Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis des BFG vom 09.01.2023, RV/7100084/2022
Keine Aussetzung der Einhebung für ein Revisionsverfahren

Rechtssätze

Keine Rechtssätze vorhanden

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 4. Jänner 2021 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom 30. November 2020 betreffend Aussetzung § 212a BAO 2020 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei am 16.12.2022 in Anwesenheit des Beschwerdeführers und von HR Mag. Christian Schneider und Mag. Peter Wilhelm für das Finanzamt zur Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Vorverfahren / Antrag

Mit Schreiben, das mit 17.11.2020 datiert ist, langte beim Finanzamt Wien 1/23 (nunmehr: Finanzamt Österreich; belangte Behörde) am 18.11.2020 eine Beschwerde gegen einen Bescheid vom 14.10.2020 ein, mit dem ein Ablauf einer Aussetzung der Einhebung verfügt wurde.

Im Anschluss an diese Beschwerde, in welcher vorgebracht wurde, dass der Ablauf der Aussetzung zu Unrecht verfügt wurde, weil hinsichtlich jenes Rechtsmittelverfahrens, das der Grund für die Aussetzung der Einhebung war, eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben wurde, wurde ein Eventualantrag auf erneute Aussetzung der Einhebung gestellt. Der Antrag lautet:
"Für den Fall der Abweisung der gegenständlichen Beschwerde, beantrage ich neuerlich die Aussetzung der Einhebung gem § 212a BAO vor. Die Beschwerdeführerin hätte durch den sofortigen Vollzug des Bescheides einen gravierenden wirtschaftlichen Nachteil zu befürchten und stellt daher, insbesondere da auch Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen und die außerordentliche Revision anhängig ist, einen

Antrag gemäß § 212 a BAO auf Aussetzung der Einbringung der Abgabenschuld bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Beschwerde

Beweis: Einvernahme des Beschwerdeführers"

Bescheid

Mit Bescheid vom 30.11.2020 hat das Finanzamt den Antrag zurückgewiesen. Die Begründung dazu lautet:
"Zum Sachverhalt auf die Begründung in der Beschwerdevorentscheidung vom 30.11.2020, Satz 1 und 3, zu verwiesen. Mit Anbringen vom 18.11.2020 hat der Einschreiter (neuerlich) die Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO beantragt.

Die Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung von Abgaben setzt schon nach dem Gesetzeswortlaut des § 212a BAO voraus, dass eine dem Aussetzungsantrag zugrunde liegende Beschwerde noch anhängig ist. Ab dem Zeitpunkt der Beschwerdeerledigung kommt die Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung nicht mehr in Betracht (so z.B. VwGH 3.10.1996, 96/16/0200; vgl. auch VwGH 6.7.2006, 2006/15/0193). Über die dem Aussetzungsantrag zugrundeliegende Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 13.10.2020, RV/7105908/2018, bereits abgesprochen.

Es besteht keine gesetzliche Grundlage dafür, die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO wegen der Erhebung einer Bescheidbeschwerde vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts über den Zeitpunkt der Erlassung der das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung hinaus auszudehnen (vgl. dazu auch Ritz, BAO6 Tz 28, mit zahlreichen Hinweisen auf die hg. Rsp.).

Die Aussetzung der Einhebung dient dem Ziel der faktischen Effizienz von Beschwerden, nicht von Revisionen an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts. Der faktischen Effizienz derartiger Revision dienen die Bestimmungen der §§ 30 VwGG und § 85 VfGG, wonach die Gerichtshöfe den Revisionen aufschiebende Wirkung zuerkennen können. Diese Bestimmungen wären überflüssig, würde man eine Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO auch bei Vorliegen von Revisionen an den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof für zulässig erachten.

Abgesehen davon widerspräche eine solche Rechtsansicht dem klaren Wortlaut der Bestimmung des § 212a BAO, die eine anhängige Beschwerde voraussetzt. Im gegenständlichen Fall liegt jedoch kein offenes Beschwerdeverfahren mehr vor, das allein nach § 212a BAO die Aussetzung der Abgabeneinhebung ermöglichen würde (VwGH 31.7.2002, 2002/13/0136). Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

Beschwerde

Am 4.1.2021 langte die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 30.11.2020 beim Finanzamt per Fax ein. Die Beschwerde lautet:
"In umseits bezeichneter Abgabensache erstattet der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 über die Zurückweisung des Antrags vom 13. November 2020 gemäß § 212a BAO, dem Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt am 4. Dezember 2020 binnen offener Frist von einem Monat nachstehende

Beschwerde

Der Bescheid wird seinem ganzen Inhalt nach bekämpft und zwar aus dem Beschwerdegrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung.

Die belangte Behörde begründet den bekämpften Bescheid damit, dass auf Grund des Erkenntnisses des BFG vom 13. Oktober 2020 zu GZ RV/7105908/2015 die Beschwerde erledigt sei.

Gem § 212a Abs 1 BAO ist auf Antrag des Abgabepflichtigen die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

Nach dem insoweit keinen Zweifel offen lassenden Wortlaut der Vorschrift des § 212a BAO ist der Ablauf der Aussetzung anlässlich einer das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung, die über eine Beschwerde im Sinne des Abs 1 ergeht, zu verfügen (vgl. dazu die ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beispielsweise VwGH 30.6.1994, 94/15/0056, VwGH 20.2.1996, 94/13/0266, VwGH 27,5.1998, 98/13/0044, VwGH 28.5.2002, 96/14/0157; VwGH 25.11.2002, 2002/14/0126; VwGH 7.8.2003, 2000/16/0573).

Eine abschließende Erledigung ist bis dato noch nicht erfolgt, da gegen die Beschwerdeentscheidung des BFG vom 13. Oktober 2020 am 11. November 2020 zur Einbringung einer außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof ein Verfahrenshilfeantrag eingebracht gestellt wurde. Die Entscheidung des BFG ist daher noch nicht rechtskräftig.

Bescheinigung: Verfahrenshilfeantrag vom 11.11.2020, Beilage (./1)

Solange über die Beschwerde jedoch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, kann die - bekämpfte - Abgabenschuld nicht rechtskräftig eingehoben werden. Demgemäß liegen die Voraussetzungen für den Ausspruch über den Ablauf der Aussetzung der Einhebung nicht vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen auf das bisherige Vorbringen verwiesen.

Aus all diesen Gründen stellt der Beschwerdeführer nachstehende

Beschwerdeanträge:

Das Beschwerdegericht möge der Beschwerde Folge geben, eine Beschwerdeverhandlung anberaumen und

1. den angefochtenen Bescheid abändern, in der Sache selbst entscheiden und dem Antrag stattgeben

in eventu

2. den angefochtenen Bescheid aufheben und der ersten Instanz eine neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung - wie aufgezeigt - auftragen."

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 27.1.2021 hat die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und in der Begründung festgehalten:
"Mit Bescheid vom 30.11.2020 hat das Finanzamt Wien 1/23 den Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO vom 18.11.2020 zurückgewiesen.

Gemäß § 212a BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

Da im gegenständlichen Fall (nach Ergehen des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes vom 13.10.2020) kein offenes Beschwerdeverfahren mehr vorliegt, das allein nach § 212a BAO die Aussetzung der Abgabeneinhebung ermöglichen würde (VwGH 31.07.2002, 2002/13/0136) erging der Zurückweisungsbescheid vom 30.11.2020 zu Recht. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Bemerkt wird, dass eine allfällige (außerordentliche) Revision nicht vor einer Abgabenbehörde geführt wird, und eine Aussetzung der Einhebung in einem solchen Verfahren nicht zulässig ist."

Vorlageantrag

Mit Faxnachricht vom 1.3.2021 stellte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag und brachte ergänzend wie folgt vor:
"Die belangte Behörde führt in der Begründung der bekämpften Beschwerdevorentscheidung aus, dass kein offenes Beschwerdeverfahren mehr vorläge, dass eine Aussetzung der Abgabeneinhebung nach § 212a BAO ermöglichen würde. Begründend führt die belangte Behörde das Erkenntnis des VwGH vom 31. Juli 2002 zu GZ 2002/13/0136 an.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die geltende Rechtslage zur Zeit des von der belangten Behörde zitierten VwGH-Erkenntnisses im Gegensatz zur heutigen Rechtslage keine meritorische Entscheidungsbefugnis des VwGH vorsah und daher die Voraussetzungen des verfahrensgegenständlichen Rechtsfalles andere sind als jene, die der damaligen Entscheidung zu Grunde lagen.

Die belangte Behörde übersieht auch, dass der Beschwerdeführer im Zuge der eingebrachten außerordentlichen Revision Ra 2020/13/0100 gegen das Erkenntnis des BFG vom 13. Oktober 2020, GZ RV/7105908/2018 an den VwGH einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG stellen kann. Bei positiver Erledigung dieses Antrags wäre die Rechtskraft des bekämpften Erkenntnisses noch nicht eingetreten.

Beweis: wie bisher

Aus all diesen Gründen beantragt der Beschwerdeführer wie bisher und die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht."

Nachreichung

Am 22.4.2022 hat die belangte Behörde den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 22.3.2022, Ra 2020/13/0100, mit dem die Revision gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 13.10.2020, RV/7105908/2018 zurückgewiesen wurde, dem Bundesfinanzgericht übermittelt.

Am 29.6.2022 hat die belangte Behörde ein Edikt des Bezirksgerichts Floridsdorf, mit dem das Schuldenregulierungsverfahren eingeleitet wurde, übermittelt.

Mündliche Verhandlung

Der Beschwerdeführer ergänzte die schriftlichen Ausführungen dahingehend, dass sein Rechtsanwalt aus der Rechtsanwaltskammer ausgeschlossen wurde und er sich keinen neuen Rechtsanwalt leisten könne. Er sei in der Zwischenzeit krank geworden und musste in Konkurs gehen. Dazu wurde auch ein Beschluss des BG Floridsdorf über die Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens und ein dazugehöriges Vermögensverzeichnis zur Einsichtnahme vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 13.10.2020, GZ. RV/7105908/2018 wurde über ein Rechtsmittel des Beschwerdeführers entschieden. Im Anschluss daran hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 14.10.2020 den Ablauf der Aussetzung der Einhebung verfügt.

Im Anschluss an die Beschwerde vom 17.11.2020, die sich gegen einen Ablauf der Aussetzung der Einhebung wendet, findet sich ein Eventualantrag, mit dem eine erneute Aussetzung der Einhebung jenes Betrages begehrt wird, der vom zuvor bekämpften Ablauf der Aussetzung der Einhebung umfasst ist. Der erneute Antrag auf Aussetzung der Einhebung wurde von der belangten Behörde zurückgewiesen.

Gegen die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts vom 13.10.2020, GZ. RV/7105908/2018 wurde eine Revision eingebracht. Mit Beschluss vom 22.3.2022, Ra 2020/13/0100 hat der Verwaltungsgerichtshof die Revision zurückgewiesen.

Strittig ist, ob die Zurückweisung zu recht erfolgte.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 13.10.2020, RV/7105908/2018 gründen sich auf dieses Erkenntnis, in das Einsicht genommen wurde. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer eine Revision erhoben hat, gründet sich einerseits auf die Angaben des Beschwerdeführers und andererseits ist diese Tatsache gerichtsbekannt, zumal das angefochtene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts in der Findok in anonymisierter Form veröffentlicht wurde und sich dort auch ein Hinweis auf das Revisionsverfahren findet.

Die Feststellungen zum Bescheid über den Ablauf der Aussetzung der Einhebung vom 14.10.2020 gründen sich auf die Einsichtnahme in diesen Bescheid, der auch der angefochtene Bescheid in der Beschwerdevorlage zur Geschäftszahl RV/7100085/2022 ist.

Die Feststellung zum Beschluss des VwGH 22.3.2022, Ra 2020/15/0100 gründet sich auf eine Einsichtnahme in diese Erledigung.

Die Feststellungen zum Eventualantrag und der dazugehörigen Erledigung durch die belangte Behörde gründen sich auf das Vorbringen des Beschwerdeführers und die vorgelegten Akten der belangten Behörde.

Darüber hinaus ergeben sich die Sachverhaltsfeststellungen unstrittig aus der Aktenlage und werden vom Bundesfinanzgericht als erwiesen angenommen.

Rechtslage

§ 212a BAO lautet:

§ 212a. (1) Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

(2) Die Aussetzung der Einhebung ist nicht zu bewilligen,
a) soweit die Beschwerde nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint, oder
b) soweit mit der Bescheidbeschwerde ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er nicht von einem Anbringen des Abgabepflichtigen abweicht, oder
c) wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist.

(2a) Ungeachtet einer nicht erfolgten oder nicht zu bewilligenden Aussetzung der Einhebung gemäß Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ist auf Antrag des Abgabepflichtigen die Einhebung der Abgabe in der sich aus dem Bescheid gemäß § 48 Abs. 1 ergebenden Höhe auszusetzen. Dem Antrag ist der Bescheid gemäß § 48 Abs. 1 beizulegen.

(2b) Der Antrag auf Aussetzung der Einhebung ist zurückzuweisen, wenn
1. keine Beschwerde eingebracht wurde,
2. der Bescheid keine Nachforderung im Sinne des Abs. 1 ausweist,
3. er nach Ergehen einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Beschwerdeverfahren eingebracht wird oder
4. zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Insolvenzverfahren anhängig ist.

(3) Anträge auf Aussetzung der Einhebung können bis zur Entscheidung über die Bescheidbeschwerde (Abs. 1) gestellt werden. Sie haben die Darstellung der Ermittlung des gemäß Abs. 1 für die Aussetzung in Betracht kommenden Abgabenbetrages zu enthalten. Weicht der vom Abgabepflichtigen ermittelte Abgabenbetrag von dem sich aus Abs. 1 ergebenden nicht wesentlich ab, so steht dies der Bewilligung der Aussetzung im beantragten Ausmaß nicht entgegen.

(4) Die für Anträge auf Aussetzung der Einhebung geltenden Vorschriften sind auf Bescheidbeschwerden gegen die Abweisung derartiger Anträge und auf solche Beschwerden betreffende Vorlageanträge (§ 264) sinngemäß anzuwenden.

(5) Die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung besteht in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf (§ 294). Der Ablauf der Aussetzung ist anlässlich einer (eines) über die Beschwerde (Abs. 1) ergehenden
a) Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder
b) Erkenntnisses (§ 279) oder
c) anderen das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung

zu verfügen. Die Verfügung des Ablaufes anlässlich des Ergehens einer Beschwerdevorentscheidung schließt eine neuerliche Antragstellung im Fall der Einbringung eines Vorlageantrages nicht aus.

Wurden dem Abgabepflichtigen für einen Abgabenbetrag sowohl Zahlungserleichterungen (§ 212) als auch eine Aussetzung der Einhebung bewilligt, so tritt bis zum Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf der Zahlungsaufschub auf Grund der Aussetzung ein.

(5a) Der Ablauf der nach Abs. 2a bewilligten Aussetzung der Einhebung ist anlässlich des Bescheides gemäß § 48 Abs. 2 oder 3 zu verfügen.

(6) Wurde eine Abgabenschuldigkeit durch die Verwendung von sonstigen Gutschriften (§ 213 Abs. 1) oder Guthaben (§ 215 Abs. 4) gänzlich oder teilweise getilgt, so sind, falls dies beantragt wurde, die getilgten Beträge in die Bewilligung der Aussetzung der Einhebung einzubeziehen, wenn die Tilgung
a) vor Fälligkeit der Abgabenschuldigkeit oder
b) vor Ablauf einer sonst für ihre Entrichtung gemäß § 210 Abs. 2 zustehenden Frist oder
c) bei später als einen Monat vor ihrer Fälligkeit festgesetzten Abgaben vor Ablauf eines Monats ab Bekanntgabe des maßgeblichen Bescheides oder
d) nach Einbringen des Antrages auf Aussetzung oder
e) innerhalb eines Monats vor Ablauf der Frist des Abs. 7
erfolgte.

(7) Für die Entrichtung einer Abgabe, deren Einhebung ausgesetzt wurde, steht dem Abgabepflichtigen eine Frist bis zum Ablauf eines Monats ab Bekanntgabe des Bescheides über den Ablauf der Aussetzung (Abs. 5 oder 5a) oder eines die Aussetzung betreffenden Bescheides gemäß § 294 zu. Soweit einem vor Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist oder während der Dauer eines diese Abgabe betreffenden Zahlungsaufschubes im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz eingebrachten Antrag auf Aussetzung der Einhebung nicht stattgegeben wird, steht dem Abgabepflichtigen für die Entrichtung eine Nachfrist von einem Monat ab Bekanntgabe des den Antrag erledigenden Bescheides zu.

(8) Zur Entrichtung oder Tilgung von Abgabenschuldigkeiten, deren Einhebung ausgesetzt ist, dürfen Zahlungen, sonstige Gutschriften (§ 213 Abs. 1) sowie Guthaben (§ 215 Abs. 4) nur auf Verlangen des Abgabepflichtigen verwendet werden. Hiebei ist § 214 Abs. 4 sinngemäß anzuwenden, wenn bei Bekanntgabe des Verwendungszweckes auf den Umstand der Aussetzung der Einhebung der zu entrichtenden oder zu tilgenden Abgabenschuldigkeit ausdrücklich hingewiesen wurde.

(9) Ab dem Zeitpunkt des Einlangens eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung sind
1. bis zu dessen Ab- oder Zurückweisung oder
2. bei Bewilligung für die Dauer des Zahlungsaufschubes
Aussetzungszinsen in Höhe von zwei Prozent über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr zu entrichten. Im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld bis zur Verfügung des Ablaufes (Abs. 5, Abs. 5a) anlässlich der rechtskräftigen Erledigung der Bescheidbeschwerde (Abs. 1) hat die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen. Aussetzungszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.

Rechtliche Beurteilung

Ein Eventualantrag ist grundsätzlich zulässig. Bei einer solchen Verfahrensgestaltung hat die Behörde über den Primärantrag zu erkennen und nur bei dessen Verneinung über den Eventualantrag zu entscheiden (VwGH 28.11.2007, 2005/15/0134).

Die Abänderungsbefugnis des Verwaltungsgerichts trifft nach dem Wortlaut des Gesetzes den angefochtenen Bescheid. Die Befugnis, "nach jeder Richtung" abzuändern, ist durch die Sache begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der Abgabenbehörde gebildet hat (vgl VwGH 22. 10. 2015, Ra 2015/16/0069).

Liegt der in erster Instanz angenommene Zurückweisungsgrund nicht vor, so hat das Verwaltungsgericht den Zurückweisungsbescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die Behörde über den Antrag unter Abstandnahme von dem zunächst gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden hat (VwGH 27. 8. 2020, Ra 2020/15/0035).

Ein Anbringen ist zurückzuweisen, wenn es unzulässig ist (vgl VwGH 21.12.1970, 1081/69, 1377/79; VwGH 26.6.2003, 2003/16/0030). Zurückzuweisen sind etwa verspätete Anbringen (vgl. VwGH 20.10.1989, 87/17/0275) sowie zu früh eingebrachte Anbringen.

Mit Erkenntnis vom 16.2.2021, RV/7400021/2021 hat das Bundesfinanzgericht eine Beschwerde gegen eine Zurückweisung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung, der zu einem Zeitpunkt eingebracht wurde, als das bezughabende Beschwerdeverfahren bereits abgeschlossen war, abgewiesen. Begründend wurde angeführt, dass dem Wortlaut des § 212a Abs 3 BAO zufolge Aussetzungsanträge von der Einbringung der maßgeblichen Beschwerde bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über diese zulässig sind; bereits daraus folgt, dass Aussetzungsanträge, die nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Beschwerde eingebracht werden, unzulässig sind (vgl auch BFG 24.01.2019, RV/2100019/2019).

Wie der Verwaltungsgerichtshof (siehe zB VwGH 20.2.1996, 94/13/0266, 95/13/0020; VwGH 22.1.2001, 2000/17/0266; VwGH 31.7.2002, 2002/13/0136) und ihm folgend der Unabhängige Finanzsenat bzw. das Bundesfinanzgericht (z.B. UFS 22.4.2008, RV/0709-K/07; UFS 28.7.2008, RV/2707-W/07; BFG 9.1.2020, RV/4100708/2019; BFG 13.1.2020, RV/7104008/2019) wiederholt judiziert haben, besteht keine gesetzliche Grundlage, die Aussetzung der Einhebung von Abgaben wegen einer noch offenen Rechtsmittelfrist für eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde, wegen bei Höchstgerichten anhängigen außerordentlichen Rechtsmitteln oder wegen einem, mit solchen Rechtsmitteln verbundenen Antrag auf Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung, über den Zeitpunkt des Erkenntnisses als abschließende Erledigung auszudehnen. Der bescheidmäßig zu verfügende Ablauf der Aussetzung der Einhebung steht auch nicht im Ermessen der Abgabenbehörde, sondern ist vielmehr zwingend vorzunehmen (siehe dazu z.B. VwGH 20.2.1996, 94/13/0266, 95/13/0020; VwGH 16.12.2009, 2007/15/0294).

Das Vorbringen, es sei beim VwGH ein Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe gestellt worden und dass noch die Möglichkeit bestehe, eine außerordentliche Revision zu erheben, ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Die Aussetzung der Einhebung erstreckt sich nach dem keine andere Deutung zulassenden Wortlaut des § 212a Abs 5 BAO ausschließlich auf das Verwaltungsverfahren. Dieses endet spätestens mit dem Ergehen der Rechtsmittelentscheidung auch dann, wenn diese Entscheidung in der Folge vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes angefochten wird (Ritz/Koran, BAO7, § 212a Tz 28). Eine solche Anfechtung hat jedoch auf die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung keinen Einfluss (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 212a E 84; BFG 24.1.2019, RV/2100019/2019).

Die Erläuterungen (ErläutRV 1534 BlgNR 27. GP, 42) zu § 212a Abs 2b BAO lauten:
"In Abs. 2b sollen Gründe für die Zurückweisung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung statuiert werden, zumal sich in der Praxis gezeigt hat, dass derartige Anträge häufig auch dann eingebracht werden, wenn eine Beschwerde entweder gar nicht eingebracht wurde oder der zugrunde liegende Bescheid keine Nachforderung ausweist; auch kommt es zu Anträgen nach Ergehen einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts, sodass eine Aussetzung der Einhebung in den genannten Fällen von vornherein nicht möglich ist. Ebenso wie bei Zurückweisungen aufgrund Abs. 3 lösen auch solche nach Abs. 2b keine Nachfrist im Sinne des Abs. 7 zweiter Satz aus (vgl. dazu auch RAE 2014, Rz 535)." Die Bestimmung ist mit 1.1.2023 in Kraft getreten.

Nunmehr ist in § 212a Abs 2b BAO ausdrücklich geregelt, dass der Antrag auf Aussetzung der Einhebung ist zurückzuweisen, wenn er nach Ergehen einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Beschwerdeverfahren eingebracht wurde. Verfahrensrechtliche Normen sind in der aktuellen Rechtslage anzuwenden.

Im Falle der Aufhebung eines Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts durch den VfGH tritt die Sache sodann in jene Lage "zurück", in der sie sich vor Erlassung der aufgehobenen Entscheidung befunden hat. Als Folge einer Aufhebung jener Entscheidung eines Verwaltungsgerichts, welche den Anlass für den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung gebildet hatte, durch den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof wäre etwa der Ablaufbescheid gem § 295 Abs 3 BAO aufzuheben (Ritz/Koran, BAO7, § 212a Tz 35 mwN). Da die Revision vom Verwaltungsgerichtshof jedoch zurückgewiesen wurde, scheidet auch diese Möglichkeit aus.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Revisionszulassung

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit dem vorliegenden Erkenntnis weicht das Bundesfinanzgericht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, sondern folgt der in den oben zitierten Erkenntnissen zum Ausdruck gebrachten Judikaturlinie, weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden war.

Wien, am 9. Jänner 2023

Zusatzinformationen

in Findok veröffentlicht am:27.03.2023
Materie:
  • Steuer
betroffene Normen:
Verweise:
ECLI:
  • ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100084.2022
Systemdaten: Findok-Nr: 140120.1
aufgenommen am: 27.03.2023 08:46:49
Dokument-ID: cdc75f8d-b7c7-4892-b669-27d9ad543e97
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