

Rechtssätze
Stammrechtssatz
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betroffene Normen: |
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***V***, die Richterin ***R1*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***R2*** und ***R3*** in der Beschwerdesache ***Bf***, vertreten durch ***NN***, über die Beschwerde vom 14. Mai 2021 gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich vom 15. April 2021, Zl. ***1***, betreffend Zollschuld und Verzugszinsen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13. Februar 2023 in Anwesenheit der Schriftführerin ***S*** zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird zu Gunsten der Bf. abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der
Entscheidungsgründe und dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen
und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Nachforderungsbescheid vom 15.04.2021, Zl. ***1***, setzte das Zollamt Österreich der nunmehrigen Beschwerdeführerin (Bf.), der ***Bf***, eine Zollschuld fest.
Bei der Überlassung von eingangsabgabenpflichtigen Waren zum zollrechtlich freien Verkehr mit den im Spruch des eben genannten Bescheides angeführten Anmeldungen sei gemäß Art. 77 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (UZK) iVm § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) die Eingangsabgabenschuld in der im Bescheid genannten Höhe entstanden.
Buchmäßig erfasst worden sei jedoch nur ein geringerer Betrag.
Der Differenzbetrag in der im Bescheid genannten Höhe sei demnach weiterhin gesetzlich geschuldet und sei gem. Art. 105 Abs. 4 UZK nachzuerheben.
Als Folge dieser Nacherhebung seien gem. Art. 114 UZK weiters Verzugszinsen in der im Bescheid genannten Höhe zu entrichten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 14.05.2021.
Das Zollamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 20.08.2021, Zl. ***2***, als unbegründet ab.
Die Bf. stellte daraufhin mit Eingabe vom 23.09.2021 den Vorlageantrag.
In Entsprechung des Mängelbehebungsauftrages des Bundesfinanzgerichts vom 11.01.2023 reichte die Bf. dem Gericht mit Schriftsatz vom 03.02.2023 Abbildungen und Beschreibungen der in Rede stehenden Wirtschaftsgüter nach.
Am 11.01.2023 reichte das Zollamt Österreich auf Ersuchen des Bundesfinanzgerichtes ein Berechnungsblatt nach. Diese Unterlage enthält eine Neuberechnung der Abgaben unter der Annahme, dass die verfahrensgegenständlichen Seilzugkörper (Seilwinden) und die Seile (letztere ausgestattet mit Haken) als "gemeinsam gestellt" anzusehen sind und die der Anzahl der Seilwinden entsprechende Anzahl der Seile in die Warennummer 8425 39 der KN einzureihen wären. Die überzähligen Seile wären demnach von der Warennummer 7312 der KN erfasst. Bei Gesamtbetrachtung ergäbe sich daraus anstatt eines Nachforderungsbetrages in der Höhe von € 114.631,29 ein Erstattungsbetrag in der Höhe von € 6.917,14.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Bf. führt u.a. aus China stammende Seilzugkörper (Seilwinden) und Seile ein. Im Zuge einer Betriebsprüfung kam das Zollamt zum Schluss, dass auf Grund diverser Fehler in den betreffenden Zollanmeldungen eine Nachforderung vorzunehmen sei.
Die Beschwerde gegen diesen Nachforderungsbescheid, der sich auf die im Bescheid genannten insgesamt 22 Zollanmeldungen bezieht, richtet sich ausschließlich gegen die Feststellungen des Zollamtes hinsichtlich der zolltarifarischen Einreihung der eingeführten Seile.
Während das Beschwerdevorbringen ursprünglich darauf abzielte, alle verfahrensgegenständlichen Seile der Warennummer 8425 der KN zuzuordnen, vertritt die Bf. mittlerweile die Ansicht, nur die der Anzahl der Seilzugkörper entsprechende Anzahl von Seilen sei (weil gemeinsam gestellt) wie die Seilzugkörper unter dieser Position der KN einzureihen. Das Zollamt meint hingegen, alle eingeführten Seile seien von der Warennummer 7312 der KN (Antidumpingzoll 60,40 %) erfasst.
2. Beweiswürdigung
Die Beweiserhebung seitens des Bundesfinanzgerichtes erfolgte durch Einsichtnahme in die vom Zollamt elektronisch vorgelegten Verwaltungsakte und unter Berücksichtigung der seitens der Bf. nachgereichten Unterlagen.
Darüber hinaus wurde auch auf die im Zuge der mündlichen Verhandlung und der Ermittlungen durch das Bundesfinanzgericht gewonnen Erkenntnisse Bedacht genommen.
Daraus ergibt sich der oben wiedergegebene Sachverhalt und der geschilderte Verfahrensgang.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Rechtslage
Die Durchführungsverordnung (EU) 2018/607 der Kommission vom 19. April 2018 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Kabeln und Seilen aus Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China, ausgeweitet auf aus Marokko und der Republik Korea versandte Kabel und Seile aus Stahl, ob als Ursprungserzeugnisse aus diesen Ländern angemeldet oder nicht, im Anschluss an eine Auslaufüberprüfung nach Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/1036 des Europäischen Parlaments und des Rates bestimmt u.a.
Artikel 1
(1) Es wird ein endgültiger Antidumpingzoll eingeführt auf Kabel und Seile aus Stahl, einschließlich verschlossener Seile, ausgenommen Kabel und Seile aus nicht rostendem Stahl, mit einer größten Querschnittsabmessung von mehr als 3 mm, die derzeit unter den KN-Codes ex 7312 10 81, ex 7312 10 83, ex 7312 10 85, ex 7312 10 89 und ex 7312 10 98 (TARIC-Codes 7312108112, 7312108113, 7312108119, 7312108312, 7312108313, 7312108319, 7312108512, 7312108513, 7312108519, 7312108912, 7312108913, 7312108919, 7312109812, 7312109813 und 7312109819) eingereiht werden.
(2) Für die in Absatz 1 beschriebene Ware mit Ursprung in der VR China gilt ein endgültiger Antidumpingzollsatz auf den CIF-Nettopreis frei Grenze der Union, unverzollt, von 60,4 %.
Art. 56 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABlEU Nr. L 269 vom 10. Oktober 2013 (Unionszollkodex - UZK) lautet:
Die zu entrichtenden Einfuhr- und Ausfuhrabgaben stützen sich auf den Gemeinsamen Zolltarif.
Die durch Unionsvorschriften zu bestimmten Bereichen des Warenverkehrs vorgeschriebenen sonstigen Maßnahmen werden gegebenenfalls entsprechend der zolltariflichen Einreihung der betreffenden Waren angewandt.
Gem. Art. 56 Abs. 2 Buchstabe a UZK umfasst der Gemeinsame Zolltarif auch die Kombinierte Nomenklatur (KN) nach der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87.
Die Allgemeine Vorschriften (AV) zur Kombinierten Nomenklatur lauten auszugsweise:
Für die Einreihung von Waren in die Kombinierte Nomenklatur gelten folgende Grundsätze:
AV 1
Die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel sind nur Hinweise. Maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und - soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anderes bestimmt ist - die nachstehenden Allgemeinen Vorschriften.
AV 2
a. Jede Anführung einer Ware in einer Position gilt auch für die unvollständige oder unfertige Ware, wenn sie im vorliegenden Zustand die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen oder fertigen Ware hat. Sie gilt auch für eine vollständige oder fertige oder nach den vorstehenden Bestimmungen dieser Vorschrift als solche geltende Ware, wenn diese zerlegt oder noch nicht zusammengesetzt gestellt wird.
b. Jede Anführung eines Stoffes in einer Position gilt für diesen Stoff sowohl in reinem Zustand als auch gemischt oder in Verbindung mit anderen Stoffen. Jede Anführung von Waren aus einem bestimmten Stoff gilt für Waren, die ganz oder teilweise aus diesem Stoff bestehen. Solche Mischungen oder aus mehr als einem Stoff bestehenden Waren werden nach den Grundsätzen der Allgemeinen Vorschrift 3 eingereiht.
AV 3
Kommen für die Einreihung von Waren bei Anwendung der Allgemeinen Vorschrift 2 b) oder in irgendeinem anderen Fall zwei oder mehr Positionen in Betracht, so wird wie folgt verfahren:
a. Die Position mit der genaueren Warenbezeichnung geht den Positionen mit allgemeiner Waren-bezeichnung vor. Zwei oder mehr Positionen, von denen sich jede nur auf einen Teil der in einer gemischten oder zusammengesetzten Ware enthaltenen Stoffe oder nur auf einen oder mehrere Bestandteile einer für den Einzelverkauf aufgemachten Warenzusammenstellung bezieht, werden im Hinblick auf diese Waren als gleich genau betrachtet, selbst wenn eine von ihnen eine genauere oder vollständigere Warenbezeichnung enthält.
b. Mischungen, Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen und für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen, die nach der Allgemeinen Vorschrift 3 a) nicht eingereiht werden können, werden nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann.
c. Ist die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 3 a) und 3 b) nicht möglich, wird die Ware der von den gleichermaßen in Betracht kommenden Positionen in dieser Nomenklatur zuletzt genannten Position zugewiesen.
AV 6
Maßgebend für die Einreihung von Waren in die Unterpositionen einer Position sind der Wortlaut dieser Unterpositionen, die Anmerkungen zu den Unterpositionen und - sinngemäß - die vorstehenden Allgemeinen Vorschriften. Einander vergleichbar sind dabei nur Unterpositionen der gleichen Gliederungsstufe. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten bei Anwendung dieser Allgemeinen Vorschrift auch die Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln.
Anmerkung 2 zu Abschnitt XV der KN bestimmt:
In der Nomenklatur gelten als "Teile mit allgemeiner Verwendungsmöglichkeit":
a) Waren der Position 7307, 7312, 7315, 7317 oder 7318 und gleichartige Waren aus anderen unedlen Metallen, ausgenommen Waren, die nach ihrer Beschaffenheit zur ausschließlichen Verwendung als oder in Implantaten für medizinische, chirurgische, zahnärztliche oder tierärztliche Zwecke konzipiert sind (Position 9021);
b) Federn und Federblätter, aus unedlen Metallen, ausgenommen Uhrfedern (Position 9114);
c) Waren der Positionen 8301, 8302, 8308, 8310 sowie Rahmen und Spiegel, aus unedlen Metallen, der Position 8306.
In den Kapiteln 73 bis 76 und 78 bis 82 (ausgenommen Position 7315) bezieht sich die Bezeichnung "Teile" nicht auf "Teile mit allgemeiner Verwendungsmöglichkeit".
Vorbehaltlich des vorstehenden Absatzes und der Anmerkung 1 zu Kapitel 83 gehören Waren der Kapitel 82 und 83 nicht zu den Kapiteln 72 bis 76 und 78 bis 81.
Anmerkung 1g zu Abschnitt XVI der KN (Kapitel 84 und Kapitel 85) lautet:
Zu Abschnitt XVI gehören nicht:
Teile mit allgemeiner Verwendungsmöglichkeit im Sinne der Anmerkung 2 zu Abschnitt XV, aus unedlen Metallen (Abschnitt XV), und gleichartige Waren aus Kunststoffen (Kapitel 39)
Die Position 7312 der KN ist wie folgt untergliedert (auszugsweise Wiedergabe):
7312 |
Litzen, Kabel, Seile, Seilschlingen und ähnliche Waren, aus Eisen oder Stahl, ausgenommen isolierte Erzeugnisse für die Elektrotechnik |
|
7312 10 |
- |
Litzen, Kabel und Seile: |
7312 1020 00 |
-- |
aus nicht rostendem Stahl |
-- |
andere, mit einer größten Querschnittsabmessung von: |
|
--- |
3 mm oder weniger: |
|
7312 1041 00 |
---- |
mit Kupfer-Zink-Legierungen (Messing) überzogen |
7312 1049 00 |
---- |
andere |
--- |
mehr als 3 mm: |
|
---- |
Litzen |
|
7312 1061 |
----- |
nicht überzogen |
----- |
überzogen |
|
------ |
verzinkt |
|
7312 1065 91 |
------- |
aus höchstens 18 Einzeldrähten, aus nicht legiertem Stahl, mit einem Kohlenstoffgehalt von 0,6 GHT oder mehr, ausgenommen galvanisierte (aber nicht mit anderem Material zusätzlich beschichtete) Litzen aus sieben Einzeldrähten, bei denen die Querschnittsabmessung des Kerndrahtes identisch oder weniger als 3 % größer ist als die Querschnittsabmessung jedes der 6 anderen Drähte |
7312 1065 99 |
------- |
andere |
---- |
Kabel und Seile (einschließlich verschlossene Seile) |
|
----- |
nicht überzogen oder nur verzinkt, mit einer größten Querschnittsabmessung von |
|
7312 1081 |
------ |
mehr als 3 mm bis 12 mm |
------- |
aus Stahl |
|
7312 1081 12 |
-------- |
versandt aus Marokko |
7312 1081 13 |
-------- |
versandt aus der Republik Korea |
7312 1081 19 |
-------- |
andere |
7312 1081 90 |
------- |
andere |
7312 1083 |
------ |
mehr als 12 mm bis 24 mm |
------- |
aus Stahl |
|
7312 1083 12 |
-------- |
versandt aus Marokko |
7312 1083 13 |
-------- |
versandt aus der Republik Korea |
7312 1083 19 |
-------- |
andere |
7312 1083 90 |
------- |
andere |
7312 1085 |
------ |
mehr als 24 mm bis 48 mm |
------- |
aus Stahl |
|
7312 1085 12 |
-------- |
versandt aus Marokko |
7312 1085 13 |
-------- |
versandt aus der Republik Korea |
7312 1085 19 |
-------- |
andere |
Die Position 8425 der KN ist wie folgt untergliedert (auszugsweise Wiedergabe):
8425 |
Flaschenzüge; Zugwinden und Spille; Hubwinden |
|
- |
Flaschenzüge |
|
8425 1100 00 |
-- |
mit Elektromotor |
8425 1900 00 |
-- |
andere |
- |
Zugwinden; Spille |
|
8425 3100 00 |
-- |
mit Elektromotor |
8425 3900 00 |
-- |
andere |
… |
Erwägungen:
Strittig ist einzig die Frage der Einreihung der eingeführten Seile.
Nach der nunmehrigen Ansicht der Bf. bilden die eingeführten Seilzugkörper (in den Fakturen meist bezeichnet als "wire rope pulling hoist") und die zugehörigen Seile pro Sendung jeweils einheitliche Sets. Daraus folgt ihrer Meinung nach, dass solche Sets (jeweils bestehend aus 1 Seilzugkörper und 1 zugehöriges Seil) in die Warennummer 8425 der KN einzureihen seien. Die überzähligen Seile je Sendung seien demnach in die Warennummer 7312 der KN einzureihen (siehe Niederschrift über den Verlauf der mündlichen Verhandlung, Seite 3 erster Absatz).
Das Zollamt vertritt hingegen weiterhin den Standpunkt, dass alle gegenständlichen Seile von der Warennummer 7312 der KN erfasst werden. Da die Anzahl der eingeführten Seilzugkörper und Seile pro Sendung nicht übereinstimme, seien die Seile als gesondert gestellt anzusehen.
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das für die zolltarifliche Einreihung von Waren entscheidende Kriterium allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der KN-Position und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (EuGH 15.05.2019, C-306/18, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Dies ergibt sich auch aus den Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Soweit in den Positionen und Anmerkungen nichts anderes bestimmt ist, richtet sich die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 2 bis 5 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Daneben bestehen die vom Ausschuss für das Harmonisierte System ausgearbeiteten Erläuterungen und Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur, die von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden, ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. EuGH 09.12.1997, C-143/96; EuGH 19.05.1994, C-11/93).
Die Erläuterungen zum Harmonisierten System zu Warennummer 8431, Rz. 14.5 lauten:
Seile und Ketten, die mit ihren Befestigungs- oder Verbindungsstücken (z. B. Seilklemmen, Ringen, Karabinerhaken und andere Haken) ausgestattet sind, werden wie die Maschinen eingereiht, für die sie bestimmt sind, wenn sie mit diesen gestellt werden. Gesondert gestellt werden sie jedoch in Abschnitt XV (im Allgemeinen Pos. 7312 oder 7315) eingereiht. Seile und Ketten, die nicht mit ihren Befestigungs- oder Verbindungsstücken ausgestattet sind und in Rollen gestellt werden, gehören ebenfalls in den Abschnitt XV, auch wenn sie auf Länge geschnitten sind und mit den Maschinen (Zugwinden, Seilschwebebahnen, Kabelkrane, Schleppbahnförderer, Schrapper, Bagger usw.) gestellt werden, für die sie bestimmt sind.
Außer Streit steht, dass alle in Rede stehenden Seile mit Haken ausgestattet sind. Entscheidungsmaßgeblich für die Einreihung ist somit nach den eben zitierten Erläuterungen die Beantwortung der Frage, ob die eingeführten Seile gemeinsam mit den Maschinen gestellt wurden, für die sie bestimmt sind (also den Seilzugkörpern).
Die Gestellung der hier zu betrachtenden Seile und Seilzugkörper erfolgte nach der Überzeugung des erkennenden Senats in allen in Rede stehenden Fällen insofern gemeinsam, als diese Wirtschaftsgüter jeweils Gegenstand einer konkreten Zollanmeldung waren, nach der die jeweiligen Sendungen (bestehend aus der in den Zollanmeldungen vermerkten Anzahl von Packstücken) zu einem bestimmten Zeitpunkt bei einem bestimmten Zollamt gemeinsam gestellt und zollabgefertigt wurden.
Das Zollamt meint, zur Erfüllung des Kriteriums "gemeinsam gestellt" genüge eine bloße orts- und zeitgleiche Gestellung der eingeführten Seile und Seilzugkörper nicht und vermisst eine gemeinsame Nennung von Seilzugkörpern und Seilen in den bezughabenden Einkaufsrechnungen. Diesem Kriterium werde nicht entsprochen, zumal in den einzelnen Fakturen die Seile und die Seilzugkörper stets getrennt angeführt worden seien.
Das Zollamt möchte also die Einreihung davon abhängig machen, ob die Seilzugkörper und Seile in der Faktura als Set ausgewiesen werden, dass also jeweils ein Seilzugkörper und ein zugehöriges Seil zusammen als eine gemeinsame Einheit jeweils eine einzelne Rechnungsposition bilden.
Dem ist zu entgegnen, dass sich weder aus den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen noch aus den erwähnten Erläuterungen Anhaltspunkte für eine derart restriktive Auslegung des Begriffs "gemeinsam gestellt" ableiten lassen.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Einreihung von Waren unter eine Codierung des Zolltarifschemas um einen klassischen Subsumtionsvorgang handelt. Mit Hilfe einer methodisch exakten Vorgehensweise wird ein rechtlich richtiges Einreihungsergebnis gewährleistet. Dabei stellt die einzureihende Ware mit ihrer objektiven Beschaffenheit und der Gesamtheit ihrer einreihungsrelevanten Eigenschaften zum maßgeblichen Zeitpunkt den im Rahmen der Subsumtion zu würdigenden konkreten Sachverhalt dar (Gellert in Wolffgang/Jatzke, UZK, 2021, Art. 57, Rz. 6).
Wenn das Zollamt die Einreihung der hier tatsächlich gestellten unvollständigen (weil noch nicht mit Seilen ausgerüsteten) Seilzugkörper und der gleichzeitig gestellten für deren Fertigstellung bestimmten beigepackten Seile von einer bestimmten (allenfalls auch willkürlichen) Warenbezeichnung in der Faktura abhängig machen möchte entfernt es sich von der gebotenen Betrachtung der objektiven Beschaffenheit.
Die vom Zollamt vertretene Ansicht steht auch im Widerspruch zu den oben zitierten Bestimmungen der AV 2a.
Diese erweitern den Wortlaut von Positionen auch auf solche Waren, die zerlegt oder noch nicht zusammengesetzt gestellt werden. Voraussetzung für die Anwendung dieser Regelung ist zwingend, dass ein Zusammensetzen der im maßgeblichen Zeitpunkt vorliegenden Bestandteile tatsächlich auch möglich ist. Dazu müssen die einzelnen Teile zahlenmäßig zueinander passen und auch tatsächlich passfähig sein. Nach dem Zusammensetzen muss eine vollständige und fertige oder als solche nach Maßgabe der ersten Alternative der AV 2a) geltende Ware entstehen. Bei letztgenannter Alternative ist zumindest ein fiktives Zusammensetzen und die darauffolgende Beurteilung der Ware notwendig, gegebenenfalls unter Nutzung von technischen Dokumentationen. Überzählige Bestandteile sind nach eigener Beschaffenheit einzureihen (Gellert in Wolffgang/Jatzke, UZK, 2021, Art. 56, Rz. 35).
Die HS Erläuterungen zu Abschnitt XVI, lauten unter Rz 55:
Aus Transportgründen werden viele Maschinen und Apparate in zerlegtem Zustand gestellt. Obwohl es sich in diesem Fall um eine Anzahl von Einzelteilen handelt, ist das Ganze als Maschine oder Apparat und nicht in eine Position für die Teile einzureihen. Dies gilt auch, wenn es sich bei dem gestellten Ganzen nur um eine unvollständige Maschine mit den wesentlichen Merkmalen einer vollständigen Maschine im Sinne des vorstehenden Teils IV handelt (siehe auch Erläuterungen zu den Kapiteln 84 und 85, Allgemeines). Überzählige Teile, die nicht zum Zusammenbau zu einer vollständigen Maschine oder zu einer unvollständigen Maschine mit den wesentlichen Merkmalen einer vollständigen Maschine bestimmt sind, werden nach ihrer eigenen Beschaffenheit eingereiht.
Bezogen auf den Streitfall ergibt sich somit sowohl aus der eben zitierten Literatur als auch aus den erwähnten Erläuterungen, dass alles dafürspricht, jene Seile, die geeignet sind, gemeinsam mit den gleichzeitig gestellten Seilzugkörpern einen vollständigen Seilzug zu bilden, wie das zusammengesetzte Gerät in die Position 8425 der KN einzureihen. Lediglich die überzähligen Seile sind demnach nach ihrer eigenen Beschaffenheit (also als Seile der Position 7312 der KN) zu tarifieren.
Die Gefahr, dass ein derartiges Ergebnis geeignet sein könnte, den wirtschaftspolitischen Sinn von Antidumpingmaßnahmen zu unterlaufen, sieht das Bundesfinanzgericht im Gegensatz zu den diesbezüglichen Bedenken des Zollamtes nicht. Denn für bei der Zollabfertigung noch nicht fertig zusammengesetzte Seilzugkörper der Warennummer 8425 der KN, die gemeinsam mit den für sie bestimmten Seilen gestellt werden und die nach dem Zusammensetzen einen vollständigen Seilzug bilden, sind keine Antidumpingmaßnahmen vorgesehen. Diese Aussage gilt selbstverständlich nicht nur für einen Teil der zusammengesetzten Ware (hier den Seilzugkörper ohne Seil), sondern für alle für das fertige Gerät allenfalls bei der gemeinsamen Gestellung vorhandenen einzelnen Komponenten (hier also auch für die zahlenmäßig zueinander passenden und auch tatsächlich passfähigen Seile). Da die überzähligen Seile ohnedies in die antidumpingpflichte Warennummer 7312 der KN einzureihen sind, besteht nach der Überzeugung des Bundesfinanzgerichts kein Risiko von Umgehungshandlungen.
Auch mit der Tatsache, dass gemäß Anmerkung 1g zu Abschnitt XVI der KN (Kapitel 84 und Kapitel 85) Teile mit allgemeiner Verwendungsmöglichkeit im Sinne der Anmerkung 2 zu Abschnitt XV, aus unedlen Metallen von der Einreihung in das Kapitel 84 ausgenommen sind, lässt sich für den Standpunkt des Zollamtes nichts gewinnen.
Denn diese Bestimmung gilt selbstverständlich nicht für die einzelnen (gemeinsam gestellten und in der erforderlichen Anzahl vorhandenen) zugehörigen und passenden Komponenten eines zusammenzusetzenden Gerätes.
Dies soll anhand eines Beispiels verdeutlicht werden:
Gesondert gestellte Überwurfmuttern zur Verschraubung von Gasmessgeräten mit der Gasleitung fallen als Teile mitallgemeiner Verwendungsmöglichkeit unter die Pos. 7307 und damit nicht unter die Pos. 9033, die Zubehör für Messgeräte des Kap. 90 aufnimmt (FG Hamburg 28.06.2006, 4 V 17/06). Wird das Gasmessgerät hingegen zerlegt eingeführt, wobei die Überwurfmuttern einen Teil des Ganzen bilden, ist das gesamte Gerät (samt den Überwurfmuttern) als Messgerät in das Kapitel 90 der KN einzureihen. Dies folgt aus dem den Allgemeinen Vorschriften 2a inhärenten Grundsatz "zerlegt gilt wie zusammengebaut".
Außerdem ist neuerlich auf die o.a. HS Erläuterungen zu 8431 zu verweisen, denen unmissverständlich zu entnehmen ist, dass mit Haken ausgestattete Seile wie die Maschinen einzureihen sind, für die sie bestimmt sind, wenn sie mit diesen gestellt werden. Damit ist auch eine nähere Auseinandersetzung mit der vom Zollamt ins Spiel gebrachten Teileproblematik obsolet. Denn entsprechend den o.a. HS Erläuterungen sind Seile der verfahrensgegenständlichen Art entweder wie das Gerät, für das sie bestimmt sind oder als Teile mit allgemeiner Verwendungsmöglichkeit in das Kapitel XV einzureihen. Seile können somit denkunmöglich von der Warennummer 8431 der KN (hier sind u.a. bestimmte Teile von Seilzügen einzureihen) erfasst werden.
Auf die ursprüngliche Argumentation der Bf., wonach es sich bei den eingeführten Wirtschaftsgütern um Warenzusammenstellungen handle, die nach AV 3b einzureihen wären braucht nicht mehr eingegangen werden. Denn die Bf. hat ihre darauf gestützten Schlussfolgerungen, wonach alle Seile in die Position 8425 der KN einzureihen wären, zwischenzeitlich aufgegeben und selbst eingeräumt, dass es auf die ziffernmäßige Übereinstimmung von Seilzugkörpern und Seilen ankommt (siehe Niederschrift über den Verlauf der mündlichen Verhandlung, Seite 3 erster Absatz).
Die Abgabenberechnung war daher aus all diesen Gründen dahingehend zu berichtigen, dass ausschließlich die überzähligen Seile der Warennummer 7312 der KN (konkret abhängig von der größten Querschnittsabmessung entweder 7312 1081 19 bzw. 7312 1083 19 zuzuordnen sind) und nur für sie der Antidumpingzoll anfällt.
Der auf die diese Seile entfallende Antidumpingzoll beläuft sich auf insgesamt € 5.499,72. Dieser Betrag ist auch dem seitens des Vorsitzenden im Zuge der mündlichen Verhandlung den Parteien ausgehändigten Berechnungsblatt zu entnehmen. Einwände gegen die rechnerische Richtigkeit dieser Abgabenberechnung trugen die Parteien nicht vor.
Der angefochtene Bescheid, der vom Entstehen eines Antidumpingzolls in der Höhe von insgesamt € 122.952,26 ausging, war daher entsprechend abzuändern.
Dabei war auch zu berücksichtigen, dass die Bf. in der Zollanmeldung MRN 20AT100000IV2D00T0 selbst erklärte, Seile mit einem Zollwert von € 23.578,37 seien in die Position 7312 1081 18 der KN (antidumpingpflichtig) einzureihen. Hinsichtlich dieser Seile kam es daher anlässlich der Zollabfertigung zur Festsetzung eines Antidumpingzolls in der Höhe von € 14.241,34 (siehe auch das oben erwähnte Berechnungsblatt). Nimmt man nun darauf Bedacht, dass diese Einreihung nur für die überzähligen Seile (mit einem Zollwert laut Berechnungsblatt von € 265,90) zutreffend ist, ergibt sich ein tatsächlich geschuldeter Antidumpingzoll für die mit dieser Zollanmeldung abgefertigten Seile in der Höhe von € 160,60.
Bringt man nun von den eben erwähnten € 14.241,34 den Betrag von € 5.499,72 (das ist die Summe des insgesamt geschuldeten Antidumpingzolls für alle 22 gegenständlichen Zollanmeldungen) zum Abzug ergibt sich ein Antidumpingzoll in der Höhe von € 8.741,62, der zu erstatten ist.
Unter Berücksichtigung des Nachforderungsbetrages an Zoll in der Höhe von € 1.865,13 (wegen verschiedenen außer Streit gestellten Fehlern in den Zollanmeldungen), des eben angesprochenen Erstattungsbetrages von € 8.741,62 und der festzusetzenden Verzugszinsen in der Höhe von € 435,20 ergibt sich ein Erstattungsbetrag in der Höhe von € 6.441,29.
Im bei der Verhandlung ausgehändigten Berechnungsblatt ist der insgesamt zu erstattende Betrag unzutreffend mit € 6.917,14 angegeben. Dies lässt sich damit erklären, dass in jenem Berechnungsblatt des Zollamtes irrtümlich nicht nur die hier gegenständlichen 22 Zollanmeldungen, sondern darüber hinaus noch weitere 5 Zollanmeldungen (die allerdings nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens sind) zusammengefasst waren.
Ein berichtigtes Berechnungsblatt mit den zutreffenden Abgabenbeträgen liegt dieser Entscheidung bei.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision war zuzulassen, weil im gegebenen Zusammenhang eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Auslegung des Begriffes "gemeinsam gestellt" fehlt.
Wien, am 6. März 2023
Zusatzinformationen
in Findok veröffentlicht am: | 30.03.2023 |
Materie: |
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betroffene Normen: | |
Verweise: | |
ECLI: |
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Systemdaten: | Findok-Nr: 140180.1 aufgenommen am: 30.03.2023 10:25:26 Dokument-ID: e3dd8b3c-0bb0-4f23-a529-07e0abc09544 Segment-ID: fa045186-04fc-4e93-8f24-dc94a225712b |
