

Rechtssätze
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter_A in der Beschwerdesache Beschwerdeführerin_A, vertreten durch Steuerberater_A, über die Beschwerde vom 15. März 2016 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt_A vom 16. Februar 2016 betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2009 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
1.) Verfahrensgang:
Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 mit Ausfertigungsdatum 31. August 2010
erging antrags- und erklärungsgemäß.
Anlässlich einer zur ABNr.:_1 ergangenen Außenprüfung tätigte der Betriebsprüfer_A
ua. nachfolgende Feststellung:
"Tz 2. Firmenwert Übernahme Betrieb 2003:
... Vom Firmenwert sind die sogenannten firmenwertähnlichen Wirtschaftsgüter zu unterscheiden.
Darunter fallen im betrieblichen Gefüge für den Unternehmenswert bedeutsame immaterielle
Wirtschaftsgüter, die aber neben dem Firmenwert selbständig bewertbar sind. Sie sind
nach den allgemeinen Bewertungsregeln entweder als abnutzbar oder als nicht abnutzbar
zu behandeln. Darunter fallen zB Zahlungen für den Erwerb von Rezepturen (VwGH 20.11.1996,
94/15/0143), das Markenrecht (VwGH 27.09.1995, 92/13/0297), die Apothekenkonzession (nicht abnutzbar VwGH 21.09.2005, 2001/13/0214, VwGH 05.07.2004, 2000/14/0123, VwGH 16.09.2003, 2000/14/0119, VwGH 26.02.2003, 97/13/0155, VwGH 25.01.2000, 94/14/0141; VwGH 26.07.2000, 2000/14/0111). Es bestehen allerdings keine Bedenken, den nicht abnutzbaren Konzessionswert von
Betrieb mit 25% des Kaufpreises der Betrieb anzusetzen, wobei ein auf Grund und Boden
und Gebäude entfallender Kaufpreisbestandteil sowie die USt nicht zu berücksichtigen
sind. Der Konzessionswert der gesamten Betrieb beträgt aber höchstens 500.000 Euro.
Diese Rechtsansicht des Prüfers ist auch in den EST RL 2292 dargestellt.
Nachbesteuerung AfA Differenz aus 25 % Konzessionsanteil im Jahr 2009:
2003-2008 Betrag_1 €, Anteil 2009 Betrag_2 €,
Nachbesteuerung AfA - Diff 2003-2009 Betrag_3 €
§ 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988: Kann ein Fehler nur auf Grund der bereits eingetretenen Verjährung nicht mehr steuerwirksam
berichtigt werden, gilt gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 Folgendes:
Zur Erreichung des richtigen Totalgewinnes kann von Amts wegen oder auf Antrag eine
Fehlerberichtigung durch Ansatz von Zu- oder Abschlägen vorgenommen werden. Die Fehlerberichtigung
ist im ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum
(2009) insoweit vorzunehmen, als der Fehler noch steuerliche Auswirkungen haben kann.
...
Erhöhung Gewinn im Jahr 2009: Betrag_3 €"
(siehe Bericht gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom 15. Februar 2016 in Verbindung mit der Niederschrift
über die Schlussbesprechung vom 27. Jänner 2016, beide zur ABNr.:_1).
Das Finanzamt_A folgte den Feststellungen des Betriebsprüfers und erließ - nach Wiederaufnahme des Verfahrens - ua. einen (neuen) Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 (mit Ausfertigungsdatum 16. Februar 2016).
Die ua. gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 fristgerecht eingebrachte
Beschwerde vom 15. März 2016 richtet sich einerseits gegen den Ansatz des Konzessionswertes
mit 25% des damaligen Kaufpreises, da dieser mit 0,00 € anzusetzen sei, und andererseits
gegen die Anwendung des Zuschlages gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG im Jahr 2009. Hierzu
führte die Beschwerdeführerin begründend ua. aus wie folgt:
"§ 4 Abs 2 Z 2 EStG ist eine Norm des materiellen Einkommensteuerrechtes, weil sie
Einfluss auf die Höhe des Gewinnes/Verlustes aus der betrieblichen Einkunftsquelle
nimmt. Daran ändert sich nichts, dass mit dem AbgÄG 2012 die (nicht auf ESt beschränkte)
verfahrensrechtliche Norm des § 293c BAO aufgehoben wurde.
Gemäß § 124b Z 225 EStG tritt § 4 Abs 2 Z 2 EStG idF des AbgÄG 2012 mit 1.1.2013 in
Kraft und ist erstmals auf Fehler anzuwenden, die Veranlagungszeiträume ab 2003 betreffen.
Nach einhelliger Lehre und ständiger Rechtsprechung gilt der Grundsatz: Während Normen
des Verfahrensrechtes auch für Verfahrensschritte Anwendung finden, die sich auf vor
dem Inkrafttreten verwirklichte Sachverhalte beziehen (VwGH 12.12.2007, 2006/15/0004; Stoll, BAO-Kommentar, 62), erfassen materielle Abgabengesetze grundsätzlich erst
Tatbestände, die sich ab dem Inkrafttreten verwirklichen (vgl. VwGH 18.12.2008, 2006/15/0053; 22. 10.1996, 96/14/0017, Slg 7135/F; Mairinger/Twardosz, ÖStZ 2007, 16). § 4 Abs
2 Z 2 EStG ist, weil sie Einfluss auf die Höhe des Betriebsgewinnes, der Einkünfte
und des Einkommens nimmt, unzweifelhaft eine materiell-rechtliche Bestimmung. Das
bedeutet: Erstmals wenn das Veranlagungsjahr 2013 das älteste, nicht verjährte Jahr
(betreffend ESt) ist, können Zuschläge nach § 4 Abs 2 Z 2 EStG für Zwecke der Berechnung
der Einkommensteuer vorgenommen werden, wobei diese Zuschläge Fehler ab dem Veranlagungsjahr
2003 betreffen können. Erstmals das Einkommen 2013 kann sohin durch Zu- und Abschläge
nach § 4 Abs 2 Z 2 EStG idF AbgÄG 2012, erhöht/vermindert werden (Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn,
Kommentar zum EStG, § 4 Tz. 167). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Fehler, deren
Ursache in einem Veranlagungszeitraum 2003 liegen, grundsätzlich nach § 4 Abs 2 EStG
idF AbgÄG 2012 berichtigt werden können. Soweit diese Fehlerberichtigung aber nicht
entsprechend dem Grundsatz der periodenrichtigen Gewinnermittlung an der Wurzel steuerwirksam
erfolgen kann, setzt die steuerwirksame Berichtigung voraus, dass das Veranlagungsjahr
2013 der älteste noch nicht verjährte Veranlagungszeitraum ist, in dem nun mehr durch
Zu- und Abschläge der geforderte richtige Totalgewinn erzielt wird (vgl. BFG-Erkenntnis
vom 23.06.2015, RV/2100388/2013)."
Das Finanzamt_A wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 6. Dezember
2016 als unbegründet ab und legte in der händischen Bescheidbegründung (mit Ausfertigung
vom selben Tag) begründend ua. dar, dass die Bewertung des Konzessionswertes zutreffend
vorgenommen worden wäre. Zur bekämpften Anwendbarkeit des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG führte
die Abgabenbehörde aus wie folgt:
"Nach Ansicht des Finanzamtes_A kann dem Gesetzgeber des AbgÄG 2012 nicht unterstellt
werden, durch die Novellierung des § 4 Abs 2 EStG eine Norm geschaffen zu haben, die
regelmäßig frühestens im Jahr 2019, somit sieben Jahre nach dem Beginn seiner Geltung
anwendbar sein soll. Mit dem AbgÄG 2012 hat der Gesetzgeber auch § 293c BAO aus dem Rechtsbestand eliminiert. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage führen
diesbezüglich aus: „§ 209c BAO soll durch die Änderung im § 4 Abs 2 EStG 1988 ersetzt werden." Daraus lässt sich erkennen, dass Fälle nicht steuerwirksamer „Wurzelberichtigungen",
die bis zum 30.12.2012 durch Anwendung des § 293c BAO korrigierbar waren, ab 1.1.2013 in Anwendung des § 4 Abs 2 Z 2 EStG sanierbar sein
sollen. Der Gesetzgeber ist offenkundig davon ausgegangen, dass § 4 Abs 2 EStG in
seiner novellierten Fassung ab seinem Inkrafttreten (1.1.2013) auf alle Fälle anzuwenden
ist, in denen eine seinem Tatbestand entsprechende Fehlerkorrektur erfolgen kann.
Mit der Bestimmung bezweckt der Gesetzgeber im Interesse der richtigen Totalgewinnbesteuerung
eine zeitlich unbegrenzte Korrektur mit steuerlicher Wirkung. Diese Korrektur soll
verwaltungsökonomisch erfolgen, daher hat sich der Gesetzgeber für ein Zu-/Abschlagskonzept
entschlossen. Ein Zu- oder Abschlag iSd § 4 Abs 2 Z 2 EStG stellt keinen eigenständigen
materiellrechtlichen Besteuerungstatbestand dar. Lediglich die richtigen steuerlichen
Folgen werden für den Zeitraum der eingetretenen Verjährung durch § 4 Abs 2 Z 2 EStG
vollzugsvereinfachend nachgeholt. Die über die Norm mögliche Fehlerkorrektur über
die Verjährung hinaus ist ihrem entscheidenden Gehalt nach eine die korrekte Abgabenbemessung
und damit eine das Abgabenverfahren betreffende Norm. Mit AbgÄG 2015 BGBl. I Nr. 2015/163
wurde der § 124b Z 185 EStG wie folgt geändert: „§ 4 Abs. 2 und 3 und § 28 Abs. 7,
jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBL I Nr. 112/2012, treten mit 1. Jänner
2013 in Kraft und sind erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2004 auf
Fehler anzuwenden, die Veranlagungszeiträume ab 2003 betreffen." Den Erläuterungen
zur Regierungsvorlage ist zu entnehmen: „Die Änderung diente ausschließlich der Klarstellung...
Demzufolge können die §§ 4 Abs 2 erstmalig bei der Veranlagung zur Anwendung gebracht
werden, die den zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung ersten nicht verjährten Zeitraum
betrifft. Dies ist die erstmals von der Norm betroffenen Fehler des (verjährten) Jahres
2003 das Veranlagungsjahr 2004" (ErläutRV 896 BlgNr 25. GR 8). Da die Voraussetzungen
vorliegen, war die gesetzliche Bestimmung anzuwenden.
Berechnung des Zuschlages
Bei der Berechnung des Zuschlages der Außenprüfung wurde das Jahr 2009 in die Berechnung
miteinbezogen. Da das Jahr 2009 allerdings noch nicht verjährt war, handelt es sich
hierbei um eine Berichtigung der Abschreibung für dieses Veranlagungsjahr und nicht
um einen Zuschlag iSd § 4 Abs 2 Z 2 EStG. Es ändert sich allerdings dadurch nicht
der Spruchbetrag.
Zuschlag laut Außenprüfung € Betrag_3
Verminderung 2009 € -Betrag_2
Zuschlag laut Beschwerdevorentscheidung € Betrag_1
Afa Berichtigung für 2009 € Betrag_2
Gesamtauswirkung auf den Gewinn € 0,00"
Die Beschwerdeführerin begehrte mit Schreiben vom 30. Dezember 2016 fristgerecht die Vorlage der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 hinsichtlich des Beschwerdepunktes "Nichtanwendbarkeit des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG" an das Bundesfinanzgericht.
2.) Sachverhalt und Beweiswürdigung:
2.a) Die Beschwerdeführerin betrieb im strittigen Zeitraum die mit Vertrag vom Datum
2003 erworbene "Unternehmen_A" in Ort_A.
Die Betrieb wurde um einen Kaufpreis von Betrag_4 zuzüglich des Wertes für das Lager
an Waren, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen angeschafft, wovon als Firmenwert Betrag_5
aktiviert und ab dem Jahr 2003 eine jährliche Absetzung für Abnutzung geltend gemacht
wurde (Ansatz von AfA im Jahr 2003 in Höhe von AfA_1 sowie ab 2004ff in Höhe von AfA_2).
In Folge der in den Jahren 2015 und 2016 durchgeführten Außenprüfung zur ABNr.:_1 vertrat das Finanzamt_A in dem streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 die Auffassung, dass der Firmenwert auf den (abschreibbaren) Wert des Unternehmens (Betrieb) und auf den (nicht abschreibbaren) Konzessionsanteil (Gebietsschutz) aufzuteilen sei. Der Konzessionsanteil sei mit 25% des Kaufpreises anzusetzen und die zu Unrecht geltend gemachte AfA ab 2003 zu berichtigen (im Jahr 2003 mit dem Betrag von Betrag_6 sowie für die Jahre 2004ff je Betrag_2 €, sohin in Summe für die Jahre 2003 bis 2008 Betrag_1 € sowie einem Anteil 2009 Betrag_2 €). Im Jahr 2009 betrage somit nach § 4 Abs. 2 Z 2 EStG die Nachbesteuerung Afa - Differenz 2003 bis 2009 den Betrag von Betrag_3 €. In der Beschwerdevorentscheidung berichtigte die Abgabenbehörde den ermittelten Zuschlag um die Abschreibung des Jahres 2009 auf Betrag_1 €, brachte im Gegenzug jedoch erstmals eine AfA-Berichtigung für das Jahr 2009 im Ausmaß von Betrag_2 € zum Ansatz (Gewinnauswirkung sohin 0,00 €).
Die Abgabepflichtige bestreitet in der Beschwerde vom 15. März 2016 in Verbindung mit dem Vorlageantrag vom 30. Dezember 2016 eine gesetzliche Befugnis der Abgabenbehörde, im Einkommensteuerbescheid 2009 eine Berichtigung der zu Unrecht geltend gemachten Abschreibung für Abnutzung der Jahre 2003 bis 2008 durch Ansatz eines Zuschlages gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG vornehmen zu können.
2.b) Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus der vorliegenden Aktenlage, insbesondere aus den inhaltlich übereinstimmenden Parteienvorbringen im Bericht des Finanzamtes_A über das Ergebnis der Außenprüfung vom 15. Februar 2016 in Verbindung mit der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 27. Jänner 2016, beide zu ABNr.:_1, dem Einkommensteuerbescheid 2009 (mit Ausfertigungsdatum 16. Februar 2016), der Beschwerde der Abgabepflichtigen vom 15. März 2016 sowie der Beschwerdevorentscheidung betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2009 vom 6. Dezember 2016 in Verbindung mit der händischen Bescheidbegründung des Finanzamtes_A zur Beschwerdevorentscheidung vom 6. Dezember 2016.
3.) Rechtslage:
Die Vermögensübersicht (Jahresabschluss, Bilanz) ist gemäß § 4 Abs. 2 EStG idF Abgabenänderungsgesetz
2012, AbgÄG 2012, BGBl. I Nr. 112/2012, nach den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger
Buchführung zu erstellen. Nach Einreichung der Vermögensübersicht beim Finanzamt gilt
Folgendes:
1. Eine Änderung der Vermögensübersicht ist nur mit Zustimmung des Finanzamts zulässig
(Bilanzänderung). Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Änderung wirtschaftlich
begründet ist.
2. Entspricht die Vermögensübersicht nicht den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger
Buchführung oder den zwingenden Vorschriften dieses Bundesgesetzes, ist sie zu berichtigen
(Bilanzberichtigung). Kann ein Fehler nur auf Grund der bereits eingetretenen Verjährung
nicht mehr steuerwirksam berichtigt werden, gilt Folgendes:
– Zur Erreichung des richtigen Totalgewinnes kann von Amts wegen oder auf Antrag eine
Fehlerberichtigung durch Ansatz von Zu- oder Abschlägen vorgenommen werden.
– Die Fehlerberichtigung ist im ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht
verjährten Veranlagungszeitraum insoweit vorzunehmen, als der Fehler noch steuerliche
Auswirkungen haben kann.
– Die Nichtberücksichtigung von Zu- oder Abschlägen gilt als offensichtliche Unrichtigkeit
im Sinne des § 293b der Bundesabgabenordnung.
Nach § 124b Z 225 EStG idF Abgabenänderungsgesetz 2015, AbgÄG 2015, BGBl. I Nr. 163/2015, treten § 4 Abs. 2 und 3 EStG und § 28 Abs. 7 EStG, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 112/2012, mit 1. Jänner 2013 in Kraft und sind erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2004 auf Fehler anzuwenden, die Veranlagungszeiträume ab 2003 betreffen.
Nach der Erläuterung zur Änderung von 124b Z 225 durch AbgÄG 2015 (EB zur Regierungsvorlage RV 896; GP XXV) dient diese Änderung ausschließlich der Klarstellung. Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2012, BGBl I 2012/112, wurde die in § 4 Abs. 2 verankerte Regelung über die steuerwirksame Korrektur periodenübergreifender Fehler aus verjährten Veranlagungszeiträumen in das EStG 1988 aufgenommen; die Regelung wurde mit 1.1.2013 in Kraft gesetzt. Gleichzeitig wurde durch § 323 Abs. 33 BAO u.a. die Verfahrensnorm des § 293c BAO, die ebenfalls eine Berichtigung periodenübergreifender Fehler zum Gegenstand hatte, mit 1.1.2013 außer Kraft gesetzt. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des gegenständlichen Gesetzes führen diesbezüglich begründend aus, dass "§ 293c BAO durch die Änderung im § 4 Abs. 2 ersetzt werden soll". Die Zusammenschau der beiden legistischen Maßnahmen lässt erkennen, dass das Inkrafttreten der Regelung im EStG und das Außerkrafttreten des § 293c BAO demselben legistischen Konzept folgt und zeitlich aufeinander abgestimmt ist. Demzufolge können die §§ 4 Abs. 2 bis 3 und 28 Abs. 7 ab 1. Jänner 2013 erstmalig bei der Veranlagung zur Anwendung gebracht werden, die den zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung ersten nicht verjährten Zeitraum betrifft. Dies ist für die erstmals von der Norm betroffenen Fehler des (verjährten) Jahres 2003 das Veranlagungsjahr 2004. Dies soll nunmehr auch sprachlich klar zum Ausdruck gebracht werden. Da die Bestimmung keinen eigenständigen materiellen Besteuerungstatbestand für im jeweils betroffenen Veranlagungsjahr verwirklichte Sachverhalte schafft, sondern - im Interesse der richtigen Gesamtbesteuerung - lediglich die nachträgliche Korrektur einer falschen rechtlichen Beurteilung in Bezug auf bereits verwirklichte Sachverhalte zum Gegenstand hat, ist sie ihrem wesentlichen Gehalt nach nicht als materiell-rechtliche Norm einzustufen. Damit ist es zulässig, die Anwendung der Bestimmung auch auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits abgelaufene Veranlagungsjahre zu beziehen, denn nach Rechtsprechung und Lehre (vgl. VwGH 12.12.2007, 2006/15/0004; Stoll, BAO-Kommentar, 62) können Normen des Verfahrensrechts auch auf Verfahrensschritte angewendet werden, die Zeiträume vor dem Inkrafttreten der Norm betreffen (Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, § 124b Tz 2f).
Der Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich in seiner Entscheidung vom 27. April 2017, Ra 2016/15/0026, betreffend Einkommensteuer 2005, wie folgt ausgeführt:
"19 Gemäß § 4 Abs. 2 EStG 1988 idF vor dem Abgabenänderungsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 112/2012, muss der Steuerpflichtige die Vermögensübersicht (Jahresabschluss, Bilanz) nach
den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung erstellen. Ist die Vermögensübersicht
nicht nach diesen Grundsätzen erstellt oder verstößt sie gegen zwingende Vorschriften
des EStG 1988, so muss er sie auch nach dem Einreichen beim Finanzamt berichtigen.
20 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (zu dieser
Rechtslage), dass Unrichtigkeiten in der Bilanz bis zur Wurzel zu berichtigen sind,
und zwar auch dann, wenn die Berichtigung für die abgelaufenen Jahre etwa wegen der
Rechtskraft der Veranlagungsbescheide oder wegen eingetretener Bemessungsverjährung
keine Änderung der Abgabenvorschreibung zur Folge hat. Das Gesetz räumt der Richtigkeit
der Periodenbesteuerung den Vorrang gegenüber dem Grundsatz der "Gesamtgewinnbesteuerung"
ein (vgl. VwGH vom 31. Mai 2011, 2007/15/0015, VwSlg. 8645/F, und vom 24. November 2011, 2009/15/0115, VwSlg. 8684/F).
21 Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 76/2011, wurde § 293c BAO eingefügt. Nach dieser Bestimmung konnte die Abgabenbehörde auf
Antrag einer Partei oder von Amts wegen einen Abgaben- oder Feststellungsbescheid
insoweit berichtigen, als in ihm ein Sachverhalt nicht mehr berücksichtigt werden
durfte, der sich in der Folge bei der- oder denselben Partei(en) mehrfach oder gar
nicht abgabenrechtlich auswirkt, obwohl seine einmalige Berücksichtigung in einer
periodenübergreifenden Betrachtung geboten wäre. Gleichzeitig wurde insbesondere in
§ 208 Abs. 1 BAO die Bestimmung lit. f angefügt, wonach die (Bemessungs-)Verjährung in den Fällen
des § 293c BAO mit dem Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Abgabenbehörde die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen
des § 293c BAO bekannt wurde.
22 Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1212 BlgNR 24. GP 29 f), sollte dieser
"neue Verfahrenstitel" im Interesse eines insgesamt richtigen Besteuerungsergebnisses
eine steuerwirksame Korrektur im "Wurzeljahr" des Fehlers ermöglichen. Die Korrektur
sei nur im Rahmen des durch die absolute Verjährung gesteckten Rahmens von zehn Jahren
ab Entstehen des Abgabenanspruches möglich. Fehler, deren Wurzel außerhalb dieses
Zeitraumes liege, seien somit nicht mehr korrigierbar.
23 Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 112/2012, wurde u.a. § 293c BAO mit 1. Jänner 2013 außer Kraft gesetzt; nach § 323 Abs. 33 BAO gilt dies nicht für vor diesem Tag erfolgte Berichtigungen gemäß § 293c BAO sowie für vor diesem Tag eingebrachte Anträge auf Berichtigung gemäß § 293c BAO. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1960 BlgNR 24. GP 56) solle § 293c BAO durch die Änderung in § 4 Abs. 2 EStG 1988 ersetzt werden.
24 § 4 Abs. 2 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2012 lautet: ...
25 § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 gilt im Rahmen der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung (§ 4 Abs. 3 letzter Satz EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2012) und bei Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 28 Abs. 7 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2012) sinngemäß.
26 Gemäß § 124b Z 225 EStG 1988 (idF BGBl. I Nr. 112/2012) trat (u.a.) § 4 Abs. 2 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2012 mit 1. Jänner 2013 in Kraft und ist erstmals auf Fehler anzuwenden, die Veranlagungszeiträume
ab 2003 betreffen.
27 Diese Inkrafttretensbestimmung warf Fragen auf (vgl. Zorn/Varro in Doralt et al,
EStG17, § 4 Tz 167). Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2015, BGBl. I Nr. 163/2015, wurde § 124b Z 225 EStG 1988 dahin geändert, dass § 4 Abs. 2 und 3 und § 28 Abs. 7, jeweils in der Fassung des
Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 112/2012, mit 1. Jänner 2013 in Kraft treten und erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2004
auf Fehler anzuwenden sind, die Veranlagungszeiträume ab 2003 betreffen. Nach den
Erläuterungen zur Regierungsvorlage (896 BlgNR 25. GP 8) soll es sich hiebei um eine
Klarstellung handeln.
28 Das Bundesgesetzblatt I Nr. 163/2015 wurde am 28. Dezember 2015 ausgegeben. Das
angefochtene Erkenntnis wurde am 30. Dezember 2015 genehmigt und durch Zustellung
an das Finanzamt und den Mitbeteiligten jeweils am 8. Jänner 2016 erlassen. Im vorliegenden
Fall ist daher § 124b Z 225 EStG 1988 bereits in der Fassung des BGBl. I Nr. 163/2015 anzuwenden. Es ist somit § 4 Abs. 2 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2012 bei der Veranlagung für das Kalenderjahr (insbesondere) 2005 anzuwenden, wobei Fehler
zu berücksichtigen sind, die Veranlagungszeiträume ab 2003 betreffen."
4.) Erwägungen:
4.a) Das Finanzamt_A hat in der Beschwerdevorentscheidung betreffend Einkommensteuer
für das Jahr 2009 (mit Ausfertigungsdatum 6. Dezember 2016) das Beschwerdebegehren
betreffend die Bewertung des Konzessionswertes als unbegründet abgewiesen und den
im bekämpften Bescheid vorgenommenen Ansatz des Konzessionswertes mit 25% des Firmenwertes
bestätigt. Die Abgabepflichtige hat sich hiergegen im Vorlageantrag vom 30. Dezember
2016 nicht beschwert, sondern die Vorlage ausdrücklich nur auf den Beschwerdepunkt
"Nichtanwendbarkeit des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG" eingeschränkt.
Das Bundesfinanzgericht erhebt gegen die gegenständlichen, nunmehr außer Streit stehenden Ausführungen
der Abgabenbehörde betreffend die Bewertung des Konzessionswertes keine Einwendungen,
sondern schließt sich diesen vielmehr vollinhaltlich an. Diese stellen somit durch
diesen Verweis einen Bestandteil der vorliegenden Entscheidung dar.
4.b) Im vorliegenden Fall verbleibt somit ausschließlich die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG strittig.
Wie vom Verwaltungsgerichtshof in obiger Entscheidung eindeutig klargestellt wurde, ist durch die Abänderung des § 124b Z 225 EStG idF BGBl. I Nr. 163/2015 die Bestimmung des § 4 Abs. 2 EStG idF BGBl. I Nr. 112/2012 auch bei der Veranlagung für Kalenderjahre vor dem Jahr 2013 anzuwenden.
Das Finanzamt_A erließ den bekämpften Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 (mit Ausfertigungsdatum 16. Februar 2016) nach dem Inkrafttreten der Novellierung des § 124b Z 225 EStG durch Abgabenänderungsgesetz 2015, BGBl. I Nr. 163/2015 (Ausgabe des Bundesgesetzblattes I Nr. 163/2015 am 28. Dezember 2015). Entgegen dem Beschwerdevorbringen war die Abgabenbehörde demzufolge nicht nur berechtigt, sondern dazu angehalten, im bekämpften Bescheid 2009 die in den Jahren 2003 bis 2008 zu hoch vorgenommene Absetzung für Abnutzung auf Rechtsgrundlage des § 4 Abs. 2 EStG durch Ansatz von Zuschlägen zu berichtigen.
Die hiergegen erhobenen Einwendungen der Beschwerdeführerin unter Verweis auf Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Kommentar zum EStG17 (1.7.2014), § 4 Tz. 167, können der Beschwerde zu keinem Erfolg verhelfen, stellen diese Ausführungen doch ausschließlich auf die gesetzliche Bestimmungen vor dem Abgabenänderungsgesetz 2015, BGBl. I Nr. 163/2015, ab. Dem Beschwerdevorbringen wird durch die gesetzliche Klarstellung in § 124b Z 225 EStG idF BGBl. I Nr. 163/2015, dass § 4 Abs. 2 EStG erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2004 Anwendung findet, jegliches Substrat entzogen. Diesbezüglich wird auch ausdrücklich auf die Ausführungen in der Erläuterung zur Änderung von 124b Z 225 EStG durch AbgÄG 2015 (EB zur Regierungsvorlage 896 BlgNR 25. GP 8) verwiesen. Das vorgebrachte Erkenntnis des BFG vom 23.6.2015, RV/2100388/2013, wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Entscheidung vom 27.4.2017, Ra 2015/15/0062, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Finanzamt_A hat in der Beschwerdevorentscheidung vom 6. Dezember 2016 die im bekämpften
Bescheid bzw. die in der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 27. Jänner
2016 vorgenommene Berechnung des Zuschlages nach § 4 Abs. 2 Z 2 EStG sowie die Höhe
der AfA zutreffend berichtigt. Diese Ausführungen stellen einen Bestandteil dieser
Entscheidung dar.
Die Berechnungsberichtigung hat keine Gesamtauswirkung auf die Höhe der streitgegenständlichen
Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Zusammenfassend ist auszuführen, dass die Abgabenbehörde die Berichtigung gemäß § 4 Abs. 2 EStG im bekämpften Bescheid zutreffend vorgenommen hat und dieser sohin rechtmäßig erging; die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.
5.) Zulässigkeit einer Revision:
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes die Revision zulässig, wenn sie
von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere
weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht,
eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne
des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den
zu lösenden Rechtsfragen an der zitierten Entscheidung des VwGH, darüber hinaus hing
die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Revision
an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.
Innsbruck, am 10. September 2018
Zusatzinformationen
in Findok veröffentlicht am: | 26.09.2018 |
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Systemdaten: | Findok-Nr: 120525.1 aufgenommen am: 26.09.2018 13:21:00 Dokument-ID: ca15d14d-aaf2-4ad3-8b05-ec84b2d6742f Segment-ID: 026b6576-a683-4b62-bd2e-19191dc9a148 |
