Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis des BFG vom 01.02.2021, RV/2101147/2020

Der Leistungsort für die reine Montage von Fassadenplatten an einem österreichischen Gebäude liegt nach § 3a Abs. 9 UStG 1994 in Österreich

Rechtssätze

Stammrechtssätze

RV/2101147/2020-RS1 Permalink
Beauftragt ein deutscher Hersteller von Fassadenplatten ein österreichisches Unternehmen mit dem Auswechseln schadhafter Fassadenplatten an einem Einfamilienhaus in Österreich im Rahmen der Gewährleistung, dann liegt der Leistungsort der Montage gemäß § 3a Abs. 9 UStG 1994 in Österreich.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***AdresseDeutschland1***, vertreten durch ***Steuerberatung***, ***Adresse2***, über die Berufung (nunmehr Beschwerde) vom 30. Oktober 2013 gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom 02. Oktober 2013 betreffend die Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum 07-12/2012 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Der Berufung (Beschwerde) wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die zu erstattenden Vorsteuern für den Zeitraum 07-12/2012 betragen 9.317,95 Euro.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (nunmehr Beschwerdeführerin [kurz =Bf.]) ist eine in Deutschland ansässige Körperschaft.
Mit Antrag vom 09.09.2013 begehrte sie die Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum 07 bis 12/2012 in Höhe von 10.236,34 Euro.
Das Finanzamt wies den Antrag mit dem angefochtenen Bescheid vom 02.10.2013 ab und setzte den Erstattungsbetrag mit Null fest.
Das Finanzamt ging dabei davon aus, dass die Bf. sonstige Leistungen in Österreich empfangen habe, die am Empfängerort, also in Deutschland als ausgeführt gelten und deshalb in Österreich nicht steuerbar waren.

Die in den vorgelegten Rechnungen ausgewiesene österreichische Umsatzsteuer berechtige, weil sie nicht geschuldet werde, nicht zum Vorsteuerabzug, weshalb auch die beantragte Erstattung von Vorsteuern zu versagen sei.

Dagegen brachte die Bf. mit Eingabe vom 25.10.2013 Berufung (nunmehr Beschwerde) ein.
Sie führte darin aus:
Sie habe in Österreich im Zuge der Gewährleistung schadhafte Fassadenplatten austauschen müssen.
Diese Platten habe sie an einen österreichischen Empfänger geliefert, der sein Haus damit verkleidet habe. Die Bf. habe nur die Lieferung, nicht aber die Montage durchgeführt.

Die Platten seien in der Folge schadhaft geworden.
Der Schaden sei innerhalb der Gewährleistungsfrist entstanden, weshalb die Bf. die Sanierung der Fassade auf ihre Kosten veranlassen habe müssen.
Sie habe für die Zwecke der Sanierung neue Fassadenplatten nach Österreich verbracht und ein österreichisches Unternehmen mit der Demontage der schadhaften Platten sowie der Montage der neuen Platten beauftragt.
Sie gehe davon aus, dass die Leistungen des beauftragten österreichischen Unternehmens eine Grundstücksleistung gemäß § 3a Abs. 9 UStG 1994 darstellen, weshalb der Leistungsort der Montageleistungen in Österreich liege.
Die Bf. sei kein Bauunternehmen, sondern Produzentin von Platten.
Es liege daher auch kein Übergang der Steuerschuld auf Grund einer Bauleistung vor.
Der Erstattungsantrag umfasse auch Vorsteuern aus Nächtigungskosten für Mitarbeiter, die zur Überwachung der Arbeiten in Österreich waren.
Ein geringer Teil der Vorsteuern entfalle auf diese Nächtigungen.
Soweit der Antrag die Erstattung von Vorsteuern, die sich auf Fahrten der Mitarbeiter mit dem PKW in Österreich beziehen, beinhaltet, werde das Erstattungsbegehren eingeschränkt.
Es werde daher beantragt, die zu erstattenden Vorsteuern auf 9.317,95 Euro zu kürzen.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Berufungsvorentscheidung (nunmehr Beschwerdevorentscheidung) vom 29.11.2013 ab

Die Berufungs-/Beschwerdevorentscheidung wurde wie folgt begründet:
Ihrem Unternehmen wurden sonstige Leistungen (§ 3a UStG 1994) in Rechnung gestellt.
Derartige Leistungen sind gemäß der B2B-Generalklausel (§ 3a (6) UStG) am Empfängerort steuerbar. Der Leistungserbringer hätte daher keine österreichische Umsatzsteuer ausweisen dürfen. Sie können sich an den Rechnungsaussteller wenden, der die Rechnung berichtigen muss.

Mit Eingabe vom 18.12.2013 brachte die Bf. einen Vorlageantrag ein.

Die Bf. verwies darin im Wesentlichen auf Ihr bisheriges Vorbringen.
Sie betonte noch einmal, dass eine Grundstücksleistung, deren Leistungsort gemäß § 3a Abs. 9 UStG 1994 sich in Österreich befinde, vorliege und die Umsatzsteuer in den Rechnungen zu Recht ausgewiesen worden sei.

Zusätzlich wies sie daraufhin, dass der Erstattungsantrag auch Vorsteuern für ein Seminar in Salzburg, das ein Mitarbeiter besucht habe, beinhalte. Der Ort der Seminarleistung liege nach
§ 3a Abs. 11a UStG 1994 ebenfalls in Österreich, auch hier greife die B2B Grundregel nicht.
Der Vorlageantrag wurde dem Bundesfinanzgericht erst am 24.11.2020 vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht forderte die Bf. mit Vorhalt vom 10.12.2020 auf,
+den Empfänger der Fassadenplatten bekanntzugeben
+die Adresse des Gebäudes, das mit den Platten verkleidet worden war, zu nennen
+um welche Art von Gebäude es sich handelte
+die Rechnung über die Lieferung der Fassadenplatten vorzulegen
+um Vorlage des Schriftverkehrs über die Schadensabwicklung
+um Vorlage von Fotos des Gebäudes

Mit Vorhaltbeantwortung vom 25.01.2021 legte die Bf. die Nachweise darüber vor, dass sie im Jahr 2012 einen Schaden im Rahmen der Gewährleistung an einem Einfamilienhaus eines österreichischen privaten Eigentümers durch Austausch der schadhaften Fassade (Fassadenplatten) behoben hat und für die Arbeiten (Entfernen der Platten, teilweise Erneuerung des Unterbaus und Montage der neuen Platten) ein österreichisches Unternehmen beauftragt hat.
Der Austausch erfolgte danach unentgeltlich im Rahmen der Gewährleistung.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des § 3a UStG 1994 lauten:
§ 3a Abs. 6 UStG 1994
Eine sonstige Leistung, die an einen Unternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 1 und 2 ausgeführt wird, wird vorbehaltlich der Abs. 8 bis 16 und Art. 3a an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend.

§ 3a Abs. 9 UStG 1994
Eine sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück wird dort ausgeführt, wo das Grundstück gelegen ist.

Im Beschwerdefall ist das Finanzamt davon ausgegangen, dass die Empfängerortregel des § 3a Abs. 6 UStG 1994 anzuwenden sei, weil die Leistungen, für welche die Erstattung beantragt worden war, sonstige Leistungen im Sinne dieser Bestimmung seien. Die strittigen Rechnungen wiesen daher zu Unrecht österreichische Umsatzsteuer aus. Die Erstattung zu Unrecht ausgewiesener Umsatzsteuer sei jedoch nicht zulässig.

Die ergänzenden Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes haben ergeben, dass die strittigen sonstigen Leistungen Arbeiten an einem in Österreich gelegenen Einfamilienhaus, damit an einem Grundstück in Österreich darstellen.
Es kommt daher § 3a Abs. 9 UStG 1994 zur Anwendung, weshalb die Leistungen am Grundstücksort (Österreich) steuerbar und steuerpflichtig waren.
In den strittigen Rechnungen wurde zu Recht österreichischer Umsatzsteuer ausgewiesen.

Der Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen ist folglich zulässig, weshalb die Bf. einen Erstattungsanspruch hat.
Die Bf. schränkte den Erstattungsbetrag in der Berufung/Beschwerde auf 9.317,85 Euro ein.
Der Berufung/Beschwerde war spruchgemäß zu folgen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Beschwerdefall war eine Sachverhaltsfrage zu lösen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor, weshalb die ordentliche Revision auch unzulässig ist.

 

 

Graz, am 1. Februar 2021