Richtlinie des BMF vom 22.03.2005, 06 0104/9-IV/6/00 gültig von 22.03.2005 bis 04.06.2013

EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000

  • 29 Kapitalertragsteuer (§§ 93 bis 97 EStG 1988)
  • 29.4 Einbehaltung und Abzug der Kapitalertragsteuer

29.4.3 Steuerabzug bei Stückzinsen

29.4.3.1 Allgemeines

7758

Im Bereich der Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren erstreckt sich die Steuerpflicht auch auf anteilige Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung eines Wertpapiers, also insbesondere auf die so genannten Stückzinsen (§ 95 Abs. 3 Z 2 EStG 1988). Der Steuerabzug ist in jenem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem die anteiligen Kapitalerträge nach den Kriterien des § 19 EStG 1988 zufließen (§ 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988).

29.4.3.2 Verrechnung der Stückzinsen-Kapitalertragsteuer

7759

Vom Veräußerer eines Wertpapiers verrechnete anteilige Kapitalerträge stellen beim Erwerber einen vorweg rückgängig gemachten Kapitalertrag dar. Dies ergibt sich daraus, dass der zur Kuponfälligkeit erhaltene volle Kapitalertrag durch die Bezahlung der Stückzinsen vorbelastet ist. Die Belastung mit Stückzinsen führt daher in Bezug auf den Erwerber des Wertpapiers insoweit zu einer Kapitalertragsteuergutschrift (§ 95 Abs. 6 EStG 1988), als diese Einkünfte im Zeitpunkt der Gewährung der Gutschrift der Kapitalertragsteuerpflicht unterliegen.

Beispiel:

Der Kapitalertrag für ein Wertpapier beträgt 10.000 S jährlich. Das Wertpapier wird zur Jahreshälfte veräußert. Der Veräußerer verrechnet dem Erwerber 5.000 S an Stückzinsen. Die Bank zieht beim Veräußerer von den verrechneten Stückzinsen 1.250 S ab, dem Erwerber werden 1.250 S Kapitalertragsteuer gutgeschrieben. Zur Kuponfälligkeit wird die gesamte Kapitalertragsteuer von 2.500 S abgezogen. Im Ergebnis verteilt sich die Steuerbelastung folgendermaßen: Der Veräußerer wird bei der Stückzinsenabrechnung mit 1.250 S belastet. Der Erwerber erhält zunächst eine Gutschrift von 1.250 S und wird bei Kuponfälligkeit mit 2.500 S belastet; per saldo beträgt seine Belastung ebenfalls 1.250 S.

29.4.3.3 Anwendung von Befreiungen bei Stückzinsenabrechnung

7760

Auf anteilige Kapitalerträge im Sinne der Rz 7758 finden die Bestimmungen über die Befreiung von der Abzugspflicht (insbesondere jene des § 94 Z 5 EStG 1988) gleichermaßen Anwendung wie auf andere Kapitalerträge. Bei Wertpapierübertragungen ist daher sicherzustellen, dass eine Belastung mit Abzugsteuer insoweit nicht eintritt, als die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Abzugspflicht (insbesondere jene des § 94 Z 5 EStG 1988) vorliegen.

Beispiel 1:

Der Kapitalertrag für ein Wertpapier beträgt 10.000 S jährlich. Das Wertpapier wird zur Jahreshälfte veräußert. Der Veräußerer verrechnet dem Erwerber 5.000 S an Stückzinsen. Der Veräußerer hat seinerzeit eine Befreiungserklärung im Sinne des § 94 Z 5 EStG 1988 abgegeben, die er bis zum Veräußerungszeitpunkt nicht widerrufen hat. Bei den vom Veräußerer verrechneten Stückzinsen wird kein Steuerabzug vorgenommen. Der Erwerber hat das Wertpapier in seinem Privatvermögen. In Bezug auf den Erwerber werden 1.250 S Kapitalertragsteuer gutgeschrieben. Zur Kuponfälligkeit wird Kapitalertragsteuer von 2.500 S abgezogen. Im Ergebnis verteilt sich die Steuerbelastung folgendermaßen: Der Veräußerer wird bei der Stückzinsenabrechnung nicht belastet. Der Erwerber erhält zunächst eine Gutschrift von 1.250 S und wird bei Kuponfälligkeit mit 2.500 S belastet; per Saldo beträgt seine Belastung 1.250 S.

Beispiel 2:

Der Kapitalertrag für ein Wertpapier beträgt 10.000 S jährlich. Das Wertpapier wird zur Jahreshälfte veräußert. Der Veräußerer verrechnet dem Erwerber 5.000 S an Stückzinsen. Der Veräußerer hat das Wertpapier durchgehend in seinem Privatvermögen gehabt. Von den verrechneten Stückzinsen werden daher 1.250 S Kapitalertragsteuer abgezogen. Der Erwerber gibt sofort eine Befreiungserklärung im Sinne des § 94 Z 5 EStG 1988 ab. Zur Kuponfälligkeit wird keine Kapitalertragsteuer abgezogen. Im Ergebnis verteilt sich die Steuerbelastung folgendermaßen: Der Veräußerer wird bei der Stückzinsenabrechnung mit 1.250 S belastet. Der Erwerber erhält keine Gutschrift und wird bei Kuponfälligkeit nicht - somit also überhaupt nicht - belastet.

Liegen sowohl beim Veräußerer seines Wertpapiers als auch beim Erwerber die Voraussetzungen für eine Befreiung vom Steuerabzug vor, so kommt es weder anlässlich der Verrechnung anteiliger Zinserträge noch bei der Kuponfälligkeit zu einem Steuerabzug.