Richtlinie des BMF vom 22.03.2005, 06 0104/9-IV/6/00 gültig von 22.03.2005 bis 15.06.2008

EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000

  • 6 Bewertung (§ 6 EStG 1988)
  • 6.2 Bewertungsgrundsätze
  • 6.2.2 Allgemeine Bewertungsgrundsätze
  • 6.2.2.5 Grundsatz der Einzelbewertung
6.2.2.5.2 Gruppenbewertung
2137

Ausnahmen vom Grundsatz der Einzelbewertung stellen die zulässigen Gruppenbewertungsverfahren dar. Dazu zählen:

  • das Festwertverfahren (siehe Rz 2277 und 2324),
  • die Durchschnittspreisverfahren,
  • gewogene Durchschnittspreisbewertung (siehe Rz 2264 ff und 2315),
  • gleitende Durchschnittspreisbewertung (siehe Rz 2316 f),
  • die Verbrauchsabfolgeverfahren,
  • FIFO-Bewertung ("first-in-first-out") (siehe Rz 2318 f),
  • LIFO-Bewertung ("last-in-first-out") (siehe Rz 2320 f).
2138

Wirtschaftsgüter des Sachanlagevermögens sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe können unter der Voraussetzung, dass

  • sie regelmäßig ersetzt werden,
  • ihr Gesamtwert von untergeordneter Bedeutung ist,
  • ihr Bestand voraussichtlich nach Größe, Wert und Zusammensetzung nur geringen Schwankungen unterliegt,

mit einem gleich bleibenden Wert (Festwert) angesetzt werden. Dieser Wert ist zumindest alle fünf Jahre durch eine körperliche Bestandsaufnahme zu überprüfen. Bei wesentlichen Mengenänderungen ist der Wert entsprechend anzupassen.

2139

Die Durchschnittspreisverfahren können auf Gruppen gleichartiger Wirtschaftsgüter des Finanzanlage- und Vorratsvermögens, des Weiteren auf Umlaufwertpapiere angewendet werden. Für andere bewegliche Wirtschaftsgüter sind die Durchschnittspreisverfahren nur bei Gleichartigkeit oder annähernder Gleichwertigkeit zulässig.

Die Verbrauchsabfolgeverfahren betreffen Gruppen gleichartiger Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens.

Hinsichtlich der Unzulässigkeit von Sammelabschreibungen und Sammelwertberichtigungen siehe Rz 2372 f.

Zur Unzulässigkeit der Bildung von Pauschalrückstellungen siehe Rz 3319.

6.2.2.6 Realisationsprinzip

2140

Dem Zeitpunkt der Gewinnverwirklichung kommt im Hinblick auf das Wesen der Abschnittsbesteuerung eine besondere Bedeutung zu. Es gilt, dass Wirtschaftsgüter solange mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw. dem (niedrigeren) Teilwert anzusetzen sind, bis durch einen Umsatzakt der Mehrwert realisiert wird (VwGH 18.1.1994, 90/14/0124). Dies ist regelmäßig der Fall, wenn das Wirtschaftsgut durch Übergang des wirtschaftlichen Eigentums aus dem Betriebsvermögen ausscheidet.

2141

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben für Wirtschaftsgüter mit biologischem Wachstum (siehe Rz 2301 ff).

2142

Ohne Umsatzakt kommt es hinsichtlich von Wirtschaftsgütern durch die Entnahme (ua. bei Betriebsveräußerung), die Überführung ins Ausland und ggf. durch den Wechsel der Gewinnermittlungsart zur Gewinnrealisierung.

Bezüglich des Zeitpunkts der Gewinnverwirklichung siehe Rz 2153 ff.

6.2.2.7 Grundsatz des Wertzusammenhangs

2143

Es ist zwischen

  • dem eingeschränkten Wertzusammenhang und
  • dem uneingeschränkten Wertzusammenhang

zu unterscheiden.

2144

Dem eingeschränkten Wertzusammenhang zufolge darf eine in den Vorjahren vorgenommene Teilwertabschreibung wieder rückgängig gemacht werden (Zuschreibungswahlrecht). Diese Aufwertung ist mit den ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw. dem ursprünglichen Einlagewert des jeweiligen Wirtschaftsguts begrenzt. Dieser Grundsatz ist bei der Bewertung des nicht abnutzbaren Anlagevermögens und des Umlaufvermögens zu beachten. Bei der Bewertung von Verbindlichkeiten gilt dieser Grundsatz sinngemäß.

2145

Die Aufwertung ist nur in jenem Jahr zulässig, in dem der Teilwert gestiegen ist. Damit können bilanzmäßig ausgewiesene, nicht verwirklichte Verluste wieder rückgängig gemacht werden (VwGH 18.5.1971, 1582/69). Die Aufwertung ist nur in der Schlussbilanz, also erfolgswirksam zulässig (VwGH 30.10.1951, 1168/49).

2146

Der Ansatz von Zwischenwerten ist nicht zulässig, weil die ansonsten unbeschränkte Anzahl möglicher Wertausweise eine Verletzung des Grundsatzes der Bilanzwahrheit darstellt. Auch hinsichtlich des Grundsatzes der Periodisierung besteht das Wahlrecht nur darin, den niedrigeren Wert beizubehalten oder den höheren Teilwert, höchstens die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten anzusetzen.

Ausnahmen vom Zuschreibungswahlrecht bestehen in folgenden Fällen:

  • Beteiligungen gemäß § 228 Abs. 1 HGB: Diese sind mit dem höheren Teilwert anzusetzen, soweit handelsrechtlich eine Zuschreibung geboten ist (§ 6 Z 13 EStG 1988; siehe Rz 2574 ff).
  • Im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 5 Abs. 1 EStG 1988 gilt für Verbindlichkeiten das Wahlrecht zur Wertbeibehaltung.

Zu Passivposten siehe Rz 2439 ff.

2147

Der uneingeschränkte Wertzusammenhang normiert ein Zuschreibungsverbot für Wirtschaftsgüter des abnutzbaren Anlagevermögens. Der letzte Bilanzansatz darf nicht überschritten werden. Ein Verharren auf dem Wert des letzten Bilanzansatzes bis zur Wertangleichung durch Gebrauch oder Zeitablauf ist im Hinblick auf die Verpflichtung zur Vornahme der AfA nicht zulässig (VwGH 30.9.1960, 0262/58).

2148

Eine Ausnahme von der Anwendung des uneingeschränkten Wertzusammenhangs besteht für

  • gemäß § 208 Abs. 1 HGB gebotene Zuschreibungen (abnutzbares Anlagevermögen) und
  • handelsrechtlich zulässige Zuschreibungen (beispielsweise gemäß § 13 EStG 1988 gebildete Bewertungsreserven).

Diese erhöhen den steuerlichen Wertansatz und den steuerlichen Gewinn im jeweiligen Jahr. Im Hinblick auf § 208 Abs. 2 HGB ist in beiden Fällen von einem Zuschreibungswahlrecht in der Handelsbilanz auszugehen. Es gilt der Grundsatz der Maßgeblichkeit (siehe Rz 433 f). Beanspruchen dürfen dieses Wahlrecht alle Steuerpflichtigen, die handelsrechtliche Jahresabschlüsse legen, unabhängig von der Art der betrieblichen Einkünfte. Dazu gehören:

  • nicht protokollierte Kaufleute iSd § 1 HGB,
  • gewerbliche Unternehmen iSd § 2 HGB (bspw. eingetragene Schein-Erwerbsgesellschaften),
  • protokollierte Personenhandelsgesellschaften, deren Mitunternehmer Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielen und
  • protokollierte land- und forstwirtschaftliche Nebenbetriebe.

6.2.3 Handelsrechtliche Bewertungsgrundsätze

6.2.3.1 Verhältnis zum Steuerrecht

2149

Neben den steuerrechtlichen Bewertungsgrundsätzen (siehe Rz 2126 ff) gelten im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 5 Abs. 1 EStG 1988 zusätzlich die Bewertungsgrundsätze des Handelsrechts. Sie sind unbedingt bei der steuerlichen Gewinnermittlung zu beachten, soweit ihnen nicht zwingende steuerliche Vorschriften entgegenstehen. Damit werden in vielen Bereichen die Wahlrechte, die bei der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 gelten, durch die engeren Regeln des Handelsrechts für die Gewinnermittlung gemäß § 5 Abs. 1 EStG 1988 eingeschränkt. Der Unterschied betrifft im Wesentlichen:

  • Rechnungsabgrenzungen,
  • Rückstellungen,
  • Teilwertabschreibungen,
  • Zuschreibungen.

6.2.3.2 Imparitätsprinzip

2150

Erkennbare Risken und drohende Verluste, die im jeweiligen oder in einem vorangegangenen Wirtschaftsjahr entstanden sind, müssen bereits vor ihrer Realisierung berücksichtigt werden. Dies drückt sich aus durch

  • das unbedingte Niederstwertprinzip im Bereich des Umlaufvermögens,
  • das bedingte Niederstwertprinzip im Bereich des Anlagevermögens,
  • das unbedingte Höchstwertprinzip bei den Verbindlichkeiten und
  • das Ansatzgebot für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften.
2151

Ein gegenüber den Anschaffungs- oder Herstellungskosten gesunkener Teilwert ist bei der Bewertung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens ohne Einschränkung anzusetzen (unbedingtes Niederstwertprinzip).

Eine Teilwertabschreibung bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens hängt von der voraussichtlichen Dauerhaftigkeit der Wertminderung ab. Unter dieser Voraussetzung ist sie jedoch zwingend vorzunehmen (bedingtes Niederstwertprinzip). Für das Finanzanlagevermögen darf ein niedrigerer Teilwert auch dann gewählt werden, wenn die Wertminderung voraussichtlich nur vorübergehend ist (gemildertes Niederstwertprinzip).

2152

Verbindlichkeiten sind zwingend mit dem höchsten von mehreren zulässigen Werten anzusetzen (unbedingtes Höchstwertprinzip).

Drohende Verluste aus schwebenden Geschäften sind als Rückstellung auszuweisen, soweit diese nicht bereits bei der Bewertung anderer Wirtschaftsgüter eingeflossen sind (zB durch retrograde Bewertung).