Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis des BFG vom 06.08.2015, RV/3100307/2012
Verjährungsrechtliche Auswirkungen von vorläufig erlassenen Grundlagenbescheiden auf abgeleitete Bescheide

Rechtssätze

Keine Rechtssätze vorhanden

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache der Bf, vertreten durch Wirtschaftstreuhand Kufstein Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Oberer Stadtplatz 15, 6330 Kufstein, gegen die Bescheide des Finanzamtes Kufstein Schwaz vom 18.12.2008, betreffend Einkommensteuer der Jahre 1998 bis 2001 zu Recht erkannt:

 

I. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.

 

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 Bundes- Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe

Die Einkommensteuer der Beschwerdeführerin wurde im hier maßgeblichen Beschwerdezeitraum mit Bescheiden vom 23.8.1999 (betreffend das Jahr 1998), vom 27.7.2000 (betreffend 1999), vom 4.10.2001 (betreffend 2000) und vom 10.7.2002 (betreffend 2001) endgültig festgesetzt.

Diesen Einkommensteuerbescheiden lagen ua anteilige Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung durch die [Miteigentumsgemeinschaft] ([StNr]) zugrunde, wobei die diesbezüglichen Bescheide betreffend Feststellung von Einkünften gem § 188 BAO im hier maßgeblichen Beschwerdezeitraum (1998 bis 2001) gemäß § 200 BAO vorläufig erlassen wurden.

Infolge abgabenbehördlicher Erhebungen wurden am 16.12.2008 die Bescheide der gegenständlichen Miteigentümergemeinschaft betreffend Feststellung von Einkünften gem § 188 BAO unter Annahme einer Liebhabereibetätigung für endgültig erklärt. Die hiergegen erhobenen Beschwerden waren Gegenstand gesonderter, mit hg. Beschluss vom 22.6.2015 zur GZ RV/3100306/2012 erledigter, Beschwerdeverfahren.

Mit den hier angefochtenen Bescheiden vom 18.12.2008 änderte die belangte Behörde in Folge die festgesetzte Einkommensteuer für die Jahre 1998 bis 2001 gemäß § 295 Abs 1 BAO unter Hinweis auf jene bescheidmäßigen Feststellungen zur Miteigentumsgemeinschaft.

In der dagegen erhobenen (damaligen) Berufung gegen die vorgenommenen Änderungen gem § 295 Abs 1 BAO wurde der Einwand der Verjährung geltend gemacht, da zwar die Bescheide betreffend Feststellung von Einkünften gem § 188 BAO als Grundlagenbescheide vorläufig ergangen seien, jedoch die erstmaligen Festsetzungen der Einkommensteuer endgültig erfolgt seien und daher hinsichtlich der streitgegenständlichen Jahre 1998 bis 2001 bereits Verjährung eingetreten sei.

In der die Streitjahre 1998 bis 2001 betreffenden (damaligen) Berufungsvorentscheidung wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und begründete dies im Wesentlichen unter Hinweis auf Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO³, § 208, Anm 4, wonach die Vorläufigkeit von Grundlagenbescheiden auf die abgeleiteten Bescheide durchschlage.

Die Beschwerdeführerin stellte fristgerecht einen Vorlageantrag, worauf die belangte Behörde die Beschwerdeakten der damaligen Abgabenbehörde zweiter Instanz vorlegte.

Nach entsprechendem Parteiengehör setzte die damalige Abgabenbehörde zweiter Instanz die Entscheidung über die verfahrensgegenständlichen Rechtsmittel gem § 281 BAO idF vor dem FVwGG 2012 bis zum Ergehen des beim Verwaltungsgerichtshof zur GZ 2012/15/0121 anhängigen Verfahrens aus, weil dessen Ausgang für die hier gegenständlichen Verfahren von entscheidender Bedeutung sein würde.

Mit Schreiben vom 28.5.2015 verständigte das nunmehr zuständige Bundesfinanzgericht den Beschwerdeführer über das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.1.2015, 2012/15/0121.

 

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 323 Abs 38 BAO sind die am 31. Dezember 2013 bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art 130 Abs 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit 1. Jänner 2014 auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

Dem entsprechend stellt das Bundesfinanzgericht auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Die den Einkommensteuerbescheiden der Beschwerdeführerin teilweise zugrundeliegenden Bescheide betreffend Feststellung von Einkünften gem § 188 BAO wurden vorläufig gem § 200 BAO erlassen.

Aufgrund des Wegfalls der Ungewissheit wurden jene Feststellungsbescheide am 16.12.2008 durch endgültige Bescheide ersetzt und infolgedessen die beschwerdegegenständlichen gem § 295 Abs 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1998 bis 2001 erlassen.

 

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig. Dagegen sprechende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsstellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.

Nach Feststellung des obigen Sachverhalts hat das Bundesfinanzgericht über die

vorliegende Beschwerde rechtlich erwogen:

In seinem Erkenntnis vom 29.1.2015, 2012/15/0121 führte der Verwaltungsgerichtshof ua folgendes aus:

"Das Verfahren zur Feststellung nach § 188 BAO zielt auf die Geltendmachung des Einkommensteueranspruches gegenüber den Beteiligten ab. Der Zweck der Feststellung nach § 188 BAO liegt darin, die Grundlagen für die Einkommensbesteuerung in einer Weise zu ermitteln, die ein gleichartiges Ergebnis für alle beteiligten Steuersubjekte gewährleistet, und die Durchführung von Parallelverfahren für die einzelnen Beteiligten über die nach § 188 BAO festzustellenden Besteuerungsgrundlagen zu vermeiden (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 1980). Durch die Regelungen des § 188 BAO wird somit ein Ausschnitt der Einkommensteuer-Verfahren der Beteiligten, der im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer für die Beteiligten durchzuführen wäre, in ein einheitliches Sonderverfahren zusammengefasst (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2011, 2009/15/0153).

Somit stellt sich das Verfahren nach § 188 BAO als Bündelung eines Ausschnittes der Einkommensteuerverfahren aller Beteiligten dar. Vorläufige Bescheide werden erlassen, um einen dem Grunde nach wahrscheinlich entstandenen Abgabenanspruch in jenen Fällen realisieren zu können, in denen der eindeutigen und zweifelsfreien Klärung der Abgabepflicht oder der Höhe der Abgabenschuld nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens vorübergehende Hindernisse entgegenstehen. Soweit im Rahmen eines Feststellungsverfahrens gemäß § 188 BAO - wie im Streitfall - die Höhe des einheitlichen Gewinnes bzw. Überschusses aufgrund vorübergehender Hindernisse nicht ermittelt werden kann, steht der Anteil am Gewinn bzw. Überschuss der einzelnen Beteiligten nicht fest. Diese Ungewissheit kommt durch die Erlassung eines vorläufigen Feststellungsbescheides zum Ausdruck und erfasst insoweit auch den abgeleiteten Einkommensteuerbescheid. Folglich liegt hinsichtlich dieser Ungewissheit auch dann ein Anwendungsfall des § 208 Abs. 1 lit. d BAO vor, wenn ein Feststellungsbescheid gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig ergangen ist und der davon abgeleitete Bescheid - im Hinblick auf § 295 BAO - endgültig erlassen wurde (vgl. idS Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO³, § 208 Anm. 4)."

 

Vor diesem Hintergrund kann in der beschwerdegegenständlichen, von der belangten Behörde gemäß § 295 BAO vorgenommen Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für die Jahre 1998 bis 2001 grundsätzlich keine Rechtswidrigkeit erblickt werden.

Infolge der zwischenzeitlich mit Beschwerdevorentscheidungen erledigten Beschwerdeverfahren betreffend die, den hier verfahrensgegenständlichen Einkommensteuerbescheiden zugrundeliegenden Feststellungen von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1998 bis 2001 (siehe hg. Beschluss vom 22.6.2015 zur GZ RV/3100306/2012), waren die hier angefochtenen Einkommensteuerbescheide jedoch gemäß § 192 BAO iVm § 270 BAO entsprechend abzuändern (vgl Ritz, BAO5, § 279 Tz 15).

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da zur Frage der Wirkung vorläufig erlassener Feststellungsbescheide auf endgültig erlassene Einkommensteuerbescheide die oben zitierte aktuelle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, von welcher das Bundesfinanzgericht nicht abweicht und sich die Pflicht des Verwaltungsgerichtes, während des Beschwerdeverfahrens betreffend abgeleitete Bescheide zur Kenntnis gelangte Änderungen von Grundlagenbescheiden entsprechend zu berücksichtigen, unmittelbar aus den §§ 192, 269 Abs 1 und 270 BAO ergibt, liegt im konkreten Fall keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

 

 

 

Wien, am 6. August 2015

 

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