Richtlinie des BMF vom 22.08.2007, BMF-010201/0013-VI/6/2007 gültig von 22.08.2007 bis 13.10.2013

UmgrStR 2002, Umgründungssteuerrichtlinien 2002

Beachte
  • Soweit sich die durch den Wartungserlass vom 22. August 2007, BMF-010201/0013-VI/6/2007 geänderten Textstellen nicht auf die Erläuterung von Novellen beziehen, sind sie generell auf Umgründungen mit Vertragstag nach dem 31. August 2007 anzuwenden.
  • 3. Einbringungen (Art. III UmgrStG)
  • 3.4. Steuerliche Bewertung des einzubringenden Vermögens (§§ 16 und 17 UmgrStG)
  • 3.4.2. Bewertung von einzubringendem Betriebsvermögen (§ 16 UmgrStG)

3.4.2.6. Rückwirkende Korrekturen hinsichtlich des einzubringenden Vermögens

3.4.2.6.1. Allgemeines
3.4.2.6.1.1. Funktion
873

Grundsätzlich sind Vermögensveränderungen in der Zeit zwischen dem dem Einbringungsstichtag folgenden Tag und dem Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrages nicht mehr dem Einbringenden, sondern bereits der übernehmenden Körperschaft zuzurechnen. Dies gilt nicht,

  • soweit Korrekturen im Sinne des § 16 Abs. 5 UmgrStG vorgenommen werden (Rz 874 ff)
  • soweit einzelne im Einbringungsvertrag ausdrücklich bestimmte Geschäftsvorfälle zurückbehalten werden (Rz 889).

Dies ergibt sich aus § 13 Abs. 1 UmgrStG, womit der Einbringungsstichtag als steuerlicher Vermögensübergangsstichtag festgelegt wird.

874

§ 16 Abs. 5 UmgrStG eröffnet dem Einbringenden verschiedene Möglichkeiten, das einzubringende Vermögen in seinem zum Einbringungsstichtag bestehenden Umfang und Wert zu verändern. Die Besonderheit der Vorschrift des § 16 Abs. 5 UmgrStG liegt in der Schaffung eines Instrumentariums, mit dessen Hilfe im Regelfall der rückwirkenden Einbringung sowohl Erhöhungen als auch Verminderungen des Umfanges des einzubringenden Vermögens zu dem in der Vergangenheit liegenden Einbringungsstichtag mit steuerlicher Wirkung (entgegen dem sonst geltenden steuerlichen Rückwirkungsverbot) durchgeführt werden können.

875

Der Katalog des § 16 Abs. 5 UmgrStG umfasst folgende Gestaltungsmöglichkeiten:

  • Rückbeziehung von im Rückwirkungszeitraum tatsächlich getätigten EinlagenBar- und EntnahmenSacheinlagen und Bar- und Sachentnahmen (§ 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG)
    • Rückbeziehung von vorbereiteten aber nicht getätigten und daher "unbaren" Entnahmen durch Einstellen einer (über getätigte Entnahmen hinausgehenden) Passivpost (§ 16 Abs. 5 Z 2 UmgrStG)
  • Rückbeziehung von nicht getätigten, dh. vorbehaltenen Entnahmen durch Einstellen einer (über getätigte Entnahmen hinausgehenden) Passivpost (§ 16 Abs. 5 Z 2 UmgrStG)
  • Rückbeziehung des Zurückbehaltens von Anlagevermögen als Entnahmetatbestand und Verbindlichkeiten als Einlagetatbestand (§ 16 Abs. 5 Z 3 UmgrStG)
  • Rückbeziehung des Zurückbehaltens von Wirtschaftsgütern im verbleibenden Betrieb des Einbringenden oder der Zuführung aus demselben (Verschiebetechnik; § 16 Abs. 5 Z 4 UmgrStG)
  • Rückbeziehung von Gewinnausschüttungen, Gesellschaftereinlagen und Einlagenrückzahlungen auf das einzubringende Vermögen der Körperschaft (§ 16 Abs. 5 Z 5 UmgrStG).
876

Durch diese Korrekturen werden der Buch- wie auch der Verkehrswert des übertragenen Vermögens verändert. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung bestehen keine Bedenken, bei einer auf die Feststellung des Verkehrswertes folgenden Korrektur dieser durch lineare Absenkung oder Erhöhung von Buch- und Verkehrswert Rechnung zu tragen.

877

Die rückwirkenden Korrekturen im Sinne des § 16 Abs. 5 UmgrStG sind auf jene Tatbestände beschränkt, die in Z 1 bis 5 der genannten Vorschrift aufgezählt sind. Maßnahmen des Einbringenden außerhalb dieses Kataloges können daher nicht auf den Einbringungsstichtag rückbezogen werden, sondern sind - sofern sie nach dem Einbringungsstichtag stattfinden - ertragsteuerlich als Geschäftsfälle zwischen dem Einbringenden und der übernehmenden Körperschaft zu behandeln. Zu den außerhalb der rückbezogenen Korrekturen möglichen Dispositionen siehe Rz 889.

878

Das Instrumentarium des § 16 Abs. 5 UmgrStG kann insb. zu folgenden Zwecken eingesetzt werden:

  • Herstellung des am Einbringungsstichtag nicht vorliegenden positiven Verkehrswertes des einzubringenden Vermögens
  • Veränderung der Kapitalstruktur des einzubringenden Vermögens zur Anpassung an vorgegebene Beteiligungsverhältnisse in der übernehmenden Körperschaft
  • Trennung von Besitz und Betrieb durch das Zurückbehalten von Anlagevermögen
  • Minderung/Erhöhung des Wertes des einzubringenden Vermögens zur Erreichung einer niedrigeren/höheren Beteiligungsquote des Einbringenden.
879

Die Maßnahmen im Sinne des § 16 Abs. 5 UmgrStG sind insoweit beschränkt, als die Voraussetzungen des § 12 UmgrStG gewahrt bleiben müssen. Sie dürfen daher weder zum Verlust der Betriebs- oder Teilbetriebseigenschaft noch zu einem negativen Verkehrswert des einzubringenden Vermögens führen.

880

In sachlicher Hinsicht beschränkt sich der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 5 UmgrStG auf Korrekturen bei der Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen. Bei der Einbringung von Mitunternehmeranteilen bezieht sich das Instrumentarium des § 16 Abs. 5 UmgrStG neben dem Gesellschaftsanteil auch auf variable Kapitalkonten (siehe Rz 719) und das Sonderbetriebsvermögen. Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens können daher insb. nach Maßgabe der § 16 Abs. 5 Z 1, 3 oder 4 UmgrStG zurückbehalten werden.

881

Bei Einbringung von Kapitalanteilen steht das Instrumentarium des § 16 Abs. 5 UmgrStG nicht zur Verfügung, sodass etwa eine im Rückwirkungszeitraum an den Einbringenden erfolgte Ausschüttung steuerlich bereits der übernehmenden Körperschaft zuzurechnen ist. Ein Zurückbehalten dieses Anspruchs durch einen im Einbringungsvertrag verankerten Vorbehalt der Ausschüttung zugunsten des Einbringenden stellt jedoch im Hinblick auf die wirtschaftliche Vergleichbarkeit mit einer rückwirkenden Entnahme keinen Verstoß gegen die Anwendungsvoraussetzungen des Art. III UmgrStG dar. Die im Rückwirkungszeitraum erfolgte Ausschüttung ist aber steuerlich dennoch in einem ersten Schritt der übernehmenden Körperschaft (als steuerfreier Beteiligungsertrag gemäß § 10 Abs. 1 KStG 1988) zuzurechnen. In einem zweiten Schritt ist dann eine als Einkommensverwendung zu qualifizierende Auszahlung an den Einbringenden anzunehmen, die bei einbringenden Körperschaften wiederum als steuerfreier Beteiligungsertrag zu behandeln ist und bei einbringenden natürlichen Personen unter die Endbesteuerung gemäß § 97 EStG 1988 fällt.

3.4.2.6.1.2. Persönlicher Anwendungsbereich
882

Der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 5 UmgrStG ist hinsichtlich der Z 5 auf einbringende Körperschaften beschränkt, während dieDie Regelungen der Z 1 bis, 3 und 4 enthalten keine ausdrückliche Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereiches beinhalten.

Die rückwirkenden Korrekturmöglichkeiten der § 16 Abs. 5 Z 1 bis 3 UmgrStG sind in erster Linie auf natürliche Personen bezogen, bei denen die Begriffe Entnahmen und Einlagen im Sinne des § 6 EStG 1988 Bedeutung haben, damit sind aber Körperschaften nicht von der Anwendung dieser Regelungen ausgeschlossen.

  • Natürliche Personen (Einzel- oder Mitunternehmer) können in erster Linie die Z 1 bis 3 nutzen, da bei ihnen die Begriffe Entnahmen und Einlagen im Sinne des § 6 EStG 1988 Bedeutung haben, sie können weiters bei Teileinbringungen die Verschiebetechnik der Z 4 anwenden.
  • Körperschaften können die Z 1 und 3 insoweit nutzen, als sie neben der betrieblichen auch eine außerbetriebliche Sphäre besitzen (zB ein Verein), die Z 4 steht auch ihnen bei Teileinbringungen zur Verfügung. Bei den unter § 7 Abs. 3 KStG 1988 fallenden Körperschaften beschränkt sich der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 5 UmgrStG auf die Z 4 und Z 5.
883

Im Bereich der öffentlichen Hand sind Betriebe gewerblicher Art strukturell durch ein fiktives Trennungsprinzip gekennzeichnet, sodass eine einer unter § 7 Abs. 3 KStG 1988 fallenden Körperschaft vergleichbare ausschließlich betriebliche Sphäre vorliegt.

Die Einbringung des gesamten Betriebes des keine Rechtsfähigkeit besitzenden Steuersubjekts "Betrieb gewerblicher Art" nach Art. III UmgrStG führt zum Untergang dieses Steuersubjektes, sodass rückwirkende Korrekturen im Sinne des § 16 Abs. 5 UmgrStG entsprechend der in Lehre und Rechtsprechung entwickelten steuerlichen Beziehung der Trägerkörperschaft zum Betrieb gewerblicher Art als jener des Alleingesellschafters zur Gesellschaft vergleichbar auf § 16 Abs. 5 Z 5 UmgrStG beschränkt sind.

884

Bei der Einbringung des gesamten Betriebes eines Rechtspersönlichkeit besitzenden Steuersubjekts "Betrieb gewerblicher Art" besteht der Rechtsträger nach der Umgründung als Gesellschafter der übernehmenden Körperschaft weiter, er geht allerdings mangels eines Restbetriebes als Steuersubjekt unter. Dies ändert allerdings nichts an der Möglichkeit, rückwirkende Korrekturen im Sinne des § 16 Abs. 5 Z 2 und 3 UmgrStG vorzunehmen, da die Trägerkörperschaft einem Einzelunternehmer vergleichbar Wirtschaftsgüter zurückbehalten kann. Im Hinblick auf die bis zur Umgründung gegebene ausschließlich betriebliche Sphäre kommen tatsächliche Entnahmen oder Einlagen im Sinne des § 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG in der Zeit zwischen dem Stichtag und dem Vertragstag nicht in Betracht, esEinbringungsbedingt ist aber die Möglichkeit einer sinngemäßen Anwendung des Instruments der unbaren Entnahme im Sinne des § 16 Abs. 5 Z 2 UmgrStG durch Ansatz eines Passivpostens in der Einbringungsbilanz oder des Zurückbehaltens von Anlagegütern oder Verbindlichkeiten im Sinne des § 16 Abs. 5 Z 3 UmgrStG durch Nichtansatz in der Einbringungsbilanz gegeben. Die Verschiebetechnik des § 16 Abs. 5 Z 4 UmgrStG kommt im Hinblick auf den Verlust der Eigenschaft eines Steuersubjekt nicht in Betracht.zu unterscheiden:

  • Die Einbringung des gesamten Betriebes gewerblicher Art beendet mit Ablauf des Einbringungsstichtages das Steuersubjekt "Betrieb gewerblicher Art". Es liegt eine einer Verschmelzung ähnliche Umgründung vor, die Gegenleistung kommt daher der Trägerkörperschaft (KöR) zu. Die Möglichkeit, rückwirkende Korrekturen im Sinnes der § 16 Abs. 5 UmgrStG vorzunehmen, beschränkt sich auf die Z 5. Das Zurückbehalten von Anlagegütern und Verbindlichkeiten im Sinne des § 16 Abs. 5 Z 3 UmgrStG ist im Hinblick auf das vorgenannte Trennungsprinzip nicht möglich, diesbezüglich liegt durch die Übertragung auf die Trägerkörperschaft ein Fall der Gewinnverwirklichung vor.
  • Die Einbringung eines Teilbetriebes, Mitunternehmeranteiles oder Kapitalanteiles ist nach den Regeln des Art. III UmgrStG zu beurteilen, es können die rückwirkenden Korrekturen gemäß § 16 Abs. 5 Z 4 und Z 5 UmgrStG genutzt werden, da der Betrieb gewerblicher Art bestehen bleibt.
3.4.2.6.1.3. Zweifelsfragen
885

Soweit rückwirkende Korrekturen vom Ansatz eines Postens oder vom Nichtansatz eines Aktivums oder Passivums in der Einbringungsbilanz abhängig sind, hat der Bilanzausweis Bindungswirkung. Liegt ein offenkundiger Widerspruch zwischen dem umgründungssteuerrechtlich maßgebenden Einbringungsvertrag und der Darstellung in der Einbringungsbilanz vor, ist zu prüfen, ob ein vertragswidriger und damit fehlerhafter Ausweis vorliegt, der eine steuerwirksame Korrektur rechtfertigt.

886

Im Falle einer Einbringung mit Anteilsgewährung ist die Prüfung insofern einfach, als aus den Unterlagen (zB Gutachten) und der Vertragsdarstellung das für die beabsichtigte Anteilsgewährung maßgebende Umtauschverhältnis erkennbar sein muss. Es kann daher auch ein im Vertrag zitiertes steuerliches Einbringungskapital, das konform mit der Einbringungsbilanz die Entnahme nicht einbezieht, kein Beweis für die Nichtberücksichtigung sein, wenn das Umtauschverhältnis auf Basis eines um die Entnahme verminderten Buch- und Verkehrswertes bestimmt wurde.

887

Im Falle einer Einbringung ohne Anteilsgewährung im Sinne des § 19 Abs. 2 Z 5 UmgrStG wird ein eindeutiger Nachweis erbracht werden müssen, ob Gegenstand der Sacheinlage das um die rückbezogene Entnahme geminderte Vermögen war. Dabei wird nicht von Absichtserklärungen vor dem Einbringungsvertrag, sondern von dem im Vertrag und den sonstigen Unterlagen festgelegten Vermögen auszugehen sein.

888

Werden Entnahmen oder Einlagen nicht rückbezogen, wandeln sie sich auf Grund der Rückwirkungsfiktion:

  • Entnahmen in eine Kreditaufnahme des Einbringenden und damit in eine Verrechnungsforderung der übernehmenden Kapitalgesellschaft gegen den Einbringenden und
  • Einlagen in eine Kreditgewährung des Einbringenden und damit in eine Verrechnungsverbindlichkeit der übernehmenden Kapitalgesellschaft gegen den Einbringenden.
889

Für diese Positionen kommen die allgemeinen Grundsätze über rechtsgeschäftliche Beziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter zur Anwendung.

Soweit sich rückwirkende Korrekturen auf tatsächliche Vorgänge beziehen, müssen sie mit dem Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrages abgeschlossen sein. Sie können nach diesem Zeitpunkt nicht mehr geändert werden. Dies gilt auch im Falle von Feststellungen der Abgabenbehörde im Veranlagungsverfahren oder der Betriebsprüfung im Erstverfahren oder wieder aufgenommenen Verfahren.

889

Nicht unter den Begriff der rückwirkenden Korrekturen im Sinne des § 16 Abs. 5 UmgrStG fällt die Disposition des Einbringenden, einzelne den einzubringenden (Teil)Betrieb betreffende nach dem geplanten Einbringungsstichtag getätigte Rechtsgeschäfte nicht der übernehmenden Körperschaft zurechnen zu wollen. Voraussetzung für eine steuerwirksame Disposition ist, dass das betreffende Rechtsgeschäft im Einbringungsvertrag von der Zurechnung zur übernehmenden Körperschaft ausgenommen wird (siehe auch Rz 965).

Beispiele:

1. A möchte seinen Einzelbetrieb zum 31.12.01 in die A-GmbH einbringen. A erwirbt am 1.6.02 eine für betriebliche Zwecke gewidmete Liegenschaft. Nach Vollzug der Einbringung wäre der Liegenschaftserwerb der übernehmenden A-GmbH zuzurechnen. A kann demgegenüber vertraglich dahingehend disponieren, dass der Liegenschaftserwerb nicht als Anschaffungsvorgang der A-GmbH gewertet, sondern weiterhin dem A zugerecht wird, da A die Liegenschaft der A-GmbH in Bestand geben will.

2. Die B-GmbH möchte zum 30.6.01 einen Teilbetrieb in die C-GmbH einbringen. Sie möchte einen dem Teilbetrieb dem Grunde nach zuzurechnenden Großauftrag, der nach dem Einbringungsstichtag abzuwickeln ist, nicht auf die übernehmenden Körperschaft übertragen und behält sich vertraglich eine Nichtüberbindung dieses Rechtsgeschäftes vor.

3.4.2.6.2. Bareinlagen nach dem Einbringungsstichtag
890

Der Begriff der Einlagen bezieht sich auf den Einlagentatbestand des § 4 Abs. 1 EStG 1988. § 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG hat daher für einbringende Körperschaften im Sinne des § 7 Abs. 3 KStG 1988 begrifflich keine Bedeutung.

891

Für rückbezogene Bareinlagen ist in der Einbringungsbilanz eine Aktivpost (Forderung) anzusetzen. Der Ansatz einer "Aktivpost für Einlagen" in der Einbringungsbilanz führt dazu, dass sich der Buch- und Verkehrswert bereits zum Einbringungsstichtag um die Bareinlage erhöht, obwohl die Einlage tatsächlich erst später geleistet wurde.

Diese Bareinlagen müssen bis zum Vertragsabschluss dem Betriebsvermögen tatsächlich zugekommen sein, um zu einem im Einbringungsvertrag festgelegten höheren Einbringungsvolumen zu kommen. Die Zusage des Einbringenden, zu einem späteren Zeitpunkt dem Einbringungsobjekt Vermögenswerte zuzuführen, gilt nicht als Einlage im Sinne des § 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG.

892

Die Steuerwirkung einer rückwirkenden Einlage wird durch den entsprechenden Ansatz in der Einbringungsbilanz bindend geprägt, es sei denn, die rückwirkende Einlage wird im Einbringungsvertrag eindeutig beschrieben.

Beispiel:

Der Einzelunternehmer A möchte seinen Betrieb in die B-GmbH einbringen. Im Betriebsvermögen befinden sich stille Reserven und ein originärer Firmenwert von 1000. Der Jahresabschluss des A stellt sich wie folgt dar:

Jahresabschluss EU-A

BW

Anlagevermögen

1.500

Fremdkapital

4.000

Umlaufvermögen

500

Eigenkapital

- 2.000

2.000

2.000

Da der Betrieb A einen negativen Verkehrswert von -1000 aufweist (buchmäßiges Eigenkapital von -2000 vermindert um stille Reserven und Firmenwert von 1000), läge keine Einbringung im Sinne des UmgrStG vor (§ 12 Abs. 1 UmgrStG). Um in den Anwendungsbereich des UmgrStG zu gelangen, tätigt A rückwirkend auf den Einbringungsstichtag Einlagen von 4000. Dadurch ergeben sich zum einen ein positiver Verkehrswert des Betriebes von 3000 und zum anderen ein Einbringungskapital von 2000.

Einbringungsbilanz EU-A

BW

Anlagevermögen

1.500

Einbringungskapital

2.000

Umlaufvermögen

500

Fremdkapital

4.000

Aktivpost für Einlagen
(§ 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG)

4.000

6.000

6.000

3.4.2.6.3. Sacheinlagen nach dem Einbringungsstichtag
893

Zum Einlagenbegriff siehe Rz 890; für Sacheinlagen ist zusätzlich auf § 6 Z 5 EStG 1988 abzustellen. Die Möglichkeit, tatsächliche Einlagen im Sinne des § 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG auf den Umgründungsstichtag rückzubeziehen, bezieht sich auch auf Sacheinlagen. Für rückbezogene Sacheinlagen ist in der Einbringungsbilanz ebenfalls eine Aktivpost (Forderung) in Höhe der rückzubeziehenden Einlagen anzusetzen. Dieser Aktivpost kommt der Charakter einer fiktiven, bereits zum Einbringungsstichtag bestehenden Forderung gegen den Einbringenden zu, die durch die Leistung der Einlage bis zum Vertragstag kompensiert wird. Formal außerhalb des § 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG aber inhaltlich dem Sacheinlagetatbestand zugehörig ist das Zurückbehalten von Verbindlichkeiten gemäß § 16 Abs. 5 Z 3 UmgrStG (siehe Rz 917).

894

Durch das Rückbeziehen von im Rückwirkungszeitraum getätigten Sacheinlagen wird der Buch- und Verkehrswert des Einbringungsvermögens mit ertragsteuerlicher Wirkung erhöht.

Die Steuerwirksamkeit einer rückwirkenden Sacheinlage setzt einlagefähige Wirtschaftsgüter im steuerlichen Sinn voraus. Einlagefähig sind nur solche Wirtschaftsgüter, denen Betriebsvermögenseigenschaft (notwendiges oder gewillkürtes (Sonder)Betriebsvermögen in Bezug auf den einzubringenden Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil zukommt. Generell nicht einlagefähig sind daher Wirtschaftsgüter, die zum notwendigen Privatvermögen zählen. Die Einlage von Wirtschaftsgütern in das gewillkürte Betriebsvermögen setzt voraus, dass der Gewinn des einzubringenden Betriebes oder Teilbetriebes nach § 5 EStG 1988 ermittelt wird. Die Einlage von privaten Verbindlichkeiten kann in diesem Zusammenhang nur in Betracht kommen, wenn die Verbindlichkeit der Finanzierung eines (einlagefähigen) Wirtschaftsgutes dient und gleichzeitig mit dem Wirtschaftsgut eingelegt wird.

895

§ 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG enthält kein Erfordernis, dass die rückbezogenen eingelegten Wirtschaftsgüter am Einbringungsstichtag bereits zum Vermögen des Einbringenden gehört haben müssen. Ebenso wenig wird die (körperliche) Existenz der rückbezogen eingelegten Wirtschaftsgüter zum Einbringungsstichtag verlangt.

896

Eine Begrenzung des Umfanges rückbezogener Einlagen besteht grundsätzlich nicht. Es können daher auch in einen einzubringenden Kleinbetrieb, dessen Gewinn nach § 5 EStG 1988 ermittelt wird, Sacheinlagen, die die Eigenschaft von gewillkürtem Betriebsvermögen aufweisen, in erheblichem Umfang geleistet werden.

897

Über die Rückbeziehung von getätigten Einlagen kann ferner unabhängig davon entschieden werden, ob im Rückwirkungszeitraum auch Entnahmen getätigt wurden und unabhängig davon, ob diese rückbezogen werden oder nicht.

898

Voraussetzung für die Rückbeziehung von Sacheinlagen ist, dass sie zwischen dem Einbringungsstichtag und dem Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrages getätigt werden. Die Zusage des Einbringenden, zu einem späteren Zeitpunkt dem Einbringungsobjekt Vermögenswerte zuzuführen (so genannte unbarevorbehaltene Einlagen), gilt nicht als Einlage im Sinne des § 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG und erhöht demnach nicht das Einbringungskapital. Es kommt vielmehr auf die tatsächliche Leistung der Einlage noch vor dem Abschluss des Einbringungsvertrages an. Bei Sacheinlagen wird es auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Zuführung zum Betriebsvermögen durch die betriebliche Verwendung des Wirtschaftsgutes bzw. bei gewillkürtem Betriebsvermögen auf den Zeitpunkt der Aufnahme in die Bücher des einzubringenden Betriebes ankommen. Dies gilt auch dann, wenn eine bislang zum Privatvermögen gehörende Liegenschaft in den einzubringenden Betrieb eines Einzelunternehmers eingelegt werden soll. In diesem Fall ist es ausreichend, wenn die Sacheinlage der Liegenschaft erst im Einbringungsvertrag verankert und die Miteinbringung durch eine Aufsandungserklärung zugunsten der übernehmenden Körperschaft abgesichert wird.

899

Die Steuerwirkung der rückwirkenden Sacheinlage wird durch den entsprechenden Ansatz in der Einbringungsbilanz bindend geprägt, gleiches ergibt sich, wenn die rückwirkende Einlage im Einbringungsvertrag eindeutig beschrieben wird.

Die Möglichkeit, Sacheinlagen auf den Einbringungsstichtag rückzubeziehen, besteht nicht nur bei der Einbringung des gesamten Betriebes sondern auch bei der Einbringung eines Teilbetriebes. Eine weitere Möglichkeit der Erhöhung des Einbringungskapitals des einzubringenden Teilbetriebes besteht bei Nutzung der Verschiebetechnik des § 16 Abs. 5 Z 4 UmgrStG (siehe Rz 926).

3.4.2.6.4. Barentnahmen nach dem Einbringungsstichtag
900

Der Begriff der Entnahmen bezieht sich auf den Entnahmetatbestand des § 4 Abs. 1 EStG 1988. § 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG hat daher für einbringende Körperschaften im Sinne des § 7 Abs. 3 KStG 1988 begrifflich keine Bedeutung.

901

Die Möglichkeit, Barentnahmen nach dem Einbringungsstichtag auf diesen rückzubeziehen, ist in § 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG ausdrücklich geregelt. Steuerwirksam ist die Rückbeziehung durch den Ansatz einer Passivpost (Verbindlichkeit) in der Einbringungsbilanz in Höhe der tatsächlich getätigten Entnahmen. Der Ansatz einer "Passivpost für Entnahmen" führt dazu, dass der Buch- und Verkehrswert des einzubringenden Betriebes bereits zum Einbringungsstichtag um die Barentnahmen vermindert wird, obwohl die Entnahmen tatsächlich erst später getätigt werden. Die rückwirkende Entnahme kann auch dann in Anspruch genommen werden, wenn der Buchwert des einzubringenden Betriebes schon vor der Entnahme negativ ist oder durch die Entnahme negativ wird.

902

Entscheidend ist, dass nach der Entnahme immer noch ein positiver Verkehrswert vorhanden ist. Es können bei Verzicht auf unbarevorbehaltene Entnahmen gemäß § 16 Abs. 5 Z 2 UmgrStG somit bare Entnahmen bis zur Höhe des Verkehrswertes des Einbringungsobjektes vorgenommen werden, wobei der Wert zurückbehaltener und damit ebenfalls entnommener Wirtschaftsgüter gemäß § 16 Abs. 5 Z 3 UmgrStG zu berücksichtigen ist. Der Saldo aus rückwirkenden Entnahmen gemäß § 16 Abs. 5 Z 1 und 3 UmgrStG und Einlagen gemäß § 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG muss für das übertragene Vermögen einen positiven Verkehrswert ergeben. Zur Sicherung dieser Voraussetzung wird innerbetrieblich eine rechtzeitige Entnahmesperre vorzusehen sein. Zur Behandlung von getätigten aber nicht rückbezogenen Entnahmen siehe Rz 873 ff.

903

Wird die gemäß § 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG rückbezogene Barentnahme fremdfinanziert, ändert dies nichts an der den Buch- bzw. Verkehrswert des einzubringenden Vermögens senkenden Wirkung. Es liegt weiters in der Übernahme der Verbindlichkeit durch die übernehmende Körperschaft keine dem § 19 Abs. 1 UmgrStG widersprechende Gegenleistung vor. Analog zur Verzinsungsmöglichkeit einer durch die unbarevorbehaltene Entnahme im Sinne des § 16 Abs. 5 Z 2 UmgrStG entstehenden Verrechnungsverbindlichkeit stellen die mit der Kreditaufnahme verbundenen Aufwandszinsen Betriebsausgaben der übernehmenden Körperschaft dar.

904

Auf vor dem Einbringungsstichtag getätigte kreditfinanzierte Entnahmen ist das allgemeine Einkommensteuerrecht anzuwenden (siehe EStR 2000 Rz 1421 ff). Fehlt den in den Büchern erfassten Verbindlichkeiten auf Grund der fehlenden betrieblichen Veranlassung die Eigenschaft von negativem Betriebsvermögen und wird sie dennoch mit dem begünstigten Vermögen in die übernehmende Körperschaft eingebracht, kann sich in der Folge keine Änderung in der steuerlichen Beurteilung ergeben. Die Zinsenbelastung der übernehmenden Körperschaft ist daher als verdeckte Ausschüttung zu werten, die Kredittilgung ist analog zu einer über die 7550% -Grenze des § 16 Abs. 5 Z 2 UmgrStG hinausgehenden unbarenvorbehaltenen Entnahme zu beurteilen (siehe Rz 911 ff).

3.4.2.6.5. Sachentnahmen nach dem Einbringungsstichtag
905

Zum Entnahmetatbestand siehe Rz 900 ff; für Sachentnahmen ist zusätzlich auf § 6 Z 4 EStG 1988 abzustellen. § 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG gilt nicht nur für Barentnahmen sondern auch für solche Sachentnahmen (zB Waren- oder Nutzungsentnahmen durch den einbringenden Betriebsinhaber) und für Wirtschaftsgüter, die im Rückwirkungszeitraum veräußert wurden. Der Begriff könnte daherZum Entnahmetatbestand siehe Rz 900 ff; für einbringende unterSachentnahmen ist zusätzlich auf § 7 Abs. 3 KStG6 Z 4 EStG 1988 fallende Körperschaften nur insoweit Bedeutung haben, als es bei ihnen eine außerbetriebliche Vermögenssphäre gibtabzustellen. Formal außerhalb des § 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG aber inhaltlich dem Sachentnahmetatbestand zugehörig ist das Zurückbehalten von Anlagevermögen gemäß § 16 Abs. 5 Z 3 UmgrStG (siehe Rz 917 ff).

906

Die Rückbeziehung der Sachentnahmen gemäß § 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG erfolgt mit bindender Wirkung durch den Ansatz einer Passivpost in der Einbringungsbilanz, sofern nicht eine eindeutige Beschreibung im Einbringungsvertrag erfolgt.

907

Voraussetzung für das Rückbeziehen von Sachentnahmen ist,

  • dass entnommene Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens bereits zum Einbringungsstichtag zum einzubringenden Betriebsvermögen gehört haben und
  • dass Sachentnahmen aller Art spätestens am Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrages getätigt worden sind.
908

Mit der rückwirkenden Sachentnahme wird der Buch- und Verkehrswert des einzubringenden Vermögens vermindert, die Grenze ist durch das Erfordernis des Erhalts der Eigenschaft eines Betriebes oder Teilbetriebes und des positiven Verkehrswertes bestimmt (die 7550%-Grenze hat bei Verzicht auf unbarevorbehaltene Entnahmen gemäß § 16 Abs. 5 Z 2 UmgrStG keine Bedeutung). Zur Frage des Erhalts der wesentlichen Betriebsgrundlagen siehe Rz 879.

909

Da die rückwirkende Sachentnahme eine durch § 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG ermöglichte Ausnahmeregelung darstellt, kommen die allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Grundsätze über die Entnahme fremdfinanzierter Aktiva (siehe EStR 2000 Rz 2482) nicht zur Anwendung. Es ist (im Gegensatz zu den Regelungen in der Z 3 und Z 4) daher zulässig, die mit den entnommenen Aktiva zusammenhängenden Verbindlichkeiten im Betriebsvermögen des einzubringenden (Teil)Betriebes zu belassen, sodass diese bei der übernehmenden Körperschaft die Eigenschaft von negativem Betriebsvermögen in der Folge nicht verlieren.

Soll umgekehrt ein Aktivum miteingebracht, aber die unmittelbar zusammenhängende Verbindlichkeit nicht eingebracht werden, liegt kein Anwendungsfall des § 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG, sondern ein solcher des § 16 Abs. 5 Z 3 UmgrStG vor (siehe Rz 924).

910

Soll im Rahmen einer Betriebseinbringung nach ArtKeinen Anwendungsfall des eine steuerwirksame Entnahme darstellenden § 16 Abs. III5 Z 1 UmgrStG ein Wirtschaftsgut rückwirkend entnommen werden, für dessen Anschaffungs-stellt das Zurückbehalten eines Mitunternehmeranteils anlässlich der Einbringung des gesamten Betriebes oder Herstellungskosten ein Investitionsfreibetrag in Anspruch genommen wurde, hängtder Übernahme eines solchen anlässlich einer Teilbetriebseinbringung in das SchicksalVermögen des Investitionsfreibetrages davon abEinbringenden dar, obda die Behaltefrist am Einbringungsstichtag schon abgelaufenSteuerhängigkeit unabhängig von einer Zugehörigkeit zu einem Betriebsvermögen gegeben ist. Es liegt in diesen Fällen lediglich eine Verminderung des Buch- und Verkehrswertes des einzubringenden oder nichtrestlichen Vermögens zum Einbringungsstichtag vor.