12.1978, Zl. G 82/78).
Deshalb sah der VfGH in dieser Einschränkung keine sachlich unbegründete Differenzierung.
Zusatzinformationen
- betroffene Normen:
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache BF, Adresse1, vertreten durch Vertreter, über die Beschwerde vom 19.09.2019 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Z. vom 26.08.2019, betreffend Körperschaftsteuer für das Jahr 2016 zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Körperschaftsteuer 2016 wurde bei der BF (in der Folge kurz BF) am 07.05.2018 erklärungsgemäß veranlagt.
Im Zuge einer Außenprüfung wurden Feststellungen das Jahr 2016 betreffend getroffen,
die eine Wiederaufnahme des Verfahrens 2016 rechtfertigten. Diese Feststellungen betrafen
aktivierungspflichtigen Herstellungsaufwand und die Passivierung der Kürzung der Energieabgabenvergütung.
Bezüglich der Sozialkapitalrückstellungen gab es keine Feststellungen.
Die belangte Behörde folgte den Feststellungen der Großbetriebsprüfung und erließ
am 26.08.2019 einen Wiederaufnahmebescheid bezüglich des Verfahrens Körperschaftsteuer
2016 sowie einen neuen Sachbescheid.
Mit Eingabe vom 17.09.2019 wurde Beschwerde gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2016
vom 26.08.2019 erhoben. Die BF brachte vor, dass die belangte Behörde die Steuer unter
Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes festgesetzt hätte.
Es wurde beantragt, die Pensionsrückstellung und die Jubiläumsgeldrückstellung steuerlich
mit einem Zinssatz von 3,5% abzuzinsen, anstatt mit den in § 14 Abs. 6 Z 6 Einkommensteuergesetz
1988 (EStG 1988) festgelegten 6%. Dadurch würde das Einkommen der BF im Jahr 2016
um EUR 1.874.998,- vermindert.
Begründend führte die BF aus, dass die Ungleichbehandlung von langfristigen Rückstellungen
einerseits und Rückstellungen für Pensionen und Jubiläumsgelder andererseits wegen
der unterschiedlichen Abzinsungssätze (3,5% bzw. 6%) eine sachlich nicht zu rechtfertigende
Differenzierung darstellen würde.
Gleichzeitig regte die BF an, das Bundesfinanzgericht möge aufgrund der Verfassungswidrigkeit
des § 14 Abs. 6 Z 6 EStG 1988 die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahren gemäß
Art 140 Abs. 1 B-VG durch den Verfassungsgerichtshof beantragen.
Die Verfassungswidrigkeit begründete die BF zusammengefasst damit, dass die steuerrechtliche
Zugrundelegung eines Rechnungszinsfußes von 6% in § 14 EStG gegen den verfassungsgesetzlichen
Gleichheitsgrundsatz (Art 7 B-VG; Art 2 StGG) verstoße. Angesichts einer Abzinsung
mit einem marktüblichen Zinssatz im Unternehmensrecht (§ 198 Abs. 8 Z 4 lit b und
c UGB und § 211 UGB) und einer Abzinsung mit 3,5% bei langfristigen Rückstellungen
(§ 9 Abs. 5 EStG 1988) komme es zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung.
Am 14.10.2019 wurde die Beschwerde gemäß § 262 Abs. 3 BAO ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung
dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.
In der Stellungnahme beantragte die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde,
weil die Bildung langfristiger Rückstellungen im Gesetz geregelt sei und die belangte
Behörde die geltende Rechtslage beachtet habe. Über die Verfassungswidrigkeit von
Gesetzen habe allein der Verfassungsgerichtshof zu entscheiden.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
I. Rechtslage
§ 9 Abs. 5 EStG 1988 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 13/2014 lautet:
Rückstellungen im Sinne des Abs. 1 Z 3 und 4 sind mit dem Teilwert anzusetzen. Der
Teilwert ist mit einem Zinssatz von 3,5% abzuzinsen, sofern die Laufzeit der Rückstellung
am Bilanzstichtag mehr als zwölf Monate beträgt.
§ 14 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 34/2015 lautet:
[…]
Abs. 6
Steuerpflichtige, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 1 oder § 5 ermitteln, können Pensionsrückstellungen
bilden für:
-Direkte Leistungszusagen in Rentenform im Sinne des Betriebspensionsgesetzes.
-Schriftliche und rechtsverbindliche Pensionszusagen in Rentenform, die keine über
§ 8 und § 9 des Betriebspensionsgesetzes hinausgehende Widerrufs-, Aussetzungs- und
Einschränkungsklauseln enthalten.
Für die Bildung gilt folgendes:
1. Die Pensionsrückstellung ist nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik
zu bilden.
2.Die Pensionsrückstellung ist erstmals im Wirtschaftsjahr der Pensionszusage zu bilden,
wobei Veränderungen der Pensionszusage wie neue Zusagen zu behandeln sind. Als neue
Zusagen gelten auch Änderungen der Pensionsbemessungsgrundlage und Indexanpassungen
von Pensionszusagen.
3.Der Rückstellung ist im jeweiligen Wirtschaftsjahr soviel zuzuführen, als bei Verteilung
des Gesamtaufwandes auf die Zeit zwischen Pensionszusage und dem vorgesehenen Zeitpunkt
der Beendigung der aktiven Arbeits- oder Werkleistung auf das einzelne Wirtschaftsjahr
entfällt.
4.Soweit durch ordnungsmäßige Zuweisungen an die Pensionsrückstellung das zulässige
Ausmaß der Rückstellung nicht erreicht wird, ist in dem Wirtschaftsjahr, in dem der
Pensionsfall eintritt, eine erhöhte Zuweisung vorzunehmen.
5.Die zugesagte Pension darf 80% des letzten laufenden Aktivbezugs nicht übersteigen.
Auf diese Obergrenze sind zugesagte Leistungen aus Pensionskassen anzurechnen, soweit
die Leistungen nicht vom Leistungsberechtigten getragen werden.
6.Der Bildung der Pensionsrückstellung ist ein Rechnungszinsfuß von 6 % zugrunde zu
legen.
§ 14 Abs. 12 EStG 1988 lautet:
Für die Bildung von Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anläßlich
eines Dienstjubiläums gilt folgendes: Die Bildung einer Rückstellung ist nur bei kollektivvertraglicher
Vereinbarung, bei Betriebsvereinbarung oder bei anderen schriftlichen, rechtsverbindlichen
und unwiderruflichen Zusagen zulässig. Die Rückstellung ist unter sinngemäßer Anwendung
des Abs. 6 Z 1 bis 3, des Abs. 6 Z 6 sowie der Abs. 8 und 9 zu bilden; eine Bildung
nach den Regeln der Finanzmathematik ist zulässig.
§ 211 Abs 2 Unternehmensgesetzbuch lautet:
Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr sind mit einem marktüblichen
Zinssatz abzuzinsen. Bei Rückstellungen für Abfertigungsverpflichtungen, Pensionen,
Jubiläumsgeldzusagen oder vergleichbare langfristig fällige Verpflichtungen kann ein
durchschnittlicher Marktzinssatz angewendet werden, der sich bei einer angenommenen
Restlaufzeit von 15 Jahren ergibt, sofern dagegen im Einzelfall keine erheblichen
Bedenken bestehen.
Art. 89 B-VG lautet:
(1) Die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Verordnungen, Kundmachungen über
die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages), Gesetze und Staatsverträge
steht, soweit in den folgenden Absätzen nicht anderes bestimmt ist, den ordentlichen
Gerichten nicht zu.
(2) Hat ein ordentliches Gericht gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund
der Gesetzwidrigkeit, einer Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes
(Staatsvertrages) aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit, eines Gesetzes aus dem Grund
der Verfassungswidrigkeit oder eines Staatsvertrages aus dem Grund der Rechtswidrigkeit
Bedenken, so hat es den Antrag auf Aufhebung dieser Rechtsvorschrift beim Verfassungsgerichtshof
zu stellen.
Gemäß Art. 135 Abs. 4 B-VG ist Art. 89 auf die Verwaltungsgerichte und den Verwaltungsgerichtshof sinngemäß
anzuwenden.
Gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf
Antrag eines Gerichtes oder einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen
Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen
Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese
Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.
II. Rechtliche Erwägungen
Die von der Außenprüfung getroffenen Feststellungen sind unstrittig.
Strittig ist nur die von der BF behauptete Verfassungswidrigkeit der unterschiedlichen
Abzinsungssätze bei Rückstellungen, weshalb die BF auch einen Gesetzesprüfungsantrag
des Bundesfinanzgerichtes an den Verfassungsgerichtshof anregt.
1. zur Beschwerde:
Die Berechnung der Pensions- und der Jubiläumsgeld-Rückstellung erfolgte durch das
Unternehmen unter Beachtung der geltenden Rechtslage. Gemäß § 14 Abs. 6 Z 6 EStG 1988 ist der Bildung dieser Rückstellungen ein Rechnungszinsfuß von 6% zugrunde zu legen.
Da die Bildung der Rückstellungen gesetzesgemäß erfolgte, war die Beschwerde als unbegründet
abzuweisen.
2. zur Anregung eines Gesetzesprüfungsantrags:
Das erkennende Gericht hat keine Bedenken gegen die Anwendung des § 14 Abs. 6 Z 6 EStG 1988 aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit (vgl. Doralt, RdW 2018, 109):
Bei rechtsverbindlich zugesagten Firmenpensionen sind nach Maßgabe des § 14 Abs. 6 EStG 1988 Pensionsrückstellungen zu bilden, wobei ein Rechnungszinsfuß von 6 % zugrunde zu
legen ist. In Anbetracht der anhaltenden Niedrigzinsphase wird diese Abzinsung von
Teilen der Literatur verfassungsrechtlich infrage gestellt (vgl ua die von der BF
zitierten Urnik/Kandler, Rechnungszinsfuß für Pensionsrückstellungen, quo vadis, SWK
3/2018, 74).
Allerdings stünde es dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich auch frei, "sämtlichen Rückstellungen
die steuerliche Anerkennung zu versagen" (VfGH 09.12.1997, G 403/97, zu Jubiläumsrückstellungen). Wenn es aber dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich freisteht,
Rückstellungen steuerlich gänzlich zu versagen, dann kann er -verfassungsrechtlich
unbedenklich- für alle Rückstellungen auch entsprechende Einschränkungen vornehmen.
Insoweit ist es daher verfassungsrechtlich jedenfalls unbedenklich, wenn Rückstellungen
generell mit 3,5% abzuzinsen sind (§ 9 Abs. 5 EStG 1988).
Verfassungsrechtlich maßgeblicher Vergleichsmaßstab für die Abzinsung von Pensionsrückstellungen
ist daher nicht der bestehende niedrige Marktzinsfuß, sondern die gesetzliche Abzinsung
in Höhe von 3,5 %.
Verfassungsrechtliche Bedenken könnten nur im Vergleich zwischen den mit 6 % abgezinsten
Pensionsrückstellungen und anderen mit 3,5 % abgezinsten Rückstellungen bestehen.
Dem spricht nicht entgegen, dass die allgemeine Abzinsung mit 3,5 % eine pauschale
Abzinsung ist. Denn sie ist - unabhängig von ihrer Höhe - gleichzeitig die Basis jeder
Rückstellung. Das zeigt der Vergleich mit der deutschen Rechtslage, nach der Rückstellungen
generell mit 5,5 % abzuzinsen sind, also insoweit - ebenso wie die Abzinsung der Pensionsrückstellung
mit 6 % - weit vom aktuellen Marktzinsfuß entfernt.
In der vorliegenden Beschwerde werden nun von der BF auch verfassungsrechtliche Bedenken
im Vergleich zwischen den mit 6% abgezinsten Pensions- bzw. Jubiläumsgeldrückstellungen
und anderen mit 3,5% abgezinsten Rückstellungen erhoben.
Dem ist entgegenzuhalten (vgl. Doralt, RdW 2018, 109):
Schon die grundsätzliche Einschränkung von Pensionsrückstellungen mit dem 2. AbgabenÄG
1977 sah der VfGH nicht als verfassungswidrig an. Dabei betrug der damalige gesetzlich
vorgesehene Rechnungszinsfuß bei noch dazu stark reduzierter Bemessungsgrundlage 8
% und war damit mit rund 5% höher als der Rechnungszinsfuß, der vorher versicherungsmathematisch
für die Abzinsung angewendet worden ist (idR 3%).
Der Gesetzgeber begründete die damalige neu eingeführte Einschränkung damit, dass
die Pensionsrückstellungen zu einer "drastischen Reduktion der steuerpflichtigen Gewinne"
geführt hätten: "Diese zeitlich vorgezogenen Aufwendungen belasten das jeweilige Unternehmen
häufig erst nach Jahrzehnten tatsächlich, beeinträchtigen aber bereits das laufende
Steueraufkommen nicht unerheblich."
Dazu erklärte der VfGH damals: "Solcherart motivierte Regelungen sind nicht unsachlich.
Sie führen nicht zu sachlich unbegründeten Differenzierungen" (VfGH 14. 12. 1978,
G 82/78, ÖStZB 1979, 14).
Dass der VfGH heute anders entscheiden würde, ist kaum anzunehmen.
Da keine Bedenken gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit bestehen, kann ein Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof unterbleiben.
III. Zulässigkeit einer Revision:
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Entscheidung beruht auf einer auch zwischen den Parteien unstrittigen Gesetzesanwendung. Die allein strittige Frage der Verfassungskonformität einer gesetzlichen Bestimmung stellt keine Rechtsfrage im Sinne der Subsumtion unter einen gesetzlichen Tatbestand dar, die vom Verwaltungsgerichtshof zu überprüfen ist, sondern ist deren Prüfung dem Verfassungsgerichtshof vorbehalten.
Linz, am 23. Oktober 2019