Richtlinie des BMF vom 02.01.2006, BMF-010203/0662-VI/6/2005 gültig von 02.01.2006 bis 04.06.2013

EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000

Beachte
  • Die Spezialbestimmung des § 2 Abs. 2a EStG 1988 ist - soweit sie auf Beteiligungen abzielt - ab der Veranlagung 2000 (§ 124b Z 39 EStG 1988) unabhängig vom Zeitpunkt des Erwerbes bzw. Eingehens der Beteiligung anzuwenden.
  • 2 Einkommen (§ 2 EStG 1988)
  • 2.6 Verlustausgleich und Verlustausgleichsverbote
  • 2.6.2 Allgemeine Verlustausgleichsverbote

2.6.2.4 Im Vordergrund-Stehen des Erzielens steuerlicher Vorteile bei Beteiligungen

2.6.2.4.1 Grundsätzliches
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Die Spezialbestimmung des § 2 Abs. 2a EStG 1988 ist - soweit sie auf Beteiligungen abzielt - ab der Veranlagung 2000 (§ 124b Z 39 EStG 1988) unabhängig vom Zeitpunkt des Erwerbes bzw. Eingehens der Beteiligung anzuwenden. Sie hat bei der Einkommensteuer, und zwar bei allen Einkunftsarten und alle dem EStG 1988 unterliegenden Rechtsformen (Personengesellschaften aller Art, Miteigentumsgemeinschaften, Risikogemeinschaften im Bereich von Versicherungen) Bedeutung. Zur Anwendung im Rahmen des KStG 1988 siehe KStR 2001 Rz 299.

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Verluste aus Beteiligungen an Gesellschaften oder Gemeinschaften sind nicht mehr ausgleichsfähig, wenn der Steuervorteil aus der Beteiligung dominiert. Dies ist iSd § 2 Abs. 2a EStG 1988 insbesondere dann der Fall, wenn Beteiligungsmodelle mit Steuervorteilen aus Verlustzuweisungen beworben werden oder wenn bei einer allgemein angebotenen Beteiligung die Rendite nach Steuern (das ist jene unter Berücksichtigung des Renditevorteils aus einem Verlustausgleich) die Rendite vor Steuern (das ist jene ohne Berücksichtigung des Renditevorteils aus einem Verlustausgleich) um mehr als das Doppelte übersteigt. Die Haftung des Kapitalgebers, ob beschränkt oder unbeschränkt, ist für die Anwendung des § 2 Abs. 2a EStG 1988 ebenso unbeachtlich wie ein Abstellen auf das Ausmaß des zur Verfügung gestellten Kapitals (zB geleistete Einlage).

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Von einem im Vordergrund stehenden steuerlichen Vorteil ist jedenfalls dann auszugehen, wenn das Eingehen der Beteiligung ab 1. Jänner 2000 mit Steuervorteilen aus einem zu erwartenden Beteiligungsverlust beworben wird. Der lediglich aus zivilrechtlichen Gründen zur Abwendung eines Haftungsrisikos ("Prospekthaftung") allgemein gegebene Hinweis auf die Möglichkeit von Beteiligungsverlusten stellt keine Bewerbung von Steuervorteilen dar. Dieser Hinweis darf nicht über jenes Ausmaß hinausgehen, das zur Abwendung des zivilrechtlichen Haftungsrisikos angebracht ist. Steht danach der steuerliche Vorteil aus der Beteiligung im Vordergrund, sind weitere Überprüfungen des allgemeinen Angebotes der Beteiligung sowie des Verhältnisses von "Rendite vor Steuern" und "Rendite nach Steuern" nicht mehr anzustellen (siehe Rz 175 ff). Es liegt dann jedenfalls eine Beteiligung vor, die unter den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2a EStG 1988 fällt.

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Wird die Beteiligung nicht mit steuerlichen Vorteilen beworben, steht der steuerliche Vorteil dann nicht im Vordergrund, wenn es sich um eine Beteiligung mit einem hohen außersteuerlichen Risiko handelt. In derartigen Fällen überlagert das hohe außersteuerliche Risiko den steuerlichen Vorteil. Ein hohes außersteuerliches Risiko ist anzunehmen, wenn die Beteiligung sämtliche der folgenden Merkmale aufweist:

  • Das Beteiligungsunternehmen ist nach seinem Unternehmensschwerpunkt in einer besonders risikoreichen Branche (Wachstumstechnologie, Hochtechnologie, Forschung und Entwicklung) tätig.
  • Die Zuweisung von Verlusten und Gewinnen orientiert sich ausschließlich am Ausmaß der Beteiligung und ist betraglich nicht limitiert.
  • Der für den Fall des Ausscheidens des Gesellschafters vorgesehene Abschichtungserlös ist betraglich weder nach oben noch nach unten begrenzt und bestimmt sich ausschließlich nach dem Anteil am Unternehmenswert.
  • Es gibt keine Vereinbarungen, die auf eine von vornherein beabsichtigte zeitliche Begrenzung der Beteiligung schließen lassen.
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Sollte eine Beteiligung nicht nach den letzten zwei Absätzen eingestuft werden können, ist eine weitere Überprüfung iSd "Insbesondere-Voraussetzungen" des § 2 Abs. 2a EStG 1988 anzustellen. Die gesetzlich vorgegebenen Auslegungsmerkmale des Erwerbes oder Eingehens der Beteiligung auf der Grundlage eines allgemeinen Angebots sowie des Vergleichs zwischen "Rendite vor Steuern" und "Rendite nach Steuern" müssen beide gemeinsam, also kumulativ vorliegen.

2.6.2.4.2 Allgemeines Angebot
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Ein allgemeines Angebot liegt dann vor, wenn es für derartige Beteiligungen typischerweise einen allgemeinen Anlegermarkt gibt. Das Ausmaß des angesprochenen Personenkreises ist nicht von Bedeutung. Eine allgemein angebotene Beteiligung dieser Art ist daher beispielsweise auch dann gegeben, wenn sie nur den "guten Kunden" eines Kreditinstituts oder bestimmten qualifizierten Mitarbeitern eines Kreditinstituts angeboten werden. Ein öffentliches Angebot iSd allgemeinen Bewerbung durch Prospekte, in Medien oder durch Aushang in Form von Werbeplakaten oder in einem Kreditinstitut ist nicht erforderlich.

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Kein allgemeines Angebot liegt vor, wenn es auf einen bestimmten Personenkreis ausgerichtet ist und andere beachtliche Motive als bloß jenes einer Kapitalbeteiligung gegeben sind. Dies ist allgemein anzunehmen, wenn das Kapitalengagement über eine bloß kapitalistische Beteiligung hinausgeht. Weiters spricht eine Kapitalbeteiligung im Kreis naher Angehöriger sowie im Kreise von Geschäftspartnern (zB Beteiligung aus Sanierungsgründen zur Sicherung von Absatzchancen) gegen ein allgemeines Angebot.

2.6.2.4.3 Renditevergleich
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Der in § 2 Abs. 2a EStG 1988 vorgesehene Renditevergleich ist auf der Grundlage des allgemein angebotenen Gesamtkonzeptes der Beteiligung anzustellen. Die konkreten Verhältnisse der einzelnen Gesellschafter sind daher nicht von Bedeutung.

Beim Renditevergleich ist auf die "erreichbaren" Renditen abzustellen. Es sind darunter jene Renditen zu verstehen, die abstrakt bei Eintritt bestmöglicher Steuereffekte und unter optimaler Ausnutzung der steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten erzielt werden können. Dies bedeutet:

  • Die generelle Annahme eines Grenzsteuersatzes von 50%, also unabhängig vom konkreten Grenzsteuersatz des einzelnen Anlegers.
  • Die Annahme der bestmöglichen Nutzung von Steuervorteilen bei Besteuerung des Abschichtungsgewinnes. Das ist idR die "Dreijahresverteilung" nach § 37 Abs. 2 EStG 1988. Unbeachtet bleibt der halbe Steuersatz nach § 37 Abs. 5 EStG 1988, weil dieser von konkreten persönlichen Verhältnissen des Gesellschafters abhängig ist.
  • Die Annahme der Beteiligungsfinanzierung aus Eigenmitteln, es sei denn, die Gesamtkonzeption beinhaltet eine Fremdfinanzierung als allgemeines Konzeptionselement.
  • Die Annahme des Abschichtungserlöses im Falle einer "Erlösbandbreite" im Ausmaß des höchstmöglichen Abschichtungsbetrages. Ist keine Erlösbandbreite vereinbart, ist auf den wahrscheinlichen Abschichtungserlös im Sinne einer Wertentwicklungsprognose abzustellen.
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Der Renditevergleich ist für den voraussichtlichen Zeitraum des Bestehens der Beteiligung anzustellen (vgl. dazu auch Tz 21.4.1. LRL 1997). Es ist dabei auch das zu erwartende Verhalten des Kapitalnehmers in Bezug auf eine Kündigung der Beteiligung zu berücksichtigen. Ist eine Kündigung innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zu erwarten, ist die Renditeberechnung für diesen Zeitraum aufzustellen.

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Kann eine Kündigung innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nicht abgesehen werden oder ist die Beteiligung nach ihrer Gesamtkonzeption als dauerhafte Kapitalveranlagung (zB Beteiligungen an Immobilienprojekten "zur Altersvorsorge") einzustufen, wird auf den voraussichtlichen Zeitraum der "Nutzbarkeit" der Beteiligung abgestellt. Liegen keine besonderen Kriterien vor, die einen anderweitigen Schluss zulassen, ist dies die Nutzungsdauer der hinter der Beteiligung stehenden Vermögenssubstanz. Dies gilt auch dann, wenn bei einer Beteiligung an einer Immobilie nach einer bestimmten Zeit (zB 25 Jahren) die Möglichkeit besteht, Wohnungseigentum zu begründen.

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Die mathematische Berechnung der Rendite ist auf der Grundlage der Zahlungsströme vorzunehmen. Als Zinssatz ist nicht der unternehmensinterne Zinssatz, sondern ein modifizierter Zinssatz (marktüblicher Anlegerzinssatz) unter Abzug der bei derartigen Zinsen anfallenden Kapitalertragsteuer heranzuziehen. Es ist bei den gegebenen Marktverhältnissen von einem Zinssatz von 3,5% (abzüglich 25% Kapitalertragsteuer) auszugehen.

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In den Renditevergleich ist nur die Einkommensteuer einzubeziehen; andere Steuern wie die Umsatzsteuer oder die Grunderwerbsteuer bleiben hingegen unberücksichtigt.

2.6.2.4.4 Vergleich "Rendite vor Steuern" zu "Rendite nach Steuern"
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Der Renditevergleich ist zwischen der "Rendite vor Steuern" und der "Rendite nach Steuern" anzustellen. Beträgt die "Rendite nach Steuern" mehr als das Doppelte der "Rendite vor Steuern", fällt die Beteiligung - bei Vorliegen eines allgemeinen Angebots - in den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2a EStG 1988 (Beispiel: Als Rendite vor Steuern ergeben sich 2%, als Rendite nach Steuern 5%). Ist die Fremdfinanzierung der Kapitalanlage als allgemeines Konzeptionselement miteinzubeziehen, umfasst der dem Renditevergleich zugrundezulegende Kapitaleinsatz das Eigenkapital zuzüglich das zum modifizierten Zinssatz (3,5%) abgezinste Fremdkapital.

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Die "Rendite vor Steuern" ist die unter gedachter Anwendung des § 2 Abs. 2a EStG 1988 errechnete Rendite. Diese Rendite ergibt sich daher aus der Differenz zwischen hingegebenem Kapital (einschließlich als steuerliches Kapital zu wertenden Gesellschafterdarlehen) ohne steuerlichen Effekt des Verlustausgleichs einerseits und den steuerpflichtigen Gewinnanteilen (Überschussanteilen) und einem steuerpflichtigen Abschichtungserlös andererseits. Die (gedachte) Einkommensteuer ist von den Gewinnanteilen (Überschussanteilen) und dem Abschichtungsgewinn - jeweils nach Abzug eines Wartetastenverlustes abzuziehen.

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Die "Rendite nach Steuern" ist die ohne Anwendung des § 2 Abs. 2a EStG 1988 errechnete Rendite. Es ist daher von einem gedachten Verlustausgleich auszugehen. Zur "Rendite vor Steuern" tritt die Rendite aus gedachten Kapitalerträgen einer Kapitalveranlagung der aus dem Verlustausgleich resultierenden Einkommensteuergutschrift. Es ist dabei von einer Gutschrift im Ausmaß von 50% der zugewiesenen Verluste auszugehen.

Beispiel:

Kapitaleinsatz von 100.000 S als Kommanditist, Verlustzuweisung 200%, Abschichtung zwischen 90% und 113% nach 8 Jahren, modifizierter Zinssatz nach KESt 3,5%. Aus Vereinfachungsgründen werden keine Zwischengewinne angenommen.

"Vor-Steuer-Rendite" (= bei Anwendung des § 2 Abs. 2a EStG 1988):Einzahlung einer Einlage von 100.000 S im Jahr 1; Verlustausgleich für 200.000 S; Verlustzuweisung ist bei Anwendung des § 2 Abs. 2a EStG 1988 nicht zulässig; daher keine steuerlichen Auswirkungen in den Jahren 1 bis 8. Im Jahr 8 wird mit 113.000 S abgeschichtet. Der Veräußerungsgewinn beträgt 213.000 S, davon wird ein Wartetastenverlust von 200.000 S abgezogen, sodass 13.000 S steuerpflichtig bleiben. Zur Renditeermittlung macht die darauf entfallende Steuer bei einem 50-prozentigen Spitzensteuersatz 6.500 S aus, was auf drei Jahre verteilt - und auf diesen Zeitraum mit 3,5% abgezinst - wie folgt abzuziehen und zu berechnen ist:

Kapitaleinsatz

Abschichtungserlös

abzügl. Barwert Steuerdrittel Jahr 1 (6.500 : 3 : 1,0350)

abzügl. Barwert Steuerdrittel Jahr 2 (6.500 : 3 : 1,0351)

abzügl. Barwert Steuerdrittel Jahr 3 (6.500 : 3 : 1,0352)

-100.000 S

113.000 S

-2.167 S

-2.094 S

-2.022 S

Rendite absolut

Rendite in Prozent (nach Formel, Ende 8. Jahr, siehe unten)

6.717 S

0,8159%

Nach-Steuer-Rendite" (= ohne Anwendung des § 2 Abs. 2a EStG 1988):

Einzahlung einer Einlage von 100.000 S im Jahr 1; Verlustzuweisung 200.000 S; daraus resultiert eine Einkommensteuerersparnis von 100.000 S. Diese Einkommensteuerersparnis wird nunmehr mit einem Zinssatz von 3,5% (ab dem Jahr 2) verzinst. Dies ergibt im Jahr 8 ein Gesamtkapital von 127.228 S (= 100.000 x 1,0357). Im Jahr 8 wird mit 113.000 S abgeschichtet. Der Veräußerungsgewinn beträgt 213.000 S und wird - mangels Wartetastenverlustes - voll versteuert. Bei einem 50-prozentigen Spitzensteuersatz fallen 106.500 S an Steuer an, die auf drei Jahre verteilt (und mit 3,5% abgezinst) werden.

Kapitaleinsatz

aufgezinste Einkommensteuerersparnis (100.000 x 1,0357)

Abschichtungserlös

abzügl. Barwert Steuerdrittel Jahr 1 (106.500 : 3 : 1,0350)

abzügl. Barwert Steuerdrittel Jahr 2 (106.500 : 3 : 1,0351

abzügl. Barwert Steuerdrittel Jahr 3 (106.500 : 3 : 1,0352)

-100.000 S

127.228 S

113.000 S

-35.500 S

-34.300 S

-33.140 S

Rendite absolut (inkl. Steuerersparnis)

Rendite in Prozent (nach Formel, Ende 8. Jahr, siehe unten)

37.288 S

4,0409%

In diesem Beispiel ergibt sich eine Nachsteuerrendite von mehr als dem Doppelten der Vorsteuerrendite, sodass § 2 Abs. 2a EStG 1988 anzuwenden ist. Die Rendite ermittelt sich nach folgender finanzmathematischer Formel:

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Formel in Worten: Rendite in Prozent ist gleich (Klammer auf) achte Wurzel aus (Klammer auf) eins plus Quotient aus Rendite durch Kapitaleinsatz (Klammer zu) minus eins (Klammer zu) mal Hundert.