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Auswirkungen der Erlassung eines vorläufigen Feststellungsbescheides ohne Vorliegen einer objektiven Ungewissheit auf den Beginn der Verjährungsfrist der abgeleiteten Abgabe
Rechtssätze
Stammrechtssätze
Zusatzinformationen
- betroffene Normen:
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache ***1***, vertreten durch ***2***, über die Beschwerde vom 2. Jänner 2018 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom 14. Dezember 2017 betreffend die gemäß § 295 Abs. 1 BAO erfolgte Abänderung der Einkommensteuer 2007 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Bf. hat im streitgegenständlichen Zeitraum neben der Erzielung anderer Einkünfte unter anderem als Kommanditistin an der ***3*** fungiert.
Am 28.4.2009 erging an vorgenanntes Unternehmen ein auf § 200 Abs. 1 BAO basierender vorläufiger Feststellungsbescheid für das Jahr 2007, wobei die Abgabenbehörde den Ausspruch der Vorläufigkeit mit einem noch nicht beendeten, - im Übrigen nicht näher bezeichneten Rechtsmittelverfahren - begründete. In der Folge erwuchs dieser Bescheid in Rechtskraft.
Auf Grund der vorläufigen Feststellungen wurde zunächst am 29.4.2009 der mit 30.3.2009 datierte Einkommensteuerbescheid 2007 gemäß § 295 Abs. 1 BAO abgeändert.
In der Folge erfuhr vorgenannter Einkommensteuerbescheid 2007 am 26.11.2009 eine Berichtigung gemäß § 293 b BAO, respektive mit 30.11.2010, mit 29.11.2011 sowie mit 13.7.2012 datierte Abänderungen gemäß § 295 Abs. 1 BAO.
Als Ergebnis einer Außenprüfung wurde am 13.6.2017 gegenüber der ***3*** das Verfahren betreffend die Feststellung von Einkünften 2007 wiederaufgenommen, bzw. im darauf basierenden Feststellungsbescheid 2007 der Anteil der Bf. in Höhe von 8.738,93 Euro in Ansatz gebracht. Hierbei gilt anzumerken, dass sowohl der die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Feststellung der Einkünfte 2007 verfügende Bescheid, als auch der auf diesem basierende Feststellungbescheid 2007 in Beschwerde gezogen wurde.
In der Folge wurde - unter Berücksichtigung obigen Anteils - am 14.12.2017 der mit 13.7.2012 datierte Einkommensteuerbescheid 2007 gemäß § 295 Abs. 1 BAO abgeändert.
Mit Eingabe vom 2.1.2018 wurde gegen diesen Bescheid Beschwerde erhoben und hierbei begründend ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der Norm des § 207 Abs. 2 BAO für das Veranlagungsjahr 2007 bereits am 31.12.2013 Verjährung eingetreten und ergo dessen der mit 14.12.2017 datierte Einkommensteuerbescheid 2007 ersatzlos aufzuheben sei.
Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 15.1.2018 abgewiesen, wobei die belangte Behörde wie folgt begründete:
"Der Feststellungsbescheid zu St. Nr. ***4*** für das Jahr 2007 vom 28.4.2009, der nunmehr aufgrund einer Betriebsprüfung berichtigt wurde, war ein vorläufiger Bescheid. Grund für die Vorläufigkeit war ein anhängiges Beschwerdeverfahren betreffend die Vorjahre, in dem u.a. die Frage strittig war, ob die Kommanditisten als Mitunternehmer anzusehen sind. Das Beschwerdeverfahren wurde mit Entscheidung des UFS vom 8.11.2012, RV/0775-K/07 erledigt. Die Vorläufigkeit des Feststellungsbescheides schlägt auf den davon abgeleiteten Abgabenbescheid durch und zwar auch dann, wenn dieser vorher endgültig erlassen wurde (vgl. VwGH 29.1.2015, 2012/15/0121). Nach Ansicht des Finanzamtes beginnt daher die fünfjährige Verjährungsfrist für den abgeleiteten Einkommensteuerbescheid 2007 mit 1.1.2013 zu laufen (vgl. § 208 Abs. 1 lit. d BAO), wobei die absolute Verjährung aufgrund der Vorläufigkeit 15 Jahre beträgt. Eine Bescheidberichtigung gemäß § 295 BAO konnte daher im Jahre 2017 noch durchgeführt werden. Ihre Beschwerde musste daher als unbegründet abgewiesen werden."
In dem mit 24.1.2018 datierten- die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat begehrenden - Vorlageantrag führte die steuerliche Vertretung unter grundsätzlicher Bezugnahme auf das bisherige Beschwerdevorbringen ergänzend aus, dass in Anbetracht der Tatsache, dass im Zuge einer Außenprüfung das Verfahren betreffend den Feststellungsbescheid 2007 wiederaufgenommen worden sei, in realiter überhaupt kein vorläufiger, mit 28.4.2009 datierter Feststellungsbescheid 2007 vorgelegen sei, widrigenfalls sich die auf § 303 Abs. 1 BAO fußende Gestion der Abgabenbehörde erübrigt hätte. In Ansehung vorstehender Ausführungen komme auch ein "Durchschlagen" auf den Einkommensteuerbescheid 2007 nicht in Betracht.
Mit Erkenntnis des BFG vom 31.8.2021, RV/4100499/2020 wurde der die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügende Bescheid betreffend Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für das Jahr 2007 aufgehoben. Hierbei wurde begründend ausgeführt, dass der Erlassung des vorläufigen, mit 28.4.2009 datierten Feststellungsbescheid 2007 nach der Aktenlage objektiv keine Ungewissheit zugrunde gelegen sei und ergo dessen in Entsprechung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.5.2010, 2008/15/0328, betreffend die Gesellschafter der ***3*** die Festsetzungsverjährung der Einkommensteuern 2007 mit Ablauf des Jahres der Bescheiderlassung, sprich sohin mit Ablauf des Jahre 2009 in Gang gesetzt worden, respektive diese unter Berücksichtigung von Verlängerungshandlungen spätestens mit 31.12.2015 eingetreten sei. Ergo dessen habe sich - mangels Auswirkungen auf die Einkommensteuerpflicht des Jahres 2007 - die am 23.6.2017 erfolgte Verfügung der Wiederaufnahme des Feststellungsverfahrens 2007 unter dem Blickwinkel des § 20 BAO als nicht zweckmäßig erwiesen.
Mit Telefax vom 29.9.2021 hat die steuerliche Vertretung der Bf. den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Entscheidung durch den gesamten Senat zurückgenommen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
1. Streitgegenstand
Vor dem Hintergrund des an oberer Stelle angeführten Verwaltungsgeschehens steht in Streit ob die am 14.12.2017 auf § 295 Abs. 1 BAO fußende Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2007 unter Beachtung der (Festsetzung)Verjährungsvorschriften vorgenannter Abgabe erfolgt ist.
2. Rechtliche Würdigung
2.1. Rechtsvorschriften
Nach der Bestimmung des § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist betreffend die Festsetzung der Einkommensteuer fünf Jahre, wobei § 208 Abs. 1 lit. a BAO den Beginn der Verjährung mit Ablauf des Jahres in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, determiniert.
Abweichend von diesem Grundsatz normiert die lit. d leg. cit., dass die Verjährung in den Fällen des § 200 mit dem Ablauf des Jahres beginnt, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde.
2.2. Rechtliche Beurteilung
2.2.1. Durchschlagswirkung des vorläufigen Feststellungsbescheides 2007 vom 28.4.2009 auf das Einkommensteuerverfahren 2007
Mit obiger Thematik hat sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21.10.2020, Ra 2019/15/0153 auseinandergesetzt und in der Rz 26 der Entscheidungsgründe nachstehendes ausgeführt:
"Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, stellt sich das Verfahren nach § 188 BAO als Bündelung eines Ausschnittes der Einkommensteuerverfahren aller Beteiligten dar. Vorläufige Bescheide werden erlassen, um einen dem Grunde nach wahrscheinlich entstandenen Abgabenanspruch in jenen Fällen realisieren zu können, in denen der eindeutigen und zweifelsfreien Klärung der Abgabepflicht oder der Höhe der Abgabenschuld nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens vorübergehende Hindernisse entgegenstehen. Soweit im Rahmen eines Feststellungsverfahrens gemäß § 188 BAO die Höhe des einheitlichen Gewinnes bzw. Überschusses aufgrund vorübergehender Hindernisse nicht ermittelt werden kann, steht der Anteil am Gewinn bzw. Überschuss der einzelnen Beteiligten nicht fest. Diese Ungewissheit kommt durch die Erlassung eines vorläufigen Feststellungsbescheides zum Ausdruck und erfasst insoweit auch den abgeleiteten Einkommensteuerbescheid. Folglich liegt hinsichtlich dieser Ungewissheit auch dann ein Anwendungsfall des § 208 Abs. 1 lit. d BAO vor, wenn ein Feststellungsbescheid gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig ergangen ist und der davon abgeleitete Bescheid - im Hinblick auf § 295 BAO - endgültig erlassen wurde (vgl. VwGH 29.1.2015, 2012/15/0121).
27 Wurde ein vorläufiger Abgabenbescheid erlassen, obwohl keine Ungewissheit iSd § 200 Abs. 1 BAO bestanden hat, und erwächst ein derartiger Bescheid in Rechtskraft, so ist nach der hg. Rechtsprechung in der Folge auch für die Frage, mit welchem Zeitpunkt die Verjährung beginnt, von der Ungewissheit iSd § 200 Abs. 1 BAO bei Bescheiderlassung auszugehen. Dies hat zur Folge, dass der Verjährungsbeginn nach der Regelung des § 208 Abs. 1 lit. d BAO bestimmt wird und keinesfalls vor dem Zeitpunkt der Erlassung des vorläufigen Abgabenbescheids liegen kann.
Aus obiger höchstgerichtlicher Attestierung des Vorliegens eines Anwendungsfalles des § 208 Abs. 1 lit. d BAO sowie der weiteren Ausführungen unter der Rz 27 verbleibt gleichsam als Zwischenergebnis festzuhalten, dass entgegen der Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz die Verjährungsfrist für die Einkommensteuer 2007 nicht mit Ablauf des Jahres des Entstehens des Abgabenanspruches begonnen hat, respektive diese unter - Berücksichtigung von Verlängerungshandlungen - am 31.12.2013 geendet hat.
2.2.2. Folgen der Erlassung eines vorläufigen Feststellungbescheides ohne Vorliegen einer Ungewissheit für den Beginn der Verjährung der davon abgeleiteten Abgaben
In den Entscheidungsgründen des Erkenntnis vom 21.10.2020, Ra 2019/15/0153 hat der Verwaltungsgerichtshof zu obiger Thematik nachstehendes ausgeführt:
27 Entscheidend für den - nach der Regelung des § 208 Abs. 1 lit. d BAO zu bestimmenden - Beginn der Verjährung ist daher, ob zum Zeitpunkt der Erlassung der in Rede stehenden vorläufigen Bescheide - objektiv gesehen - eine Ungewissheit bestanden hat und wann diese Ungewissheit weggefallen ist. Hat tatsächlich keine Ungewissheit bestanden, beginnt die Verjährung mit Ablauf des Jahres der Erlassung des vorläufigen Bescheids (vgl. VwGH 27. 2. 2014, 2010/15/0073, mwN).
28 Zwar unterliegt die Erlassung von Feststellungsbescheiden selbst grundsätzlich nicht der Festsetzungsverjährung des § 207 Abs. 1 BAO (vgl. etwa VwGH 22.5.2013, 2009/13/0088), sodass § 207 BAO keine Grenze für deren Erlass bietet.
29 Allerdings ist für den Beginn und damit den Lauf der Verjährungsfrist für das Einkommensteuerverfahren 2007 die oben beschriebene Durchschlagswirkung einer vorläufigen Feststellung durch § 208 Abs. 1 lit. d BAO zeitlich befristet, wonach die Verjährung mit dem Ablauf des Jahres beginnt, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde.
30 Hat tatsächlich keine Ungewissheit bestanden, beginnt die fünfjährige Festsetzungsverjährung für die Einkommensteuer 2007 mit Ablauf des Jahres der Erlassung des vorläufigen Feststellungsbescheids betreffend die Beteiligung S- bzw. U-KG, also in beiden Fällen mit Ablauf des Jahres 2009, und würde - ohne Berücksichtigung von allfälligen Verlängerungshandlungen - mit Ablauf 2014 und sohin deutlich vor dem Ende der absoluten Verjährung im Jahr 2022 enden."
Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeuten vorstehende Ausführungen in Kongruenz mit der im Erkenntnis des BFG vom 31.8.2021, RV/4100499/2020 getroffenen Conclusio, wonach der Begründung des mit 28.4.2009 datierten vorläufigen Feststellungsbescheides 2007 weder das Vorliegen einer Ungewissheit der Abgabepflicht, noch eine solche betreffend den Umfang derselben entnommen werden konnte, dass die Verjährungsfrist für die Einkommensteuer 2007 mit Ablauf des Jahres 2009 in Gang gesetzt wurde, respektive diese ob - innerhalb der Verjährungsfrist erfolgter, im Verwaltungsgeschehen explizit dargestellter, als Amtshandlungen im Sinne des § 209 Abs. 1 erster Satz BAO zu qualifizierender Abänderungen gemäß § 295 Abs. 1 BAO - am 31.12.2015 endete.
Demzufolge stand - in Ermangelung des Vorliegens weiterer, zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist führender Amtshandlungen - der seitens der belangten Behörde am 14.12.2017 gemäß § 295 Abs. 1 BAO erfolgten Abänderung des mit 13.7.2012 datierten Einkommensteuerbescheides 2007 das Rechtsinstitut der Verjährung entgegen.
Es war daher wie im Spruch zu befinden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage liegt nicht vor, da das Verwaltungsgericht im Erkenntnis der zur Thematik - "Wechselwirkung" der Erlassung vorläufiger Feststellungsbescheide ohne Vorliegen einer objektiven Ungewissheit und Beginn der Verjährungsfrist der davon abgeleiteten Abgaben - entwickelten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt.
Wien, am 6. Oktober 2021