Richtlinie des BMF vom 20.12.2012, BMF-010222/0142-VI/7/2012 gültig von 20.12.2012 bis 15.12.2016

LStR 2002, Lohnsteuerrichtlinien 2002

Die Lohnsteuerrichtlinien 2002 stellen einen Auslegungsbehelf zum Einkommensteuergesetz 1988 dar, der im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise mitgeteilt wird. Die Lohnsteuerrichtlinien sind als Zusammenfassung des geltenden Lohnsteuerrechts und somit als Nachschlagewerk für die Verwaltungspraxis und die betriebliche Praxis anzusehen. Sie basieren auf den Lohnsteuerrichtlinien 1999.
  • 5 WERBUNGSKOSTEN (§ 16 EStG 1988)
  • 5.9 ABC der Werbungskosten
  • 5.9.9 Doppelte Haushaltsführung

5.9.9.3 Auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung

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Bei einer dauernden Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes ist keine private Veranlassung zu unterstellen, wenn der Ehegatte (im Falle der eheähnlichen Gemeinschaft der Partner) des Steuerpflichtigen am Familienwohnsitz steuerlich relevante Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 aus einer aktiven Erwerbstätigkeit in Höhe von mehr als 6.000 Euro (bis Veranlagungsjahr 2012 2.200 Euro) jährlich erzielt (vgl. VwGH 24.04.1996, 96/15/0006; VwGH 17.02.1999, 95/14/0059) oder die Einkünfte in Bezug auf das Familieneinkommen von wirtschaftlicher Bedeutung sind (VwGH 20.04.2004, 2003/13/0154).

Betragen die Einkünfte des (Ehe)Partners höchstens 6.000 Euro (bis Veranlagungsjahr 2012 2.200 Euro), machen sie jedoch mehr als ein Zehntel der Einkünfte des Steuerpflichtigen aus, kommt den Einkünften des (Ehe-)Partners eine wirtschaftliche Bedeutung zu, die aus der Sicht des Steuerpflichtigen die Unzumutbarkeit eines Wechsels des Familienwohnsitzes bewirken kann.

Private Veranlassung ist hingegen zu unterstellen, wenn der Steuerpflichtige in anderen Fällen den bisherigen Familienwohnsitz deswegen beibehält, weil er dort zB ein Eigenheim errichtet hat.

5.9.9.4 Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes

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Die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort ist zB unzumutbar:

  • Bei ständig wechselnder Arbeitsstätte (zB bei einem Bauarbeiter, bei saisonal Beschäftigten oder bei Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine häufige Abberufung zu entsprechend weit entfernten Arbeitsstellen gegeben ist. Die abstrakte Möglichkeit einer Abberufung reicht dazu aber nicht aus, es muss sich vielmehr um eine konkret, ernsthaft und latent drohende Möglichkeit einer solchen Abberufung handeln (VwGH 17.02.1999, 95/14/0059). Eine ständig wechselnde Arbeitsstätte liegt nicht mehr vor, wenn die Arbeitsstätte fünf Jahre beibehalten wurde.
  • Wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen ist, dass die auswärtige Tätigkeit mit vier bis fünf Jahren befristet ist (vgl. VwGH 26.11.1996, 95/14/0124).
  • Bei Unzumutbarkeit der (Mit)Übersiedlung von pflegebedürftigen Angehörigen (VwGH 27.5.2003, 2001/14/0121).
  • Solange auf Grund fremdenrechtlicher Bestimmungen ein Familiennachzug nicht möglich ist (vgl. VwGH 19.10.2006, 2005/14/0127; VwGH 24.09.2007, 2007/15/0044).
  • Wenn im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz unterhaltsberechtigte und betreuungsbedürftige Kinder wohnen und eine (Mit)Übersiedlung der gesamten Familie aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist. Die Unterhaltsverpflichtung für Kinder reicht als alleiniges Kriterium für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nicht aus. Es ist davon auszugehen, dass bei volljährigen Kindern (ausgenommen zB bei Pflegebedürftigkeit des Kindes) grundsätzlich keine Ortsgebundenheit des haushaltsführenden Elternteils mehr besteht (zur Volljährigkeit siehe Rz 1407).

In den folgenden Fällen liegen beispielhaft "wirtschaftliche Gründe" vor, die die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort unzumutbar machen:

  • Der Verkauf des Einfamilienhauses bzw. der Wohnung am Familienwohnsitz würde aufgrund der Lage in einem strukturschwachen Gebiet zu erheblichen Vermögenseinbußen führen. Die Anschaffung einer adäquaten Wohnung am Beschäftigungsort wäre aus dem Erlös nicht möglich.
  • Der Arbeitgeber stellt dem Steuerpflichtigen eine kostenlose bzw. verbilligte Wohnmöglichkeit, die aufgrund der Größe und Ausstattung nicht den Familienbedürfnissen entspricht, zur Verfügung.
  • Am Familienwohnsitz wird eine eigene - wenn auch kleine und nur der eigenen Selbstversorgung dienende - Landwirtschaft bewirtschaftet (vgl. UFS 07.07.2006, RV/0440-G/04; UFS 10.07.2009, RV/0137-K/07).

Bei ausländischem Familienwohnsitz gelten für die Frage der Anerkennung von Kosten der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten grundsätzlich dieselben Kriterien wie bei inländischem Familienwohnsitz.

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Die Frage der Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung ist für jedes Veranlagungsjahr gesondert zu beurteilen.

Beispiel:

Bezieht die (Ehe)Partnerin oder der (Ehe)Partner am Familienwohnsitz steuerlich relevante Einkünfte, liegt hinsichtlich der Wohnung am Beschäftigungsort ab dem Zeitpunkt des Vorliegens der steuerlich relevanten Einkünfte der (Ehe)Partnerin oder des (Ehe)Partners am Familienwohnsitz eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung vor. Dies ist auch dann der Fall, wenn in der Zeit davor mangels des Vorliegens der steuerlich relevanten Einkünfte der (Ehe)Partnerin oder des (Ehe)Partners am Familienwohnsitz nicht von einer doppelten Haushaltsführung auszugehen war, und zB aus diesem Grund vom Finanzamt die diesbezüglichen Werbungskosten zu Recht versagt wurden (VwGH 21.06.2007, 2005/15/0079).