Richtlinie des BMF vom 17.12.2014, BMF-010222/0084-VI/7/2014 gültig von 17.12.2014 bis 10.12.2015

LStR 2002, Lohnsteuerrichtlinien 2002

Die Lohnsteuerrichtlinien 2002 stellen einen Auslegungsbehelf zum Einkommensteuergesetz 1988 dar, der im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise mitgeteilt wird. Die Lohnsteuerrichtlinien sind als Zusammenfassung des geltenden Lohnsteuerrechts und somit als Nachschlagewerk für die Verwaltungspraxis und die betriebliche Praxis anzusehen. Sie basieren auf den Lohnsteuerrichtlinien 1999.
  • 3 STEUERBEFREIUNGEN (§ 3 EStG 1988)

3.4 Hochrechnung steuerfreier Bezugsteile bei der Veranlagung von lohnsteuerpflichtigen Einkünften (§ 3 Abs. 2 EStG 1988)

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Bestimmte steuerfreie Bezüge lösen bei Durchführung der (Arbeitnehmer-)Veranlagung im Sinne des § 41 Abs. 1 oder 2 EStG 1988 eine besondere Berechnung aus. Es handelt sich dabei um folgende Transferleistungen:

  • Das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen (§ 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988),
  • die Überbrückungshilfe nach § 3 Abs. 1 Z 5 lit. c EStG 1988,
  • bestimmte Bezüge der Soldaten nach § 3 Abs. 1 Z 22 lit. a EStG 1988,
  • Geldleistungen gemäß § 3 Abs. 1 des BG über die Entsendung von Soldaten zur Hilfeleistung in das Ausland (§ 3 Abs. 1 Z 22 lit. b EStG 1988),
  • Bezüge der Zivildiener gemäß § 25 Abs. 1 Z 4 und 5 des Zivildienstgesetzes (§ 3 Abs. 1 Z 23 EStG 1988).

Sind die grundsätzlich hochzurechnenden Einkünfte insgesamt negativ, unterbleibt eine Hochrechnung (siehe auch UFS vom 10.09.2009, RV/0497-K/07).

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Hochzurechnen sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen

  • laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 und
  • die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4 EStG 1988).

Die Hochrechnung betrifft aber nur jene Einkünfte, die außerhalb des Zeitraumes des Bezuges der oben angeführten Transferleistungen bezogen wurden ("für das restliche Kalenderjahr"). Gleichzeitig während der Zeit der Transferleistungen bezogene Einkünfte sind daher nicht auf einen Jahresbetrag hochzurechnen (zB. Ebenso sind ganzjährig bezogene Pensionen, neben dem Arbeitslosengeld sowie ganzjährig bezogene (geringfügige) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht bei der Hochrechnung zu berücksichtigen (VwGH 20.07.1999, 94/13/0024, BFG 05.03.2014, RV/6100112/2014)). Bei Bezug von Krankengeld anstelle des Arbeitslosengeldes oder der Notstandshilfe siehe Rz 671.

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Die Berechnungsmethode hat den Effekt, dass bei Durchführung einer (Arbeitnehmer-)Veranlagung jener Zeitraum, während dessen der Steuerpflichtige die angegebenen Transferleistungen bezieht, neutralisiert wird. Die (Arbeitnehmer-)Veranlagung ist somit in ihrer Wirkung auf jenen Zeitraum beschränkt, in dem Erwerbs- bzw. Pensionseinkünfte oder überhaupt keine Einkünfte erzielt werden. Eine lediglich auf den Bezug steuerfreier Transferleistungen zurückzuführende Progressionsmilderung ist damit ausgeschlossen. Andere Umstände (zB zeitweises Fehlen jeglicher Einkünfte, unterschiedliche Bezugshöhe, nachträgliche Geltendmachung besonderer Aufwendungen) bewirken hingegen eine entsprechende Progressionsmilderung.

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Die Verkürzung des Veranlagungszeitraumes ergibt sich daraus, dass die steuerpflichtigen Lohnbezüge für die Dauer des Bezuges solcher Leistungen auf fiktive Jahreseinkünfte hochgerechnet werden. Andere Einkünfte, die während des Bezugs derartiger Transferleistungen zufließen, sind immer in der tatsächlichen Höhe anzusetzen. Umzurechnen sind nur die laufenden Einkünfte. Sonstige Bezüge sind nur dann hochzurechnen, wenn sie zum laufenden Tarif versteuert werden (§ 67 Abs. 10 EStG 1988). Zur Vermeidung einer Vervielfachung des Werbungskostenpauschales, das auch bei nicht ganzjähriger Beschäftigung jeweils in voller Höhe zusteht, werden die umzurechnenden Einkünfte noch nicht um das Werbungskostenpauschale gekürzt. Werbungskosten werden, wenn sie tatsächlich angefallen sind (auch wenn sie das Werbungskostenpauschale nicht überschreiten), bei der Ermittlung der umzurechnenden Einkünfte in Entsprechung des Nettoprinzips berücksichtigt. Das Werbungskostenpauschale wird (gegebenenfalls nur in dem Ausmaß, in dem es die tatsächlichen Werbungskosten übersteigt) erst nach der Hochrechnung von den Einkünften abgezogen (VwGH 26.05.1998, 97/14/0067, 98/14/0040; VwGH 27.05.1998, 98/13/0045).

Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und während der Transferleistung bezogene Einkünfte sind erst beim Gesamtbetrag der sich nach Umrechnung ergebenden Einkünfte zu berücksichtigen. Aus dieser Grundlage sind die Jahressteuer sowie die prozentuelle Durchschnittssteuerbelastung zu errechnen. Der Prozentsatz der Durchschnittssteuerbelastung wird auf das im Kalenderjahr tatsächlich erzielte zu versteuernde Einkommen angewendet. Die sich ergebende Steuer ist jener gegenüberzustellen, die sich bei einer Vollbesteuerung der Transferleistungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn ergeben würde (Kontrollrechnung). Maßgebend ist jeweils die niedrigere Steuerbelastung.

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Da die Bestimmung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 auf einen Durchschnittssteuersatz abstellt, kommt wie beim allgemeinen Progressionsvorbehalt die in § 33 Abs. 10 EStG 1988 zentral verankerte Berechnung zur Anwendung. Die in Frage kommenden Steuerabsetzbeträge werden daher bereits bei der Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes berücksichtigt. Diese Abzüge sind nach Anwendung des Durchschnittssteuersatzes nicht nochmals abzuziehen (VwGH 26.5.1998, 97/14/0067, 98/14/0040; VwGH 27.5.1998, 98/13/0045).

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Um dieses Verfahren zu ermöglichen, wird den die genannten Bezüge auszahlenden Stellen eine besondere Mitteilungspflicht auferlegt. Die VO, die das nähere Verfahren im Falle eines Datenträgeraustausches regelt, ist im BGBl. II Nr. 9/1997 kundgemacht.

118a

Beispiel (Rechtslage 2010):

Sachverhalt:

Steuerpflichtige Bezüge

(1. Jänner - 21. November)

25.220,00 Euro

Arbeitslosengeld (40 Tage)

(22.November - 31. Dezember)

1.807,00 Euro

Steuer für sonstige Bezüge (6%)

217,29 Euro

Anrechenbare Lohnsteuer

5.678,38 Euro

1. Hochrechnung:

Berechnung des Durchschnittssteuersatzes:

Steuerpflichtige Bezüge : Zeitraum des laufenden Bezuges in Tagen x Tage des Jahres = 25.220 Euro : 325 x 365 =

28.324 Euro

- Pauschbetrag für Werbungskosten

- 132 Euro

- Pauschbetrag für Sonderausgaben

- 60 Euro

Hochgerechnetes Einkommen

28.132 Euro

(28.132 - 25.000) × 15.125

+ 5.110

6.463,47 Euro

_______________________

35.000

- Arbeitnehmerabsetzbetrag

- 54,00 Euro

- Verkehrsabsetzbetrag

- 291,00 Euro

Jahressteuer

6.118,47 Euro

Durchschnittssteuersatz:

Jahressteuer : Einkommen x 100 = 6.118,47: 28.132 x 100

21,75%

Berechnung der Einkommensteuer:

Steuerpflichtige Bezüge

25.220 Euro

- Pauschbetrag für Werbungskosten

- 132 Euro

- Pauschbetrag für Sonderausgaben

- 60 Euro

Einkommen

25.028 Euro

21,75% von 25.028 Euro

5.443,59 Euro

+ Steuer für sonstige Bezüge (6%)

217,29 Euro

Zwischensumme

5.660,88 Euro

- Anrechenbare Lohnsteuer

- 5.678,38 Euro

Gutschrift

17,50 Euro

2. Kontrollrechnung ( = Behandlung des Arbeitslosengeldes als steuerpflichtig)

Steuerpflichtige Bezüge

25.220 Euro

+ Arbeitslosengeld

1.807 Euro

- Pauschbetrag für Werbungskosten

- 132 Euro

- Pauschbetrag für Sonderausgaben

- 60 Euro

Einkommen

26.835 Euro

(26.835 - 25.000) × 15.125

+5.110

5.902,98 Euro

_______________________

35.000

- Arbeitnehmerabsetzbetrag

- 54,00 Euro

- Verkehrsabsetzbetrag

- 291,00 Euro

5.557,98 Euro

+ Steuer für sonstige Bezüge (6%)

217,29 Euro

Zwischensumme

5.775,27 Euro

- Anrechenbare Lohnsteuer

- 5.678,38 Euro

Nachzahlung

- 96,89 Euro

Nach dem Günstigkeitsvergleich gemäß § 3 Abs. 2, 2. Unterabsatz, 2. Halbsatz EStG 1988ergibt die Einkommensteuerberechnung eine Gutschrift von 17,50 Euro.

118b

Die Rückzahlung steuerfreier Bezüge, die gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 eine besondere Berechnung auslösen, führt im Jahr der Rückzahlung weder zu Werbungskosten noch ist eine Art "umgekehrte" Hochrechnung für dieses Jahr durchzuführen. Die Rückzahlung stellt ein rückwirkendes Ereignis dar, das zu einer Bescheidänderung gemäß § 295a BAO führt; es ist daher der Einkommensteuerbescheid des Jahres, in dem die Bezüge gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 in die Hochrechnung einbezogen wurden, gemäß § 295a BAO abzuändern.

Beispiel:

Ein Arbeitnehmer hat im Kalenderjahr 2005 Arbeitslosengeld erhalten, das im Rahmen der Veranlagung für das Jahr 2005 in die Hochrechnung einbezogen wurde. Im Jahr 2006 muss er es zur Gänze zurückzuzahlen. Der Bescheid für das Jahr 2005 ist gemäß § 295a BAO abzuändern. Die Veranlagung ist ohne Berücksichtigung des Arbeitslosengeldes durchzuführen.