Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis des BFG vom 20.07.2022, RV/5100385/2022
Verspäteter Antrag auf ArbeitnehmerInnenveranlagung

Rechtssätze

Folgerechtssätze

wie RV/5101670/2014-RS1 ((hier: Zurückweisung als verspätet))
Wenn die Beschwerde weder zurückzuweisen, noch als zurückgenommen oder gegenstandslos zu erklären, noch die Sache nach Aufhebung der angefochtenen Bescheide an die Abgabenbehörde zurückzuverweisen ist, hat das BFG gem. § 279 BAO in der Sache selbst zu entscheiden. Dies gilt auch dann, wenn die Abgabenbehörde die Beschwerde mit einer formalen Beschwerdevorentscheidung (hier: Erklärung als zurückgenommen gem. § 85 Abs. 2 BAO) erledigt und somit das BFG erstmals meritorisch über die Beschwerde abspricht.

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom 2. April 2021 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 1. März 2021, zu Steuernummer ***BFStNr***, mit welchem der Antrag vom 01.01.2021 auf Veranlagung der Einkommensteuer für das Jahr 2015 zurückgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

  1. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
  2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

Am 1.1.2021 um 02:01 Uhr langte eine Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung der Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bf.) für das Jahr 2015 via FinanzOnline beim Finanzamt Österreich ein.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 01.03.2021 als verspätet zurückgewiesen, was damit begründet wurde, dass der Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Frist (bis Ende des fünften Jahres, für das der Antrag gestellt wird) eingebracht worden sei.

Gegen den Zurückweisungsbescheid erhob die Bf. am 02.04.2021 Beschwerde, welche sie im Wesentlichen damit begründete, dass sie das Formular sicherlich um Mitternacht herum weggeschickt habe bzw. sie es weggeschickt habe, da es online noch erschienen sei. Ihrer Ansicht nach sei man berechtigt ein Formular abzuschicken, so lange man in ein Formular hineinkomme. Das Formular sei nicht um Mitternacht gelöscht gewesen. Eine Einkommenssteuererklärung sei leider auch eine langwierige Geschichte, deshalb habe sie leider so lange gebraucht. Sie bitte dieses eine Mal beide Augen zuzudrücken.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 01.12.2021, elektronisch zugestellt am 02.12.2021, wurde die Beschwerde vom 02.04.2021 gemäß § 260 BAO zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Abweisungsbescheid am 01.03.2021 ausgefertigt und in die Databox zugestellt worden sei, weshalb bis spätestens 01.04.2021 Beschwerde dagegen habe eingebracht werden können. Da die Beschwerde verspätet eingebracht worden sei, habe sie zurückgewiesen werden müssen. Unabhängig davon wäre diese auch bei rechtzeitiger Beschwerde abzuweisen gewesen, weil die Bf. laut Auskunft der EDV-Abteilung die Einkommensteuererklärung erst am 01.01.2021 eingebracht habe und es sich um eine nicht verlängerbare Frist handle.

In dem am 31.12.2021 via FinanzOnline eingebrachten Vorlageantrag führte die Bf. aus: "Leider gibt es auch Menschen, die 40 Stunden in der Pflege gearbeitet haben, und sich dadurch, da andere Sachen - Work-Life-Balance, oder eben auch, wie zusätzlich bei mir Mobbing am Arbeitsplatz stattgefunden hatte. Ich hatte auch wirklich den Einkommenssteuerbescheid damals um kurz vor Mitternacht fertig, aber da die Übermittlung auch nicht so top ist, ist es sich um diese Zeit nicht ausgegangen, das Formular zu übermitteln, obwohl ich immer wieder das anklickte, wo ihr es euch ansehen könnt, weiß auch nicht mehr wie das heißt, bevor ich es wirklich abgeschickt hatte. Und zu dem bis zum 02.04.2021: Ich hatte echt keine Zeit, musste mich wegen der ärztlich diagnostizierten Depression und Angststörung am 05.05.2021 um mich kümmern, wo ich natürlich ein paar Monate zuvor auch schon damit kämpfte. Ich hatte bis jetzt keine Zeit, weil ich mich nach meiner Kündigung von meinem Arbeitsklima erholen musste und hätte für so etwas, wie komplizierte Formalitäten keinen Kopf gehabt. Drücken Sie bitte noch einmal beide Augen zu, da ich das Geld zur Zeit brauche, da ich über das AMS in Ausbildung bin."

Am 14.07.2022 legte das Finanzamt dem Bundesfinanzgericht die Beschwerde zur Entscheidung vor und beantragte die Zurückweisung der Beschwerde gem. § 260 BAO.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. reichte die Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung für das Jahr 2015 am 1.1.2021 ein.

Der mit 01.03.2021 datierte Zurückweisungsbescheid wurde ihr am 02.03.2021 elektronisch zugestellt.

Dagegen erhob die Bf. am 02.04.2021 Beschwerde, welche mit (am 02.12.2021 zugestellter) Beschwerdevorentscheidung vom 01.12.2021 als verspätet zurückgewiesen wurde, woraufhin die Bf. am 31.12.2021 die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte.

2. Beweiswürdigung

Diese Feststellungen ergeben sich aus dem vom Finanzamt vorgelegten Verwaltungsakt.

Von der Bf. wurde ausschließlich das Datum der Einreichung der Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung in Zweifel gezogen. In der Beschwerde erklärte sie, dass sie "das Formular sicherlich um Mitternacht herum weggeschickt" habe bzw. sie es weggeschickt habe, da es online noch erschienen sei und das Formular nicht um Mitternacht gelöscht gewesen sei. Im Vorlageantrag gestand die Bf. ein, dass sie zwar den Einkommenssteuerbescheid [gemeint: die Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung] kurz vor Mitternacht fertig gehabt habe, sich die Übermittlung um diese Zeit aber nicht ausgegangen sei. Gemeinsam mit einer Auskunft der zuständigen IT-Abteilung vom 22.06.2021 (Einbringung: am 1.1.2021 um 02:01) ergibt sich damit unzweifelhaft, dass die Erklärung erst am 1.1.2021 eingebracht wurde.

Der mit 01.03.2021 datierte, elektronisch zugestellte Zurückweisungsbescheid wurde laut elektronischer Signatur am 02.03.2021 signiert: "Datum/Zeit 2021-03-02T02:17:51+01:00". Die elektronische Zustellung konnte daher auch erst am 02.03.2021 - und nicht wie in der Beschwerdevorentscheidung angegeben am 01.03.2021 - erfolgen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gem. § 245 Abs. 1 BAO 1. Satz beträgt die Beschwerdefrist einen Monat.

§ 108 Abs. 2 BAO lautet: Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht. Fehlt dieser Tag in dem letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monates.

§ 109 BAO normiert: Wird der Lauf einer Frist durch eine behördliche Erledigung ausgelöst, so ist für den Beginn der Frist der Tag maßgebend, an dem die Erledigung bekanntgegeben worden ist (§ 97 Abs. 1).

Gem. § 97 Abs. 1 lit. a BAO werden schriftliche Erledigungen (wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist) dadurch wirksam, dass sie demjenigen, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind, durch Zustellung bekanntgegeben werden.

§ 260 Abs. 1 BAO lautet: Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie a) nicht zulässig ist oder b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

§ 278 Abs. 1 BAO lautet: Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, §261) zu erklären, so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

§ 279 Abs. 1 BAO lautet: Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Gem. § 41 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 hat das Finanzamt auf Antrag des Steuerpflichtigen eine Veranlagung vorzunehmen, wenn der Antrag innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraums gestellt wird (Antragsveranlagung).

Wenn die Beschwerde weder zurückzuweisen, noch als zurückgenommen oder gegenstandslos zu erklären, noch die Sache nach Aufhebung der angefochtenen Bescheide an die Abgabenbehörde zurückzuverweisen ist, hat das BFG gem. § 279 BAO in der Sache selbst zu entscheiden. Das gilt auch dann, wenn die Abgabenbehörde die Beschwerde mit einer formalen Beschwerdevorentscheidung erledigt (vgl. Ritz, BAO6, § 279 Tz 4) und somit das BFG erstmals meritorisch über die Beschwerde abspricht.

Aufgrund des Vorlageantrages vom 31.12.2021 gilt die Beschwerde vom 02.04.2021 wieder als unerledigt (§ 264 Abs. 3 BAO). Die elektronische Vorlage dieser Beschwerde am 14.07.2022 löst die Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes hinsichtlich dieser Beschwerde aus.

Das Bundesfinanzgericht hat zunächst zu prüfen, ob die Beschwerde als unzulässig oder zu verspätet zurückzuweisen, als zurückgenommen oder gegenstandslos zu erklären oder der angefochtene Bescheid aufheben und die Sache an die Abgabenbehörde zurückzuverweisen ist (§ 278 BAO). In allen anderen Fällen hat das Bundesfinanzgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden (§ 279 BAO).

Das Finanzamt hat die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen, da es davon ausging, dass der Zurückweisungsbescheid am 01.03.2021 zugestellt wurde. Wie aufgrund der elektronischen Signatur ersichtlich ist (s.o.), erfolgte die Zustellung allerdings erst am 02.03.2021, sodass die Beschwerde am 02.04.2021 noch fristgerecht eingebracht werden konnte. Auch andere Gründe für einen Beschluss nach § 278 BAO liegen nicht vor, sodass gem. § 279 BAO in der Sache selbst zu entscheiden ist.

Eine Antragsveranlagung ist gem. § 41 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 vorzunehmen, wenn der Antrag innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraums gestellt wird. Für die Einkommensteuer 2015 bedeutet das somit, dass ein solcher Antrag bis spätestens 31.12.2020 einzubringen gewesen wäre.

Ob die Bf. (wie lt. Vorlageantrag) die Erklärung um kurz vor Mitternacht fertig hatte und sich nur die Übermittlung am 31.12.2020 nicht mehr ausgegangen ist, spielt keine Rolle. Es kommt nämlich nur auf den Zeitpunkt der Einreichung und nicht auf den - in der Regel auch nicht feststellbaren Zeitpunkt - der Fertigstellung der Abgabenerklärung an.

Das Gesetz stellt auch nicht darauf ab, ob ein Formular elektronisch noch verfügbar ist. Ebenso wenig räumt das Gesetz einen Ermessensspielraum bezüglich der Fünfjahresfrist ein.

Die Einbringung am 01.01.2021 war daher verspätet und erfolgte daher die Zurückweisung des Antrags auf ArbeitnehmerInnenveranlagung durch das Finanzamt zu Recht, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig, weil sich die gegenständliche Entscheidung unmittelbar aus den oben zitierten Gesetzesbestimmungen ableitet und keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war.

Linz, am 20. Juli 2022

Zusatzinformationen

in Findok veröffentlicht am:08.09.2022
Materie:
  • Steuer
betroffene Normen:
ECLI:
  • ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100385.2022
Systemdaten: Findok-Nr: 137707.1
aufgenommen am: 08.09.2022 09:43:25
Dokument-ID: b77db7ff-0fd7-4fb2-9daf-d7ac0c5dced5
Segment-ID: 2091f149-a11c-457b-8d64-ec8c59b236e8
nach oben