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Aufrechnung einer Insolvenzgutschrift mit Insolvenzforderungen auch nach rechtskräftiger Bestätigung des Schuldenregulierungsverfahrens
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Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/15/0015. Mit Erk. v. 29.06.2022 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/2100557/2022 erledigt.
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Stammrechtssätze
Es ist weder der Ablauf des Wirtschaftsjahres noch der Zeitpunkt der Geltendmachung oder Verbuchung auf dem Abgabenkonto maßgeblich, sondern lediglich der Zeitpunkt (Zeitraum) der Verwirklichung des Sachverhaltes.
Insolvenzgutschriften sind mit Insolvenzforderung zu verrechnen (aufzurechnen), Massegutschriften mit Masseforderungen oder allenfalls zurückzuzahlen.
Dass der Abgabengläubiger keine Erkundungen eingezogen hat, ob der Schuldner etwaige Gegenforderungen haben könnte, kann diesem nicht zur Last gelegt werden.
Eine Aufrechnung der Insolvenzforderungen des Abgabengläubigers mit der geltend gemachten Forschungsprämie ist daher gemäß § 156 Abs. 4 IO zulässig.
Zusatzinformationen
- betroffene Normen:
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin über die Beschwerde des Rechtsanwaltes , Adresse1, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Schuldnerin, Adresse2, vom 20.09.2019 gegen den Bescheid des Finanzamtes vom 30.08.2018 betreffend Rückzahlung gemäß § 239 BAO und Abrechnung gemäß § 216 BAO zu Recht erkannt:
I)
a)
Es wird festgestellt, dass die Gutschrift aus der Zuerkennung der Forschungsprämie 2017 in Höhe von 1.028.757,72 Euro im Sanierungsverfahren xxS/xx17x vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Ort in Höhe von 857.298,10 Euro eine Insolvenzgutschrift darstellt und zu Recht mit der im Sanierungsverfahren angemeldeten Umsatzsteuervorauszahlung Oktober 2010 verrechnet wurde.
b)
Es wird festgestellt, dass die restliche Gutschrift aus der Forschungsprämie 2017 in Höhe von 171.459,62 Euro im Sanierungsverfahren xxS/xx17x vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Ort eine Massegutschrift darstellt. Die Verrechnung dieses Betrages mit der Umsatzsteuervorauszahlung Oktober 2010 erweist sich als rechtswidrig.
II)
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Am tt.mm.2017 wurde über die Schuldnerin, (in der Folge Schuldnerin genannt) ein Sanierungsverfahren
ohne Eigenverwaltung eröffnet.
Durch rechtskräftige Sanierungsplanbestätigung wurde das Sanierungsverfahren am tt/mm/2018
aufgehoben.
Mit Eingabe vom 06.08.2018 beantragte die Schuldnerin die Zuerkennung einer Forschungsprämie
2017 in Höhe von 1.028.757,72 Euro.
Die Gutschrift der Forschungsprämie erfolgte antragsgemäß am 23.08.2018 auf dem Abgabenkonto der Schuldnerin. Vor der Gutschrift der Forschungsprämie befand
sich auf dem Abgabenkonto der Schuldnerin ein Guthaben in Höhe von 64,60 Euro, nach
Verbuchung der Forschungsprämie ein Gesamtguthaben in Höhe von 1.028.822,32 Euro.
Mit Eingabe vom 24.08.2018 beantragte die Schuldnerin die Rückzahlung des Gesamtguthabens
in Höhe von 1.028.822,32 Euro (Forschungsprämie plus 64,60 Euro) gemäß § 239 BAO.
Mit Buchung vom 30.08.2018 nahm das Finanzamt eine Wiederaufnahme der Einbringung
der Umsatzsteuer 10/2017 in Höhe von 1.028.757,72 Euro auf dem Abgabenkonto der Schuldnerin
vor und rechnete diese Umsatzsteuerschuld mit der Gutschrift aus der Forschungsprämie
2017 auf.
Nach der Aufrechnung verblieb wiederum das Guthaben in Höhe von 64,60 Euro auf dem
Abgabenkonto der Schuldnerin.
Diesen Betrag zahlte das Finanzamt auf Grund des Rückzahlungsantrages vom 24.08.2018
gemäß § 239 BAO an die Schuldnerin am 30.08.2018 zurück, die beantragte Rückzahlung des Mehrbetrages in Höhe von 1.028.757,72 Euro
wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30.08.2018 abgewiesen.
Das Finanzamt führte dazu begründend aus, dass die Gutschrift aus der Forschungsprämie 2017 nach den Bestimmungen der BAO
und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit angemeldeten Konkursforderungen
aufzurechnen sei. Eine Neuberechnung der Quote erfolge gesondert.
Die Schuldnerin brachte in der Folge mit Eingabe vom 04.09.2018 Beschwerde gegen den Bescheid vom 30.08.2018 ein. Sie bekämpfte darin die Aufrechnung der Konkursforderung Umsatzsteuer 10/2017
mit der Forschungsprämie 2017.
Im Hinblick auf das im verstärkten Senat ergangene Urteil des OGH 6 Ob 179/14p sei die vom Finanzamt vorgenommene Aufrechnung mit Konkursforderungen nicht zulässig.
Laut OGH sei der Schuldner gemäß § 156 Abs. 1 IO nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplanes von den Verbindlichkeiten befreit,
seinen Gläubigern jenen Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen oder für
eine sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen.
Trotz allenfalls bestehender Aufrechnungslage seien Konkursforderungen von den Wirkungen
des Sanierungsplanes erfasst. Laut OGH sei es im Hinblick auf den ausgeprägten Sanierungscharakter
des Österreichischen Insolvenzverfahrens unbillig, wenn die Erfüllung des Sanierungsplanes
durch später abgegebene Aufrechnungserklärungen noch vereitelt würde.
Die in Betracht kommenden Bestimmungen §§ 19 und 20 sowie § 149 Abs. 1 IO böten keine entsprechende Aufrechnungsmöglichkeit, sodass nach rechtskräftiger Bestätigung
des Sanierungsplanes und Aufhebung des Insolvenzverfahrens regelmäßig nur mehr mit
der Sanierungsquote aufzurechnen sei.
Die erste Tranche der Sanierungsquote betrage im Beschwerdefall 10%.
Diese Quote habe die Schuldnerin erfüllt, sodass derzeit kein weiterer fälliger Anspruch
der Abgabenbehörde bestehe.
Es werde daher beantragt, das aus der Forschungsprämie entstandene Guthaben in Höhe
von 1.028.757,72 Euro zur Gänze zurückzuzahlen.
Im Sanierungsverfahren der Bf. sei die Forschungsprämie in die Unternehmensplanung
eingebunden worden. Es liege somit gerade jener Sachverhalt vor, den der OGH aus Anlass
der oa. Entscheidung im Auge hatte, nämlich, dass durch den rechtskräftig bestätigten
Sanierungsplan Rechtssicherheit für die weitere Entwicklung des Unternehmens geschaffen
werde.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 18.12.2018 wurde die Beschwerde abgewiesen.
Das Finanzamt führt dazu aus, dass die vor Insolvenzeröffnung entstandene Abgabenforderungen
und Abgabengutschriften selbst dann in voller Höhe aufgerechnet werden können, wenn das Verfahren mittels Sanierungsplan/Zahlungsplan
endete und die entsprechenden Quoten bereits entrichtet wurden (vgl. UFSjournal 2008,
108, unter Hinweis auf VwGH 29.01.2004, 2000/15/0046).
Das Aufrechnungsrecht bleibe trotz der schuldbefreienden Wirkung des § 156 Abs. 1 IO und trotz des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung in der Insolvenz auch im
Fall eines rechtskräftig bestätigten Sanierungsplans erhalten, weil es unbillig wäre,
vom Inhaber einer Aktivforderung die Vollzahlung seiner Schuld zu verlangen und andererseits
seine Forderung in der Insolvenz auf die Quote herabzusetzen. Durch die Zubilligung
einer Aufrechnungsbefugnis werde dem aufrechnungsberechtigten Insolvenzgläubiger eine
dem Absonderungsgläubiger vergleichbare Sicherheit auch für Zeiträume nach Aufhebung
des Insolvenzverfahrens verschafft (vgl. VwGH 02.05.2005, 2001/10/0230).
Der Gerichtshof habe im Erkenntnis VwGH 21.11.2013, 2011/15/0188, zur insolvenzrechtlichen Behandlung von Prämien Stellung genommen. Für die Einordnung
des Prämienanspruchs als Insolvenz- oder Masseforderung sei maßgebend, ob die der
Prämie (im dort entschiedenen Fall die Bildungsprämie) zugrunde liegenden Aufwendungen
bzw. bei der Lehrlingsausbildungsprämie die jeweiligen Lehrverhältnisse vor Insolvenzeröffnung
getätigt bzw. abgeschlossen wurden oder nicht. Auf die Modalitäten der Geltendmachung
der Prämie oder auf die Erlassung eines Bescheids komme es nicht an.
Die Entstehung des Abgabenanspruchs könne nicht mit der Verwirklichung des den Tatbestand
erfüllenden Sachverhalts gleichgesetzt werden; maßgebend sei vielmehr, wann innerhalb
des Zeitraums die einzelnen Sachverhalte eingetreten sind. Somit habe für die insolvenzrechtliche
Einordnung des Prämienanspruchs als Insolvenz- oder Masseforderung das Entstehen des
Abgabenanspruchs gemäß § 4 BAO oder die Fälligkeit der Steuerschuld keine Bedeutung (vgl. OGH 24.08.2011, 3 Ob 103/11k, mit Hinweis auf OGH 17.12.1993, 8 Ob 14/93). Für die Beurteilung der Verrechenbarkeit von Gutschriften (=negative Abgabenansprüche)
sei daher nicht auf die Antragstellung, nicht auf die Bescheiderlassung (Bedingungseintritt)
und auch nicht auf die Verbuchung am Abgabenkonto abzustellen, sondern auf die ursächliche
Sachverhaltsverwirklichung, die den Rückforderungs- oder Vergütungsanspruch kraft
Gesetzes erstmalig auslöst. Dieser Zeitpunkt muss vor der Insolvenzeröffnung liegen,
damit die (spätere) Verrechnung der Gutschrift (nachdem diese verbucht wurde) mit
Abgabeninsolvenzforderungen zulässig sei (in diesem Sinn zur Zulässigkeit der Aufrechnung
siehe OGH 30.09.2009, 3 Ob 183/09x).
Die Zulässigkeit der Aufrechnung der Gutschrift aus der Forschungsprämie mit Abgabeninsolvenzforderungen
sei daher danach zu beurteilen, wann der Sachverhalt, welcher zum Rückforderungsanspruch
geführt hat, verwirklicht wurde. Die insolvenzrechtliche Einordnung der Prämienforderungen
erfordert somit die Feststellung, ob der die Forderung auslösende Sachverhalt vor
oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde (zu Letzterem siehe nochmals VwGH
21.11.2013, 2011/15/0188, mit Hinweis auf VwGH 20.05.2010, 2005/15/0163). Liege dieser Zeitpunkt vor der Insolvenzeröffnung, sei die (spätere) Verrechnung
der Gutschrift (nachdem diese verbucht wurde) mit Abgabeninsolvenzforderungen zulässig.
Im Beschwerdefall könne davon ausgegangen werden, dass zumindest ein Großteil der
Forschungsaufwendungen vor Insolvenzeröffnung (02.11.2017), nämlich im Laufe des Jahres
2017 realisiert wurden. Ein Forschungskonto oder ähnliches, auf dem die Aufwendungen
in zeitlicher Hinsicht ersichtlich sind, sei der Behörde nicht vorgelegt worden.
Die Verrechnung der (Insolvenz)Gutschriften aus der Forschungsprämie 2017 mit Insolvenzforderungen
der Schuldnerin sei daher zulässig.
In der Folge stellte die Schuldnerin mit Eingabe vom 02.01.2019 einen Antrag auf Entscheidung
über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
Die Schuldnerin bringt darin vor:
1. Die Rechtsansicht der Abgabenbehörde, das Aufrechnungsrecht bleibe trotz schuldbefreiender
Wirkung des § 156 Abs. 1 IO und trotz des im Insolvenzverfahren geltenden Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlungspflicht
auch im Fall eines rechtskräftig bestätigten Sanierungsplanes erhalten, sei verfehlt.
Die Abgabenbehörde stütze sich dabei auf eine überholte Rechtsansicht.
2. Wie bereits in der Beschwerde vom 19.09.2018 ausgeführt, habe der Oberste Gerichtshof
im verstärkten Senat zu 6 Ob 179/14p eine Richtungsentscheidung dahingehend gefällt,
dass eine Aufrechnung mit einer ungekürzten Forderung nach rechtskräftiger Bestätigung
eines Sanierungsplans unzulässig sei, um die Erfüllung des Sanierungsplanes durch
eine nachträglich abgegebene Aufrechnungserklärung nicht zu gefährden.
Der durch den Sanierungsplan erlassene Forderungsteil werde zur Naturalobligation.
3. Der Oberste Gerichtshof habe in dieser Richtungsentscheidung klargestellt, dass
die in den §§ 19, 20 IO normierten Bestimmungen eine über die rechtskräftige Bestätigung
eines Sanierungsplanes hinausgehende Privilegierung der Aufrechnungsberechtigten nicht
zu entnehmen sei. Dem Sicherungszweck dieser Bestimmung sei dadurch Genüge getan,
dass die Aufrechnung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (und auch während des
Insolvenzverfahrens) in vollem Umfang möglich bleibe (OGH 7 Ob 118/08s, EvBI 2009/46).
Entgegen der von der Abgabenbehörde vertretenen Auffassung lehne der Oberste Gerichtshof
eine analoge Anwendung des §149 Abs. 1 IO, wonach Ansprüche der Absonderungsgläubiger
durch den Sanierungsplan nicht berührt würden, ab. Dies deswegen, weil da die Aufrechnungslage
eben kein Absonderungsrecht sei.
4. Gemäß den Ausführungen der Abgabenbehörde und unter Zugrundelegung der Entscheidung
des Unabhängigen Finanzsenates Wien vom 09.07.2012, RV/1680-W/12, handle es sich bei Forschungsprämien um "negative Abgabenansprüche", die Kraft Gesetzes
jeweils zu dem Zeitpunkt entstünden, in dem der gesetzliche Tatbestand verwirklicht
werde.
Ginge man im vorliegenden Fall davon aus, dass dem so sei, so stünden sich die Forderungen
aufrechnungsweise im Zeitpunkt vor der Insolvenzeröffnung bzw. während des Insolvenzverfahrens
im Jahre 2017 gegenüber und die Abgabenbehörde wäre verpflichtet gewesen die Aufrechnung
durch eine Aufrechnungserklärung - mangels einer der österreichischen Rechtsordnung
fehlenden "ipso iure compensatur" - geltend zu machen.
Obwohl sich der verstärkte Senat in seiner Entscheidung nur auf § 19 Abs. 1 IO beziehe, könne die Aufrechnungserleichterung des § 19 Abs. 2 IO nicht bedeuten, dass trotz Unterbleibens einer Aufrechnungserklärung während des
Insolvenzverfahrens noch eine Aufrechnung nach Rechtkraftbestätigung eines Sanierungsplanes
mit der gesamten Forderung zulässig sei.
Alle Forderungen, die zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits entstanden waren,
seien sie auch noch nicht fällig, noch bedingt oder nicht auf Geldleistung gerichtet
gewesen, würden im Ausmaß des erlassenen Forderungsteils nach
rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplanes zur Naturalobligation (OGH 3 Ob 82/08t, RIS-Justiz RS0052128).
Nach geltendem Recht sei eine Aufrechnung infolge der Aufrechnungserleichterung nach
§ 19 Abs. 2 IO nur dann zulässig sei, wenn auch eine Aufrechnungserklärung vor rechtskräftiger Bestätigung
des Sanierungsplanes abgegeben wurde.
Gerade in den Fällen der erleichterten Aufrechnung wäre eine Privilegierung durch
eine Aufrechenbarkeit mit der vollen Forderung nach Rechtskraft des Sanierungsplanes
nicht gerechtfertigt.
5. Sollte sich die Abgabenbehörde hinsichtlich ihres behaupteten Aufrechnungsrechtes
auf § 156 Abs. 4 IO berufen, werde darauf hingewiesen, dass eine analoge Anwendung des § 156 Abs. 4 IO laut OGH nur dann in Betracht komme, wenn der Gläubiger durch den Schuldner gehindert
worden sei, eine Aufrechnungserklärung vor rechtskräftiger Sanierungsplanbestätigung
abzugeben.
Bei leicht fahrlässigem Mitverschulden des Gläubigers sei § 156 Abs. 4 IO nicht anzuwenden. Im gegenständlichen Fall hätte die Abgabenbehörde zumindest damit
rechnen können - zumal es nicht das Erste Mal war - dass eine Forschungsprämie seitens
der Steuerpflichtigen beantragt werde.
Während des vor dem Bundesfinanzgericht anhängigen Beschwerdeverfahrens wurde schließlich
mit Beschluss des Konkursgerichtes vom 03.04.2019 über das Vermögen der Schuldnerin
das Konkursverfahren eröffnet.
Als Folge der Konkurseröffnung wurde der Masseverwalter Partei des vorliegenden Beschwerdeverfahrens.
Ergänzend zur bisherigen Beschwerdevorbringen brachte der Masseverwalter als nunmehriger
Beschwerdeführer vor:
A Insolvenzforderung
Entgegen der Ansicht des Finanzamtes sei der der maßgebliche Sachverhaltszeitraum
für die Forschungsprämie 2017 nicht nur der Teil des Jahres 2017 vor Insolvenzeröffnung
(also bis 02.11.2017), sondern das gesamte Jahr 2017.
Dieser Rechtsansicht stehe auch nicht die vom Finanzamt zitierte Entscheidung des
UFS Wien (RV/1680-W/12) entgegen. ln dieser Entscheidung sei es um die Forschungsprämie für das Jahr 2010
gegangen. Die lnsolvenzeröffnung sei dort aber erst am 27.06.2011 erfolgt.
In der angesprochenen Entscheidung sei also der gesamte prämienanspruchsbegründende
Sachverhalt (eben die Forschungsausgaben im ganzen Jahr 2010) bereits vor der Insolvenzeröffnung
am 27.06.2011 verwirklicht worden, was der entscheidende Unterschied zum Beschwerdefall
sei.
Im Beschwerdefall sei der anspruchsbegründete Sachverhalt erst mit Ablauf des 31.12.2017
und damit während aufrechtem Insolvenzverfahren verwirklicht worden.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH 21.11.2013, 2011/15/0188), die auch das Finanzamt anführe, sei für die insolvenzrechtliche Einordnung von
Prämien als Insolvenz- oder als Masseforderungen maßgebend, ob die der Prämie zugrunde
liegenden Aufwendungen vor oder nach Insolvenzeröffnung getätigt worden waren.
Selbst das Finanzamt gehe davon aus, dass die Schuldnerin nicht alle anspruchsbegründenden
Leistungen, sondern nur einen "Großteil" davon vor Insolvenzeröffnung getätigt habe.
Da Abgabengutschriften nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nichts
anderes als "negative Abgabenansprüche" darstellten und der anspruchsbegründende Sachverhalt
erst nach lnsolvenzeröffnung vollständig verwirklicht worden sei, sei die Gutschrift
der Forschungsprämie 2017 als Masseforderung zu beurteilen.
Aus diesem Grund sei die gegenständliche Aufrechnung gemäß § 20 Abs. 1 erster Satz IO insgesamt unzulässig. Das Finanzamt habe daher die gesamte, der Schuldnerin
für das Jahr 2017 zuerkannte Forschungsprämie an die Masse zu leisten.
B Aufrechnungsverbot
Selbst wenn man aber der Argumentation des Finanzamtes folgte, wonach die Forschungsprämie
2017 eine Insolvenzforderung darstelle, sei die gegenständliche Aufrechnung unzulässig.
Die Wirkungen des Sanierungsplans richteten sich unstrittig nach der Insolvenzordnung,
zu deren Auslegung grundsätzlich der Oberste Gerichtshof und ausschließlich in Abgabensachen
der Verwaltungsgerichtshof berufen sei.
Das Finanzamt führe nicht aus, warum die Aufrechnung der Gutschrift aus der Forschungsprämie
2017 mit der gesamten Insolvenzforderung zulässig sein sollte.
Lediglich in seinen allgemeinen (abgaben-)insolvenzrechtlichen Ausführungen verweise
das Finanzamt auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es unbillig
wäre, vom Inhaber einer Aktivforderung einerseits die Vollzahlung seiner Schuld zu
verlangen und andererseits seine Forderung in der Insolvenz auf die Quote herabzusetzen.
Nach dieser Rechtsprechung wäre dem aufrechnungsberechtigten Insolvenzgläubiger durch
die Zubilligung einer Aufrechnungsbefugnis eine dem Absonderungsgläubiger vergleichbare
Sicherheit auch für die Zeit nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens verschafft.
Die zitierte Rechtsprechung des VwGH stamme aus dem Jahr 2005 (VwGH 02.05.2005, 2001/10/0230).
Noch im Jahr 2008 habe der siebente Senat des Obersten Gerichtshofes ebenso diese
Rechtsauffassung (vergleiche OGH 24.09.2008 7 Ob 118/08s) vertreten.
Der dritte Senat des Obersten Gerichtshofes (vgl OGH 11.07.2008 3 OB 82/08) und mit
ihm der überwiegende Teil der Lehre seien aber (im Übrigen ebenfalls im Jahr 2008)
davon ausgegangen, dass einem lnsolvenzgläubiger nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens
keine uneingeschränkte Aufrechnungsbefugnis mehr zukäme, sondern der Aufrechnungsberechtigte
vielmehr auf die Quote beschränkt sei.
Diesen Streit und die damit einhergehende uneinheitliche Rechtsprechung des Obersten
Gerichtshofes habe ein verstärkter Senat des Obersten Gerichtshofes (vgl OGH 01.12.2015,
6 Ob 179/14p) zum Anlass genommen, um die Frage der Aufrechnungsbefugnis nach rechtskräftig bestätigtem
Sanierungsplan ein für alle Mal verbindlich zu beantworten.
Der verstärkte Senat habe zurecht erkannt, dass der lnsolvenzgläubiger nach rechtskräftiger
Bestätigung des Sanierungsplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens regelmäßig nur
mehr mit der Sanierungsplanquote seine Forderung aufrechnen könne, wenn er von der
gesetzlichen Möglichkeit, während des Insolvenzverfahrens gemäß
§ 19 Abs. 1 IO aufzurechnen, keinen Gebrauch gemacht habe.
In der gegenständlichen Entscheidung setze sich der OGH ausdrücklich mit der vom Finanzamt
angeführten Argumentationslinie des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Zubilligung
einer Aufrechnungsbefugnis dem Aufrechnungsberechtigten lnsolvenzgläubiger eine dem
Absonderungsgläubiger vergleichbare Stellung verschaffe, auseinander:
In Punkt 5.3.2 der genannten Entscheidung halte der Oberste Gerichtshof der (auch)
vom Verwaltungsgerichtshof gewählten Argumentation entgegen, dass es im Hinblick auf
den ausgeprägten Sanierungscharakter des österreichischen Insolvenzverfahrens unbillig
wäre, wenn die Erfüllung des Sanierungsplans durch eine nach rechtskräftiger Bestätigung
des Sanierungsplans abgegebene Aufrechnungserklärung noch vereitelt werden könnte.
Dabei sei es irrelevant, ob das Finanzamt die Möglichkeit hatte, eine rechtzeitige
Aufrechnungserklärung abzugeben oder nicht. Der Oberste Gerichtshof habe in einer
früheren Entscheidung (OGH 11.07.2008 zu 3 Ob 82/08t) zwar in Bezug auf die Beschränkung
der Aufrechnungsbefugnis auf die Quote tatsächlich darauf abgestellt, ob der lnsolvenzgläubiger
während des Insolvenzverfahrens überhaupt rechtzeitig eine Aufrechnungserklärung abgeben
habe können.
Diese Entscheidung stelle der verstärkte Senat aber nunmehr in Punkt 5.3.1 c) letzter
Absatz ausdrücklich richtig und begründe seine Ansicht damit, dass ein Rückgriff auf
die Frage der "Unzumutbarkeit" der Abgabe der Aufrechnungserklärung während des Insolvenzverfahrens
bei der von ihm nunmehr gewählten Lösung "entbehrlich" sei.
Sollte ein Gläubiger ausnahmsweise unverschuldet aus wenn auch nur leichter Fahrlässigkeit
des Schuldners - an einer außergerichtlichen Aufrechnungserklärung vor rechtskräftiger
Sanierungsplanbestätigung gehindert worden sein, so käme nach Ansicht des Obersten
Gerichtshof eine (analoge) Anwendung von § 156. Abs. 4 IO in Betracht.
Der Oberste Gerichtshof führe dazu begründend aus, dass nach den Wertungen des
§ 156 Abs. 4 IO Gläubiger, deren Forderungen nur aus Verschulden des Schuldners im Sanierungsplan
unberücksichtigt bleiben, die daraus resultierenden Nachteile nicht treffen sollten.
Dies sei dann zu bejahen, wenn der Gläubiger über die Existenz der Forderung nicht
Bescheid weiß und diese Unkenntnis auf einem zumindest fahrlässigen Verhalten des
Schuldners beruhe.
Selbst wenn also das Finanzamt im gegenständlichen Fall keine rechtzeitige Aufrechnungserklärung
abgeben habe können, weil der Antrag auf Gewährung der Forschungsprämie erst nach
Bestätigung des Sanierungsplanes gestellt wurde, so beruhe dieser Umstand nicht auf
dem Verschulden der Schuldnerin.
Genau dieses Verschulden wäre aber nach der Ansicht des verstärkten Senates die grundlegende
Voraussetzung für eine analoge Anwendung des § 156 Abs. 4 IO. Aus dem Umstand, dass das Finanzamt keine rechtzeitige Erklärung abgeben habe können,
sei mangels Verschuldens der Schuldnerin für das Finanzamt nichts zu gewinnen.
Es ist davon auszugehen, dass sich auch der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht des
Obersten Gerichtshofes anschließen werde. Andernfalls ergäbe dies die geradezu absurde
Situation, dass mit der Republik Österreich ein einziger Gläubiger in Bezug auf die
Aufrechnung bessergestellt wäre, als alle anderen und zwar nur, weil ein anderes Höchstgericht
für sie zuständig sei. Ein solches Ergebnis wäre zweifellos unbillig.
Dies würde dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung und damit dem maßgeblichen
Leitgedanken des Insolvenzrechts widersprechen.
C Insolvenzanfechtung
Die Hauptwirkung des Sanierungsplans liege in der (auflösend bedingten) Beseitigung
der Insolvenz des Schuldners durch (i) teilweisen Forderungsnachlass und (ii) Stundung.
Durch den rechtskräftig bestätigten Sanierungsplan wird der Schuldner von der Verbindlichkeit,
den Insolvenzgläubigern den Ausfall zu ersetzen, befreit. Der Umfang der Befreiung
hängt vom Inhalt des Sanierungsplans ab. Im gegenständlichen Fall sah der Sanierungsplan
eine Quote von 30% vor. Das Ausmaß der Schuldbefreiung hätte daher 70% betragen.
Ab rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans kann der Gläubiger - wie dargestellt
nur die Quote und diese nur nach den im Sanierungsplan festgesetzten Terminen fordern.
Vor den im Zahlungsplan festgesetzten Terminen ist die Quote nicht fällig. Im gegenständlichen
Fall habe der Sanierungsplan folgende Fälligkeitstermine vorgesehen:
5% binnen 14 Tagen ab Rechtskraft der Bestätigung,
5% zum 31.07.2018,
10% zum 31.12.2018 und schließlich
10% zum 31.12.2019
Die Schuldnerin leistete die ersten beiden Quotenzahlungen an das Finanzamt rechtzeitig.
Die Wirkungen des Sanierungsplans waren daher auch gegenüber dem Finanzamt aufrecht.
Zum Zeitpunkt der gegenständlichen Aufrechnung bestand sohin kein fälliger und/oder
berechtigter Anspruch des Finanzamtes
Gemäß § 30 Abs. 1 Ziffer 1 IO seien nach Eintritt der materiellen Insolvenz der Schuldnerin vorgenommene Befriedigungen
eines Gläubigers anfechtbar, wenn der Gläubiger (i) nicht oder (ii) nicht in der Art
oder (iii) nicht in der Zeit zu beanspruchen hatte (Inkongruenz).
Unstrittig sei, dass das Finanzamt durch die gegenständliche Aufrechnung Befriedigung
erlangte. Aufgrund der zum Zeitpunkt der Aufrechnung aufrecht bestehenden Wirkungen
des Sanierungsplans habe das Finanzamt zu diesem Zeitpunkt aber gar keine aufrechenbare
Forderung gehabt.
Der Masseverwalter gehe davon aus, dass die Schuldnerin bereits zum Zeitpunkt der
Aufrechnung insolvenzrechtlich überschuldet war. Die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen
Aktiva der Schuldnerin erreichten nämlich zu Liquidationswerten nicht einmal annähernd
die Werte der - wenn damals auch noch nicht fälligen - Forderungen der Gläubiger aus
den verbleibenden zwei Teilquoten.
Bei der zweistufigen Prüfung der insolvenzrechtlichen Überschuldung sei zunächst auf
die rechnerische Überschuldung abzustellen. In diesem Überschuldungsstatus seien auch
bedingte und noch nicht fällige Forderungen aufzunehmen. Die rechnerische Überschuldung
sei daher auf Basis der den Insolvenzverwaltern derzeit zur Verfügung stehenden Informationen
und Unterlagen jedenfalls gegeben gewesen.
lm Rahmen einer daher zwingend zu erstellenden Fortbestehensprognose hätte die Unternehmensleitung
der Schuldnerin prüfen müssen, ob sie mit dem Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen
Geschäftsmannes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (mehr als 50%) davon ausgehen
konnte, die beiden ausstehenden Teilquoten bei Fälligkeit bezahlen zu können. Genau
das habe die Schuldnerin bekanntlich nicht gekonnt.
Selbst wenn sich die Schuldnerin aus damaliger Sicht darauf verlassen hätte, dass
die beiden verbleibenden Quotenzahlungen aus der Gesellschaftersphäre oder von verbundenen
Unternehmen bezahlt werden würden, so wäre dies für eine positive Fortbestehensprognose
nur relevant gewesen, wenn die Schuldnerin einen klagbaren Anspruch auf Bezahlung
der beiden Teilquoten gehabt hätte.
Das war nach den dem Insolvenzverwalter zur Verfügung stehenden Informationen und
Unterlagen nicht der Fall, weshalb die Schuldnerin zu diesem Zeitpunkt mangels positiver
Fortbestehensprognose insolvenzrechtlich überschuldet gewesen sein dürfte. Ob das
Finanzamt davon zum Zeitpunkt der Aufrechnung wusste, ist gemäß
§ 30 Abs. 1 Z 1 IO irrelevant.
Die gegenständliche Aufrechnung verwirklicht daher den Anfechtungstatbestand der objektiven
Begünstigung (Inkongruenz). Die Masseverwalter haben daher unter einem gegenüber der Republik Österreich, vertreten
durch das Finanzamt, dieses vertreten durch die Finanzprokuratur, die Anfechtung der
gegenständlichen Aufrechnung erklärt.
Zusammenfassung
Die gegenständliche Aufrechnung sei unzulässig, zumal der den Prämienanspruch begründende Sachverhalt erst am 31.12.2017, sohin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollständig verwirklicht worden war.
Selbst wenn die Aufrechnung aber grundsätzlich zulässig gewesen sein sollte, so war sie jedenfalls der Höhe nach unzulässig, weil das Finanzamt nach Rechtsprechung eines verstärkten Senats des Obersten Gerichtshofes bei der Aufrechnung auf die Quote beschränkt gewesen wäre.
Unabhängig davon sei die Aufrechnung gegenüber den Gläubigern der Schuldnerin unwirksam, zumal sie den Anfechtungstatbestand der objektiven Begünstigung eines Gläubigers verwirklicht.
Das Bundesfinanzgericht erließ in der Folge am 27.08.2019 einen Vorhalt an das Finanzamt:
Darin wurde dem Finanzamt vorgehalten, dass für die Behauptung, alle Aufwendungen
betreffend die Forschungsprämie 2017 seien vor Eröffnung des Sanierungsverfahrens
am tt.mm.2017 angefallen, keine Nachweise vorlägen.
Dem Finanzamt wurde folglich aufgetragen, innerhalb einer Frist von einem Monat,
die Höhe der Aufwendungen getrennt nach Aufwendungen vor dem tt.mm.2017 und Aufwendungen
ab dem tt.mm.2017 bekanntzugeben.
Mit Schriftsatz vom 23.09.2019 antwortete, dass Finanzamt, dass ihm die geforderte
Aufteilung nicht möglich sei. Es gehe aber auf Grund der Lebenserfahrung davon aus,
dass ein Großteil der getätigten Aufwendungen vor Insolvenzeröffnung am tt.mm.2017
getätigt worden sei.
Im Übrigen wäre es an der Schuldnerin gelegen, eine entsprechende Aufgliederung vorzulegen.
Das Bundesfinanzgericht forderte schließlich mit Email vom 01.10.2019 den Masseverwalter
zur Vorlage einer Aufgliederung auf:
Sollte Ihm das nicht möglich sein, wäre eine Aliquotierung der zustehenden Prämie
in 10/12 als Konkursforderungen und 2/12 als Masseforderung vorzunehmen.
Mit Email vom 24.10.2019 brachte der Masseverwalter vor:
"Zurückkommend auf Ihr Email vom 01.10.2019 müssen wir Ihnen mitteilen, dass der Schuldnerin
die gewünschte Aufgliederung leider nicht möglich ist.
Unseres Erachtens ist es rechtlich aber ohnehin unerheblich, welche Leistungen vor
und welche nach Insolvenzeröffnung erbracht wurden. Erheblich ist - wenn überhaupt
- nur, dass Leistungen nach Insolvenzeröffnung erbracht wurden, die einen Teil der
Bemessungsgrundlage der Forschungsprämie darstellen. Dass das der Fall war, bestätigt
uns die Schuldnerin ausdrücklich ist und auch evident, zumal die Personalkosten einen
nicht unwesentlichen Teil der Bemessungsgrundlage darstellen und im Massezeitraum
die Löhne selbstverständlich weiterhin bezahlt wurden. Sollte dies erforderlich sein,
würde das der damals für die Beantragung der Forschungsprämie bei der Schuldnerin
zuständige Mitarbeiter auch bezeugen.
Um Wiederholungen zu vermeiden, erlauben wir uns zur Frage, warum die Forschungsprämie 2017 eine "Masseforderung" ist und die gegenständliche Aufrechnung gemäß § 20 Abs. 1 erster Satz IO daher insgesamt unzulässig war, zunächst den Verweis auf die Rz 5 bis 14 unserer Eingabe vom 14.05.2019.
Der maßgebliche Zeitraum für die Bemessungsgrundlage der Forschungsprämie ist das Wirtschaftsjahr als Ganzes und nicht etwa Teile davon. Die Bemessungsrundlage ergibt sich aus einem Jahresgutachten, das ausdrücklich nicht in einzelne Monate untergliedert ist. Auch die Forschungsprämie selbst wird für das gesamte Wirtschaftsjahr und nicht für Teile davon gewährt. Das ergibt sich eindeutig aus allen für die Forschungsprämie relevanten Richtlinien und Verordnungen.
Eine Aliquotierung und Aufteilung der Forschungsprämie in den Zeitraum vor und nach
Insolvenzeröffnung ist uE gesetzlich nicht gedeckt. Die Forschungsprämie stellt wie
gesagt auf das gesamte Wirtschaftsjahr ab. Wäre der den Anspruch auf die Forschungsprämie
2017 erzeugende Sachverhalt vor Eröffnung des vormaligen Sanierungsverfahrens über
das Vermögen der Schuldnerin verwirklicht worden, sprich hätte das Wirtschaftsjahr
2017 vor dem tt.mm.2017 geendet, wäre die Forschungsprämie im Lichte der Rechtsprechung
des VwGH tatsächlich eine "Insolvenzforderung" und die gegenständliche Aufrechnung
zulässig gewesen.
Das Wirtschaftsjahr der Schuldnerin 2017 endete aber wie jedes andere auch am 31.12.207,
sohin im Massezeitraum. Der für den Anspruch auf die Forschungsprämie 2017 maßgebliche
Zeitraum endete daher nach Eröffnung des vormaligen Sanierungsverfahrens über das
Vermögen der Schuldnerin und daher im Massezeitraum. Die Forschungsprämie 2017 war
sohin im Lichte der Rechtsprechung des VwGH eine "Masseforderung" und die gegenständliche
Aufrechnung insgesamt unzulässig."
Rechtslage
§ 19 IO (Insolvenzordnung)
(1) Forderungen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits aufrechenbar
waren, brauchen im Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht zu werden.
(2) Die Aufrechnung wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß die Forderung des Gläubigers
oder des Schuldners zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch bedingt oder
betagt, oder daß die Forderung des Gläubigers nicht auf eine Geldleistung gerichtet
war. Die Forderung des Gläubigers ist zum Zwecke der Aufrechnung nach §§ 14 und 15
zu berechnen. Ist die Forderung des Gläubigers bedingt, so kann das Gericht die Zulässigkeit
der Aufrechnung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen.
§ 20 IO
1) Die Aufrechnung ist unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens Schuldner der Insolvenzmasse geworden oder wenn die Forderung
gegen den Schuldner, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, erst
nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben worden ist. Das Gleiche gilt,
wenn der Schuldner der Insolvenzmasse die Gegenforderung zwar vor der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens erworben hat, jedoch zur Zeit des Erwerbes von der Zahlungsunfähigkeit
des Schuldners, über dessen Vermögen in der Folge das Insolvenzverfahren eröffnet
wurde, Kenntnis hatte oder Kenntnis haben musste.
§ 46 IO
Masseforderungen sind:
1. die Kosten des Insolvenzverfahrens;
2. alle Auslagen, die mit der Erhaltung, Verwaltung und Bewirtschaftung der Masse
verbunden sind, einschließlich der Forderungen von Fonds und anderen gemeinsamen Einrichtungen
der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber, sofern deren Leistungen Arbeitnehmern als Entgelt
oder gleich diesem zugute kommen, sowie der die Masse treffenden Steuern, Gebühren,
Zölle, Beiträge zur Sozialversicherung und anderen öffentlichen Abgaben, wenn und
soweit der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt während des Insolvenzverfahrens
verwirklicht wird. Hiezu gehören auch die nach persönlichen Verhältnissen des Gemeinschuldners
bemessenen öffentlichen Abgaben; soweit jedoch diese Abgaben nach den verwaltungsbehördlichen
Feststellungen auf ein anderes als das für die Insolvenzmasse nach der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens erzielte Einkommen entfallen, ist dieser Teil auszuscheiden. Inwieweit
im Insolvenzverfahren eines Unternehmers die im ersten Satz bezeichneten Forderungen
von Fonds und von anderen gemeinsamen Einrichtungen sowie die auf Forderungen der
Arbeitnehmer (arbeitnehmerähnlichen Personen) entfallenden öffentlichen Abgaben Masseforderungen
sind, richtet sich nach der Einordnung der Arbeitnehmerforderung;
3 (……)
§ 156 IO
(1) Durch den rechtskräftig bestätigten Sanierungsplan wird der Schuldner von der
Verbindlichkeit befreit, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich
zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen, gleichviel
ob sie am Insolvenzverfahren oder an der Abstimmung über den Sanierungsplan teilgenommen
oder gegen den Sanierungsplan gestimmt haben oder ob ihnen ein Stimmrecht überhaupt
nicht gewährt worden ist.
(…)
(4) Gläubiger, deren Forderungen nur aus Verschulden des Schuldners im Sanierungsplan
unberücksichtigt geblieben sind, können nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die
Bezahlung ihrer Forderungen im vollen Betrag vom Schuldner verlangen.
§ 214 BAO (Bundesabgabenordnung)
(1) In den Fällen einer zusammengefaßten Verbuchung der Gebarung sind Zahlungen und
sonstige Gutschriften, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, auf die dem
Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen;…(…)
§ 216 BAO
Mit Bescheid (Abrechnungsbescheid) ist über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung
(§ 213) sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung
eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, auf Antrag des Abgabepflichtigen
(§ 77) abzusprechen. (…).
§ 239 BAO
(1) Die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs. 4) kann auf Antrag des Abgabepflichtigen
oder von Amts wegen erfolgen. Ist der Abgabepflichtige nach bürgerlichem Recht nicht
rechtsfähig, so können Rückzahlungen mit Wirkung für ihn unbeschadet der Vorschrift
des § 80 Abs. 2 nur an diejenigen erfolgen, die nach den Vorschriften des bürgerlichen
Rechtes über das Guthaben zu verfügen berechtigt sind (…).
Erwägungen:
Im Beschwerdefall ist strittig, ob die Forderung der Schuldnerin aus der Forschungsprämie
2017 antragsgemäß gemäß § 239 BAO zurückzuzahlen war oder ob das Finanzamt zu Recht das aus der Gutschrift der Forschungsprämie
entstandene Guthaben mit der Umsatzsteuerschuld 10/2017 verrechnet hat.
In den Fällen einer zusammengefassten Verbuchung der Gebarung -welche im Beschwerdefall
vorliegt- sind Zahlungen und sonstige Gutschriften, soweit im Folgenden nicht anderes
bestimmt ist, gemäß § 214 Abs. 1 BAO auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen.
Im Beschwerdefall bestand am 23.08.2018 auf dem Abgabenkonto der Schuldnerin ein
Guthaben in Höhe von 1.028.822,32 Euro (Forschungsprämie 2017 plus bestehendes Guthaben
in Höhe von 64,60 Euro).
Soweit Guthaben zu verwenden sind, sind sie gemäß § 215 Abs. 4 BAO nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 BAO zurückzuzahlen oder unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen über Antrag des
zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zugunsten eines anderen Abgabepflichtigen
umzubuchen oder zu überrechnen.
Im Beschwerdefall besteht in Wahrheit ein Streit über die Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto
der Schuldnerin.
Ein derartiger Streit ist aber nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht
in einem Verfahren nach § 239 Abs. 1 BAO, sondern in einem solchen nach § 216 BAO auszutragen (VwGH vom 25.02.1997, 93/14/0143). Da sich aus dem Vorbringen des Masseverwalters ergibt, dass eine Aufrechnung der
Forschungsprämie 2017 mit der Umsatzsteuervorauszahlung Oktober 2017 nicht zulässig
sei, andernfalls ein Rückzahlungsanspruch zu Recht bestünde, ist der angefochtene
Bescheid nach seinem materiellen Gehalt einer Deutung als Abrechnungsbescheid im Sinne
des § 216 BAO zugänglich (VwGH 14.9.1993, 91/15/0103).
Auch wenn im Rahmen eines Abrechnungsbescheides nicht darüber abzusprechen ist, ob
die strittigen Gutschriften Ansprüche der Masse oder Insolvenzgegenforderungen darstellen,
so stellt sich die Frage nach der Verrechenbarkeit der Umsatzsteuerschuld 10/2017
mit der Gutschrift aus der Forschungsprämie 2017 als Vorfrage für die Entscheidung
über das Bestehen eines (rückzahlbaren) Guthabens (vgl. mit zahlreichen weiteren Hinweisen
VwGH 26.04.1993, 92/15/0012).
Ein Guthaben iSd § 239 BAO entsteht erst dann, wenn auf einem Abgabenkonto die Summe der Gutschriften die Summe
der Lastschriften übersteigt, wenn somit auf ein und demselben Abgabenkonto per Saldo
ein Überschuss zu Gunsten des Abgabepflichtigen besteht (OGH 24.06.1992, 1 Ob 15/92, JBl 1993, 399; VwGH 28.02.2008, 2006/16/0129; 25.06.2009, 2007/16/0121). Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH sind hierbei
die tatsächlich durchgeführten Buchungen maßgebend und nicht diejenigen, die nach
Ansicht des Abgabepflichtigen hätten durchgeführt werden müssen (siehe dazu beispielsweise
VwGH 26.06.2003, 2002/16/0286; VwGH 01.03.2007, 2005/15/0137; VwGH 25.02.2010, 2009/16/0311; Ritz, BAO4, § 215 Rz 1).
Bei Anwendung dieser vom VwGH vertretenen Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt
ergibt sich, dass sich auf Grund der Aufrechnung der Gutschrift aus der Forschungsprämie
2017 mit der Umsatzsteuervorauszahlung 10/2017 am 30.08.2018 auf dem Abgabenkonto
der Schuldnerin nur ein Guthaben in Höhe von 64,60 Euro bestand. Insofern kann einem
(vermeintlichen) Rückzahlungsantrag nach § 239 BAO im gegenständlichen Fall nur im Höhe des Guthabens von 64,60 Euro gefolgt werden.
Zumal erst nach Verwendung gemäß § 215 Abs. 1 bis 3 BAO verbleibende Guthaben auf Antrag oder von Amts wegen rückzahlbar sind (vgl. VwGH
11.01.1980, 2523/79; Ritz, BAO4, § 239 Rz 2).
Zur Vorfragenbeurteilung:
A) Insolvenz- oder Masseforderung:
Im Beschwerdefall ist strittig, ob die aus der Forschungsprämie 2017 resultierende
Gutschrift zur Tilgung von Konkursforderungen der Abgabenbehörde (Umsatzsteuer 10/2017)
verwendet werden durfte.
Die Beschwerde geht davon, dass der anspruchsbegründende Sachverhalt erst mit Ablauf
des Wirtschaftsjahres, also mit Ablauf des 31.12.2017 erfüllt gewesen sei.
Da dieser Zeitpunkt nach Konkurseröffnung liege, sei der Anspruch auf die Forschungsprämie
der Masse zuzurechnen.
Die vom Finanzamt vorgenommene Aufrechnung gemäß § 20 Abs. 1 erster Satz IO sei daher insgesamt unzulässig.
Dazu ist auszuführen:
Hinsichtlich der Frage des Zeitpunktes der Entstehung eines Vergütungs- bzw Rückforderungsanspruches
vertritt der Verwaltungsgerichtshof folgende Ansicht:
Bei Rückforderungsansprüchen handelt es sich um nichts anderes als um "negative Abgabenansprüche".
Solche Ansprüche entstehen (wie die Abgabenansprüche im engeren Sinn) kraft Gesetzes
jeweils zu dem Zeitpunkt, in dem ein gesetzlicher Sachverhalt, mit dessen Konkretisierung
das Gesetz Abgabenrechtsfolgen verbindet, verwirklicht wird. Auf die Bescheiderlassung
kommt es dabei nicht an. Mit dem Bescheid wird lediglich die Durchsetzung des Anspruchs
gegenüber der Abgabenbehörde bewirkt, nicht aber das Entstehen des Anspruchs (vgl.
etwa VwGH 19.03.1997, 96/16/0052, mwN; VwGH 20.05.2010, 2005/15/0163).
Diese Ausführungen gelten auch im Beschwerdefall.
Im Beschwerdefall ist es entscheidend, ob die Prämienansprüche der Schuldnerin aus
insolvenzrechtlicher Sicht in den Zeitraum vor (Insolvenzforderung) oder nach Insolvenzeröffnung
fallen und je nachdem mit Insolvenzforderungen des Finanzamtes aufrechenbar sind oder
nicht.
Gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 IO gehören zu den Masseforderungen ua. öffentliche Abgaben, wenn und soweit der die
Abgabepflicht auslösende Sachverhalt während des Konkursverfahrens verwirklicht wird.
Entsprechendes muss für die zeitliche Abgrenzung der Forderungen für eine Prämie
nach § 108c EStG 1988 gelten.
Die insolvenzrechtliche Einordnung der Prämienforderungen erfordert somit die Feststellung,
ob der die Forderung auslösende Sachverhalt vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
verwirklicht wurde (vgl. VwGH 20.05.2010, 2005/15/0163).
Nach § 108c Abs. 1 EStG 1988 in der für das Kalenderjahr 2017 gültigen Fassung können Steuerpflichtige eine Forschungsprämie
für eigenbetriebliche Forschung und eine Forschungsprämie für Auftragsforschung in
Höhe von jeweils 12% der prämienbegünstigten Forschungsaufwendungen (-ausgaben) geltend
machen.
Die Prämien können erst nach Ablauf des jeweiligen Wirtschaftsjahres, spätestens aber
bis zum Eintritt der Rechtskraft des betreffenden Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer
oder Feststellungsbescheides geltend gemacht werden.
Daraus ergibt sich, dass der die Prämienforderung auslösende Sachverhalt in der Tätigung
von Forschungsaufwendungen (-ausgaben) gelegen ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Frage der Zuordnung des Anspruches auf eine Bildungsprämie bei einem unterjährig eröffneten Insolvenzverfahren klargestellt, dass eine Aufteilung nach den einkommensteuerlichen Grundsätzen in einen Zeitraum vor und einen Zeitraum nach Insolvenzeröffnung zu erfolgen hat. Auf die Modalitäten der Geltendmachung nach § 108c Abs. 3 und 4 EStG 1988 bzw. die Fälligkeit kommt es nicht entscheidend an (VwGH 21.11.2013, 2011/15/0188).
Dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes betrifft die Bildungsprämie 2009.
Nach der für 2009 anzuwendenden Rechtslage regelte der § 108c EStG 1988 "Prämien für Forschung und Bildung" (Forschungsprämie und Bildungsprämie) in einem.
In der Folge wurde die Regelung über die Zuerkennung einer Bildungsprämie aus dem
§ 108c EStG 1988 gestrichen (BGBl I Nr 118/2015 ab 15.08.2015)
Die im Streitjahr anzuwendende Fassung des § 108c EStG 1988 ist hinsichtlich ihrer rechtlichen Ausgestaltung jedoch weitgehend ident mit der
dem Erkenntnis VwGH 21.11.2013, 2011/15/0188 zu Grunde liegenden Rechtslage, weshalb dieses Erkenntnis auf den Beschwerdefall
eins zu eins anwendbar ist.
Anders als von der beschwerdeführenden Partei vorgebracht, wurde der anspruchsbegründende
Sachverhalt nicht erst mit Ablauf des 31.12.2017, sondern nach Maßgabe der Aufwandstätigung
erfüllt.
Es ist daher zu unterscheiden zwischen Aufwendungen vor Insolvenzeröffnung (01.01.2017
bis 31.10.2017/01.11.2017) und nach Insolvenzeröffnung (tt.mm.2017 bis 31.12.2017).
Der Verwaltungsgerichtshof folgt diesbezüglich der vom Obersten Gerichtshof entwickelten
Rechtsprechung.
Danach sind für die insolvenzrechtliche Einordnung einer Steuerforderung ausschließlich
insolvenzrechtliche Prinzipien heranzuziehen. Maßgeblich dafür ist, ob der die Abgabepflicht
(im Beschwerdefall Prämienanspruch) auslösende Sachverhalt vor oder nach Eröffnung
des Insolvenzverfahrens verwirklicht wurde (siehe dazu ausführlich OGH 24.08.2011,
3 Ob 103/11k und die dort zitierte Literatur).
Die Aufwendungen für die Forschungsprämie 2017 sind daher für die insolvenzrechtliche
Einordnung aufzuteilen.
Laut Jahresgutachten 2017 der Forschungsförderungsgesellschaft GmbH (FFG) vom 02.08.2018
bezieht sich die Forschungsprämie 2017 auf mehrere Projekte und die jeweilige Projektlaufzeit
auf mehrere Kalenderjahre. Die Projektlaufzeiten beginnen jeweils vor 2017 und enden
auch jeweils nach 2017.
Daraus kann entgegen der unbewiesenen Behauptung des Finanzamtes, die Forschungstätigkeit sei nach der allgemeinen Lebenserfahrung nach Eröffnung des Sanierungsverfahrens eingestellt worden, geschlossen werden, dass auch nach dem tt.mm.2017 Forschungsaufwendungen getätigt wurden.
Die Forschungsaufwendungen 2017 setzen sich wie folgt zusammen:
Löhne und Gehälter |
1.707.181,00 Euro |
Unmittelbare Aufwendungen (Ausgaben) |
6.478.445,00 Euro |
Gemeinkosten |
387.355,00 Euro |
Bemessungsgrundlage für Forschungsprämie |
8.572.981,00 Euro |
Forschungsprämie 12 % |
1.028.757,72 Euro |
Vom Masseverwalter wurde mitgeteilt, dass ein wesentlicher Anteil der Forschungsaufwendungen
auf Löhne und Gehälter entfielen. Löhne und Gehälter seien jedenfalls nach Eröffnung
des Sanierungsverfahrens weiterbezahlt worden, woraus auf die Fortsetzung der Forschungstätigkeit
geschlossen werden könne.
Es ist auch evident, dass die Schuldnerin nach Eröffnung des Sanierungsverfahrens
ihren Betrieb weiterführte.
Es liegen keine Hinweise für die Einstellung der Forschungstätigkeit nach Eröffnung
des Sanierungsverfahrens vor.
Es hat daher entsprechend der Rechtsprechung des OGH (insbesondere OGH
24.11.2011, 3 Ob 103/11k, aber auch VwGH 21.11.2013, 2011/15/0188) eine Aufteilung der Aufwendungen 2017 auf die Zeit vor Eröffnung des Sanierungsverfahrens
und die Zeit danach zu erfolgen.
Mangels exakter zeitlicher Zuordnung der Aufwendungen hat eine Schätzung der Aufteilung
zu erfolgen. Auf Grund der kontinuierlichen, sich über das Kalenderjahr 2017 erstreckenden
Forschungstätigkeit scheint die Aliquotierung der Aufwendungen eine sachgerechte Lösung
zu sein.
Demnach fallen 10/12 der Aufwendungen auf den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung und
2/12 auf den Zeitraum ab Insolvenzeröffnung bis zum Ende des Kalenderjahres 2017.
Folglich betrugen die Aufwendungen 01-10/2017 = 7.144.150,83 Euro und Aufwendungen
für 11-12/2017= 1.428.830,17 Euro.
Die Forschungsprämie ist daher wie folgt in eine Insolvenz- und eine Massegutschrift
aufzuteilen:
01-10/2017 |
857.298,10 Euro |
11-12/2017 |
171.459,62 Euro |
Entsprechend den oben dargelegten Ausführungen stellt die anteilige Forschungsprämie
01-10/2017 in Höhe von 857.330 Euro einen negativen Abgabenanspruch der Bf. dar, dessen
zu Grunde liegender Sachverhalt vor Eröffnung des Sanierungsverfahrens verwirklicht
worden war und führt zu einer Insolvenzgutschrift.
Dem steht die Insolvenzforderung des Finanzamtes aus der Umsatzsteuervorauszahlung
10/2017 als aufrechenbare Gegenforderung gegenüber.
Die Aufrechnung der Forschungsprämie im Ausmaß von 857.298,10 mit der Umsatzsteuervorauszahlung
10/2017 erfolgte daher zu Recht.
Die restliche negative Abgabenforderung aus der Forschungsprämie 2017 im Ausmaß von
171.459,62 Euro stellt eine Massegutschrift dar und war nicht mit Insolvenzforderungen
zu verrechnen (aufzurechnen).
B) Aufrechnungsverbot laut Masseverwalter
Nach Ansicht des Masseverwalters sei selbst bei Qualifikation des Prämienanspruchs als negative Insolvenzforderung die Aufrechnung
nur in Höhe der Quote zulässig.
Die Beschwerde beruft sich diesbezüglich auf das Urteil des OGH 01.12.2015, 6 Ob 179/14p:
In diesem Urteil OGH kam der Gerichtshof im verstärkten Senat zur Ansicht,
dass der Insolvenzgläubiger nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans und
Aufhebung des Insolvenzverfahrens nur mehr mit der Sanierungsplanquote seiner Forderung
aufrechnen kann, wenn er von der gesetzlichen Möglichkeit während des Insolvenzverfahrens
gemäß § 19 Abs. 1 IO keinen Gebrauch gemacht hat.
§ 19 IO gewährt somit dem Insolvenzgläubiger die Möglichkeit, gegen Aktivforderungen des
Insolvenzschuldners mit einer Insolvenzforderung aufzurechnen, sofern die Forderungen
zur Zeit der Verfahrenseröffnung bereits aufrechenbar waren und kein Ausschlussgrund
iSd § 20 Abs. 1 IO vorliegt.
Sollte der Gläubiger hingegen ausnahmsweise unverschuldet aus wenn auch nur leichter
Fahrlässigkeit des Insolvenzschuldners an einer außergerichtlichen Aufrechnungserklärung
vor rechtskräftiger Sanierungsplanbestätigung gehindert worden sein, kommt eine (analoge)
Anwendung von § 156 Abs. 4 IO in Betracht.
Nach den § 156 Abs. 4 IO sollen Gläubiger, deren Forderungen nur aus Verschulden des Schuldners im Sanierungsplan
unberücksichtigt blieben, die daraus resultierenden Nachteile nicht treffen. Das ist
dann zu bejahen, wenn der Gläubiger über die Existenz der Forderung nicht Bescheid
weiß und diese Unkenntnis auf einem zumindest fahrlässigen Verhalten des Schuldners
beruht (Lovrek in Konecny/Schubert § 156 KO Rz 141 mwN). Für diese Fälle bietet eine analoge Anwendung von § 156 Abs. 4 IO ein ausreichendes Korrektiv zur Vermeidung der Erstreckung der Sanierungsplanwirkungen
auf Gläubiger, die ihre Aufrechnungsrechte unverschuldet, jedoch aus zumindest leichter
Fahrlässigkeit des Schuldners, nicht rechtzeitig ausgeübt haben.
Zur Frage des Zeitpunktes der Entstehung eines Vergütungs- bzw. Rückforderungsanspruches
wurde bereits oben klargestellt, dass das Bundesfinanzgericht anders als der Masseverwalter
einen Teilbetrag der Forschungsprämie 2017 in Höhe von 857.298,10 Euro als Insolvenzgutschrift
betrachtet.
Die Beschwerde vertritt den Standpunkt, dass nach der rechtskräftigen Bestätigung
und Aufhebung des Sanierungsverfahrens nur mehr eine quotenmäßige Aufrechnung der
Insolvenzforderung Umsatzsteuer 10/2017 mit der Forschungsprämie 2017 möglich gewesen
wäre.
Dem ist zu entgegnen:
Eine frühere Aufrechnung war aus der Sicht des Finanzamtes in Folge unverschuldeter
Unkenntnis von der Entstehung des "negativen Abgabenanspruchs" (Forschungsprämie 2017)
nicht möglich.
Die Schuldnerin beantragte die Forschungsprämie erst nach rechtskräftiger Bestätigung
des Sanierungsplans und Aufhebung des Sanierungsverfahrens. Das Finanzamt konnte danach
während des Sanierungsverfahrens keine Kenntnis vom Prämienanspruch der Schuldnerin
haben.
Selbst wenn die Schuldnerin in der Vergangenheit schon Prämienansprüche geltend gemacht
haben soll, ist es dem Abgabengläubiger nicht vorzuwerfen, keine Erkundigungen über
einen eventuellen Prämienanspruch für 2017 eingeholt zu haben.
Das Finanzamt trifft somit kein Verschulden an der Nichtabgabe einer rechtzeitigen Aufrechnungserklärung.
Demgegenüber hatte die Schuldnerin Kenntnis von ihrem Prämienanspruch und beabsichtigte
damit auch -wie in der Beschwerde vorgebracht- zum Teil die Sanierungsquote zu begleichen.
Indem die Schuldnerin dem Finanzamt ihren Prämienanspruch bis zum Abschluss des Sanierungsverfahrens
verschwiegen hatte, hat sie das Finanzamt an der Abgabe einer Aufrechnungserklärung
während Sanierungsverfahrens schuldhaft gehindert.
Dieses Vorgehen stellt einen eindeutigen Anwendungsfall des § 156 Abs. 4 IO dar.
Gemäß § 156 Abs. 4 IO, der laut OGH im Beschwerdefall analog anzuwenden ist, können Gläubiger, deren Forderungen
nur aus dem Verschulden des Insolvenzschuldners im Insolvenzverfahren unberücksichtigt
geblieben sind, nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Bezahlung ihrer Forderungen
im vollen Betrage vom Insolvenzschuldner verlangen.
Danach war das Finanzamt im Beschwerdefall bei der Aufrechnung nicht an die Sanierungsquote
gebunden.
Das Finanzamt nahm zu Recht die Aufrechnung der Umsatzsteuerschuld 10/2017 mit der
Forderung der Schuldnerin aus der Forschungsprämie 2017 in Höhe von 857.298,10 Euro
vor (siehe dazu: Holly in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 1439 Rz 16, wonach bei einer solchen Fallkonstellation
jedenfalls eine volle Aufrechnungsmöglichkeit gegeben ist). Würde eine Aufrechnungsbefugnis
nach Abschluss eines Ausgleichs nicht mehr zustehen, hätte es der Abgabepflichtige
in der Hand, durch entsprechende Wahl des Zeitpunktes der Einreichung der Arbeitnehmerveranlagungen
eine Kompensation zu verhindern (UFS 27.06.2011, RV/0412-S/08).
C Anfechtung
Hinsichtlich der Anfechtung der Aufrechnung gemäß § 30 IO durch den Masseverwalter, wird auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Nach § 30a IO ist das Insolvenzgericht für solche Verfahren zuständig. Eine Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes
ist nach den maßgeblichen verfahrensrechtlichen Regeln nicht vorgesehen.
Unzulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche
Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes
abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der
bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet
wird.
Nach der Judikatur der Höchstgerichte, respektive des Verwaltungsgerichtshofes, ist
es hinreichend geklärt, das die Einordnung von Insolvenzforderungen (Insolvenzgutschriften)
und Masseforderungen (Massegutschriften) nach dem Zeitpunkt der Verwirklichung des
auslösenden Sachverhaltes zu beurteilen und eine unterjährige Aufteilung vorzunehmen
ist.
Auch das Recht zur Aufrechnung von Insolvenzforderungen mit Insolvenzgutschriften
selbst nach rechtskräftiger Bestätigung des Schuldenregulierungsverfahrens wurde vom
Verwaltungsgerichtshof hinreichend geklärt, dies vor allem dann, wenn wie im Beschwerdefall
die Aufrechnungserklärung des Gläubigers wegen Verschweigens der Gegenforderung durch
den Schuldner verschuldet ist.
Es liegt demnach keine ungeklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die Revision nicht zulässig ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Graz, am 22. November 2019