Richtlinie des BMF vom 10.12.2020, 2020-0.806.882 gültig von 10.12.2020 bis 29.11.2021

UStR 2000, Umsatzsteuerrichtlinien 2000

Die Umsatzsteuerrichtlinien 2000 stellen einen Auslegungsbehelf zum Umsatzsteuergesetz 1994 dar, der im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise mitgeteilt wird. Die Umsatzsteuerrichtlinien sind als Zusammenfassung des geltenden Umsatzsteuerrechts und somit als Nachschlagewerk für die Verwaltungspraxis und die betriebliche Praxis anzusehen.
  • 6. Steuerbefreiungen (§ 6 UStG 1994)
  • 6.1. Steuerbefreiungen
  • 6.1.8. Geld- und Kapitalverkehr

6.1.8.4. Umsätze im Geschäft mit Geldforderungen

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Auch die Vermittlung der Umsätze von Geldforderungen (§ 6 Abs. 1 Z 8 lit. c UStG 1994) ist in die Steuerbefreiung einbezogen. Befreit sind ua. auch die Optionsgeschäfte mit Geldforderungen. Gegenstand dieser Optionsgeschäfte ist das Recht, bestimmte Geldforderungen innerhalb einer bestimmten Frist zu einem festen Kurs geltend zu machen oder veräußern zu können. Unter die Steuerbefreiung fallen auch die Optionsgeschäfte mit Devisen.

Von der Befreiung ausdrücklich ausgenommen sind die Umsätze aus der Einziehung von Forderungen, das sind finanzielle Transaktionen, die darauf gerichtet sind, die Erfüllung einer Geldschuld zu erwirken (EuGH 26.06.2003, Rs C-305/01, MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring GmbH). Die Einziehung kann sich auch auf Forderungen beziehen, die noch nicht fällig sind, und muss nicht die Ergreifung von Zwangsmaßnahmen zum Zweck der Befriedigung der zu betreibenden Schulden umfassen (vgl. EuGH 28.10.2010, Rs C-175/09, AXA UK plc). Zur umsatzsteuerlichen Behandlung des Factoring siehe Rz 8 sowie Rz 757.

Mit der Forderungseinziehung untrennbar verbundene Dienstleistungen (zB Besorgung bestimmter Zahlungsdienstleistungen) stellen unselbstständige Nebenleistungen dar.

Überträgt eine Bank im Wege einer stillen Zession ihre Kreditforderungen im Innenverhältnis einem Dritten und betreibt sie in der Folge - gegen eine vom Dritten bezahlte Provision - weiterhin im eigenen Namen die Verwaltung und Einziehung dieser Kreditforderungen, so ist diese Provision nicht steuerbar (VwGH 29.02.2012, 2008/13/0068; siehe auch Rz 638g).

6.1.8.5. Umsätze von inländischen amtlichen Wertzeichen

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Amtliche Wertzeichen sind auch Briefmarken, die von einem Universalpostdienstbetreiber aufgrund seiner Berechtigung gemäß § 18 Abs. 2 Postmarktgesetz, BGBl. I Nr. 123/2009, ausgegeben werden, die als Zeichen für die Entrichtung von Entgelten für Postdienste gelten und auf denen der Zusatz "Österreich" oder "Republik Österreich" angebracht ist. Der Verkauf derartiger Briefmarken zum aufgedruckten Wert ist nicht nur dann gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. d UStG 1994 steuerfrei, wenn er durch den Universaldienstbetreiber erfolgt, sondern auch bei Verkäufen durch andere Unternehmer, die Briefmarken im eigenen Namen verkaufen (zB Trafikanten).

Werden die Wertzeichen mit Aufschlägen zum aufgedruckten Wert gehandelt (Aufgeld), kommt die Befreiungsbestimmung des § 6 Abs. 1 Z 8 lit. d UStG 1994 nicht zur Anwendung; der Umsatz ist dann insgesamt (das gesamte Entgelt) steuerpflichtig. Werden die Briefmarken hingegen zu einem Preis veräußert, der unter ihrem aufgedruckten Wert liegt, so fallen diese Umsätze unter die angeführte Steuerbefreiung.

6.1.8.6. Umsätze im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr

762

Die Befreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. e UStG 1994 umfasst auch die Vermittlung der Umsätze.

6.1.8.6.1. Einlagengeschäft
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Das Einlagengeschäft besteht nach § 1 Abs. 1 Z 1 Bankwesengesetz in der Entgegennahme fremder Gelder zur Verwaltung oder als Einlage. Zu den Umsätzen im Einlagengeschäft gehören ua. Überweisungsgebühren, Gebühren für Kontoabschriften und Kontoauszüge, Kontoauflösungsgebühr, Gebühren für Sperrungen und Stichworte oder für den Einzug von Spareinlagen, Verkauf von Heimsparbüchsen und sonstige mittelbar mit dem Einlagengeschäft zusammenhängende Umsätze.

6.1.8.6.2. Kontokorrentverkehr einschließlich Zahlungs- und Überweisungsverkehr
764

Die Anwendung der Befreiung setzt nicht voraus, dass die darunterfallenden Finanzgeschäfte von Banken oder Kreditinstituten erbracht werden müssen. Die Befreiung ist unabhängig vom Erbringer oder Empfänger der Leistung, sondern richtet sich vielmehr nach der Art der erbrachten Dienstleistungen (vgl. VwGH 20.2.2019, Ro 2018/13/0017, sowie EuGH 25.7.2018, Rs C-5/17, DPAS Ltd.).

Die Überweisung ist ein Vorgang, der in der Ausführung eines Auftrags zur Übertragung einer Geldsumme von einem Bankkonto auf ein anderes besteht und dadurch charakterisiert ist, dass sie zu einer Änderung der bestehenden rechtlichen und finanziellen Situation zwischen dem Auftraggeber und dem Empfänger auf der einen Seite und zwischen diesen und ihren jeweiligen Banken auf der anderen Seite sowie gegebenenfalls zwischen den Banken führt. Der Vorgang, der zu dieser Änderung führt, ist allein die Übertragung der Gelder zwischen den Konten, unabhängig von deren Grund. Da die Überweisung nur ein Mittel zur Übertragung der Gelder ist, sind die funktionellen Aspekte für die Frage entscheidend, ob ein Vorgang eine Überweisung im Sinne dieser Bestimmung darstellt. Eine Überweisung kann durch eine tatsächliche Übertragung von Geldern oder durch Buchungsvorgänge vorgenommen werden (VwGH 20.2.2019, Ro 2018/13/0017, mwV). Da ein Überweisungsvorgang aus verschiedenen gesonderten Dienstleistungen bestehen kann, können auch Umsätze Dritter steuerfreie Umsätze im Überweisungsverkehr darstellen, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sind, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Überweisung erfüllt und damit die Übertragung von Geldern bewirkt und zu rechtlichen und finanziellen Änderungen führt (vgl. in diesem Sinne EuGH 5.6.1997, Rs C-2/95, SDC, Rn 66 bis 68, sowie EuGH 26.5.2016, Rs C-607/14, Bookit Ltd., Rn 40).

Nicht befreit sind Umsätze aus rein materiellen, administrativen oder technischen Leistungen, aus Beratungsleistungen oder aus Dienstleistungen, die in der Beschaffung und Weitergabe von Informationen bestehen, durch Unternehmer, die nicht unmittelbar die Übertragung der Gelder bewirken, auch wenn diese die Voraussetzung für eine spätere Zahlungsanordnung bzw. einen späteren Überweisungsvorgang schaffen. Zur Abgrenzung zwischen steuerpflichtigen und steuerfreien Leistungen ist insbesondere der Umfang der Verantwortung bzw. Haftung des Dienstleistungserbringers (Beschränkung auf rein technische bzw. administrative Aspekte oder Erstreckung auf die spezifischen und wesentlichen Funktionen des Übertragungsprozesses der Gelder) entscheidend (vgl. VwGH 20.2.2019, Ro 2018/13/0017, mit Verweis auf EuGH 25.7.2018, Rs C-5/17, DPAS Ltd., Rn 36).

Ein Unternehmer, der Übertragungen oder die Verbuchung in den betreffenden Bankkonten nicht selbst vornimmt, sondern nur Kreditinstitute anweist, diese Übertragungen vorzunehmen, erbringt nur eine Vorstufe zum Umsatz im Überweisungs- oder Zahlungsverkehr (vgl. VwGH 20.2.2019, Ro 2018/13/0017, mit Verweis auf EuGH 25.7.2018, C-5/17, DPAS Ltd., Rn 40 bis 42).

Die gleichen Grundsätze gelten auch für Umsätze im Zahlungsverkehr.

Zu Zahlungsdienstleistungen als unselbstständige Nebenleistungen siehe Rz 348.

764a

Als steuerfreie Umsätze sind unter den in Rz 764 genannten Voraussetzungen anzusehen: Buchungsgebühren, Scheckgebühren, Gebühren für Kontoauszüge, Überweisungsgebühren, Bankomat- und Kreditkartengebühren, der Firmeneindruck auf Zahlungs- und Überweisungsvordrucken, Gebühren für Daueraufträge und Lastschriftanzeigen.

Unter den Zahlungs- und Überweisungsverkehr fällt ua. die Lieferung von Formularen, die Vornahme von Buchungen, die Entgegennahme von Barbeträgen und ihre Weiterleitung, die Weiterleitung von Geldbeträgen im Verrechnungsweg, die Verwaltung von Daueraufträgen und Abbuchungsaufträgen.

764b

Nicht unter die Befreiung fallen insbesondere Umsätze aus der Erbringung

  • von Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Geldausgabeautomaten, die darin bestehen, diese Automaten aufzustellen und zu warten, sie mit Bargeld zu befüllen und mit Hard- und Software zum Einlesen der Geldkartendaten auszustatten, Autorisierungsanfragen wegen Bargeldabhebungen an die Bank weiterzuleiten, die die verwendete Geldkarte ausgegeben hat, die gewünschte Bargeldauszahlung vorzunehmen und einen Datensatz über die Auszahlungen zu generieren (vgl. EuGH 3.10.2019, Rs C-42/18, Cardpoint GmbH),
  • eines Bündels an Dienstleistungen iZm Kreditkartenzahlungen und Auszahlungen via Geldautomaten, die im Wesentlichen der Erstellung von den jeweiligen Vertragspartnern (Banken und Händlern) zur Verfügung gestellten Abrechnungsdateien dienen (vgl. VwGH 20.2.2019, Ro 2018/13/0017),
  • von Dienstleistungen iZm der Abwicklung von Zahlungen im Rahmen von "Zahnbehandlungsplänen", die darin bestehen, dass der Unternehmer die betreffenden Kreditinstitute zum einen anweist, auf der Grundlage einer Einzugsermächtigung eine Geldsumme vom Bankkonto eines Patienten auf das des Unternehmers zu überweisen, und zum anderen, diese Summe anschließend nach Abzug der dem Unternehmer geschuldeten Vergütung von dessen Bankkonto auf die jeweiligen Bankkonten des Zahnarztes und des Versicherers des Patienten zu überweisen (vgl. EuGH 25.7.2018, Rs C-5/17, DPAS Ltd.),
  • von Dienstleistungen zur lediglich technischen Bearbeitung von Schecks, Überweisungen und Lastschriften im Rahmen der Abwicklung des "beleghaften" Zahlungs- und Überweisungsverkehrs durch ein Kreditinstitut im Auftrag eines anderen Kreditinstituts (maschinelle bzw. händische Erfassung der sich auf den übergebenen Überweisungsträgern befindlichen Daten, Kontrolle der erfassten Daten, ggf. Ergänzung und Korrektur bei unvollständiger oder fehlerhafter Erfassung und schließlich Weiterleitung an ein Rechenzentrum zur Weiterbearbeitung; bei auch nur möglichen inhaltlichen Fehlern Rückgabe der Belege an den Auftraggeber; vgl. BFH 16.11.2016, XI R 35/14),
  • von bestimmten Informationsdienstleistungen zum Zwecke der Abwicklung von Debit- oder Kreditkartenzahlungen von Kinokarten (vgl. EuGH 26.5.2016, Rs C-607/14, Bookit Ltd.),
  • von Dienstleistungen im Bereich der elektronischen Nachrichtenübermittlung, mit denen Zahlungsanweisungen in geschützter und zuverlässiger Weise von einem Finanzinstitut an das andere übermittelt werden und deren einziger Zweck in der Übertragung von Daten besteht (vgl. EuGH 28.7.2011, Rs C-350/10, Nordea Pankki Suomi).
6.1.8.6.3. Inkasso von Handelspapieren
765

Handelspapiere sind Wechsel, Schecks, Quittungen oder ähnliche Dokumente im Sinne der "Einheitlichen Richtlinien für das Inkasso von Handelspapieren" der Internationalen Handelskammer. Nicht als Handelspapiere gelten Karten, die die Inanspruchnahme einer bestimmten Anzahl von Waren oder Dienstleistungen zu Vorzugsbedingungen ermöglichen (EuGH 12.6.2014, Rs C-461/12, Granton Advertising BV). Für die Steuerfreiheit des Inkassogeschäftes ist es gleichgültig, ob die einzuziehende Forderung förmlich "abgetreten" wird oder nur "zum Inkasso" übergeben wird, ob also das Kreditinstitut im eigenen Namen oder im Namen des Inkassoauftraggebers einzieht.