Richtlinie des BMF vom 31.03.2023, 2023-0.039.376 gültig ab 31.03.2023

EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000

9 Besondere Gewinnermittlungsvorschriften (§§ 10 bis 13 EStG 1988) und besondere Verlustberücksichtigungsvorschriften

9.1 Freibetrag für investierte GewinneGewinnfreibetrag (§ 10 EStG 1988, Rechtslage bis zur Veranlagung 2009)

9.1.1 Allgemeines

3701

Einkommensteuerpflichtigen mit betrieblichen Einkünften steht ein Gewinnfreibetrag zu. Er setzt für Gewinne bis 30.000 Euro keine Investitionsdeckung voraus; erst die über 30.000 Euro hinausgehenden Gewinne müssen durch Investitionen in begünstigte Wirtschaftsgüter gedeckt sein.

3702

Der Gewinnfreibetrag für Gewinne bis 30.000 Euro wird als "Grundfreibetrag" bezeichnet. Bei mehreren Betrieben mit positivem Betriebsergebnis (darunter fallen sowohl Einzelbetriebe als auch "Bündelbetriebe" im Rahmen von Mitunternehmerschaften) werden die Gewinne für den Grundfreibetrag zusammengerechnet. Dabei werden nur positive Ergebnisse einbezogen, Verluste bleiben unberücksichtigt.

Für Gewinne über 30.000 Euro steht ein Gewinnfreibetrag insoweit zu, als er durch Anschaffungs- oder Herstellungskosten begünstigter Wirtschaftsgüter gedeckt ist. Dieser Teil des Gewinnfreibetrages wird als "investitionsbedingter Gewinnfreibetrag" bezeichnet.

3703

Bei Gewinnermittlung durchDer Gewinnfreibetrag steht allen betrieblichen Einkunftsarten offen. Er ist sowohl bei Einnahmen-Ausgaben-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG 1988) kann ab der Veranlagung 2007 ein Freibetrag für investierte Gewinne (§ 10 EStG 1988 in der Fassung vor dem Steuerreformgesetz 2009, BGBl. I Nr. 26/2009) als fiktive Betriebsausgabe geltend gemacht werdenauch bei Bilanzierung möglich. Der Freibetrag für investierte Gewinne kann letztmalig bei der Veranlagung fürDie Anschaffung oder Herstellung begünstigter Wirtschaftsgüter muss in einem Wirtschaftsjahr erfolgen, das Jahr 2009 geltend gemacht werden; ab der Veranlagung 2010 kann ein Gewinnfreibetrag (§ 10 EStG 1988 in der Fassung des Steuerreformgesetzes 2009, BGBlim selben Veranlagungsjahr endet. I Nr. 26/2009) geltend gemacht werden (siehe dazu Rz 3819).

Bei Inanspruchnahme einer Vollpauschalierung (zB Pauschalierung für Gastwirte, Lebensmitteleinzel- und Gemischtwarenhändler, land- und forstwirtschaftliche Vollpauschalierung) steht kein Freibetrag für investierte Gewinne zu (vgl. VwGH 04.03.2009, 2008/15/0333).

9.1.1.1 Gewinn

3704

Bei Inanspruchnahme einer Teilpauschalierung stehtBemessungsgrundlage ist der Freibetrag nur bei der Handelsvertreter-Gewinn ohne Veräußerungsgewinne im Sinne des § 24 EStG 1988 und der Künstler/Schriftsteller-Pauschalierung zuohne betriebliche Kapitalerträge im Sinne des § 27 Abs. 2 Z 1 und Z 2 EStG 1988, da (nur) nach diesen Pauschalierungsverordnungen ein Freibetrag fürwenn sie mit einem besonderen Steuersatz gemäß § 27a Abs. 1 EStG 1988 investierte Gewinne nicht vom Betriebsausgabenpauschale erfasst istbesteuert werden. Bei Inanspruchnahme der gesetzlichen Basispauschalierung (§ 17 Abs. 1 EStG 1988) steht kein Freibetrag für investierte Sind im Betriebsgewinn sondersteuersatzbegünstigte Substanzgewinne oder Gewinne aus Kryptowährungen enthalten, sind diese Gewinne zu (VwGH 04.03.2009, stets (unabhängig von einer Regelbesteuerungsoption) in die 2008/15/0333)Bemessungsgrundlage für den Gewinnfreibetrag einzubeziehen.

Ein Übergangsgewinn erhöht die Bemessungsgrundlage, ein Übergangsverlust vermindert nach Maßgabe des § 4 Abs. 10 Z 1 EStG 1988 (Siebentelregelung) die Bemessungsgrundlage.

Grundstücksgewinne, die dem besonderen Steuersatz unterliegen, sind in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, unabhängig davon, ob sie zum Tarif oder mit dem Sondersteuersatz besteuert werden.

3705

Wird bei sondersteuersatzbegünstigten Gewinnen von der Regelbesteuerung kein Gebrauch gemacht, ist eine Zuordnung des Gewinnfreibetrages vorzunehmen. Sofern auch ein investitionsbedingter Gewinnfreibetrag in Anspruch genommen wird, betrifft die Zuordnung sowohl den Grundfreibetrag als auch den investitionsbedingten Gewinnfreibetrag. Ein ausschließlicher Abzug des Gewinnfreibetrages von den Tarifeinkünften kommt jedenfalls nicht in Betracht.

Für die Zuordnung gilt:

  • In einem ersten Schritt ist die Höhe des Gewinnfreibetrages auf der Grundlage des (gesamten) Betriebsgewinnes zu ermitteln. Liegt ein Gesamtverlust vor, besteht kein Anspruch auf einen (anteiligen) Gewinnfreibetrag für einen darin allenfalls enthaltenen sondersteuersatzbegünstigten Gewinn.
  • Steht ein Gewinnfreibetrag auf Grund eines betrieblichen Gesamtgewinnes zu, ist der gesamte Gewinnfreibetrag in einem zweiten Schritt nach dem Verhältnis aufzuteilen, in dem der Teil der tarifsteuerpflichtigen Einkünfte und der Teil der mit Sondersteuersatz besteuerten Substanzgewinne zum Betriebsgewinn beiträgt.

Beispiele:

1.Der Verlust beträgt 2.000 €. Davon sind 10.000 € laufender Verlust und 8.000 € ein Gewinn aus dem Verkauf eines Betriebsgrundstückes, der mit 30% besteuert wird. Im Hinblick auf den Gesamtverlust steht kein GFB zu.

2.Der Gewinn beträgt 20.000 €. Davon sind 2.000 € laufender Verlust und 22.000 € ein Gewinn aus dem Verkauf eines Betriebsgrundstückes, der mit 30% besteuert wird. Bemessungsgrundlage für den Gewinnfreibetrag (Grundfreibetrag) ist der (gesamte) Betriebsgewinn, das sind 20.000 €. Der GFB beträgt daher 15% von 20.000 €, somit 3.000 €. Der gesamte GFB ist nur dem Grundstücksveräußerungsgewinn zuzuordnen, dieser beträgt daher 19.000 €.

3.Der Gewinn beträgt 50.000 €. Davon sind 40.000 € laufender Gewinn und 10.000 € ein Gewinn aus dem Verkauf eines Betriebsgrundstückes, der mit 30% besteuert wird. Bemessungsgrundlage für den GFB ist der (gesamte) Betriebsgewinn, das sind 50.000 €. Der GFB beträgt daher 15% von 30.000 € und 13% von 20.000 €, somit 7.100 €. Der gesamte GFB ist zu 80% dem laufenden Gewinn und zu 20% dem Grundstücksveräußerungsgewinn zuzuordnen. Der tarifmäßig zu berücksichtigende GFB beträgt daher 5.680 € (80% von 7.100); er gliedert sich entsprechend anteilig in einen Grundfreibetrag iHv 3.600 € (80% von 4.500) und einen investitionsbedingten Gewinnfreibetrag iHv 2.080 € (80% von 2.600). Der auf den Grundstücksgewinn entfallende GFB beträgt 1.420 € und entfällt iHv 900 € (20% von 4.500) auf den Grundfreibetrag und iHv 520 € (20% von 2.600) auf den investitionsbedingten Gewinnfreibetrag. Die Einkünfte betragen:

Gewinn
vor GFB

Grund-FB

Investitionsbedingter GFB

Gewinn
nach GFB

Tarifeinkünfte

40.000

3.600

2.080

34.320

Sondersteuersatzeinkünfte

10.000

900

520

8.580

Gesamt

50.000

4.500

2.600

42.900

Eine allfällige Nachversteuerung des Gewinnfreibetrages (Rz 3735 ff) erfolgt im Rahmen des Besteuerungsregimes, in dem sich der Gewinnfreibetrag ausgewirkt hat. Die Bestimmungen, die hinsichtlich des investitionsbedingten Gewinnfreibetrags die Deckungs-, Ausweis- und Nachversteuerungsverpflichtungen betreffen, gelten auch bei Berücksichtigung des Gewinnfreibetrages im Rahmen der Besteuerung mit einem Sondersteuersatz. Dementsprechend ist erforderlichenfalls beim Deckungswirtschaftsgut danach zu differenzieren, ob dieses einen im Rahmen des Tarifs berücksichtigten Gewinnfreibetrag oder einen im Rahmen der Besteuerung mit einem Sondersteuersatz berücksichtigten Gewinnfreibetrag deckt.

3706

Es bestehen keine BedenkenGewinne, die nach Durchschnittssätzen gemäß § 17 EStG 1988 oder auf Grundlage einer darauf gestützten Verordnung durch Teil- oder Vollpauschalierung pauschal ermittelt worden sind, auch bei Inanspruchnahme der Verordnung für nichtbuchführende Gewerbetreibende, BGBlkönnen ebenfalls in die Ermittlung des Grundfreibetrages einbezogen werden. Nr. 55/1990Für derartige pauschal ermittelte Gewinne kann allerdings nur der Grundfreibetrag, neben dem Betriebsausgabenpauschale einen Freibetrag für investierte Gewinnenicht aber ein investitionsbedingter Gewinnfreibetrag geltend zu machengemacht werden.

Bei Inanspruchnahme der Sportlerpauschalierung (BGBl. II Nr. 418/2000) kann der Freibetragneben dem Grundfreibetrag auch ein investitionsbedingter Gewinnfreibetrag in Anspruch genommen werden. In diesem Fall ist ein Drittel des unter Berücksichtigung des Freibetragesder Freibeträge ermittelten Gewinnes bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen; zwei Drittel des unter Berücksichtigung des Freibetragesder Freibeträge ermittelten Gewinnes sind progressionserhöhend zu berücksichtigen (§ 2 und § 3 der Sportlerpauschalierungsverordnung).

3702

Der Freibetrag setzt voraus, dass in dem betreffenden Wirtschaftsjahr aus dem jeweiligen Betrieb vor Inanspruchnahme des Freibetrages ohne Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinnes bzw. eines Übergangsgewinnes ein (laufender) Gewinn erzielt wird.

Bei Vorhandensein mehrerer Teilbetriebe oder einer betrieblichen Mitunternehmerbeteiligung steht ein Freibetrag daher nur zu, wenn das gesamte (laufende) Betriebsergebnis einen Gewinn darstellt.

Beispiel:

A hält im Rahmen seines Betriebes als Einzelunternehmer eine Beteiligung an der AB-GesbR. Der Betrieb des A erzielt (vor Berücksichtigung des Betriebsergebnisses der GesbR) einen Verlust von 10.000 Euro. Der Gewinnanteil aus der GesbR beträgt 15.000 Euro. Da insgesamt ein Gewinn erzielt wird, steht ein Freibetrag zu, sodass für Investitionen des A in seinem Betrieb, dem A zuzurechnende Investitionen im Vermögen der GesbR sowie für Investitionen des A in seinem Sonderbetriebsvermögen bei der AB-GesbR ein Freibetrag zusteht.

Der Freibetrag steht höchstens in Höhe der (gegebenenfalls um steuerfreie Subventionen oder übertragene stille Reserven gekürzten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten begünstigter Wirtschaftsgüter zu. Insgesamt darf der Freibetrag höchstens 10% des (laufenden) Gewinnes des Betriebes (vor Freibetrag) ohne Übergangs- und Veräußerungsgewinne betragen. Er ist überdies mit 100.000 Euro im Kalenderjahr begrenzt. Bei Vorhandensein mehrerer Betriebe steht dem Steuerpflichtigen der Höchstbetrag von 100.000 Euro insgesamt nur einmal zu.

Der Freibetrag kann wahlweise in Anspruch genommen werden. Das Wahlrecht kann jährlich unabhängig von der Vorgangsweise in früheren Zeiträumen ausgeübt werden. Der Freibetrag muss nicht schon ab Beginn des Betriebes oder der Mitunternehmerstellung in Anspruch genommen werden.