Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis des BFG vom 01.10.2021, RV/7101104/2021

Keine ernsthaft betriebene Berufsausbildung, wenn in sämtlichen Gegenständen nicht beurteilt

Rechtssätze

Stammrechtssätze

RV/7101104/2021-RS1 Permalink
Wird ein Schüler eines Abendgymnasiums in sämtlichen Gegenständen eines Semesters nicht beurteilt, kann nicht von einer ernsthaft betriebenen Berufsausbildung ausgegangen werden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 7. September 2019 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 9. August 2019 betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum März 2017 bis Februar 2018 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im Zuge der Überprüfung des Anspruches aus Familienbeihilfe im März 2018 wurde die Beschwerdeführerin (Bf.) ersucht, einen Nachweis über abgelegte Prüfungen ihres Sohnes M, geb. ***1***, vorzulegen und die Frage gestellt, ob er im Juni 2018 die Matura ablegen werde.

Auf dem Überprüfungsschreiben wurde angegeben, dass der Sohn das Abendgymnasium für Berufstätige ***2*** besuche und zwar bis Ende des Schuljahres 2018/2019.

In einem weiteren Formular, persönlich bei der belangten Behörde abgegeben am 21.9.2018, gab sie an, dass ihr Sohn bis Ende des Schuljahres 2019 das Abendgymnasium besuchen werde. Die von der belangten Behörde erbetenen Nachweise betreffend abgelegter Prüfungen im Schuljahr 2016/2017 wurden nicht erbracht.

Weitere Ergänzungen der Bf. vom 15.5.2019 und vom 2.8.2019 enthalten Ausführungen, die sich auf den geplanten Maturaantritt von M im Jahr 2018 sowie die damit zusammenhängenden Probleme, insbesondere technischer Art, und daraus resultierende Verzögerungen, beziehen.

Mit Bescheid vom 9.8.2019 wurden die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge mit der Begründung zurückgefordert, dass die abverlangten Unterlagen nicht vorgelegt worden seien.

In der Beschwerde vom 7.9.2019 verwies die Bf. wiederum auf nicht in ihrem Einflussbereich gelegene technische Probleme bei der Erstellung der Zeugnisse. Die Schule werde bis zum Ende des Wintersemesters 2019/2020 fortgesetzt und mit der Matura abgeschlossen. Am Ende des Wintersemesters 2019/2020 werde ein Sammelzeugnis ausgestellt mit allen Unterrichtsgegenständen/Schulleistungen vom Wintersememser 2016/2017 bis zum Ende des Wintersemesters 2019/2020.

Mit Schreiben vom 21.9.2019 legte die Bf. ein Zeugnis für das Wintersemester 2016/2017 und eine Schulbesuchsbestätigung für das Wintersemester 2018/2019 vor.

E-Mails des Sohnes vom 30.7.2020 und vom 3.8.2020 an die belangte Behörde enthalten keine Angaben betreffend den Rückforderungszeitraum.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 12.11.2020 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und als Begründung folgendes ausgeführt:

"Ihr Sohn M hat seit dem Schuljahr 2016/17 die AHS für Berufstätige ***3*** besucht.

Laut Ihrer Information konnte die Berufsausbildung deshalb nicht nachgewiesen werden, da einige Dateidaten der Schule nicht abrufbar sind.

Die Beschwerde für den Zeitraum 03/2017-02/2018 musste abgewiesen werden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich der Vorlageantrag vom 25.11.2020.

In diesem bringt die Bf. vor, ihr Sohn habe bis zum Sommersemester 2020 die schulische Laufbahn am Abendgymnasium absolviert. Jedoch sei das Problem der fehlenden Dokumente nachwievor bestehend, wofür ihren Sohn jedoch keine Schuld treffe. Das Maturazeugnis habe wegen diverser Fehlermeldungen nicht ausgedruckt werden können. Gleiches gelte für ein Sammelzeugnis, das daran scheiterte, dass der Gegenstand Ökonomie vereinbarungswidrig nicht beurteilt worden sei. In der Folge habe die Mathematikmatura am 24.8.2020 wiederholt werden müssen. Weitere Verzögerungen betreffend einer Bestätigung über die abgelegte Matura wurden mit der "Covid 19 Lage" begründet.

Mit einem weiteren Ergänzungsersuchen der belangten Behörde vom 17.3.2021 wurde die Bf. neuerlich ersucht, die von M belegten Gegenstände mit Wochenstundenanzahl und Noten für den Zeitraum "03/2017 bis 02/2018" nachzuweisen.

Mit Schreiben vom 22.4.2021 gab die Bf. u.a. folgende Auskunft:

"Seit Oktober 2020 gibt es keinerlei Informationen und der Kontakt zum Techniker ist auch nicht mehr vorhanden. M hat versucht sich mit dem Techniker in Verbindung zu setzten, jedoch kam keine Resonanz. Mein Sohn war Anfang Februar 2021 bezüglich eines vereinbarten Termins im Abendgymnasium Wien vor Ort. Er wollte seinen Schülerausweis aktualisieren lassen, jedoch wurde der Ausweis als ungültig erklärt, mit der Begründung, dass er an der Schule nicht mehr angemeldet ist, geschweige denn im System existent ist. Er wurde mündlich informiert, dass das Ministerium die volle Verantwortung und Haftung für diese Situation übernimmt. Nach der Information hat mein Sohn sich mit dem Ministerium telefonisch in Verbindung gesetzt, er wurde das erste Mal weggedrückt, beim zweiten Mal hat mein Sohn die Dame am Apparat gefragt, ob er etwas falsch gemacht habe und die Dame hat ihm erwidert, dass Sie sich verdrückt habe. Die Dame hat beim Telefonat erwähnt, dass derzeitig keine Termine zu vereinbaren sind, dass kein Parteienverkehr möglich ist und dass erst ab Mai 2021 wieder jemand vor Ort wäre. Der Kontakt per e-mail kam auch nur mangelhaft, es sind Antworten wie zum Beispiel: "Wir sind uns Ihrer Lage bewusst, alle im Team arbeiten daran, wir verstehen Ihre Sorgen und Probleme aber bitte nerven Sie nicht." Die Covid -19 Situation ist leider auch weiterhin das Hauptproblem…."

Das Bundesfinanzgericht trat mit Schreiben vom 31.8.2021 in unmittelbaren Kontakt mit dem Schulleiter des vom Sohn der Bf. besuchten Abendgymnasiums und ersuchte um folgende Auskunft:

"Die Mutter von Herrn ***4*** gibt im Verfahren an, ihr Sohn habe u.a. auch im Sommersemester 2017 und im Wintersemester 2017/2018 das Abendgymnasium in***5*** besucht. Zeugnisse und eine Schulbesuchsbestätigung für diesen Zeitraum könnten jedoch aus technischen Problemen seitens der Schule nicht vorgelegt werden.

Sie werden daher ersucht dem Bundesfinanzgericht mitzuteilen, ob diese technischen Probleme nunmehr behoben sind und gegebenenfalls die Schulbesuchsbestätigungen bis zum 20.9.2021 an das Bundesfinanzgericht zu o.a. Geschäftszahl zu übermitteln."

Die Schule übermittelte für den fraglichen Zeitraum Schulbesuchsbestätigungen und Semesterzeugnisse.

Betreffend Sommersemester 2017:

Herr ***4*** M, geb. ***1***, ist an der Abend-AHS als ordentlicher Studierender angemeldet und hat im Sommersemester 2017 nachstehende Module inskribiert:

Deutsch 5 3 Wochenstunden

Englisch 4 3 Wochenstunden

Latein 3 3 Wochenstunden

Geografie und Wirtschaftskunde 2 4 Wochenstunden

Mathematik 4 3 Wochenstunden

Biologie und Umweltkunde 2 4 Wochenstunden

Das Sommersemester 2017 beginnt am 13. Februar 2017 und endet am 30. Juni 2017

Betreffend Wintersemester 2017/2018:

Herr ***4*** M, geb. ***1***, ist an der Abend-AHS als ordentlicher Studierender angemeldet und hat im Wintersemester 2017/18 nachstehende Module inskribiert:

Religion (römisch-katholisch) 7 1 Wochenstunde

Erste lebende Fremdsprache Englisch 5 3 Wochenstunden

Latein 4 3 Wochenstunden

Mathematik 5 3 Wochenstunden

Physik 2 3 Wochenstunden

Chemie 2 3 Wochenstunden

Psychologie und Philosophie 1 2 Wochenstunden

Das Wintersemester 2017/18 beginnt am 4. September 2017 und endet am 2. Februar 2018

Folgende Zeugnisse wurden für die betreffenden Zeiträume ausgestellt:

Sommersemester 2017:

Herr M ***4***, geb. am ***1***, hat im Sommersemester 2017 in der Schulform AHS für Berufstätige als ordentlicher Studierender nach dem Schulversuch AHS für Berufstätige neu

(achtsemestrig mit modularem Aufbau), bm:ukk, Zl. 29629/29-I/2b/03, folgende Leistungen erbracht:

Gegenstand Beurteilung

Religion -

Deutsch 5 (3 Wst.) nb

Englisch 4 (3 Wst.) nb

Latein 3 (3 Wst.) nb

Geografie und Wirtschaftskunde 2 (4 Wst.) nb

Mathematik 4 (3 Wst.) nb

Biologie und Umweltkunde 2 (4 Wst.) nb

Abkürzungen: Wst. = Wochenstunden; nb = nicht beurteilt; t = teilgenommen

Wintersemester 2017/2018

Herr M ***4***, geb. am ***1***, hat im Wintersemester 2017/18 in der Schulform AHS für Berufstätige als ordentlicher Studierender nach dem Schulversuch AHS für Berufstätige neu

(achtsemestrig mit modularem Aufbau), bm:ukk, Zl. 29629/29-I/2b/03, folgende Leistungen erbracht:

Gegenstand Beurteilung

Religion 7 (1 Wst.) nb

Erste lebende Fremdsprache Englisch 5 (3 Wst.) 3

Latein 4 (3 Wst.) nb

Mathematik 5 (3 Wst.) 3

Physik 2 (3 Wst.) nb

Chemie 2 (3 Wst.) nb

Psychologie und Philosophie 1 (2 Wst.) nb

Abkürzungen: Wst. = Wochenstunden; nb = nicht beurteilt; t = teilgenommen

Über Anfrage des Bundesfinanzgerichtes beim Schulleiter des Abendgymnasiums in welchen Fällen ein Schüler "nicht beurteilt" wird, gab dieser folgende Auskunft:

"Nicht beurteilt wird dann eingetragen, wenn keine Leistungsfeststellungen (Schularbeiten, Tests, mündliche Prüfungen, Mitarbeit im Unterricht, …) abgelegt wurden. Im allgemeinen korreliert das "Nicht beurteilt" mit wenig bis keiner Anwesenheit in der Schule."

Der Bf. wurden mit Schreiben des Bundesfinanzgerichtes vom 7.9.2021 die Schulbesuchsbestätigungen und Zeugnisse zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen.

Im Detail wurde folgendes ausgeführt:

…….

"Daraus ist zu ersehen, dass M im Sommersemester 2017 in sämtlichen inskribierten Gegenständen "nicht beurteilt" wurde und im Wintersemester 2017/2018 in fünf von sieben Gegenständen nicht beurteil wurde.

Damit eine Berufsausbildung i.S. des § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 vorliegt, die eine Anspruch auf den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für Kinder, die das 18. Lebensjahr (bei M war dies am XX.XX.2017 der Fall) vollendet haben, begründet, genügt es nicht, am Abendgymnasium bloß inskribiert zu sein. Vielmehr müsste sich aus den Umständen ergeben, dass M im Sommersemester 2017 und im Wintersemester 2017/2018 ernsthaft und zielstrebig das Abendgymnasium besucht hat und dies seine volle Zeit durch den Besuch von Lehrveranstaltungen, Absolvierung von Prüfungen, Prüfungsvorbereitung, Hausaufgaben etc. Anspruch nahm.

Da M im Sommersemester 2017 in sämtlichen Gegenständen und im Wintersemester 2017/2018 in der überwiegenden Anzahl der Gegenstände nicht beurteilt wurde (siehe Beilage), geht das Bundesfinanzgericht dzt. davon aus, dass dies auf eine zu geringe Anwesenheit im Unterricht zurückzuführen ist, sodass die Ausbildung in diesen beiden Semestern nicht ernsthaft betrieben worden sein kann.

Es wird Ihnen jedoch mit diesem Schreiben die Gelegenheit eingeräumt, bis zum 27.9.2021 zu jedem einzelnen Modul der betreffenden Semester (siehe Beilage) darzulegen, aus welchem Grund keine Beurteilung erfolgte und entsprechende Nachweise zu erbringen.

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die von Ihnen bisher geschilderten Umstände, insbesondere technischer Art, die nach Ihren Angaben zu gewissen Studienverzögerungen und Problemen beim geplanten Maturaantritt geführt haben, nicht erkennen lassen, inwiefern diese Auswirkung auf das Sommersemester 2017 und das Wintersemester 2017/2018 hatten und M daran gehindert haben sollen, die Ausbildung ernsthaft zu betreiben."

Mit Schreiben vom 28.9.2021 verwies die Bf. "auf den beiliegenden Zettel" sowie darauf, dass ihr die nötigen Unterlagen fehlen, "um den Fall zu ihren und ihres Sohnes Gunsten abzuschließen

Sie legte ein Schreiben des Abendgymnasiums, ausgestellt von der Studienkoordinatorin, mit folgendem Inhalt, vor:

"Hr. ***4*** M, geb. ***1***, war im Schuljahr 2017/18 am Abendgymnasium Wien angemeldet. Er hat im Schuljahr 2019/20 in folgenden Fächern vorgezogene Maturaprüfungen positiv abgelegt.

Deutsch schriftlich und mündlich, Englisch schriftlich und mündlich

 

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Sohn der Bf. war im Sommersemester 2017 und im Wintersemester 2017/2018 am Abendgymnasium für Berufstätige ***3*** angemeldet und hat diverse Gegenstände, wie in den Entscheidungsgründen dargestellt, inskribiert.

Im Sommersemester 2017 wurde er in sämtlichen inskribierten Gegenständen nicht beurteilt, im Wintersemester 2017/2018 wurden von insgesamt sieben inskribierten Gegenständen fünf nicht beurteilt und zwei positiv abgeschlossen.

Die Bf. wurde im Verfahren mehrmals, zuletzt auch vom Bundesfinanzgericht, aufgefordert, nachzuweisen, dass ihr Sohn in diesen beiden Semestern ernsthaft und zielstrebig studiert habe.

Dieser Nachweis wurde nicht erbracht: sämtliche von der Bf. getätigten Ausführungen und übermittelten Unterlagen betreffen entweder vor oder nach dem betreffenden Zeitraum liegende Tatsachen oder Umstände oder betreffend lediglich die Tatsache, dass ihr Sohn in den beiden Semestern am Abendgymnasium inskribiert war.

Beweiswürdigung

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt und durch ergänzende Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes beim Abendgymnasium für Berufstätige in Wien sowie ergänzende Ausführungen der Bf. im Beschwerdeverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit.b FLAG (Familienlastenausgleichsgesetz) 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Daraus ergibt sich eine objektive Erstattungspflicht zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe. Subjektive Momente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des VwGH für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (siehe z.B. VwGH 24.6.2009, 2007/15/0162).

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. …. . Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

Eine nähere Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung" (außerhalb der Sonderbestimmung dieses Tatbestandes betreffend Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl Nr. 305 genannte Einrichtung besuchen) enthält das Gesetz nicht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter diesen Begriff jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (VwGH vom 08.07.2009, 2009/15/0089 und VwGH vom 18.11.2008, 2007/15/0050). Es besteht kein Zweifel daran, dass bei der Absolvierung eines Abendgymnasiums mit dem Ziel der Ablegung der Matura grundsätzlich eine Berufsausbildung gegeben ist.

Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinne ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Es muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein, um von einer Berufsausbildung sprechen zu können. Dazu ist es auch erforderlich, die vorgesehenen Lehrveranstaltungen regelmäßig zu besuchen und zu den erforderlichen Prüfungen anzutreten. Jede Berufsausbildung weist ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang; die Ausbildung muss als Vorbereitung für die spätere konkrete Berufsausübung anzusehen sein und überdies die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen. (Vgl. VwGH vom 01.03.2007, 2006/15/0178, VwGH vom 16.03.2005, 2004/14/0114 und VwGH vom 18.12.1996, 94/15/0170).

Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert, ist eine Tatfrage, die die Behörde in freier Beweiswürdigung zu beantworten hat (VwGH 30.03.2017, Ra 2017/16/0030).

Nach der Meinung im Kommentar zum FLAG 1967 (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG 2. Auflage, § 2 Rz 39 f) liegt eine Berufsausbildung iSd FLAG - analog zum Besuch einer AHS und BHS - generell nur dann vor, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kurse und Vorbereitungszeit von mindestens 30 Stunden anfällt.

Auch das Bundesfinanzgericht nimmt in ständiger Rechtsprechung bei Schulen für Berufstätige einen erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von durchschnittlich 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben an, insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden, um von einer Berufsausbildung iSd FLAG 1967 zu sprechen (zB BFG 19.10.2017, RV/7102012/2016). Wenn bei einer 25 Wochenstunden umfassenden Schulausbildung die Hälfte der Unterrichtsgegenstände infolge Abwesenheit vom Unterricht nicht beurteilt wird, ist davon auszugehen, dass die Berufsausbildung nicht die überwiegende Zeit des Schülers in Anspruch genommen hat (BFG 10.08.2016, RV/7103718/2016).

Unzweifelhaft war der Sohn der Bf. im Rückforderungszeitraum März 2017 (Sommersemester 2017) bis Februar 2018 (Wintersemester 2017/2018) zwar am Abendgymnasium Wien angemeldet und hat diverse Module inskribiert, er wurde jedoch im Sommersemester 2017 in sämtlichen Modulen nicht beurteilt und im Wintersemester 2017/2018 in fünf von sieben Modulen nicht beurteilt.

Wird ein Schüler "nicht beurteilt" ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass er am Unterricht nicht in einem Ausmaß teilnahm, dass eine Benotung ermöglicht hätte. Dies kann in qualitativer Hinsicht- also etwa fehlende Prüfungsantritte, fehlende Mitarbeit….- oder in quantitativer Hinsicht-geringe bis keine Teilnahme am Unterricht-der Fall sein.

Es kann dahingestellt bleiben, aus welchem Grund im konkreten Fall eine Leistungsfeststellung nicht möglich war.

Das Bundesfinanzgericht geht auf Grund der vorliegenden Zeugnisse in freier Beweiswürdigung jedenfalls davon aus, dass der Sohn der Bf. in den Monaten März 2017 (dieser Monat fällt in das Sommersemester 2017) bis Februar 2018 (Ende des Wintersemester 2017/2018) seine Ausbildung am Abendgymnasium Wien nicht ernsthaft im Sinne der o.a. Rechtsprechung betrieben hat und die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge für diesen Zeitraum daher zu Recht zurückzufordern waren.

Die Bf. konnte trotz mehrfacher Aufforderung hingegen nicht nachweisen, dass sich ihr Sohn im Rückforderungszeitraum in Berufsausbildung befand.

Es war somit wie im Spruch zu entscheiden.

 

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Soweit es sich um Rechtsfragen handelt wurde von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen.

Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich.

 

 

Wien, am 1. Oktober 2021