Richtlinie des BMF vom 29.11.2013, BMF-010219/0420-VI/4/2013 gültig von 29.11.2013 bis 27.11.2019

UStR 2000, Umsatzsteuerrichtlinien 2000

Die Umsatzsteuerrichtlinien 2000 stellen einen Auslegungsbehelf zum Umsatzsteuergesetz 1994 dar, der im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise mitgeteilt wird. Die Umsatzsteuerrichtlinien sind als Zusammenfassung des geltenden Umsatzsteuerrechts und somit als Nachschlagewerk für die Verwaltungspraxis und die betriebliche Praxis anzusehen.

101. Innergemeinschaftlicher Erwerb (Art. 1 UStG 1994)

101.1. Innergemeinschaftlicher Erwerb - allgemein

3571

Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liegt nur vor, wenn der Gegenstand anlässlich der Lieferung an den Erwerber aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates gelangt. Die Durchfuhr durch weitere Mitgliedstaaten oder durch Drittländer ist unschädlich. Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liegt auch vor, wenn die Beförderung oder Versendung im Drittlandsgebiet beginnt und der Gegenstand im Gebiet eines Mitgliedstaates der dortigen Einfuhrumsatzsteuer unterworfen wird, bevor er in einen anderen Mitgliedstaat gelangt.

Beispiel:

Der Unternehmer L aus Linz kauft Kohle beim Händler R in Russland. Die Kohle wird per Bahn nach Linz befördert. R lässt die Kohle in Ungarn abfertigen und der ungarischen EUSt unterwerfen. Durch diesen Vorgang gilt die Lieferung des R an L als im Einfuhrmitgliedstaat Ungarn ausgeführt (§ 3 Abs. 9 UStG 1994). Es liegt somit eine innergemeinschaftliche Lieferung von Ungarn nach Österreich vor.

3572

Wird hingegen der Gegenstand vom Drittlandsgebiet im Wege der Durchfuhr durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten in das Bestimmungsland befördert oder versendet und erst im Bestimmungsland der Einfuhrumsatzsteuer unterworfen, liegt kein innergemeinschaftlicher Erwerb vor. Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liegt ebenfalls nicht vor, wenn der Gegenstand im Gebiet eines Mitgliedstaates verbleibt.

Beispiel:

Der Grazer Unternehmer G bestellt beim deutschen Unternehmer M in München eine Maschine und lässt sie in sein Auslieferungslager in Köln bringen. Dort verkauft er die Maschine. Die Lieferung des M an G führt zu keiner innergemeinschaftlichen Warenbewegung, da der Gegenstand in Deutschland verbleibt.

Randzahlen 3573 bis 3580: derzeit frei.

101.2. Voraussetzungen für den innergemeinschaftlichen Erwerb

101.2.1. Erwerber

3581

Erwerber ist der Empfänger der Lieferung. Dieser muss bereits bei Beginn der Beförderung oder Versendung feststehen und nicht erst, wenn der Gegenstand bereits in den anderen Mitgliedstaat gelangt ist.

3582

Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liegt jedoch nur vor, wenn der Erwerber einem bestimmten Personenkreis angehört (siehe dazu Rz 3583 bis Rz 3588) und sofern nicht eine Ausnahme von der Erwerbsbesteuerung vorliegt (Rz 3626).

101.2.1.1. Unternehmer

3583

Der Unternehmer tätigt einen innergemeinschaftlichen Erwerb nur, wenn er den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt. Die Qualifikation des Erwerbes als für das Unternehmen richtet sich nach § 12 Abs. 2 UStG 1994 (siehe hiezu Rz 1901 bis Rz 1990).

3584

Die Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 UStG 1994, wonach bestimmte Lieferungen nicht als für das Unternehmen ausgeführt gelten, gilt gemäß Art. 12 Abs. 4 UStG 1994 nicht für den innergemeinschaftlichen Erwerb (die sich auf Grund des Abs. 4 ergebende Erwerbsteuer ist jedoch gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 nicht abzugsfähig).

101.2.1.2. Juristische Person

3585

Der Erwerbsteuerpflicht sind neben Unternehmern auch juristische Personen unterworfen, die keine Unternehmereigenschaft besitzen oder nicht für ihr Unternehmen erwerben.

3586

Zur diesfalls anzuwendenden Erwerbsschwellenregelung wird auf Rz 3626 verwiesen.

3587

Bei juristischen Personen, die sowohl einen unternehmerischen als auch einen nichtunternehmerischen Bereich besitzen, sind getrennte Betrachtungen durchzuführen (siehe Rz 3583 und Rz 3584 und Rz 3626 bis Rz 3635).

3588

Die juristische Person tritt grundsätzlich mit einer einzigen UID auf. Lediglich Körperschaften öffentlichen Rechts - vor allem große Gebietskörperschaften - können mehrere UID haben.

101.2.2. Lieferung an den Erwerber

3589

Gelangt beim Kommissionsgeschäft das Kommissionsgut bei der Zurverfügungstellung an den Kommissionär vom Ausgangs- in den Bestimmungsmitgliedstaat, kann abweichend vom § 3 Abs. 3 UStG 1994 die Lieferung des Kommittenten an den Kommissionär bereits zum Zeitpunkt der Zurverfügungstellung des Gegenstandes an den Kommissionär als ausgeführt angesehen werden. Der Kommissionär tätigt dann zu diesem Zeitpunkt einen innergemeinschaftlichen Erwerb.

3590

Die Lieferung an den Erwerber muss durch einen Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens erfolgen. Der liefernde Unternehmer darf nach dem Steuerrecht des für die Besteuerung seiner Lieferung zuständigen Mitgliedstaates nicht als Kleinunternehmer behandelt werden.

101.2.3. Erwerb im Inland

3591

Erfolgt nach Art. 1 UStG 1994 ein innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen im Inland, wird die Besteuerungskompetenz im Inland unabhängig von der mehrwertsteuerlichen Behandlung des Umsatzes im Mitgliedstaat des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände wahrgenommen (Art. 16 VO (EU) 282/2011).

Zum Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbes wird auf Rz 3776 bis Rz 3805 verwiesen.

Randzahlen 3592 bis 3600: derzeit frei.