Seitenbereiche:
. Zum Inhalt (ALT+0) . Zum Hauptmenü (ALT+1) . Zur Fußzeile (ALT+2) . Zu den Zusatzinformationen (ALT+3) .
Wenn der Lieferer bei einem B2C Geschäft sämtliche Einfuhrabgaben übernimmt und den Empfänger schadlos hält, gilt er als Einführender zum freien Verkehr.
-
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2022/15/0003.
Rechtssätze
Stammrechtssätze
Eine Bevollmächtigung des Lieferers zur Vornahme der Einfuhr für den Empfänger ist infolge der Übernahme der Einfuhrabgaben durch den Lieferer wirkungslos.
Die Einfuhr in den freien Verkehr erfolgt danach durch den Lieferer selbst, weshalb Art. 3 Abs. 3 UStG 1994 zur Anwendung kommt.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende***SenV***, die Richterin***Ri1*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache der ***Bf.***, ***AdresseBf.***, vertreten durch ***Steuerl.Vertr.***, ***Adr.StVertr.***, über die Beschwerde vom 11. Juni 2019 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich (vormals Finanzamt Graz - Stadt) vom 21. Mai 2019 betreffend die Festsetzung der Umsatzsteuer für den Zeitraum März 2019 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 8. September 2021 in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf*** zu Recht erkannt:
I Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin ist eine englische Gesellschaft (limited liability company
= Ltd.) und wurde 2004 gegründet. Sie hat ihren statutarischen Sitz auf Jersey Island
(=kurz Jersey).
Die Beschwerdeführerin ist Teil eines in Deutschland ansässigen Augenoptik - Konzerns
(D-Konzern), der wiederum Teil eines global tätigen Konzerns ist.
Die Beschwerdeführerin wurde für Zwecke der Abwicklung des sogenannten Abo-Geschäfts
betreffend den Vertrieb von Kontaktlinsen und Pflegeprodukten in Deutschland und Österreich
gegründet.
Die Beschwerdeführerin hat laut den Feststellungen der Behörde auf Jersey lediglich
ihren Sitz, übt dort aber keine Tätigkeit aus und verfügt auch weder über eigene Räumlichkeiten
noch Personal.
Wie von der Beschwerdeführerin selbst vorgebracht, verfügt sie auch in Deutschland,
dem Sitz der Geschäftsleitung über keine eigenen Mitarbeiter.
Um ihre Aufgaben wahrnehmen zu können, bedient sich die Bf. der Mitarbeiter anderer
Gesellschaften des D - Konzerns.
Auch die Leitung der Geschäfte der Beschwerdeführerin wird in Deutschland am Sitz
des
D - Konzerns durch dessen Mitarbeiter ausgeübt.
In Österreich kooperiert der D - Konzern mit einer ebenfalls zum deutschen Teilkonzern
gehörenden Augenoptik - Kette (Ö - Kette).
In den Filialen der Ö - Kette werden Augenoptikartikel wie Brillen und Kontaktlinsen
sowie entsprechende Kontaktlinsenpflegemittel verkauft. Die auf die Umsätze in den
Filialen der
Ö - Kette entfallende Umsatzsteuer wird in Österreich erklärt und entrichtet.
Wenn ein Kunde in einer Filiale der Ö - Kette Kontaktlinsen erwirbt, erhält er eine
Erstausstattung.
Die Erstausstattungsbox enthält:
- die ausgewählten Kontaktlinsen
- einen Kontaktlinsenbehälter
- eine AGB-Broschüre
- Broschüre Handhabung und Pflege Kontaktlinsen
- eine Ausfertigung der unterschriebenen Vertragsunterlagen betreffend den weiteren
Bezug von Kontaktlinsen (Tages- und Monatslinsen) sowie Pflegemitteln.
Für den laufenden weiteren Bedarf an Kontaktlinsen (Tages- und Monatslinsen) und Pflegemitteln
kann sich der Kunde entscheiden, ob er diese weiterhin in einer Filiale oder über
den Lieferservice der Beschwerdeführerin beziehen möchte.
Entscheidet sich der Kunde für den Lieferservice, muss er einen Vertrag zur Lieferung
der Ware durch die Beschwerdeführerin unterfertigen.
Laut diesem Liefervertrag beauftragt der österreichische Kunde die Beschwerdeführerin
mit der laufenden Lieferung der Kontaktlinsen und Pflegeprodukte. Die Bezahlung dieser
Produkte erfolgt monatlich über Bankeinzug.
In den Allgemeinen Verkaufsbedingungen (AVB) für den Lieferservice ist unter Punkt
4.9 festgehalten:
"Die Beschwerdeführerin führt außerhalb des Gebietes der Europäischen Gemeinschaft
lagernde Ware unter Beachtung der einschlägigen zollrechtlichen Bestimmungen im Namen
des jeweiligen Kunden ein. Mit Unterzeichnung des Antrages zur Lieferung der Ware
durch den Kunden bevollmächtigt dieser die Beschwerdeführerin zur Abgabe aller für
die Einfuhr im Namen des Kunden erforderlichen Erklärungen.
Die Beschwerdeführerin übernimmt für den Kunden alle mit der Einfuhr verbundenen Steuern
und Abgaben und stellt den Kunden von allen diesbezüglichen Verpflichtungen frei".
Nach diesen Bedingungen wird der Kunde von Seiten der Beschwerdeführerin weder mit
Transportkosten, Gebühren oder Einfuhrabgaben belastet und hat auch keine Mitwirkung am Transport.
Die Filialen der Ö - Kette treten lediglich als Vermittlerin zwischen den Kunden und
der Beschwerdeführerin auf.
Die Lieferung der Kontaktlinsen und Pflegemittel laut Servicevertrag an die Endverbraucher
erfolgt von Jersey Island, einem Drittgebiet, aus.
Jersey ist nicht Mitglied der Europäischen Union, gehört allerdings zu deren Zollgebiet.
Die Beschwerdeführerin bestellt die Waren für diese Lieferungen bei den Herstellern
in der Europäischen Union (ca. 70 % stammen aus Deutschland).
Die Hersteller liefern die Waren im Auftrag der Beschwerdeführerin aus dem Gebiet
der Europäischen Union nach Jersey in das Lager eines von der Bf. beauftragten Logistikzentrums.
Die Waren werden vom Logistikzentrum im Auftrag der Beschwerdeführerin eingelagert,
für die einzelnen Abnehmer an Hand der Bestellscheine kommissioniert und verpackt.
Die Päckchen werden mit den Adressen der Kunden in Österreich versehen.
Die Päckchen werden an die Jersey Post zur Versendung übergeben.
Des Weiteren erledigt das Logistikzentrum sämtliche für die Versendung erforderlichen
Formalitäten, wie bspw. die Erstellung von Freistellungslisten für die Einfuhr in
die Europäische Union sowie der erforderlichen Papiere CN22 und CN23.
Die Waren werden mit der Jersey Post unter Zollverschluss zur TNT Express B.V. (=
kurz TNT, vormals Royal Post B.V.) in die Niederlande verschickt.
Nach Eintreffen der Ware in den Niederlanden wird diese durch die TNT übernommen und
in Rotterdam in die Europäische Union zum freien Verkehr eingeführt, von wo sie weiter
im Postwege nach Österreich zu den privaten Abnehmern gelangt.
Der Zollwert der einzelnen Pakete liegt größtenteils unter 22 Euro, weshalb weder
Zoll noch Einfuhrumsatzsteuer anfallen.
An den Endkunden in Österreich ergeht keine Rechnung.
Die TNT meldet jene Waren mit einem Wert über 22 Euro gesammelt beim Zoll an.
Auf den diesbezüglichen Vorschreibungen scheint die TNT als Zollschuldnerin auf.
Die Einfuhrabgaben werden von der TNT bezahlt und über das Logistikzentrum an die
Beschwerdeführerin weiterverrechnet, sodass die Beschwerdeführerin letztendlich damit
belastet ist.
Für die überwiegende Mehrheit der Fälle fallen wegen der Freigrenze von 22 Euro aber
keine Eingangsabgaben an.
Dieser Sachverhalt wurde von der deutschen Finanzverwaltung an Österreich als Kontrollmitteilung
gemeldet.
Des Weiteren teilte die deutsche Finanzverwaltung mit, dass sich die Verwaltung und
die Geschäftsführung der Beschwerdeführerin in Deutschland am Sitz der Mutter befinde.
In Deutschland werde die Beschwerdeführerin auf Grund einer mehrstöckigen Organschaft
bei der Konzernmutter veranlagt.
Die deutsche Finanzverwaltung teilte auch mit, dass die Beschwerdeführerin im Handelsregister
von Jersey erfasst sei.
Laut Wirtschaftsauskunft habe die Beschwerdeführerin auf Jersey keinen Geschäftsbetrieb
mit eigenem Büro, Personal und Kommunikationsmitteln (Telefon, Telefax etc.).
Die Beschwerdeführerin reiche beim Handelsregister Jersey auch keine Bilanzen ein.
Diese Sitzadresse der Beschwerdeführerin auf Jersey sei als Briefkastenadresse bekannt.
Die Verwaltung und die Leitung der Geschäftsführung der Beschwerdeführerin befinde
sich in Deutschland an der Adresse des D - Konzerns.
Dazu wird festgestellt, dass auch das Impressum der Beschwerdeführerin laut Internet
auf die Domizilierung der Beschwerdeführerin beim D - Konzern verweist und eine deutsche
Telefonnummer, Umsatzsteueridentifikationsnummer und Bankverbindung anführt.
Zu letzterer wird darauf hingewiesen, dass diese nicht für Abo-Zahlungen der Kunden
gelte.
In der Folge führte die österreichische Finanzverwaltung auf Basis dieses Kontrollmaterials
aus Deutschland eine Außenprüfung durch.
Die Beschwerdeführerin war bis zum Beginn der abgabenbehördlichen Prüfung in Österreich
steuerlich nicht registriert.
Nach Ansicht der österreichischen Außenprüfung liege in den dargestellten Abläufen
ein missbräuchliche Gestaltung.
Für die nach Österreich gelieferten Waren sei die Versandhandelsregelung nach Art. 3 Abs. 3 UStG 1994 anzuwenden, weshalb die Umsätze aus den Abo-Verkäufen in Österreich zu versteuern
seien.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Außenprüfung mit den im Verfahren RV/210006/2020
angefochtenen Umsatzsteuerbescheiden vom 16.09.2016 für die Kalenderjahre 2010 bis
2014, mit welchen für die Lieferungen aus dem Abo-Geschäft nach Österreich Umsatzsteuer
gemäß Art. 3 Abs. 3 UStG 1994 festgesetzt wurde.
Als Bemessungsgrundlage wurden die von der deutschen Finanzverwaltung bekanntgegebenen
Umsätze, die der Höhe nach unstrittig sind, herangezogen.
Hinsichtlich des vorliegenden angefochtenen Bescheides vom 21.05.2019 betreffend die
Festsetzung der Umsatzsteuer 03/2019 gab Beschwerdeführerin "der guten Ordnung halber"
dem Finanzamt die Höhe der Bemessungsgrundlage bekannt.
Sie verwies allerdings auf die Beschwerde vom14.10.2016 und deren Ergänzung vom 14.11.2016
betreffend die Umsatzsteuerbescheide 2010 bis 2014, wonach ihres Erachtens die Umsätze
auf Jersey, also im Drittgebiet, ausgeführt wurden und folglich auch keine Pflicht
zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen bestehe.
Mit Eingabe vom 11.06.2019 brachte die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den Bescheid
vom 21.05.2019 betreffend die Festsetzung der Umsatzsteuer 03/2019 ein.
Danach sei der gegenständliche Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für
03/2019 vom 21. Mai 2019 rechtswidrig, da die Beschwerdeführerin keine umsatzsteuerbaren
Vorgänge in Österreich verwirklicht habe.
Dazu führte sie aus:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin verkaufe Kontaktlinsen und Pflegemittel (idF "Produkte") im
Direktvertrieb ab Jersey an private Kunden in verschiedenen Ländern, u.a. auch in Österreich.
In Österreich arbeite die Beschwerdeführerin mit einer in Österreich angesiedelten
Augenoptik - Kette (=Ö - Kette), die zu einem deutschen Augenoptik - Konzern (D -
Konzern) gehöre, zusammen.
Die Produkte der Beschwerdeführerin würden von diversen Herstellern bezogen und von
diesen in ein auf Jersey gelegenes Lager eines von der Beschwerdeführerin beauftragten Logistikzentrums versendet.
Das Logistikzentrum sei mit der laufenden Entgegennahme, Ein- und Auslagerung, Verpackung und Versendung der Ware beauftragt und für den Kundenkontakt und die Abwicklung der Bezahlung zuständig.
Die Kunden könnten einen Auftrag über den Bezug von Produkten von der Beschwerdeführerin unterfertigen, wobei die Ö - Kette bzw. deren
Filialen als Vermittler für die Beschwerdeführerin handelten.
Die Kunden ermächtigten die Beschwerdeführerin zum Einzug des jeweils monatlichen Ratenbetrages.
Im vom Kunden zu unterzeichneten Auftrag sowie in den Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) der Beschwerdeführerin werde darauf
hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin außerhalb der Europäischen Union lagernde
Ware unter Beachtung der einschlägigen zollrechtlichen Bestimmungen im Namen des jeweiligen Kunden einführe.
Mit Unterzeichnung des Auftrages bevollmächtigten die Kunden die Beschwerdeführerin
zur Abgabe aller für die Einfuhr im Namen des jeweiligen Kunden erforderlichen Erklärungen. Des Weiteren werde vereinbart, dass die Beschwerdeführerin alle mit der
Einfuhr verbundenen Steuern und Abgaben übernehme und die Kunden von den diesbezüglichen
Verpflichtungen freistelle.
Die Produkte würden aus dem Warenlager auf Jersey an die jeweiligen Kunden geliefert, wobei die Einfuhr der Waren und damit die zollrechtliche Überführung in den freien Verkehr in den Niederlanden erfolge. Die
Zollanmeldung und Einfuhr in den Niederlanden übernehme die TNT Express B.V. (= kurz TNT), vormals TPG Post B.V., im
Namen der Kunden.
Die Beschwerdeführerin als Bevollmächtigte der Kunden beauftrage damit das Logistikzentrum,
dieses wiederum die Jersey Post, welche die Waren der TNT Niederlande übergebe. Die
TNT führe schließlich die waren im Namen der Kunden in den Niederlanden zum freien
Verkehr ein.
Sofern bei der zollrechtlichen Überführung in den freien Verkehr in den Niederlanden Einfuhrumsatzsteuer und Zollabgaben abzuführen seien, übernehme die TNT
diese Zahlungsverpflichtungen für die österreichischen Endkunden. Die TNT rechne dies monatlich mit dem Logistikzentrum
ab, das wiederum diese Kosten an die Beschwerdeführerin weiterbelaste.
Die Beschwerdeführerin verrechne diese Kosten vereinbarungsgemäß nicht an die Kunden
weiter.
Im Übrigen verwies die Beschwerdeführerin auf die Sachverhaltsdarstellung in ihren
Schriftsätze vom 14.10.2016 (Beschwerde), vom 14.11.2016 (Ergänzung zur Beschwerde)
und vom 23.04.2018 (Vorlageantrag) betreffend das Rechtsmittelverfahren zu den Umsatzsteuerbescheiden
2010 bis 2014.
2. (Umsatzsteuer)rechtliche Würdigung
Durch den gegenständlichen Sachverhalt werde in Österreich aus folgenden rechtlichen
Erwägungen kein umsatzsteuerbarer Tatbestand verwirklicht:
Basierend auf Art 32 1. Satz MwStSystRL ordne § 3 Abs. 8 UStG an, dass eine Lieferung dort als ausgeführt gelte, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginne, wenn der
Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer oder den Abnehmer befördert oder versendet werde.
Der Ort der Lieferung der Produkte liegt somit im Drittland.
Nach Art 201 iVm Art 32 2. Satz MwStSystRL komme es bei Lieferungen aus einem Nicht-EU-Land
zu einer Ortsverlagerung in das Einfuhrland, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer
sei, also jene Person, die der Mitgliedstaat der Einfuhr als Steuerschuldner bestimmt oder anerkennt. Es sei ausschließliche
Angelegenheit des Mitgliedstaates der Einfuhr, im konkreten Fall der Niederlande,
den Steuerschuldner zu bestimmen.
Die Zollanmeldung in den Niederlanden erfolge im Namen der österreichischen Endkunden,
so dass diese bzw. die TNT, durch die die Zollanmeldungen in den Niederlanden im Namen
der Kunden abgegeben werden, gegenüber den niederländischen Zollbehörden Schuldner
einer gegebenenfalls anfallenden Einfuhrumsatzsteuer seien.
Die Beschwerdeführerin sei hingegen nicht Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer. Die Anwendung
der Ortsverlagerung vom Drittland Jersey in die Niederlande sei daher ausgeschlossen.
Die Versandhandelsregelung finde auf die Lieferungen der Beschwerdeführerin keine
Anwendung, da diese Lieferungen nicht - wie von Art 33 MwStSystRL gefordert- in einem
anderen Mitgliedstaat, sondern im Drittland getätigt wurden.
Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass es gewichtige außersteuerliche Gründe
für die gewählte Gestaltung gebe.
Die Kunden der Beschwerdeführerin seien in verschiedenen Ländern ansässig, weshalb
es schon aus logistischen Gründen erforderlich sei, an einem Ort ein Lager zu führen,
wo die angelieferten Waren entgegengenommen und gelagert werden könnten und wo die
Bestellungen entsprechend kommissioniert, verpackt und zur Versendung bereit gemacht
werden könnten. Die Beschwerdeführerin habe das Logistikzentrum beauftragt, weil dieses
ein umfassendes Dienstleistungspaket angeboten habe, das auf die Belange der Beschwerdeführerin
optimal zugeschnitten sei. Das Logistikzentrum sei einer der ersten Anbieter eines derart
umfassenden Dienstleistungspaktes gewesen.
Ausschlaggebend für die Beauftragung dieses Anbieters sei das Full - Service Dienstleistungsangebot
für das Geschäftsmodell der Beschwerdeführerin gewesen. Die Beauftragung eines Anbieters mit einem umfassenden Leistungsspektrum führe zu Effizienzvorteilen, Kosteneinsparungen und administrativen Vorteilen verglichen mit der jeweils individuellen Beauftragung einzelner Dienstleister. Dies sei insbesondere deshalb von Bedeutung, da die Lieferung von Kontaktlinsen sehr zeitkritisch sei und Kunden etwaige Verzögerungen bei Auslieferungen nicht tolerieren würden.
Im Übrigen verwies die Beschwerdeführerin auch zu den rechtlichen Ausführungen auf
die bereits oa. Schriftsätze vom 14.10.2016, 14.11.2016 und 23.04.2018.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 30.08.2019 wies das Finanzamt die Beschwerde gegen
den Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer 03/2019 ab.
Das Finanzamt verwies hinsichtlich der Begründung auf seine Beschwerdevorentscheidung
vom 26.03.2018 betreffend die Umsatzsteuerbescheide 2010 bis 2014.
In dieser Beschwerdevorentscheidung vom 28.03.2018 führte das Finanzamt aus:
Das Vorliegen eines Missbrauchs iSd § 22 Abs. 1 BAO sei anzunehmen, wenn zur Erreichung eines bestimmten Zieles ein zivilrechtlich zwar
zulässiger, aber ungewöhnlicher und unangemessener Weg beschritten werde (objektives
Element), und dies in der Absicht geschehe, die Abgabepflicht zu umgehen oder zu mindern
(subjektives Element).
Als unangemessen sei eine rechtliche Gestaltung dann anzusehen, wenn für den eingeschlagenen
ungewöhnlichen Weg zu einem vorgegebenen Ziel, von der angestrebten steuerlichen Auswirkung
abgesehen, keine wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründe vorliegen und daher
dieser Weg unter Außerachtlassung der angestrebten Auswirkungen auf die Abgabepflicht
unverständlich wäre (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Uitz, Kommentar BAO, 3. Auflage,
Anm. 3 zu § 22).
Bei Verwirklichung abgabenrechtlicher Tatbestände mit wirtschaftlicher Anknüpfung,
somit im Anwendungsbereich der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, hat die Abgabenerhebung
unbeeinflusst von der zivilrechtlichen Gestaltung des Geschehens zu erfolgen. Dies
führe ua. zwingend dazu, dass, wenn bei der zivilrechtlichen Erfassung eines bestimmten
wirtschaftlichen Vorganges nicht die diesem Vorgang entsprechende angemessene Gestaltung,
sondern ein ungewöhnlicher Weg gewählt werde, Letzterem bei der Abgabenerhebung nicht
gefolgt werden dürfe.
Die im § 22 Abs. 2 BAO für Missbrauchsfälle umschriebenen Konsequenzen resultierten daher ganz allgemein
schon aus der wirtschaftlichen Anknüpfung verwirklichter abgabenrechtlicher Tatbestände
und seien somit nicht nur auf den Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1 BAO beschränkt (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Uitz, aaO. Anm. 10 zu §22).
Gelange der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung an den Abnehmer
oder in dessen Auftrag an einen Dritten aus dem Drittlandsgebiet in das Gebiet eines
Mitgliedstaates, ist diese Lieferung gemäß § 3 Abs. 9 UStG 1994 als im Einfuhrland ausgeführt zu behandeln, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter
Schuldner der bei der Einfuhr zu entrichtenden Umsatzsteuer ist.
Dies entspreche der unionsrechtlichen Vorgabe in Art. 32 zweiter Satz MwStSystRL.
Wer Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist, richte sich nach den zollrechtlichen Vorschriften.
Die Regelungen des Zollrechts gelten auch diesbezüglich sinngemäß für die Einfuhrumsatzsteuer
(§ 19 Abs. 5 UStG 1994 mit Verweis auf § 26 UStG 1994).
Die Befugnis zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer folge grundsätzlich der Befugnis
zur Erhebung des Zolls.
Zollschuldner sei nach Art. 201 Abs. 3 Satz 1 des (für den gegenständlichen Fall geltenden)
Zollkodex der Gemeinschaft (Verordnung Nr. 2913/92) der Anmelder.
Anmelder sei die Person, die in eigenem Namen eine Zollanmeldung abgibt, oder die
Person, in deren Namen - Vollmacht vorausgesetzt - eine Zollerklärung abgegeben wird
(Art. 4 Zollkodex).
Art. 5 Zollkodex regle die Stellvertretung gegenüber den Zollbehörden.
Bei der direkten Vertretung sei der Vertretene Anmelder.
Im Falle der indirekten Vertretung sei auch die Person Zollschuldner, für deren Rechnung
die Zollanmeldung abgegeben wird. Beauftragt also ein nicht im Gemeinschaftsgebiet
ansässiger Lieferer einen im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Zollagenten, Spediteur
oder Frachtführer, die Anmeldung in eigenem Namen, aber für seine Rechnung vorzunehmen,
sei er Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer.
Personen, die nicht erklären im Namen oder für Rechnung eines anderen zu handeln,
oder die erklären im Namen oder für Rechnung eines anderen zu handeln, aber keine
Vertretungsmacht besitzen, gelten gemäß. Art. 5 Abs. 4 Satz 2 Zollkodex als in eigenem Namen und für eigene Rechnung handelnd.
Zwar habe die TNT die Anmeldung im Namen der Empfänger beim Zollamt beantragt, allerdings
fehlte ihr die Vertretungsmacht.
Die Vertretungsmacht ergibt sich nicht aus den Allgemeinen Verkaufsbedingungen (AVB)
mit den Kunden bzw. den Auftragsbestätigungen.
Die Beschwerdeführerin (bzw. das Logistikzentrum als deren Beauftragte bzw. die Jersey
Post als deren Beauftragte bzw. die Post NL =TNT als deren Beauftragte) handelten
im vorliegenden Fall ohne von den Kunden wirksam eingeräumte Vertretungsmacht.
Des Weiteren sei auszuführen:
Die Allgemeinen Verkaufsbedingungen (AVB) enthielten keine wirksame Bevollmächtigung.
Gemäß den Allgemeinen Verkaufsbedingungen (AVB) übernehme die Beschwerdeführerin für
den Kunden alle mit der Einfuhr verbunden Steuern und Abgaben und stelle den Kunden
von allen diesbezüglichen Verpflichtungen frei. Somit werde die Vertretungsvollmacht
des Kunden für den Anmelder jedenfalls wieder außer Kraft gesetzt. Die Beschwerdeführerin
sei folglich auch Schuldnerin der Einfuhrumsatzsteuer.
Gemäß Art. 201 Abs. 3 Satz 1 Zollkodex sei Zollschuldner der Anmelder der Waren. Dieser sei folglich auch Schuldner der
Einfuhrumsatzsteuer.
Die Beschwerdeführerin sei Anmelder, weil sie durch den "Antrag auf Freischreibung"
Zollanmeldungen zwar im Namen der Empfänger, aber mit Wirkung für sich selbst abgegeben
habe.
Es fehle an dem, für die allein in Betracht kommende direkte Vertretung, zollrechtlich
erforderlichen Handelns "für Rechnung eines anderen" (Art. 5 Abs. 2 Zollkodex).
Nach dem Urteil des BFH vom 29.01.2015 V R 5/14 sei Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer die Person, die in eigenem Namen die Zollanmeldung
abgibt oder in deren Namen eine Zollanmeldung abgegeben wird. Darauf, dass tatsächlich
Einfuhrumsatzsteuer anfällt, komme es nicht an.
Als Vertreter "für Rechnung" eines anderen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Zollkodex handle nicht, wer in eigener Person alle etwaig anfallenden Steuern und sonstige
Kosten trage und sein Handeln sich für den anderen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt
wirtschaftlich auswirke.
Die Beschwerdeführerin habe nicht für Rechnung der Empfänger gehandelt, da die zollrechtliche
Abwicklung aufgrund der Übernahme etwaig anfallenden Steuern und sonstigen Kosten
unter keinen denkbaren Gesichtspunkten für die Empfänger wirtschaftliche Auswirkungen
haben konnten.
Mit Eingabe vom 06.09.2019 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Entscheidung
über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht
Die Beschwerdeführerin wiederholte darin im Wesentlichen ihre bisherigen Ausführungen.
In der Vorhaltbeantwortung vom 03.09.2021 an das Bundesfinanzgericht führte die Beschwerdeführerin zusammengefasst aus:
(Mit dieser Vorhaltbeantwortung legte die Beschwerdeführerin das "Service Agreement"
[Vertrag] zwischen der Beschwerdeführerin und dem Logistikzentrum vom 23.03.2010 betreffend
Kunden in Österreich vor).
Die britische Gruppe des Logistikzentrums, welche mit der Beschwerdeführerin nicht
konzernmäßig verbunden sei, biete Outsourcing Lösungen zur Kundenbindung insbesondere
im Bereich von Augenoptikprodukten an.
Gründer der Gruppe sei ein Optiker, der die Idee hatte, Kontaktlinsen an Kunden in
Form eines Abo-Modells in regelmäßigen Abständen zu liefern. Damit sollten einerseits
die Kunden den Komfort haben, die Kontaktlinsen zu erhalten, wenn sie diese brauchten
und andererseits eine Bindung zum Optiker hergestellt werden. Der Kunde erhalte in
regelmäßigen Abständen Pflegeprodukte und müsse diese nicht vorrätig halten.
Zu den Kunden des Logistikzentrums gehöre eine Reihe großer Augenoptik - Ketten in
ganz Europa. Zudem arbeite das Logistikzentrum mit allen führenden Herstellern von
Kontaktlinsen und Pflegeprodukten zusammen.
Das Logistikzentrum biete den Augenoptik - Ketten ein umfassendes Leistungspaket für
das Abo - Geschäft an und kümmere sich dabei um die gesamte logistische Abwicklung
(Einkauf, Lagerung, Versand, Inkasso) im Namen und Auftrag der Augenoptik - Ketten.
Das Logistikzentrum habe für die Abwicklung dieses Geschäfts (schon lange vor Vertragsabschluss
mit der Beschwerdeführerin) auf Jersey Island ein Lager eingerichtet.
Die Zulieferer der Beschwerdeführerin lieferten Ware in dieses Lager, die Ware werde
wiederum vom Logistikzentrum entsprechend den Bestellungen (Abos) der Kunden der Beschwerdeführerin
kommissioniert und der Versand vorgenommen. Mittlerweile haben auch einige Hersteller
von Kontaktlinsen und Pflegeprodukten auf Jersey aufgrund der Zusammenarbeit mit dem
Logistikzentrum entsprechende Lagerbestände (Konsignationslager) eingerichtet. Daher
sei es dem Logistikzentrum möglich, Lieferungen mit unterschiedlichen Produkten an
eine Vielzahl von Endkunden in verschiedenen Ländern sehr effizient abzuwickeln.
Da das Logistikzentrum dieses Abo - Modell, wie oben ausgeführt, vor vielen Jahren
selbst entwickelt habe, habe es für die Beschwerdeführerin keinen vergleichbaren Anbieter
auf dem Markt gegeben.
Das Geschäftsmodell des Kontaktlinsen - Abos habe sich über die Jahre hinweg zu einem
Erfolgsmodell entwickelt, was in erster Linie auf die Zusammenarbeit mit dem Logistikzentrum
zurückzuführen sei.
Laut Vertrag (siehe Punkt 3.1.) erbringe das Logistikzentrum folgende Leistungen an
die Beschwerdeführerin:
Leistungen, Lagerung und Bestellung der Produkte
-zu diesem Zweck muss das Logistikzentrum dafür sorgen, dass immer genug Ware für
die Beschwerdeführerin auf Jersey auf Lager liegt.
-das Logistikzentrum ist ein reiner Logistikdienstleister und wird selbst zu keinem
Zeitpunkt Eigentümer der Waren
- die Vorlieferanten verkaufen die Waren direkt an die Beschwerdeführerin, d.h. die
im Lager des Logistikzentrums befindlichen Waren sind im Eigentum der Vorlieferanten
oder der Beschwerdeführerin (siehe Punkt 4 des Vertrages).
-das Logistikzentrum stellt die Pakete für die Kunden zusammen, prüf, ob die Zahlung
des jeweiligen Kunden der Beschwerdeführerin eingelangt sind und versendet dann an
die Kunden (siehe Punkt 4.8. des Vertrages)
-Führung eines Kunden-Kontakt Service Centers, das Logistikzentrum betreibt ein Call-Center
für Kundenanfragen
-Erstellen von Berichten (zB Absatzstatistiken, Stock Reports etc.)
-Abwicklung von Zahlungen
In Punkt 4 des Service Agreements werde festgehalten, dass es zu den Obliegenheiten
des Logistikzentrums gehöre, den Warenbestand laufend zu kontrollieren und Vorsorge
zu treffen, dass jederzeit ausreichend Ware vorhanden ist, sodass die Kundenaufträge
der Beschwerdeführerin fristgerecht erfüllt werden können.
Alle von der Beschwerdeführerin für ihre Kundenaufträge benötigten Produkte würden
von den Vorlieferanten in das vom Logistikzentrum betriebene Warenlager auf Jersey
Island geliefert.
Zum Teil verfügten die Vorlieferanten über ein eigenes Konsignationslager beim Logistikzentrum.
Die Vorlieferanten versenden die jeweiligen Rechnungen an die Beschwerdeführerin.
In der mündlichen Verhandlung am 08.09.2021 brachte die Beschwerdeführerin vor:
Der D - Konzern habe sich für die laufende Belieferung der Kunden mit Kontaktlinsen
und Pflegemitteln nach einem Abo - Modell umgesehen. Dadurch werde dem Kunden der
Weg in die Filiale erspart. Ein derartiges Modell gab es bislang noch nicht.
Der D - Konzern bzw. seine Töchter konnten den Abo - Service aber nicht mit eigenen
Ressourcen bewältigen, da dessen Ablauf sehr prozesslastig ist.
Die Vorgaben waren ein zentrales Lager und zentrale Lieferung an die Kunden. Ursprünglich
wollte man auch mehrere Anbieter kontaktieren.
Man hat schließlich die Konzernmutter in Holland kontaktiert.
Diese hatte bereits Erfahrungswerte und Kontakte mit dem Logistikzentrum auf Jersey.
Man erwartete sich durch die Einschaltung des Logistikzentrums auch eine Erhöhung
der Marge.
Man hat beschlossen, dass die Beauftragung des Logistikzentrums unter dem Namen der
Beschwerdeführerin läuft, damit die Marke des D - Konzerns nicht beschädigt werde,
falls dieses Abo - Modell nicht funktionieren sollte.
Deshalb habe man die Beschwerdeführerin gegründet.
Bereits im Jahr 2005 wurde ein Vertrag mit dem Logistikzentrum für Deutschland abgeschlossen,
für Österreich erfolgte die vertragliche Beauftragung erst im Jahr 2010.
Der Vorteil lag darin, dass das Logistikzentrum ein zentrales Lager hatte. Gleichzeitig
hatte das Logistikzentrum neben der Beschwerdeführerin weitere Kunden und dadurch
auch sehr viel Expertise. Die Kunden waren sehr zufrieden. Wichtig war die Effizienz
der Prozesse, die Zuverlässigkeit, die pünktliche Lieferung an die Kunden und die
daraus resultierende Bindung der Kunden.
Es hat neben dem Logistikzentrum auf Jersey keine vergleichbaren Anbieter gegeben.
Das Logistikzentrum hatte auch den Vorteil großer Warenbestände. Die Kooperation mit
Vorlieferanten war gegeben und alles aus einer Hand ist optimal (es wird auf die Vorhaltbeantwortung
vom 03.09.2021 verwiesen).
Zur rechtlichen Beurteilung wird ergänzend ausgeführt:
Artikel 32 MwStSystRL sei für den Beschwerdefall gar nicht relevant. Dieser würde
nur greifen, wenn die Ware in Österreich eingeführt worden wäre.
Für den Beschwerdefall kommt daher nur Artikel 33 Absatz 2 MwStSystRL in Frage. Dort
ist geregelt, dass die Einfuhr durch den Lieferer Bedingung der Tatbestanderfüllung
ist.
Im Beschwerdefall scheint die Beschwerdeführerin bei den Einfuhrvorgängen nirgendwo
auf. Die Einfuhrpapiere weisen die Beschwerdeführerin nicht als Einführende aus. Das
Votum der Niederlande bezeichnet nirgendwo die Beschwerdeführerin als Schuldnerin
der Einfuhrumsatzsteuer.
Die Anmeldung erfolgt durch die TNT im Namen und für Rechnung des Endkunden.
Maßgeblich ist Artikel 201 MwStSystRL, wonach die jeweiligen Behörden des Einfuhrlandes
den Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer bezeichnen. Im Beschwerdefall scheint die Beschwerdeführerin
nicht als Schuldnerin der Einfuhrumsatzsteuer auf.
Es wird hinsichtlich der Zollanmeldung auf das Urteil des EuGH vom 14.11.2002, Rs
C-251/00 Randzahl 32 verwiesen.
Im Übrigen hätten die holländischen Behörden die Befreiung der Lieferung nicht gewähren
dürfen, wenn die Beschwerdeführerin als Anmelderin aufgetreten wäre, weil die Gesamtsumme
der Sendungen über 22 Euro gelegen wäre. Daraus sei ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin
nicht Anmelderin der Waren war und auch nicht als Schuldnerin der Einfuhrumsatzsteuer
im Sinne des Artikel 201 MwStSysRL in Holland bezeichnet wurde.
Rechtslage:
§ 3 Abs. 9 UStG 1994
Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung an den Abnehmer
oder in dessen Auftrag an einen Dritten aus dem Drittlandsgebiet in das Gebiet eines
Mitgliedstaates, so ist diese Lieferung als im Einfuhrland ausgeführt zu behandeln,
wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der bei der Einfuhr zu entrichtenden
Umsatzsteuer ist.
Art. 3 Abs. 3 UStG 1994
Wird bei einer Lieferung der Gegenstand durch den Lieferer oder einen von ihm beauftragten
Dritten aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates
befördert oder versendet, so gilt die Lieferung nach Maßgabe der Abs. 4 bis 7 dort
als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung endet. Das gilt auch, wenn der Lieferer den Gegenstand in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt hat.
§ 21 BAO
(1) Für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise
der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes
maßgebend.
(2) Vom Abs. 1 abweichende Grundsätze der Abgabenvorschriften bleiben unberührt.
Art. 32 Satz 1 MwStSystRL (§ 3 Abs. 6 UStG 1994)
Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom
Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die
Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer
oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt.
Art. 32 Satz 2 MwStSystRL (§ 3 Abs. 9 UStG 1994)
Abweichend von Art. 32 Satz 1 MwStSystRL liegt der Ort, von dem aus die Gegenstände
versandt oder befördert werden, in einem Drittgebiet oder in einem Drittland, gelten
der Ort der Lieferung, die durch den Importeur bewirkt wird, der gemäß Artikel 201
als Steuerschuldner bestimmt oder anerkannt wurde, sowie der Ort etwaiger anschließender
Lieferungen jedoch als in dem Mitgliedstaat gelegen, in den die Gegenstände eingeführt
werden.
Artikel 33 MwStSystRL (Art. 3 Abs. 3 UStG 1994)
(1) Abweichend von Artikel 32 gilt als Ort einer Lieferung von Gegenständen, die durch
den Lieferer oder für dessen Rechnung von einem anderen Mitgliedstaat als dem der
Beendigung der Versendung oder Beförderung aus versandt oder befördert werden, der
Ort, an dem sich die Gegenstände bei Beendigung der Versendung oder Beförderung an
den Erwerber befinden, sofern folgende Bedingungen erfüllt sind:
a) die Lieferung der Gegenstände erfolgt an einen Steuerpflichtigen oder eine nichtsteuerpflichtige
juristische Person, deren innergemeinschaftliche Erwerbe von Gegenständen gemäß Artikel
3 Absatz 1 nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, oder an eine andere nichtsteuerpflichtige
Person;
b) (…)
(2) Werden die gelieferten Gegenstände von einem Drittgebiet oder einem Drittland
aus versandt oder befördert und vom Lieferer in einen anderen Mitgliedstaat als den
der
Beendigung der Versendung oder Beförderung an den Erwerber eingeführt, gelten sie
als vom Einfuhrmitgliedstaat aus versandt oder befördert.
Artikel 201 MwStSystRL
Bei der Einfuhr wird die Mehrwertsteuer von der Person oder den Personen geschuldet,
die der Mitgliedstaat der Einfuhr als Steuerschuldner bestimmt oder anerkennt.
Vertretung
Art. 18 Abs. 1 UZK
Jede Person kann einen Zollvertreter ernennen.
Zulässig ist sowohl die direkte Vertretung, bei der der Zollvertreter im Namen und
für Rechnung einer anderen Person handelt, als auch die indirekte Vertretung, beider
der Zollvertreter im eigenen Namen, aber für Rechnung einer anderen Person handelt.
Artikel 77 UZK Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr und vorübergehende Verwendung
(1) Eine Einfuhrzollschuld entsteht durch die Überführung von einfuhrabgabenpflichtigen
Nicht-Unionswaren in eines der folgenden Zollverfahren:
a) Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr, auch im Rahmen der Vorschriften über
die Endverwendung,
b) vorübergehende Verwendung unter teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben.
(2) Die Zollschuld entsteht zum Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung.
(3) Zollschuldner ist der Anmelder. Bei indirekter Vertretung ist auch die Person
Zollschuldner, in deren Auftrag die Zollanmeldung abgegeben wird.
Artikel 144 UZK-DA Zollanmeldung für Waren in Postsendungen
(Artikel 6 Absatz 2 des Zollkodex)
Für die Überlassung von Waren in Postsendungen zum zollrechtlich freien Verkehr kann
ein Postbetreiber eine Zollanmeldung mit reduzierten Datensatz gemäß Anhang B abgeben, sofern die Waren jede der folgenden Bedingungen erfüllen:
a) Ihr Wert beträgt höchstens 1.000 EUR;
b) es wurde kein Antrag auf Erstattung oder Erlass gestellt;
c) sie unterliegen keinen Verboten oder Beschränkungen.
Bis zu den Zeitpunkten der Verbesserung der für die Vorlage von Gestellungsmitteilungen
erforderlichen betreffenden nationalen Einfuhrsysteme gemäß dem Anhang des Durchführungsbeschlusses
2014/255/EU gelten die Zollanmeldungen zur Überlassung von Waren in Postsendungen
zum zollrechtlich freien Verkehr gemäß Absatz 1 durch ihre Vorlage beim Zoll als abgegeben
und angenommen, sofern den Waren eine Zollinhaltserklärung CN22 und/oder eine Zollinhaltserklärung
CN23 beigefügt ist.
In den in Art. 141 Abs. 2 Unterabsatz 1 und (…) genannten Fällen gilt der Empfänger
als Anmelder oder gegebenenfalls als Zollschuldner. (…)
Art. 141 Abs. 2 UZK-DA
Briefsendungen gelten bei ihrer Ankunft im Zollgebiet der Union als zur Überlassung
zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet.
Würdigung durch das Bundesfinanzgericht
Im Beschwerdefall ist strittig, ob die Lieferungen aus den Kontaktlinsen - Abos an
Endkunden im Inland auf Grund der Versandhandelsregel im Inland zu versteuern sind
oder ob der Ort der Lieferung auf Jersey liegt und die Lieferungen folglich nicht
in Österreich steuerbar sind.
Das Finanzamt beruft sich auf Art. 32 Satz 2 MwStSystRL, wonach der Ort der Lieferung
in den Niederlanden liege. Die Weiterversendung der Waren nach Österreich an die Endkunden
sei wegen Überschreitens der Lieferschwelle als Versandhandel nach Österreich gemäß
Art. § 3 Abs. 3 UStG 1994 zu qualifizieren.
Das Bundesfinanzgericht kommt aus nachstehenden Gründen zum Ergebnis, dass die strittigen
Lieferungen gemäß Art. 3 Abs. 3 UStG 1994 in Österreich zu versteuern sind:
Die Folgende Würdigung erfolgt auch unter dem Blickwinkel der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des § 21 BAO, wonach für die Beurteilung eines abgabenrechtlichen Sachverhaltes der wahre wirtschaftliche
Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend ist.
In der mündlichen Verhandlung am 08.09.2021 brachte die Beschwerdeführerin erstmals
vor, dass ihres Erachtens im Beschwerdefall abweichend vom bisherigen Vorbringen gar
nicht Art. 32 Satz 2 MwStSystRL, sondern Art. 33 Abs. 2 maßgeblich sei.
Dieser Würdigung ist beizupflichten. In Österreich wurde diese Bestimmung auch in
Art. 3 Abs. 3 UStG 1994 entsprechend umgesetzt. Danach gelten die Waren als vom Einfuhrmitgliedstaat versandt
oder befördert, wenn die Waren von einem Drittgebiet aus versandt oder befördert werden
und vom Lieferer in einen anderen Mitgliedstaat als den der Beendigung der Versendung
oder Beförderung eingeführt werden.
Im Beschwerdefall geht es letztendlich um die Frage, ob der Tatbestand des Art. 3 Abs. 3 UStG 1994 (33 Abs. 2 MwStSystRL) erfüllt ist.
Art. 32 Abs. 2 MwStSystRL spricht vom Importeur, der gemäß Art. 201 MwStSystRL als
Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer bestimmt oder anerkannt wurde.
Art. 33 Abs. 2 MwStSystRL hingegen spricht nur von der Einfuhr in einen Mitgliedstaat durch den Lieferer.
Sind die Voraussetzungen des Art. 33 Abs. 2 MwStSystRL erfüllt, geht diese Bestimmung
dem Art. 32 Satz 2 MwStSystRL vor (siehe Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz Kommentar,
§ 3c Anm. 22).
Der Liefergegenstand muss in diesem Fall vom Lieferer im Einfuhrmitgliedstaat zur
Einfuhr (zum freien Verkehr) abgefertigt worden sein (siehe Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz
Kommentar, § 3c Anmerkung 22).
Nicht verlangt wird, dass der Importeur vom Mitgliedstaat der Einfuhr nach Art. 201
MwStSystRL als Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer bestimmt oder bezeichnet wird (siehe
Art. 32 Satz 2 MwStSystRL).
Zweck und Sinn dieser Bestimmungen ist, dass ein unbelasteter Endverbrauch verhindert
wird, wenn wie im Beschwerdefall an private Abnehmer geliefert wird.
Des Weiteren bewirkt die Versandhandelsregel die Besteuerung im Bestimmungsland und
dient zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen.
Nach Ansicht der Beschwerdeführerin seien weder der Art. 32 Satz 2 MwStSystRL noch
Art. 33 Abs. 2 MwStSystRL auf den Beschwerdefall anwendbar, da ihres Erachtens nicht
die Beschwerdeführerin, sondern die Abnehmer die Einfuhr der Waren vollziehen.
Dem ist zu entgegnen:
Die Beschwerdeführerin liefert die Waren aus Jersey, einem Drittgebiet, nach Österreich
an private Kunden.
Die Waren gelangen bei der Versendung vom Drittgebiet in den Mitgliedsstaat der Einfuhr
und schließlich an private Konsumenten in Österreich.
Für die Frage, ob die Beschwerdeführerin als Liefererin oder die Abnehmer die Gegenstände
in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt haben, ist das Zollrecht heranzuziehen.
Gemäß Art.77 Abs. 3 UZK ist der Anmelder der Waren Zollschuldner.
Dieser ist folglich auch Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer und führt die Waren in
den freien Verkehr ein.
Anmelder ist gemäß Art. 5 Nr. 15 UZK die Person, die in eigenem Namen eine Zollanmeldung abgibt oder die Person, in deren Namen eine Anmeldung abgegeben
wird.
Nach Art. 18 Abs. 1 UZK kann jede Person einen Zollvertreter ernennen.
Zulässig ist sowohl die direkte Vertretung, bei der der Zollvertreter im Namen und
für Rechnung einer anderen Person handelt, als auch die indirekte Vertretung, bei der der Zollvertreter im eigenen Namen, aber für Rechnung einer anderen Person handelt.
Die Beschwerdeführerin hat das Logistikzentrum, dieses wiederum die Post mit der Anmeldung
und Einfuhr der Waren beauftragt. Die Bevollmächtigung der Beschwerdeführerin durch
die Empfänger laut Punkt 4.9 der AVB ist, wie untern dargestellt wird, nicht wirksam.
Die Zollanmeldungen im Wege der "Anträge auf Freischreibung nach Art. 27 VO (EWG) Nr. 918/83" wurden laut Beschwerdeführerin aber durch die TNT im Namen der Empfänger abgegeben.
Zu diesem Zwecke erstellte das Logistikzentrum Listen mit den Namen und Adressen der
Empfänger sowie dem Zollwert der einzelnen Sendungen. Diese Listen wurden der Post
für die Freischreibung übergeben (Wert unter 22 Euro).
Die Beschwerdeführerin geht davon aus, dass diese Anmeldungen im Namen und für Rechnung
der Empfänger erfolgten.
Die TNT hat jedoch nicht für Rechnung der Empfänger gehandelt, weil die zollrechtliche Abwicklung unabhängig von der Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer
durch die Übernahme aller etwaig anfallenden Steuern und sonstiger Kosten durch die
Beschwerdeführerin unter keinem denkbaren Gesichtspunkt für die Empfänger wirtschaftliche
Auswirkungen haben konnte (siehe BFH Urteil vom 29.01.2015, V R 5/14 und BFH Urteil
vom 16.06.2021, XI R 17/13).
Es sind auch keine sonstigen Interessen der Empfänger erkennbar, die durch das Handeln
der Beschwerdeführerin berührt sein könnten. Die gesamte Gestaltung hat allein den Interessen der Beschwerdeführerin gedient, mögen diese steuerrechtlicher oder im Hinblick auf den Aufbau eines zentralen
Auslieferungslagers für Europa auch wirtschaftlicher Natur gewesen sein.
Zum Nachweis, dass die Empfänger der Sendungen Anmelder zur Überführung der Waren
in den zollrechtlich freien Verkehr waren, beruft sich die Beschwerdeführerin auf
Art. 237 ZK-DVO (nunmehr Art. 144 UZK-DA letzter Satz iVm Art. 141 Abs. 2 UZK-DA).
Danach besteht die Fiktion der Annahme der Zollanmeldung für bestimmte Waren, die
z.B. im Postverkehr befördert werden.
In diesem Fall kommt nur die direkte Vertretung (Handeln im Namen und für Rechnung
des Vertretenen) für das zollrechtlich erforderliche Handeln in Betracht.
Grundsätzlich nimmt der Postverkehr im Recht der Zollanmeldung eine privilegierte
Sonderstellung ein (Henke in Witte, a.a.O., Art. 61 Rz 41).
Laut Beschwerdeführerin würden die Empfänger zollrechtlich gemäß Art. 237 ZK-DVO (nunmehr Art. 144 UZK-DA letzter Satz iVm Art. 141 Abs. 2 UZK-DA) als Anmelder und Zollschuldner gelten, weil es sich bei dem Warentransport durch
die TNT um Postsendungen im Sinne dieser Bestimmung handle.
Als Anmelder und Zollschuldner gelte in diesen Fällen der Empfänger.
Im Beschwerdefall hat sich jedoch die Beschwerdeführerin zur Übernahme etwaiger Eingangsabgaben
verpflichtet, weshalb die in diesem Verfahren erforderliche direkte Vertretung (Handeln
für Rechnung des Vertretenen) nicht vorliegt.
Die TNT verrechnete vereinbarungsgemäß etwaige angefallene Eingangsabgaben nicht an
die Empfänger, sondern über das Logistikzentrum an die Beschwerdeführerin weiter.
Auf Grund der Klausel im Punkt 4.9 der AVB, dass die Beschwerdeführerin sämtliche
Abgaben und Gebühren betreffend die Einfuhr übernehmen werde, ist die Bevollmächtigung
der Beschwerdeführerin zur Einfuhr im Namen der Empfänger unwirksam (siehe BFH Urteil vom 29.01.2015, V R 5/14 und BFH Urteil vom 16.06.2021, XI R 17/13).
Die Beschwerdeführerin hat durch ihre Subbeauftragte (Logistikzentrum und TNT), die
Anmeldung durch den "Antrag auf Freischreibung" Zollanmeldungen zwar im Namen der
Empfänger aber mit Wirkung für sich selbst abgegeben.
Der Beschwerdeführerin und folglich der TNT als Subunternehmerin, fehlt es nämlich
an dem für die allein in Betracht kommende direkte Vertretung zollrechtlich erforderlichen
Handelns für Rechnung eines anderen, da die Bf. sämtliche Abgaben und Gebühren zu
tragen hat (siehe auch BFH vom 29.01.2015, V R 5/14, BFH vom 16.06.2015, XI R 17/13).
Nach diesen Urteilen handelt als Vertreter für Rechnung eines anderen nach Art. 5 Abs. 2 ZK (nunmehr Art. 18 Abs. 1 UZK) nicht, wer in eigener Person alle etwaigen Steuern und sonstige Kosten trägt und sein
Handeln sich für den anderen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt auswirkt.
Mangels eigener Vertretungsmacht konnte die Beschwerdeführerin auch ihre Subbeauftragten
wie bspw. die TNT nicht wirksam mit Vertretungsmacht für die Empfänger ausstatten.
Vielmehr konnte die TNT im Subauftrag über das Logistikzentrum ausschließlich für
die Beschwerdeführerin tätig werden.
Die Beschwerdeführerin führte in der mündlichen Verhandlung aus, dass die niederländische
Zollverwaltung offensichtlich die Einfuhr für die Empfänger im Sinne des Art. 144 UZK-DA (vormals Art. 237 ZK-DVO) anerkannt habe, weil sie sonst auch die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer wegen
Überschreitens der Wertgrenze nicht gewährt hätte.
Dieses Argument der Beschwerdeführerin ist unbeachtlich, weil die objektiven Voraussetzungen
nicht vorlagen, woran auch ein allfälliger Rechtsirrtum der niederländischen Zollbehörde
nichts ändert. Der Art. 3 Abs. 3 UStG 1994 (Art. 33 Abs. 2 MwStSystRL) spricht nur von "Einfuhr" durch den Lieferer im objektiven Sinn und bezieht sich nicht auf die rechtliche Beurteilung
durch den Einfuhrmitgliedsstaat.
Die Beschwerdeführerin beruft sich in diesem Zusammenhang auf das Urteil des EuGH
vom 14.11.2002, Rs C-251/00, Rz 32. Dieses Urteil beschäftigt sich primär mit der Verordnung
Nr. 1697/79/EWG betreffend die Nacherhebung von Eingangs - und Ausfuhrabgaben auf
Grund eines Rechtsirrtums der zuständigen Behörden.
Die Rz 32 lautet:
Nach Art. 2 Absatz der Verordnung Nr. 1031/88 ist zur Erfüllung der Zollschuld entweder
der Anmelder oder gegebenenfalls die Person verpflichtet, für deren Rechnung die Anmeldung
abgegeben wurde.
Diese Randzahl gibt im Wesentlichen den Text des Art. 201 Abs. 3 ZK wieder.
Warum die Rz 32 des Urteils für den Beschwerdefall maßgeblich sein soll, ist nicht
nachvollziehbar, da ja die Anmeldung gerade nicht für Rechnung der Abnehmer abgegeben worden war.
Wie dargelegt, handelte die TNT weder im Auftrag noch für Rechnung der Empfänger.
Die Empfänger können folglich gar nicht die Einführenden sein.
Zu prüfen ist nun, ob die Beschwerdeführerin die Waren eingeführt hat.
In Wahrheit handelt die TNT als Subbevollmächtigte der Beschwerdeführerin und auf
deren Rechnung, wie bei der indirekten Stellvertretung.
Schon daraus ergibt sich ein Gesamtschuldverhältnis der Beschwerdeführerin gemäß
Art. 77 Abs. 3 UZK.
Maßgeblich sind die zivilrechtlichen Vereinbarungen.
Wird ein Leistungsaustausch durch Warenbewegungen aus dem Drittland in das Gemeinschaftsgebiet
erfüllt und übernimmt der Lieferant laut Parteienvereinbarung die Einfuhrumsatzsteuer,
verlagert der leistende Lieferant gemäß Art. 32 Abs. 2 MwStSystRL den Ort der Lieferung
ins Inland (Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz Kommentar, § 3 Rz. 3648).
Die Bf. beruft sich darauf, dass nach Art. 201 MwStSystRL bei der Einfuhr die Mehrwertsteuer
von der Person oder den Personen geschuldet wird, die der Mitgliedstaat der Einfuhr
als Steuerschuldner bestimmt oder anerkennt.
Die Niederlande hätten aber die Beschwerdeführerin aber nicht als Schuldnerin, der
Einfuhrumsatzsteuer bestimmt.
Dem ist zu entgegnen, dass weder Art. 33 Abs.2 MwStSystRL noch Art. 3 Abs. 3 UStG 1994 auf Art. 201 MwStSystRL verweisen.
Die Feststellung des Schuldners der Einfuhrumsatzsteuer aus der Sicht des Mitgliedstaates
der Einfuhr ist für deren Anwendung nicht erforderlich.
Ergänzend wird ausgeführt:
Nach dem rechtlichen Gehalt des Punktes 4.9 der AVB erfolgt die Lieferung für die
Empfänger de facto verzollt und versteuert, auch wenn dies nicht wörtlich zum Ausdruck kommt.
Danach ist es Sache des Lieferanten, die Anmeldung vorzunehmen oder vornehmen zu lassen.
Folglich ist auch unter diesem Gesichtspunkt die Anmeldung durch die TNT der Beschwerdeführerin
zuzurechnen.
Die Beschwerdeführerin als Organisatorin und wirtschaftlich allein Verantwortliche
gilt als Einführende der Waren.
Dass eine Transportkette dazwischengeschaltet wurde, ändert nichts an der Zurechnung
der Einfuhr zur Beschwerdeführerin, da die Ablauforganisation einzig von der Beschwerdeführerin
bestimmt wurde und nur von deren Interessen getragen ist.
Im Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin die Einfuhr aus dem Drittgebiet in die
Niederlande vorgenommen und die Waren weiter nach Österreich zu den Abnehmern versandt.
Danach liegt eine Versandhandelslieferung der Beschwerdeführerin an die Abnehmer gemäß
Art. 3 Abs. 3 UStG 1994 (Grundlage Art. 33 Abs. 2 MwStSystRL) nach Österreich vor.
Die im Art. 3 Abs. 5 Z 2 UStG 1994 normierte Lieferschwelle von 35.000 Euro wurde im Streitzeitraum überschritten.
In Österreich sind diese Versendungslieferungen folglich steuerbar und steuerpflichtig.
Der angefochtene Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer 03/2019 erging daher
zu Recht, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.
II) Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie
von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere
weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht,
eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Beschwerdefall liegt eine Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung ua. dahingehend
vor, ob eine als unwirksam erachtete Bevollmächtigung des Lieferers durch den Empfänger
dazu führt, dass dem Lieferer und nicht dem Empfänger die Einfuhr in den freien Verkehr
zuzurechnen ist. Eine höchstgerichtliche Rechtsprechung in Österreich liegt dazu nicht
vor, weshalb die Revision zulässig ist.
Graz, am 8. September 2021