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Haftung des Arbeitgebers für Arbeitslohn von dritter Seite
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VwGH-Beschwerde zur Zl. 2008/13/0106 eingebracht. Mit Erk. v. 24.10.2012 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit BE zur Zl. RV/3372-W/12 erledigt.
Rechtssätze
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung vom 16. September 1998 der Bw., vertreten durch KPMG Austria GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, in 1090 Wien, Kolingasse 19, gegen den Bescheid des Finanzamtes für Körperschaften in Wien vom 20. August 1998 betreffend Haftung zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer (LSt), Vorschreibung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (DB) und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (DZ) für den Zeitraum 1. Jänner 1992 bis 31. Dezember 1997 wie folgt entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid wird wie folgt abgeändert:
ATS |
€ |
|
LSt |
3.963.744,00 |
288.056,51 |
DB |
695.515,00 |
50.545,05 |
DZ |
73.522,00 |
5.343,05 |
Entscheidungsgründe
Strittig ist im vorliegenden Berufungsfall, ob die sich in § 82 EStG 1988 normierte Haftung des Arbeitgebers - und auch die Leistung des Dienstgeberbeitrages samt Zuschlag - auch auf jene Zahlungen (Provisionen) erstreckte, die Dienstnehmer (angestellte Außendienstmitarbeiter) der Berufungswerberin (in der Folge: Bw.) für ihre Vermittlungstätigkeit von Dritten erhalten haben.
Dieser Frage liegt eine bei der Bw. durchgeführte Lohnsteuerprüfung zu Grunde. Mit dem angefochtenen Bescheid ist das Finanzamt der Auffassung des Prüfungsorgans, dass die Zahlungen (Provisionen), die die Dienstnehmer der Bw. von Dritten erhalten haben, zu Unrecht nicht versteuert worden seien, gefolgt.
Ihre dagegen eingebrachte Berufung hat die Bw. (zusammengefasst) wie folgt begründet: ihre Dienstnehmer würden eigenständige Vertragsbeziehungen mit den Dritten unterhalten, im Rahmen des Dienstverhältnisses (mit der Bw.) bestünde bloß eine Ermächtigung, für Dritte Vermittlungsleistungen zu erbringen, die Provisionen würden den Dienstnehmern direkt von den Dritten zufließen, sodass die Bw. nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vom 28. Mai 1998, Zl. 96/15/0215) keine steuerlichen Verantwortlichkeiten treffen würden.
Mit ho. Vorhalt vom 20. November 2007 (in der Folge: Vorhalt) hat die Berufungsbehörde den Verfahrensgang dargestellt, der Bw. das Ergebnis der vom Finanzamt nach Einbringung der Berufung durchgeführten Ermittlungen und die Rechtsauffassung der Berufungsbehörde zur Kenntnis gebracht sowie - aus den Ermittlungsergebnissen des Finanzamtes resultierend - die Bemessungsgrundlagen und die darauf entfallenden Abgaben neu berechnet.
Zu diesen Ausführungen hat die Bw. mit Schriftsatz vom 22. Februar 2008 (in der Folge: Vorhaltsbeantwortung) Stellung genommen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Die Dienstnehmer der Bw. haben von drei (im Prüfungszeitraum mit der Bw. kapitalmäßig verflochtenen) Gesellschaften (in der Folge kurz Gesellschaft A, B und C [der volle Firmenwortlaut ist dem Vorhalt, Punkt 1.1., zu entnehmen]), in der Folge kurz als Dritte" bezeichnet, Provisionen erhalten.
Das in Punkt 1.4. des Vorhaltes angesprochene, zwischen ua. der Bw. und der Gesellschaft A abgeschlossene Partnerschaftsübereinkommen vom 2. Jänner 1991 lautet wie folgt:
Die "Allgemeinen Hinweise" der - einen integrierenden Bestandteil des Partnerschaftsübereinkommens bildenden - "Provisionsordnung für eigene Mitarbeiter der UUA /UIU" (Anmerkung: UIU = Bw.) enthalten folgenden Passus:
Den Ausführungen der Bw. in der Vorhaltsbeantwortung (III. 1.) zufolge, bildete dieses Partnerschaftsabkommen auch die vertragliche Grundlage ihrer Rechtsbeziehungen zu der in Punkt 1.5. des Vorhaltes angesprochenen Gesellschaft B.
Grundlage für die Rechtsbeziehung der Bw. zu der in Punkt 1.6. des Vorhaltes angesprochenen Gesellschaft C ist eine Vereinbarung vom 14. Dezember 1982 (siehe Punkt 2.3. des Vorhaltes), die - in dem hier maßgeblichen Zusammenhang - inhaltlich im Wesentlichen dem Partnerschaftsübereinkommen vom 2. Jänner 1991 entspricht. Die von der Berufungsbehörde im Vorhalt angestellten rechtlichen Erwägungen (siehe Punkt 3.2. des Vorhaltes) haben sich daher sowohl auf das Partnerschaftsübereinkommen vom 2. Jänner 1991 als auch auf die mit der Gesellschaft C eingegangene Vereinbarung vom 14. Dezember 1982 bezogen. Die Bw. ist in der Vorhaltsbeantwortung ausschließlich nur auf das Partnerschaftsübereinkommen vom 2. Jänner 1991 (in der folge kurz Partnerschaftsübereinkommen) eingegangen, sodass in den folgenden Ausführungen die mit der Gesellschaft C geschlossene Vereinbarung vom 14. Dezember 1982 keine gesonderte Erwähnung mehr findet.
Der in diesem Zusammenhang maßgebliche Passus in dem von der Bw. vorgelegten und in Punkt 1.7. des Vorhaltes angesprochene Musterdienstvertrag lautet wie folgt:
Die Existenz der in der Berufung völlig unerwähnt gebliebenen vertraglichen Vereinbarungen mit den "Dritten" (Partnerschaftsübereinkommen vom 2. Jänner 1991 und Vereinbarung vom 14. Dezember 1982) hat die Bw. in der Vorhaltsbeantwortung nicht in Frage gestellt, ebenso wenig deren Inhalt. Anders als die Berufungsbehörde in ihrem Vorhalt ist die Bw. jedoch zu dem Ergebnis gelangt, aus der Zusammenschau der vertraglichen Vereinbarungen (einschließlich der einen integrierenden Bestandteil bildenden vertraglichen Abmachungen [Provisionsordnung]) mit dem Musterdienstvertrag könne nicht abgeleitet werden, dass die gegenständlichen Provisionszahlungen - im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - "auf Veranlassung des Arbeitgebers" (= der Bw.) ausbezahlt worden seien und die Haftungsinanspruchnahme der Bw. (einschließlich der Nachforderung der Dienstgeberbeiträge samt Zuschlag) daher zu Unrecht erfolgt sei.
Dieser Auffassung vermag sich die Berufungsbehörde aus folgenden Gründen nicht anzuschließen: das Partnerschaftsübereinkommen (einschließlich Provisionsordnung) enthält sämtliche für ein Vertragswerk typischen Regelungsinhalte: Leistungsgegenstand (I.; welche Verträge sollen vermittelt werden), Höhe des Leistungsentgeltes (II. und III.; Organisationskostenzuschuß bzw. Provisionen), organisatorische Bestimmungen (V. und VI.; Einreichung der vermittelten Verträge, Zurverfügungstellung von Formularen), Dauer des Vertrages (IX.), Rechte und Pflichten der vertragschließenden Parteien und deren Mitarbeiter (IV., VII. und VIII.). Dass dieses Partnerschaftsübereinkommen nicht umgesetzt worden wäre, wird nicht einmal von der Bw. behauptet. Angesichts des Umstandes, dass dieses Partnerschaftsübereinkommen somit die Grundlage für die Vermittlungstätigkeit und damit in weiterer Folge für die strittigen Provisionszahlungen bildet, kommt dem Umstand, dass im Partnerschaftsübereinkommen nicht von einer "Verpflichtung" (siehe Vorhaltsbeantwortung Seite 5) sondern von "Bereitschaft" und "Ermächtigung" die Rede ist (siehe Punkt I. des Partnerschaftsübereinkommens), nach Auffassung der Berufungsbehörde keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu. Dass sich die Bw. in der Vorhaltsbeantwortung gegen die von der Berufungsbehörde im Vorhalt gezogene Schlussfolgerung - die Bw. habe es übernommen, durch ihre Mitarbeiter für Dritte Vertragsabschlüsse zu vermitteln - verwehrt, ist angesichts des dargestellten Sachverhaltes nicht nachvollziehbar: hätte die Bw. nämlich - wie sie behauptet (Seite 5 der Vorhaltsbeantwortung) - ihre Mitarbeiter (lediglich) dienstvertraglich dazu ermächtigt, mit den "Dritten" eigenständige Vertragsbeziehungen einzugehen, hätte es den Abschluss eines Partnerschaftsübereinkommens überhaupt nicht bedurft.
Dass bzw. aus welchen Gründen die Berufungsbehörde - im Gegensatz zu der von der Bw. in ihrer Berufung aufgestellten Behauptung - zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Dienstnehmer der Bw. keine eigenständigen Vertragsbeziehungen zu den "Dritten" unterhalten haben, wurde bereits im Vorhalt (2.2. und 3.2.) ausführlich dargelegt. Die dafür maßgeblichen Gründe sollen hier nochmals zusammengefasst werden: das Vertragsverhältnis der Dienstnehmer der Bw. mit den "Dritten" setzt ein aufrechtes Vertragsverhältnis zur Bw. voraus (Provisionsordnung); die Höhe der Provisionen wurde nicht (eigenständig) zwischen den Dienstnehmern der Bw. und den "Dritten" vereinbart, sondern zwischen der Bw. und den "Dritten" festgelegt (Punkt II. des Partnerschaftsübereinkommens, Provisionsordnung); für den Fall, dass die (für die "Dritten" tätigen) Dienstnehmer der Bw. ihre Vertretungsbefugnis überschreiten, ist gegenüber den "Dritten" nicht der (betreffende) Dienstnehmer, sondern die Bw. zur Schad- und Klagloshaltung verpflichtet (Punkt IV. des Partnerschaftsübereinkommens); die für die Vermittlung erforderlichen Unterlagen und Formulare stellen die "Dritten" der Bw. und nicht deren Dienstnehmern zur Verfügung (Punkt V. des Partnerschaftsübereinkommens); für die nach Beendigung des Partnerschaftsübereinkommens vermittelten Vertragsabschlüsse erhalten die Dienstnehmer der Bw. keine Provisionen mehr (Punkt IX. des Partnerschaftsübereinkommens).
Ausgangspunkt für die den strittigen Provisionszahlungen zu Grunde liegende Vermittlungstätigkeit ist daher nicht eine eigenständige Vertragsbeziehung zwischen den Dienstnehmern der Bw. und den "Dritten", sondern das zwischen der Bw. und den "Dritten" abgeschlossene Partnerschaftsübereinkommen, sodass nach Auffassung der Berufungsbehörde gesagt werden kann, dass die Bw. - durch den Abschluss des Partnerschaftsübereinkommens - die den gegenständlichen Provisionszahlungen zu Grunde liegende Vermittlungstätigkeit veranlasst hat. Im gegenständlichen Fall kann aber auch nicht davon gesprochen werden, die "Dritten" hätten - im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - die Provisionszahlungen ohne Veranlassung des Arbeitgebers (= der Bw.) geleistet. Die Bw. und die "Dritten" haben nämlich vereinbart (Punkt II. des Partnerschaftsübereinkommens), dass das Entgelt für die Vermittlungstätigkeit, sprich: die streitgegenständlichen Provisionszahlungen, direkt an die Dienstnehmer ausbezahlt werden und auch die Höhe des Provisionsentgeltes einvernehmlich festgelegt (Punkt II. des Partnerschaftsübereinkommens und Provisionsordnung). Im gegenständlichen Fall ist also nicht mehr die Rede davon, der Arbeitgeber (= die Bw.) hätte - wiederum im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - von den Zahlungen der "Dritten" (bloß) Kenntnis erlangt oder sie lediglich befürwortet. Wenn der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang von "Kenntnisnahme" bzw. von "Befürwortung" spricht, so wird damit nach Auffassung der Berufungsbehörde zum Ausdruck, gebracht, dass darunter (nur) solche Lohnzahlungen zu verstehen sind, die ein Dritter ohne Zutun des Arbeitgebers leistet, nicht hingegen solche Zahlungen, die der Arbeitgeber - wie im gegenständlichen Fall - mit den "Dritten" vereinbart. Da die Bw. mit den "Dritten" sowohl die Höhe der Provisionszahlung als auch den Zahlungsmodus vereinbart hat, kann nach Auffassung der Berufungsbehörde nicht (mehr) die Rede davon sein, dass diese Zahlungen ohne Veranlassung der Bw. geleistet worden seien.
Die Bw. hat in der Vorhaltsbeantwortung die Auffassung, ihre Dienstnehmer hätten mit den "Dritten" eigenständige Vertragsbeziehungen unterhalten, ua. auch durch die Vorlage eines sog. Provisionsbriefes nachzuweisen versucht. Dieser Provisionsbrief begründet nach Auffassung der Berufungsbehörde keine eigenständige Rechtsbeziehung zwischen den Dienstnehmern der Bw. und den Dritten: sind die Dienstnehmer der Bw. nämlich für die "Dritten" tätig geworden, dann nur zu den zwischen der Bw. und den "Dritten" abgeschlossenen Bedingungen. Der zwischen den Dienstnehmern der Bw. und den "Dritten" abgeschlossene Provisionsbrief ändert somit nichts an der Tatsache, dass die wesentlichen Vertragsinhalte nicht zwischen den Dienstnehmern der Bw. und den "Dritten", sondern ausschließlich zwischen der Bw. und den "Dritten" geregelt worden sind.
Gegen die Behauptung, die Dienstnehmer der Bw. hätten mit den "Dritten" eigenständige Vertragsbeziehungen unterhalten, spricht auch noch folgender Umstand: in der Vorhaltsbeantwortung hat die Bw. ausgeführt (Seite 6), dass sie daran interessiert gewesen sei zu erfahren, welchen Umfang die Vermittlungstätigkeit ihrer Dienstnehmer für die "Dritten" erreicht hätte. Es könne - so die Bw. weiter in ihren Ausführungen - sicherlich nicht als gewollt verstanden werden, dass ihre Mitarbeiter ihre Dienstleistung zu 100% nur den Dritten zur Verfügung stellen und die Vermittlungsleistung an den eigenen Dienstgeber (= die Bw.) einstellen. Daraus ist ersichtlich, dass die Dienstnehmer auch den Umfang, in dem sie für die "Dritten" tätig sein wollten, nicht gänzlich selbst bestimmen konnten. Von einer eigenständigen Rechtsbeziehung zwischen den Dienstnehmern der Bw. und den "Dritten" kann somit nicht die Rede sein.
Im Übrigen wird auf die Ausführungen im Vorhalt (insbesondere 2.2. und 3.2.) verwiesen.
In der Vorhaltsbeantwortung (Seite 8) hat die Bw. weiters eingewendet, dass hinsichtlich der von der Berufungsbehörde im Vorhalt "zusätzlich" geltend gemachten Abgabennachforderung, soweit diese jene Forderung übersteige, welche bescheidmäßig von der Abgabenbehörde erster Instanz ermittelt worden sei, jedenfalls Verjährung eingetreten sei. Dazu ist Folgendes auszuführen: Gemäß § 209a Abs. 1 BAO steht einer Abgabenfestsetzung, die in einer Berufungsentscheidung zu erfolgen hat, der Eintritt der Verjährung nicht entgegen. § 209a Abs. 1 gilt grundsätzlich auch für sich zu Ungunsten des Abgabepflichtigen auswirkende Maßnahmen (Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar³, Tz 17 zu § 209a). Der Auffassung der Bw., dass hinsichtlich des die erstinstanzliche Nachforderung übersteigenden Betrages Verjährung eingetreten sei, vermag sich die Berufungsbehörde daher nicht anzuschließen.
Hinsichtlich der Neuberechnung der Bemessungsgrundlagen und der daraus resultierenden Neuberechnung der Abgaben wird auf Punkt 4. des Vorhaltes verwiesen. Gegen die darin dargestellte Neuberechnung bzw. die rechnerische Richtigkeit hat die Bw. in der Vorhaltsbeantwortung keinen Einwand erhoben.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Wien, am 7. April 2008