Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis des BFG vom 24.07.2019, RV/7100334/2015
1. Werbungskosten
2. Sonderausgaben
3. Progressionsvorbehalt gemäß § 3 Abs. 2 EStG

Rechtssätze

Keine Rechtssätze vorhanden

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf (Beschwerdeführer, Bf), AdrBf, nunmehrige Steuernummer neueStNr,  über die Beschwerde (ursprünglich: Berufung) des Bf. vom 4.2.2013 gegen den Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) für 2011 des Finanzamtes Wien (belangte Behörde) vom 8.1.2013, damalige Steuernummer alteStNr, zu Recht erkannt

Gemäß § 279 BAO wird der Beschwerde teilweise Folge gegeben und wird der angefochtene Bescheid abgeändert. Die Einkommensteuer für das Jahr 2011 wird mit 1.048,00 Euro festgesetzt. Die Bemessungsgrundlagen hierfür sind dem beigefügten Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) bezog im Streitjahr 2011 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die von den beiden Arbeitgebern mittels Lohnzettel an die Finanzverwaltung gemeldet wurden. Hierbei weist der Lohnzettel von AGeins als Bezugszeitraum 03.01. bis 31.12.2011 aus und der Lohnzettel von AGzwei weist als Bezugszeitraum 01.01. bis 31.12.2011 aus.
Weiters wurde vom Arbeitsmarktservice der Bezug von Notstandshilfe an zwei Tagen (01.01.-02.01.2011) iHv 75,80 € an die Finanzverwaltung gemeldet.

Da der Bf noch keine Einkommensteuererklärung (Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung) für das Streitjahr 2011 abgegeben hatte, führte das Finanzamt Wien (belangte Behörde) die Arbeitnehmerveranlagung für 2011 amtswegig auf Basis der übermittelten Lohnzettel und Meldungen mit Einkommensteuerbescheid 2011 vom 8. Jänner 2013 durch und setzte hierbei die Einkommensteuer mit 1.820,00 € fest. Werbungskosten bzw. Sonderausgaben wurden dabei nur mit den Pauschbeträgen iHv 132,00 € bzw. 60,00 € berücksichtigt. Aufgrund des Bezuges von Notstandshilfe für zwei Tage sei laut der - die Berechnungen zum Günstigkeitsvergleich nicht komplett enthaltenden - Bescheidbegründung zunächst nach der Umrechnungsvariante (Hochrechnungsmethode) des Progressionsvorbehaltes gemäß § 3 Abs. 2 EStG die Steuer ermittelt worden. Es habe sich jedoch die Kontrollrechnungsvariante gemäß § 3 Abs. 2 EStG (=die in den Bemessungsgrundlagen des Bescheides vorgenommene Besteuerung von 75,80 €) als günstiger für den Bf erwiesen und sei diese der Besteuerung zugrundegelegt worden. (Auf den Progressionsvorbehalt, welcher samt Günstigkeitsvergleich hier neu durchzurechnen ist, wird in der vorliegenden Entscheidung an geeigneter Stelle noch eingegangen werden.)

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 8. Jänner 2013 brachte der Bf am 4. Februar 2013 Berufung ein.

Die belangte Behörde richtete am 5.2.2013 an den Bf einen Vorhalt (Ergänzungsersuchen). Weiters richtete die belangte Behörde mit Schreiben vom 25. April 2013 (laut Aktenlage elektronisch über FinanzOnline in die dortige Databox) ein Ergänzungsersuchen an den Bf und forderte ihn auf, die fehlenden Unterlagen und Nachweise nachzureichen.

Am 26. Juli 2013 wies das Finanzamt die Berufung mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet ab, da die erforderlichen Unterlagen trotz Aufforderung nicht beigebracht worden seien. (Zustellung mit Rsb, d.h. Rückscheinbrief)

In dem gegen diese Berufungsvorentscheidung gerichteten Schreiben vom 20.8.2013 führt der Bf aus, dass er mit Einschreiben vom 4. März 2013 die angeforderten Unterlagen an das Finanzamt übermittelt habe. Diese Unterlagen seien laut einer Rücksprache am 9.8.2013 im Zuge der Finanzamtsübersiedelung im März 2013 verloren gegangen. Das Ergänzungsersuchen vom 25. April 2013 sei nicht bei ihm eingelangt, weshalb er nicht darauf reagieren konnte. In der dem Schreiben vom 20. August 2013 angeschlossenen Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2011, datiert mit 3.3.2013, macht der Bf folgende Ausgaben geltend:
Sonderausgaben Versicherungsprämien (Kennzahl 455):  Euro 5.749,66;
Sonderausgaben Wohnraumschaffung/-sanierung (Kzl. 456): Euro 1.249,98;
Werbungskosten Arbeitsmittel (Kzl. 719): Euro 218,90;
Werbungskosten Reisekosten (Kzl. 721): Euro 1.160,46.
Als Berufsbezeichnung des Bf ist angegeben: technAngestellter und Z-Aushilfe.

In einer Eingabe über FinanzOnline brachte der Bf am 21.1.2014 vor: „... bezugnehmend auf meine u.a. Nachricht vom 20.8.2013 ist es ganz offensichtlich zu Kommunikationsschwierigkeiten und Missverständnissen gekommen. Ich bin erst unlängst durch einen Hinweis einer Bekannten auf Ihre Nachricht in meiner Databox gestoßen. Da bisher jegliche Informationen aus Ihrem Haus in Papierform gemacht wurden, war es für mich nicht schlüssig, dort nachzusehen. Auch wurde ich bei meinen Anrufen in Ihrem Haus leider nicht darauf aufmerksam gemacht.
…“

Die belangte Behörde richtete Ergänzungsersuchen vom 31. Jänner 2014 und vom 3. Oktober 2014 (Rsb) an den Bf, wobei sie im Oktober 2014 um detaillierte Aufstellungen und Übermittlung von Belegen betreffend die geltend gemachten Werbungskosten ersuchte. Außerdem wurde der Bf aufgefordert, entsprechende Nachweise bezüglich der geltend gemachten Sonderausgaben zu übermitteln.

Mit Eingabe vom 22. November 2014 übermittelte der Bf schließlich folgende Unterlagen an die belangte Behörde:

  • Fahrtenbuch
  • WKO Grundumlage [Anm. des BFG: offenbar zusätzlich zu den Eintragungen im Arbeitnehmererklärungsformular geltend gemacht]
  • Kontoinformation und Finanzamtsbestätigung Wohnbaudarlehen
  • Bestätigung VersichGesellschaft4: Unfall- und Krankenversicherung
  • Bestätigung VersichGesellschaft1 Lebensversicherung
  • Spendenbestätigung der VereinX über 80,00 € im Jahr 2011 [Anm. des BFG: offenbar zusätzlich zu den Eintragungen im Arbeitnehmererklärungsformular geltend gemacht]
  • Bestätigung VersichGesellschaft2 Lebensversicherung
  • Bestätigung VersichGesellschaft3 Lebensversicherung

Am 22. Jänner 2015 erfolgte die Vorlage der Beschwerde (vormals Berufung) durch die  belangte Behörde an das Bundesfinanzgericht. Im Vorlagebericht beantragt das Finanzamt, die nachgewiesenen Reisekosten und die Topfsonderausgaben bis zum Höchstbetrag von Euro 2.920,00 und die Spenden zu berücksichtigen. Da betreffend die beantragten Arbeitsmittel keine Belege vorgelegt worden seien, beantrage die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde in diesem Punkt.

Erwägungen über die Beschwerde

Zur Entscheidung über das ursprünglich als Berufung erhobene Rechtsmittel vom Februar 2013 durch das BFG:

Auf die abweisende Berufungsvorentscheidung der belangten Behörde vom 26. Juli 2013 reagierte der Bf mit Schreiben vom 20.8.2013, welches als rechtzeitiger Vorlageantrag gemäß § 276 Abs. 2 und 3 BAO aF (alte Fassung vor Inkrafttreten des Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetzes, BGBl. I 14/2013 am 1. Jänner 2014), d.h. als "Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz" aufzufassen ist. Dadurch galt die Berufung "wiederum als unerledigt". Mit 1. Jänner 2014 gingen die Aufgaben der früheren Abgabenbehörde zweiter Instanz der Bundesfinanzverwaltung - d.h. des Unabhängigen Finanzsenates - auf das Bundesfinanzgericht (BFG, Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen gemäß Art. 129 B-VG) über. Gemäß § 323 Abs. 37 BAO sind die nunmehrigen Bestimmungen in der BAO (Bundesabgabenordnung), welche Beschwerden betreffen, auch auf alle am 1. Jänner 2014 unerledigten Berufungen anzuwenden. Das frühere Rechtsmittel der Berufung gegen einen Bescheid ist per 1. Jänner 2014 durch das nunmehrige Rechtsmittel der Beschwerde gegen einen Bescheid ersetzt worden. Das früher als Amtspartei bezeichnete, bescheiderlassende Finanzamt wird nunmehr als belangte Behörde bezeichnet.

Sohin ist das als Berufung erhobene Rechtsmittel vom Februar 2013 seit 1. Jänner 2014 als Beschwerde zu behandeln, und das BFG entscheidet über diese Beschwerde mit Erkenntnis (d.h. es wird "zu Recht erkannt").

 

Zur (unstrittigen) amtswegigen Erlassung des angefochtenen Bescheides:

Der Bf bezog von 3. Jänner bis 31. Dezember 2011 gleichzeitig zwei lohnsteuerpflichtige Einkünfte, welche getrennt voneinander lohnabgerechnet wurden, wie aus den von beiden Arbeitgebern übermittelten Lohnzetteln hervorgeht. Damit erfüllte der Bf. einen sogenannten Pflichtveranlagungstatbestand, und zwar denjenigen der Z 2 des § 41 Abs. 1 EStG:

§ 41 Abs. 1 EStG: „Sind im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, so ist der Steuerpflichtige zu veranlagen, wenn
1. …
2. im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen worden sind.
…“

Infolge der Erfüllung (zumindest) eines Pflichtveranlagungstatbestandes hat die belangte Behörde (Finanzamt Wien) den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 8.1.2013 zu Recht amtswegig erlassen, d.h. obwohl bis dahin keine Einkommensteuererklärung (Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung) für 2011 eingelangt war.

 

Zu den geltend gemachten Werbungskosten (Kammerumlage, Arbeitsmittel, Fahrtkosten), d.h. zur Einkünfteermittlung:

Der Bf hat im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. Bei solchen, sogenannten außerbetrieblichen (nichtbetrieblichen) Einkunftsquellen werden Ausgaben, welche bei der Einkünfteermittlung abgezogen werden können, als Werbungskosten bezeichnet. (Die anderen vom Bf geltend gemachten Abzugsposten (Ausgaben) fallen unter den Titel Sonderausgaben, deren Abzug im Schema der Einkommensermittlung erst nach der hier zuerst behandelten Einkünfteermittlung erfolgt.)

Gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz EStG sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Des Weiteren werden in § 16 Abs. 1 EStG – unter anderem – auch folgende Aufwendungen oder Ausgaben als Werbungskosten normiert:

  • Ziffer (Z) 3 a) Pflichtbeiträge zu gesetzlichen Interessenvertretungen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage sowie Betriebsratsumlagen.
    b) Beiträge für die freiwillige Mitgliedschaft bei Berufsverbänden und Interessenvertretungen. Die Beiträge sind nur unter folgenden Voraussetzungen abzugsfähig:
    - Die Berufsverbände und Interessenvertretungen müssen sich nach ihrer Satzung und tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich oder überwiegend mit der Wahrnehmung der beruflichen Interessen ihrer Mitglieder befassen.
    - Die Beiträge können nur in angemessener, statutenmäßig festgesetzter Höhe abgezogen werden.
  • Z 7 Ausgaben für Arbeitsmittel (zB Werkzeug und Berufskleidung).

 

Zur Kammerumlage WirtschaftskammerBundesland:

Der Bf legte eine Abrechnung der LandesKammerBundesland über die Grundumlage für das Jahr 2011 in Höhe von Euro 59,50 sowie einen diesbezüglichen Einzahlungsbeleg vor.

Als Werbungskosten werden im Allgemeinen Aufwendungen und Ausgaben bezeichnet, die im Rahmen der Erzielung außerbetrieblicher Einkünfte anfallen. Demnach muss ein Veranlassungszusammenhang der Aufwendungen mit einer außerbetrieblichen Einkunftsquelle vorliegen (siehe dazu Zorn/Stanek in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), EStG (20. Lfg, 2018) § 16 Rz 1 sowie VwGH 24.7.2007, 2006/14/0034, 28.5.2015, 2012/15/0104, 19.10.2016, Ra 2014/15/0031).

Vor diesem Hintergrund muss beurteilt werden, inwiefern die Ausgaben für die Grundumlage der Wirtschaftskammer durch die nichtselbständige Erwerbstätigkeit des Bf veranlasst sind (vgl. zum kausalen Werbungskostenbegriff VwGH 29.7.2014, 2010/13/0126 mwN).

Wie sich aus der vorgelegten Unterlage ergibt, erfolgte die Bemessung der Umlage ausgehend von einem „Nichtbetrieb“, sodass derzeit das betreffende umlageauslösende Gewerbe überhaupt nicht ausgeübt wird. Unabhängig davon fällt eine Wirtschaftskammerumlage regelmäßig im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit an. Eine solche wurde vom Bf im streitgegenständlichen Veranlagungsjahr 2011 jedoch nicht erklärt.

Nachdem nicht ersichtlich ist, in welchem Zusammenhang die Ausgaben für die Grundumlage in Höhe von Euro 59,50 mit den nichtselbständigen Tätigkeiten des Bf im Jahr 2011 stehen, und damit die Veranlassung durch die tatsächlich ausgeübten außerbetrieblichen Tätigkeiten nicht nachgewiesen ist, sind die geltend gemachten Ausgaben nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen.

 

Zu den Arbeitsmitteln:

Gemäß § 119 Abs. 1 BAO trifft den Abgabepflichtigen (Steuerpflichtigen) die Pflicht, die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen. Das bedeutet, dass der Abgabenbehörde nicht nur ein richtiges und vollständiges, sondern auch ein klares Bild von den für die Abgabenerhebung maßgeblichen Umständen zu verschaffen ist (vgl. Ritz, BAO 6 § 119 Rz 3). Unter Vollständigkeit ist die Offenlegung aller für eine ordnungsgemäße Feststellung des Sachverhaltes notwendigen Tatsachen zu verstehen (vgl. VwGH 11.4.1991, 90/16/0231).

Die belangte Behörde hat versucht, darauf hinzuwirken, dass vor der der Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht die vollständigen Unterlagen eingebracht werden (siehe Ergänzungsersuchen vom 3. Oktober 2014 betreffend Vorlageantrag 2011).

Da der Bf keine Nachweise hinsichtlich der beantragten Ausgaben für Arbeitsmittel in Höhe von Euro 218,90 vorgelegt hat, können diese Ausgaben nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden.

 

Zu den Fahrtkosten:

Der Bf macht Kosten in Höhe von Euro 1.160,46 für beruflich veranlasste Fahrten geltend.

Der Bf hat zum Nachweis der angefallenen, beruflich bedingten Fahrtkosten eine Auflistung mit dem Titel „Fahrtenbuch 2011“ übermittelt.

Die Aufzeichnungen im Fahrtenbuch müssen hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein. Weisen sie inhaltliche Unregelmäßigkeiten auf, kann dies die materielle Richtigkeit der Kilometerangaben in Frage stellen (siehe dazu Renner, Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuches, SWK 2008, 729 mit Hinweis auf BFH 16.3.2006, VI R 87/04, BStBl. II 2006, 625).

Bei einer amtswegigen Überprüfung der angeführten Fahrten konnten keine Unregelmäßigkeiten in den Aufzeichnungen festgestellt werden, die die Richtigkeit der Fahrtaufzeichnungen in Zweifel ziehen würden. Sowohl die zurückgelegten Kilometer stimmen mit den Wegstrecken überein, als auch erscheinen die mit dem Fahrzeug insgesamt zurückgelegten Kilometer bezogen auf den Zeitraum plausibel. Außerdem ist aus den Aufzeichnungen ersichtlich, zu welchem (beruflichen) Zweck die jeweilige Fahrt unternommen wurde.

Die Anzahl der gefahrenen Kilometer sowie die berufliche Veranlassung konnten glaubhaft dargelegt werden.

Der Bf hat für die oben angeführten Fahrten sein privates Kraftfahrzeug verwendet, jedoch keinen Kostenersatz nach § 26 Z 4 EStG erhalten, weshalb er die angefallenen Aufwendungen als Werbungskosten geltend machen kann. Mangels Angaben zu den tatsächlich angefallenen Kosten können die Fahrtkosten anhand der amtlichen Kilometertabellen im Schätzungswege ermittelt werden. Die dort genannten, den Bundesbediensteten zustehenden Sätze stellen nach § 26 Z 4 lit. a EStG den berücksichtigungsfähigen Höchstbetrag dar. Im Jahr 2011 beträgt das Kilometergeld für PKW Euro 0,42 je Fahrkilometer (vgl. dazu Lenneis, Jakom 5 EStG (2012) § 26 Rz 15).

Ausgehend von 2.763 beruflich zurückgelegten Kilometern im Jahr 2011 werden vom BFG mit der vorliegenden Entscheidung (Erkenntnis) Fahrtkosten in Höhe von Euro 1.160,46 als Werbungskosten anerkannt.

 

Zu den geltend gemachten Sonderausgaben:

Zu den sogenannten Topf-Sonderausgaben:

Der Bf macht Sonderausgaben iZm personenbezogenen Versicherungen (§ 18 Abs. 1 Z 2 EStG) und iZm Wohnraumschaffung bzw. -sanierung (§ 18 Abs. 1 Z 3 EStG) geltend, für welche es in § 18 Abs. 3 EStG gemeinsame Vorschriften hinsichtlich berücksichtigbarer Obergrenze ("einheitlicher Höchstbetrag"), Viertelung des schließlich einkommensmindernden Betrages, Ausschleifregelung bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte über 36.400,00 € sowie zum gegebenenfalls (zumindest) zu berücksichtigendem Pauschbetrag iHv 60,00 € gibt. Da zur Anwendung dieser Vorschriften (fast) alle Sonderausgaben iSd § 18 Abs. 1 Z 2 und 3 EStG zusammengerechnet werden, also sozusagen in einen Topf geworfen werden, werden diese Sonderausgaben auch als Topf-Sonderausgaben bezeichnet.

Der Bf hat die geltend gemachten 5.749,66 € Versicherungsprämien belegmäßig durch Bestätigungen der Versicherungsgesellschaften nachgewiesen:
Unfallversicherung VersichGesellschaft4 Euro 293,76;
Krankenversicherung VersichGesellschaft4 Euro 76,32;
Lebensversicherung VersichGesellschaft1 Euro 1.066,90;
Lebensversicherung VersichGesellschaft2 Euro 1.580,40;
Lebensversicherung VersichGesellschaft3 Euro 2.732,28.

Es handelt sich dabei um freiwillig geleistete Ausgaben für Personenversicherungen (vgl. VwGH 27.2.2002, 96/13/0101), die gesetzlich begünstigt und damit dem Grunde nach als Sonderausgaben im Sinn des § 18 Abs. 1 Z 2 erster und zweiter Teilstrich EStG zu berücksichtigen sind.

Der Bf. hat eine Kontoinformation über die Rückzahlung eines Wohnbaudarlehens des Bundeslandes vorgelegt. Daraus ist ersichtlich, dass im Jahr 2011 ein Betrag von Euro 1.249,98 an Kapital und von Euro 10,24 an Verzugszinsen zurückbezahlt wurde.

Gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 EStG sind Ausgaben zur Wohnraumschaffung oder -sanierung unter bestimmten Umständen begünstigt. Werden Ausgaben zur Wohnraumschaffung oder ‑sanierung mit Fremdmitteln finanziert, liegen Sonderausgaben erst nach Maßgabe und im Zeitpunkt der Darlehensrückzahlung vor (siehe Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch (1993) § 18 Rz 75). Werden für Darlehen gesonderte Aufwendungen verrechnet – wie zum Beispiel Verzugszinsen –, teilen sie das Schicksal der Hauptleistung (vgl. Baldauf, Jakom5 EStG (2012) § 18 Rz 97).

Demnach stellt genaugenommen nicht nur der vom Bf geltend gemachte Betrag iHv Euro 1.249,98, sondern auch die Verzugszinsen, sohin der Gesamteinzahlungsbetrag für das Jahr 2011 in Höhe von Euro 1.260,22 (Kapital und Verzugszinsen) dem Grunde nach Sonderausgaben dar.

Nach § 18 Abs. 3 Z 2 EStG besteht unter anderem für Ausgaben im Sinn des Abs. 1 Z 2 und Z 3 leg.cit. mit bestimmten Ausnahmen ein einheitlicher Höchstbetrag von Euro 2.920,00 jährlich. Wenn die geltend gemachten Ausgaben insgesamt höher als der jeweils maßgebende Höchstbetrag sind, so ist ein Viertel des Höchstbetrages als Sonderausgaben abzusetzen (Sonderausgabenviertel).

Die dem Grunde nach als Sonderausgaben zu berücksichtigenden Ausgaben für Versicherungsbeiträge gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 EStG und für das Wohnbaudarlehen gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 EStG fallen in den Anwendungsbereich des § 18 Abs. 3 Z 2 EStG und stellen sog. Topfsonderausgaben dar. Die diesbezüglich insgesamt dem Grunde nach Sonderausgaben darstellenden Ausgaben betragen Euro 7.009,88 (=5.749,66 + 1.260,22).

Aus der im Rechtsmittelverfahren eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2011 (kein Alleinverdienerabsetzbetrag und kein Alleinerzieherabsetzbetrag beantragt, drei oder mehr Kinder sind nicht ersichtlich) gehen keine Umstände hervor, die auf eine Erhöhung des einheitlichen Höchstbetrages hindeuten, sodass dieser im vorliegenden Fall 2.920,00 € beträgt.

In der zweiten Hälfte von § 18 Abs. 3 Z 2 EStG wird normiert: "Sind diese Ausgaben insgesamt
- niedriger als der jeweils maßgebende Höchstbetrag, so ist ein Viertel der Ausgaben, mindestens aber der Pauschbetrag nach Abs. 2, als Sonderausgaben abzusetzen,
- gleich hoch oder höher als der jeweils maßgebende Höchstbetrag, so ist ein Viertel des Höchstbetrags als Sonderausgaben abzusetzen (Sonderausgabenviertel).
Beträgt der Gesamtbetrag der Einkünfte mehr als 36 400 Euro, vermindert sich das Sonderausgabenviertel gleichmäßig in einem solchen Ausmaß, dass sich bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 60 000 Euro ein absetzbarer Betrag in Höhe des Pauschbetrages nach Abs. 2 ergibt."

Da die gegenständlichen 7.009,88 € den einheitlichen Höchstbetrag von 2.920,00 € übersteigen und der Gesamtbetrag der Einkünfte unter 36.400 € liegt, ist hier im Ergebnis ein Viertel des Höchstbetrages als (Topf-)Sonderausgaben, sohin Euro 730,00 einkommensmindernd in Abzug zu bringen.

 

Zu den Spenden:

Der Bf macht Sonderausgaben iZm (humanitären) Spenden geltend, d.h. solchen gemäß § 18 Abs. 1 Z 8 iVm § 4a Z 3 und 4 EStG in der für das Streitjahr 2011 anzuwendenden Fassung. Diese anwendbare Fassung ist auch dadurch gekennzeichnet (vgl. Wanke in Wiesner et al., Anm. 119e und 119j zu § 18 EStG), dass das in § 18 Abs. 1 Z 3 EStG damals vorgesehene Meldeverfahren für das Streitjahr 2011 nicht wirksam geworden ist. Die vom Bf eingereichte Spendenbestätigung über 80,00 € reicht daher zum Nachweis aus.

Der VereinX Vereinsnamenergänzung ist mit der Registrierungsnummer SOyyyy seit dem 1. Jänner 2009 als spendenbegünstigte Einrichtung erfasst.

Die Ausgaben in Höhe von Euro 80,00 sind gemäß § 18 Abs. 1 Z 8 EStG in der für das Jahr 2011 anwendbaren Fassung als Zuwendung an eine begünstigte Organisation abzugsfähig.

 

Zum Progressionsvorbehalt

Der Bf bezog laut der Meldung des Arbeitsmarktservice an zwei Tagen im Streitjahr (01.01.-02.01.2011) Notstandshilfe in Höhe von insgesamt 75,80 €.

Gemäß § 3 Abs. 1 EStG sind von der Einkommensteuer u.a. befreit:
"5. a) das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen"

§ 3 Abs. 2 EStG bestimmt: "Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des Abs. 1 Z 5 lit. a ...  nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde. ..."

§ 33 Abs. 10 EStG bestimmt: "Ein im Rahmen einer Veranlagung bei der Berechnung der Steuer anzuwendender Durchschnittssteuersatz ist vorbehaltlich des Abs. 11 nach Berücksichtigung der Abzüge nach den Abs. 4 bis 6 (ausgenommen Kinderabsetzbeträge nach Abs. 3) zu ermitteln. Diese Abzüge sind nach Anwendung des Durchschnittssteuersatzes nicht nochmals abzuziehen." (§ 33 Abs. 11 EStG betrifft Durchschnittssteuersätze, die aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens zu ermitteln sind, und ist daher für den vorliegenden Fall nicht relevant.)

Der Lohnzettel für die Tätigkeit des Bf als technAngestellter bei AGeins weist als Bezugszeitraum 03.01. bis 31.12.2011 aus. Die diesbezüglichen, zum laufenden Tarif zu besteuernden Einkünfte sind daher für die Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes auf einen Jahresbetrag umzurechnen.

Der Lohnzettel für die Tätigkeit des Bf als Z-Aushilfe weist als Bezugszeitraum 01.01. bis 31.12.2011 aus. Bei ganzjährigem Bezug von Einkünften aus einer nichtselbständigen Arbeit, insbesondere wenn es sich wie hier um eher geringfügige Einkünfte handelt, war bis zum Bekanntwerden der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) vom 27. März 2019, Zl. Ra 2018/13/0024 umstritten,

  • ob die diesbezüglichen Einkünfte, soweit sie außerhalb der Bezugsdauer der steuerfreien Transferleistung liegen, d.h. hier aliquotiert für 363 von 365 Tagen, der Hochrechnung zu unterziehen sind,
  • oder ob die diesbezüglichen Einkünfte nicht hochzurechnen sind.

Dies ist durch VwGH 27.3.2019, Ra 2018/13/0024 folgendermaßen geklärt worden:

"[Randzahl 15] ... die Frage, ob eine Hochrechnung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, soweit sie außerhalb des Zeitraums des gleichzeitigen steuerfreien Bezuges erzielt wurden, zu unterbleiben hat, wenn während des ganzen Jahres Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt wurden.
[Randzahl 16] Dies ist der Fall, soweit es sich um ganzjährige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handelt, die mit dem steuerfreien Bezug im Sinne des § 3 Abs. 2 EStG 1988 in keinem Zusammenhang stehen. Insoweit besteht - bei Beachtung des Gesetzeszwecks - so wenig Anlass zur Hochrechnung wie bei ganzjährig bezogenen Einkünften aus selbständiger Arbeit (vgl. zu diesen das vom Bundesfinanzgericht ins Treffen geführte Erkenntnis VwGH 22.11.2006, 2006/15/0084, VwSlg 8181/F).
[Randzahl 17] Anders verhält es sich, soweit der steuerfreie Bezug an die Stelle der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit tritt. Dies ist die Situation, in der die Steuerfreiheit im Vergleich zum unveränderten Fortbezug der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auch eine progressionsmindernde Wirkung hätte, der die Regelung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 entgegenwirken soll (vgl. dazu die Wiedergabe der Erläuterungen zur Novelle BGBl. Nr. 606/1987 zuletzt im Erkenntnis VwGH 22.2.2017, Ro 2016/13/0004). ..."

Im Einzelfall bleibt freilich zu beurteilen, ob es sich um die Einkünfte aus einer nichtselbständigen Tätigkeit, an deren Stelle die Transferleistung (hier: Notstandshilfe) getreten ist, handelt. Dies ist zu verneinen, weil der Bf. laut Lohnzettel die Einkünfte als Z-Aushilfe auch während des Bezuges der Transferleistung am 1. und 2. Jänner 2011 erzielt hat. Es handelt sich also diesbezüglich um Einkünfte, die nicht in Zusammenhang mit der steuerfreien Transferleistung stehen und daher im Sinne des zitierten VwGH-Erkenntnisses nicht hochzurechnen sind.

Demgemäß wird die Hochrechnung gemäß § 3 Abs. 2 EStG auf dem beigefügten Berechnungsblatt vorgenommen und nur der Lohnzettel der AGeins zum Zweck der Durchschnittssteuersatzermittlung von 363 auf 365 Tage umgerechnet (hochgerechnet). Diese Hochrechnungsvariante ergibt eine festzusetzende Einkommensteuer von 1.048,00 €.

Die gemäß § 3 Abs. 2 EStG auf dem beigefügten Berechnungsblatt durchgerechnete Kontrollrechnungsvariante, bei welcher die 75,80 € Notstandshilfe als steuerpflichtig behandelt werden, ergibt eine festzusetzende Einkommensteuer von 1.051,00 €. Da im Sinne von § 3 Abs. 2 EStG die für den Steuerpflichtigen günstigere Variante für die Steuerfestsetzung heranzuziehen ist, ist dies im vorliegenden Fall die Variante der Hochrechnungsmethode.

(Anm.: Wenn hingegen auch die auf den Zeitraum 3.1. bis 31.12.2011 entfallenden Bezüge aus dem zweiten Lohnzettel hochgerechnet worden wären, so hätte die Hochrechnungsmethode 1.052,00 € an festzusetzender Einkommensteuer ergeben, sodass dann die Kontrollrechnungsmethode die günstigere Variante gewesen wäre.)

 

Zur (Un)Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG i.V.m. § 25a Abs. 1 VwGG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist bei der rechtlichen Würdigung des Umfanges der abzusetzenden Werbungskosten und Sonderausgaben sowie des Progressionsvorbehaltes der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt. Ansonsten hat sich die rechtliche Beurteilung im Sinne von VwGH 28.5.2014, Ro 2014/07/0053, eindeutig aus den gesetzlichen Bestimmungen ergeben.
Im Übrigen waren Tatfragen zu beurteilen, die nicht revisibel sind.
Es lag damit insgesamt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb spruchgemäß die Revision als nicht zulässig zu bezeichnen ist.

 

 

Wien, am 24. Juli 2019

 

Zusatzinformationen

in Findok veröffentlicht am:01.08.2019
Materie:
  • Steuer
betroffene Normen:
Verweise:
ECLI:
  • ECLI:AT:BFG:2019:RV.7100334.2015
Systemdaten: Findok-Nr: 124737.1
aufgenommen am: 01.08.2019 09:45:51
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